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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ss 268/01 OLG Hamm

Leitsatz: Auch das Tatgericht zweiter Instanz hat § 55 StGB zu beachten. Hieran ist ese nicht durch das Verschlechterungsverbot gehindert.

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: Gesamtstrafenbildung, nachträgliche, Berufungsgericht, Verschlechterungsverbot

Normen: StGB 55, StPO 331

Beschluss: Strafsache gegen K.W.
wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der kleinen Strafkammer des Landgerichts Münster bei dem Amtsgericht Bocholt vom 7. Dezember 2000 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 08.05.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen

Das angefochtene Urteil wird mit den Rechtsfolgenausspruch betreffenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Borken hat den Angeklagten durch Urteil vom 16. August 2000 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen (§ 21 Abs.1 Nr.1 StVG) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von einem Jahr und sechs Monaten keine Fahrerlaubnis zu erteilen.

Nach den getroffenen Feststellungen war dem Angeklagten bereits im Februar 1999 die Fahrerlaubnis im Verwaltungswege bestandskräftig entzogen worden; er hatte allerdings eine niederländische Fahrerlaubnis erworben. Der Angeklagte hatte seinen Wohnsitz in Deutschland, in den Niederlanden unterhielt er lediglich eine Zweitwohnung. Aus Anlas eines vorangegangenen Vorfalles war dem Angeklagten bekannt, dass die niederländische Fahrerlaubnis ihn nicht berechtigte, in Deutschland Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Am 3. Januar 2000 befuhr er am Steuer eines Personenkraftwagens in Rhede die Kreisstraße 26 und am 16. März 2000 am Steuer eines Pannenhilfsfahrzeuges in Bottrop die Bundesautobahn A 31.

Für die Tat vom 3. Januar 2000 hat das Amtsgericht eine Einzelstrafe von vier Monaten Freiheitsstrafe und für die Tat vom 16. März 2000 eine solche von sechs Monaten festgesetzt.

Die hiergegen gerichtete, mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2000 ausdrücklich auf das Strafmaß beschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Münster in dem angefochtenen Urteil verworfen. Die Kammer hat dabei ebenfalls auf Einzelfreiheitsstrafen von vier Monaten (Tat vom 3. Januar 2000) und sechs Monaten (Tat vom 16. März 2000) erkannt.

Mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision begehrt der Angeklagte die Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, das angefochtene Urteil im Strafausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Revision im übrigen als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.
Das zulässige Rechtsmittel des Angeklagten hat Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen - nur noch den Rechtsfolgenausspruch betreffenden Entscheidung.

Infolge der wirksamen Beschränkung der Berufung ist der Schuldspruch des Urteils des Amtsgerichts Borken vom 16. August 2000 rechtskräftig. Die nach dem Wortlaut der entsprechenden Erklärung auf das Strafmaß beschränkte Berufung erfasst den Rechtsfolgenausspruch insgesamt. Eine Trennung zwischen Strafzumessung und Anordnung der Sperrfrist scheidet aus, weil die Sperre wegen charakterlicher Ungeeignetheit des Angeklagten angeordnet worden war (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, 44. Aufl., § 318 StPO Rdnr. 21 m.w.N.). Demzufolge hat die Kammer zu Recht auch über die Maßregel entschieden.

Das angefochtene Urteil kann jedoch keinen Bestand haben, weil die von der Kammer vorgenommene Bildung der Gesamtstrafe sich unter Berücksichtigung von §§ 53, 55 Abs.1 StGB als rechtsfehlerhaft erweist.

Nach den von der Kammer getroffenen Feststellungen für die sie mangels Abweichung auf die entsprechende Darstellung in dem (mit der Berufung) angefochtenen Urteil des Amtsgerichts verweist ist der Angeklagte durch Urteil des Amtsgerichts
Bocholt vom 5. Januar 2000 wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (Tatzeit 10. September 1999) zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30,00 DM verurteilt worden, die er derzeit in Raten abzahlt, wobei noch ein geringfügiger Rest
offen ist.
Diese Geldstrafe war mithin im Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer noch nicht (vollständig) vollstreckt.

Die Kammer hat die danach gegebenen Voraussetzungen des § 55 Abs.1 StGB i.V.m. § 53 Abs.2 Satz 1 StGB für die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe aus der Geldstrafe gemäß der Verurteilung vom 5. Januar 2000 und der Einzelstrafe für die in diesem Verfahren abzuurteilende Tat vom 3. Januar 2000 nicht beachtet und in der Folge verkannt, dass wegen der Zäsurwirkung der Verurteilung vom 5. Januar 2000 die Einzelstrafe für die Tat vom 16. März 2000 nicht gesamtstrafenfähig ist.
Die Nichtbeachtung des sich aus § 55 Abs.1 StGB ergebenden Gebotes durch den Tatrichter stellt eine Verletzung sachlichen Rechts dar. Diese ist auch auf das alleinige Rechtsmittel des Angeklagten zu beanstanden (vgl. BGHSt 12, 1, 9). Nach Sinn und Zweck der in § 55 Abs.1 StGB getroffenen Regelung soll nämlich ein Angeklagter trotz getrennter Aburteilung mehrerer Taten in verschiedenen Verfahren keinen Nachteil erleiden, wenn an sich die sachlichen Voraussetzungen einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54 StGB) vorliegen. Der Umstand, dass nach § 53 Abs.2 Satz 2 StGB die Möglichkeit besteht, die Geldstrafe unter Absehen von der nachträglichen Bildung einer Gesamtstrafe gesondert bestehen zu lassen, steht insoweit nicht entgegen. Die Entscheidung, ob von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, obliegt allein dem Tatrichter.

§ 55 Abs.1 StGB hat die Strafkammer auch als Tatgericht zweiter Instanz zu beachten. Hieran ist sie nicht durch das Verschlechterungsverbot (§ 331 Abs.1 StPO) gehindert. Das Amtsgericht Borken hat eine Entscheidung über die Bildung einer Gesamtstrafe nach §§ 55 Abs.1, 53 Abs.2 StGB nicht getroffen. Das Amtsgericht hat es im vorliegenden Fall auch nicht etwa abgelehnt, aus der Geldstrafe und der Einzelstrafe für die Tat vom 3. Januar 2000 eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden. Hat das erstinstanzliche Gericht aber über die Bildung einer Gesamtstrafe weil es, wie hier, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 55 Abs.1 StGB verkannt hat keine Entscheidung getroffen, muß das Berufungsgericht diese nachholen. Es handelt sich insoweit nicht um eine Abänderung der in dem angefochtenen Urteil erster Instanz getroffenen Rechtsfolgenentscheidung, die § 331 Abs.1 StPO unterliegt (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, 44. Aufl., § 331 StPO Rdnr.7, 20; BGHSt 35, 208, 212).

Der aufgezeigte Mangel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung insgesamt mit den dem Rechtsfolgenausspruch zugrundeliegenden Feststellungen (§ 353 StPO). Die Sache war zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster zurückzuverweisen (§ 354 Abs.2 StPO).

Die fehlerhaft unterbliebene Entscheidung über die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe gemäß §§ 55 Abs.1, 53 Abs.2 StGB erfordert bereits die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs und die Zurückverweisung der Sache. Die nunmehr zuständige Strafkammer wird die Entscheidung nachzuholen haben, selbst wenn die Geldstrafe nach der bisher letzten tatrichterlichen Entscheidung vom 7. Dezember 2000 vollständig beglichen worden sein sollte. Die Zäsurwirkung des Urteils vom 5. Januar 2000 bliebe davon nämlich unberührt (vgl. BGHSt 43, 195, 212; BGHR § 55 Abs.11 Satz 1 Erledigung 1; BGH StV 1982, 568, 569; OLG Stuttgart MDR 1983, 337).

Wegen des Verschlechterungsverbotes (§ 358 Abs.2 StPO) unterliegen aber auch die an sich rechtsfehlerfrei erkannten Einzelstrafen von vier bzw. sechs Monaten Freiheitsstrafe der Aufhebung. Bei der neuen Bemessung der Einzelstrafen wird die Strafkammer entsprechend zu beachten haben, dass die Summe dieser beiden Strafen nicht höher sein darf als die frühere Gesamtstrafe von acht Monaten Freiheitsstrafe.

Darüber hinaus war insoweit abweichend von dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft die in dem angefochtenen Urteil ausgesprochene Sperrfrist gemäß § 69a StGB ebenfalls aufzuheben. Wenn bei der Anordnung einer Maßregel nach §§ 69, 69a StGB wie hier die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen mit charakterlichen Mängeln des Angeklagten begründet wird, bilden die der Strafzumessung im engeren Sinne zugrundeliegenden Tatsachen regelmäßig einen wesentlichen Teil der Grundlagen auch für die Anordnung der Maßregel. Wegen dieses inneren Zusammenhangs betrifft die Aufhebung des Strafausspruchs dann auch den Bestand der Maßregel (vgl. dazu BGHSt 10, 379, 382; VRS 20, 117; OLG Frankfurt VRS 60, 103, 104; NStZ-RR 1997, 46; HansOLG MDR 1983, 863). Demgemäss ist dem neuen Tatgericht auch insoweit Gelegenheit zu geben, ggf. neue und zu den bisherigen widerspruchsfreie Feststellungen zu treffen.

Das neue Tatgericht hat auch über die Kosten der Revision zu entscheiden, da deren Erfolg i.S.d. § 473 Abs.1 StPO noch nicht feststeht.


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