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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ss 1337/99 OLG Hamm

Leitsatz: Die Rechtsposition des förmlich bestellten Geschäftsführers einer GmbH muss, um eine rechtlich verbindliche Verantwortlichkeit im Sinn des § 266 a StGB begründen zu können, auch davon gekennzeichnet sein, dass sie mit tatsächlichen Befugnissen ausgestattet ist. Tauglicher Täter ist danach nicht, wer über den sich aus der Bestellung zum Geschäftsführer ergebenden Rechtsschein verfügt, aber über keine Kompetenzen,, um auf die rechtliche und wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft Einfluss zu nehmen.

Senat: 1

Gegenstand: Revision

Stichworte: Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt, Scheingeschäftsführer, Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen

Normen: StGB 266 a, StGB 14, GmbHG 35

Beschluss: Strafsache gegen S:I.,
wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt.

Auf die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Siegen vom 23. September 1999 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 10.02.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Obertandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und der Angeklagten bzw. seines Verteidigers gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Siegen zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat die Angeklagte in der Hauptverhandlung vom 23. September 1999 wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 30Tagessätzen zu je 20,- DM verurteilt. Der frühere Mitangeklagte Frank W., der das Urteil des Amtsgerichts nicht angefochten hat, wurde- wegen ähnlicher Straftaten zu einer Gesamtgeldstrafe von 35 Tagessätzen zu je 40,- DM verurteilt.

Das Amtsgericht hat u.a. folgende Feststellungen getroffen:

,Der wiederholt vorbestrafte Frank W. benötigte für die von ihm beherrschte Firma S. Maler GmbH mit Sitz in der G. Hütte 56 in Siegen eine Geschäftsführerin, da er selbst als Geschäftsführer nicht tätig werden konnte oder wollte. Die seinerzeit mit ihm befreundete Angeklagte G. war deshalb bereit, für die GmbH die Geschäftsführung zu übernehmen und sich auch entsprechend ins Handelsregister eintragen zu lassen. Tatsächlich hat sie jedoch, da sie über keinerlei gesellschaftsrechtliche und wirtschaftliche Kenntnisse verfügt, nur als Geschäftsführerin ihren Namen gegeben, um W. einen Gefallen zu tun. Dafür erhielt sie ein Gehalt von 2.000,00 DM im Monat und musste nur in geringem Umfang untergeordnete Tätigkeiten ausführen. So schaute sie Lieferscheine nach und verglich Telefonrechnungen. In andere Geschäftsunterlagen schaute sie nicht hinein. Insbesondere zahlte sie auch keine Löhne aus. Sie verließ sich insofern in vollem Umfang auf W., der tatsächlich die Geschäfte der GmbH führte und auch die Löhne bis einschließlich Mai 1997 auszahlte. Die GmbH führte jedoch für Februar 1997, fällig am 15.03.1997, 4.687,64 DM an Arbeitnehmerbeiträgen nicht an die Techniker Krankenkasse ab. Für den Monat März 1997 waren am 15.04.1997 Arbeitnehmerbeiträge in Höhe von 5.254,45 DM fällig, die ebenfalls nicht abgeführt wurden. Die Angeklagte G., die sich unter Vernachlässigung ihrer Pflichten als Geschäftsführerin um nichts kümmerte, nahm dabei billigend in Kauf, dass diese Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt wurden.

Die erwiesenen Tatsachen beruhen auf der Einlassung der Angeklagten, soweit ihr gefolgt werden konnte und auf den Angaben des Mitangeklagten S.. Die Angeklagte hat eingeräumt, dass sie nur pro forma als Geschäftsführerin sich hat bestellen lassen und dafür 2.000,00 DM monatlich bekommen hat. Sie hat nicht in Abrede gestellt, dass die Sozialversicherungsbeiträge für Februar und März 1997 nicht abgeführt worden sind. Der Mitangeklagte S. hat schließlich bestätigt, dass bis einschließlich Mai 1997 noch Löhne und Gehälter ausgezahlt wurden. Die Angeklagte G. meinte aber sich deshalb nicht strafbar gemacht zu haben, da sie von nichts gewusst habe. Diese Einlassung vermag die Angeklagte jedoch nicht zu entlasten. Die Angeklagte wusste, dass W. als Geschäftsführer entweder nicht in Rechtssinne tätig werden konnte oder wollte. Ihr war völlig klar, dass sie als Geschäftsführer nur vorgeschoben war und dass W. tatsächlich die Geschäfte führte. Unter diesen Umständen hat sie zumindest billigend in Kauf genommen, dass W. die Geschäfte nicht ordnungsgemäß führen würde und dass er die fälligen Sozialversicherungsbeiträge nicht abführen würde. Die Angeklagte hat sich damit des Vorenthaltens und des Veruntreuens von Arbeitsentgelt gem. § 266 a Abs. 1 StGB schuldig gemacht.

Im übrigen hat sie den Tatbestand auch durch Unterlassen verwirklicht. Als Geschäftsführerin war sie verpflichtet, für das Abführen der Sozialversicherungsbeiträge Sorge zu tragen. Daraus ergibt sich für sie eine Garantenstellung. Wenn sie unter diesen Umständen den Verpflichtungen nicht nachkommt, verwirklicht sie den Tatbestand durch Unterlassen. Den Tatbestand hat sie zweimal verwirklicht, da sowohl für Februar als auch für März die Beiträge nicht abgeführt worden sind."

Gegen diese Entscheidung richtet sich die in zulässiger Weise eingelegte Sprungrevision der Angeklagten, mit der sie unter näheren Ausführungen die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Das Rechtsmittel hat auf die allgemein erhobene materielle Rüge einen zumindest vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Die bisher getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung nach § 266 a Abs. 1 StGB nicht.

Nach diesen Feststellungen des Amtsgerichts hat die Angeklagte in der faktisch von dem gesondert Verfolgten W. betriebenen Gesellschaft entsprechend der von vornherein mit W. getroffenen Vereinbarung lediglich nach außen formalrechtlich die Funktion einer Geschäftsführerin ausgeübt. Ihre tatsächliche Arbeit erschöpfte sich jedoch in untergeordneten Bürotätigkeiten, wurde dafür aber mit einer Vergütung von monatlich 2.000,- DM entlohnt. Im Übrigen verließ sie sich im Hinblick auf die sich aus ihrer rechtlichen Stellung als Geschäftsführerin ergebenden Verpflichtungen auf W. als den eigentlichen Betreiber der GmbH. Danach hat die Angeklagte keine Tätigkeit in der Gesellschaft ausgeübt, die üblicherweise der des Geschäftsführers einer GmbH entspricht. Sie war weder verantwortlich für die Einstellung oder Entlassung von Angestellten oder Arbeitern, hatte keinen Einfluss auf wirtschaftlich bedeutsame Entscheidungen der Gesellschaft und war auch nicht befugt, über finanzielle Mittel der Gesellschaft zu verfügen. Als Geschäftsführerin ist sie nach den Feststellungen des Amtsgerichts als Strohfrau für W. anzusehen, der selbst mit Außenwirkung nicht als Geschäftsführer auftreten wollte oder dies nicht konnte.

Diese offensichtlich nur aufgrund der eigenen Einlassung der Angeklagten - möglicherweise auch aufgrund der des Mitangeklagten S., denn auf weitere Beweismittel hat das Amtsgericht nicht zurückgegriffen - beruhenden Feststellungen rechtfertigen eine Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen § 266 a StGB jedenfalls bislang noch nicht.

Täter dieses Sonderdelikts können nur der Arbeitgeber selbst oder für diesen i.S.d. § 14 StGB Handelnde sein. Werden im Rahmen des Betriebes einer juristischen Person - hier einer GmbH - die gesetzlich vorgeschriebenen Beiträge zur Sozialversicherung und zur BfA nicht abgeführt, so bestimmt sich die strafrechtliche Verantwortlichkeit dafür grundsätzlich nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB, d.h., der Geschäftsführer wird in der Regel als verantwortliches Organ der juristischen Person anzusehen sein (§ 35 GmbHG; vgl. auch Schönke-Schröder-Lencker, StGB, 25. Aufl., § 14 Rdnr. 17). Das gilt unabhängig davon, ob möglicherweise daneben ein zwar nicht förmlich bestellter aber wegen seiner umfassenden Befugnisse faktischer Geschäftsführer gleichfalls als tauglicher Täter des § 266 a StGB in Betracht kommen kann (§ 14 Abs. 3 StGB). Die Rechtsposition des förmlich bestellten Geschäftsführers - hier der Angeklagten - muss aber in der Regel, um eine rechtlich verbindliche Verantwortlichkeit begründen zu können, auch davon gekennzeichnet sein, dass das Innenverhältnis mit tatsächlichen Befugnissen ausgestattet ist, die es ermöglichen, für die Gesellschaft in existentiell wichtigen Bereichen tatsächlich tätig werden zu können. Wird der bestellte Geschäftsführer jedoch allein mit dem sich daraus ergebenden Rechtsschein ausgestattet, ohne dass zugleich bedeutsame Kompetenzen im Innenverhältnis übertragen werden, mangelt es ihm an jeder Möglichkeit, Einfluss auf die rechtliche und wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft zu nehmen. Hiervon ist nach den getroffenen Feststellungen auch im vorliegenden Fall auszugehen; die Angeklagte hat danach auch tatsächlich keinerlei Geschäftsführerfunktion in der Gesellschaft ausgeführt.

Daraus folgt: Nach den vom Amtsgericht bislang getroffenen Feststellungen kommt eine Strafbarkeit der Angeklagten gemäß § 266 a StGB nicht in Betracht, weil allein der bloße Formalakt der Bestellung und Eintragung eines Geschäftsführers in das Handelsregister zwar einen Rechtsschein erzeugt, dieser allein jedoch nach nicht zu einer tatsächlich ausübbaren Herrschaftsfunktion führt (LK-Roxin, 10. Aufl., Rdnr. 44; vgl. auch KK-Cramer, OWiG, § 9 Rdn. 55; Göhler, OWiG, 12. Aufl., § 9 Rdnr. 47). Ein strafbares Unterlassen der Abführung von gesetzlichen Versicherungsbeiträgen kann der Angeklagten danach nicht zur Last gelegt werden, wenn ihr die Abführung der gesetzlichen Versicherungsbeiträge tatsächlich unmöglich war, denn die Unmöglichkeit normgemäßen Handelns lasst die Tatbestandsmäßigkeit bei Unterlassungsdelikten entfallen. Deshalb ist auch bei § 266 a StGB die tatsächliche Möglichkeit zur Erfüllung der den Arbeitgeber obliegenden Pflicht tatbestandliche Voraussetzung des Vorenthaltens (vgl. BGH NStZ 97, 126 m.w.N.).

Den Gründen der angefochtenen Entscheidung ist aber nicht zu entnehmen, dass die Angeklagte in der Lage gewesen wäre, den Verpflichtungen der Gesellschaft nachzukommen, wie sie sich aus § 266 a StGB zur Sicherung der Solidargemeinschaft und zum Schutz der Arbeitnehmer an der treuhänderischen Verwaltung von Teilen ihres Arbeitseinkommens ergeben.

Ergänzend ist zu bemerken: Das Amtsgericht muss im übrigen den Umfang einer der Angeklagten eventuell zur Last zu legenden Beitragsvorenthaltung in den Urteilsgründen im Einzelnen darlegen. Dabei bedarf es der Angabe über Anzahl, Beschäftigungszeiten und Löhne der Arbeitnehmer, sowie über die Höhe des Beitragssatzes der örtlich zuständigen Krankenkasse, so dass den Urteilsgründen die Berechnungsgrundlage im Einzelnen zu entnehmen ist (vgl. BGH wistra 92, 145).

Der Senat hat davon abgesehen, gemäß § 354 Abs. 1 StPO die Angeklagte freizusprechen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass im Rahmen einer neuen Verhandlung - auch unter Einbeziehung weiterer Beweismittel - ergänzende Feststellungen zum Umfang der Tätigkeit der Angeklagten und zu den Möglichkeiten ihrer Einflussnahme auf die Entwicklung der GmbH getroffen werden können. So ist bislang insbesondere der gesondert verfolgte W.,
der offensichtlich die Berufung der Angeklagten zur Geschäftsführerin veranlasst hat, eben so wenig zeugenschaftlich vernommen worden, wie andere Angestellte der GmbH, die sich zur Tätigkeit der Angeklagten äußern könnten. Das Verfahren war deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Es besteht kein Anlass, gemäß § 357 StPO die Aufhebung des Urteils auch auf den früheren Mitangeklagten S. zu erstrecken, denn den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, dass die hier erhobenen sachlich-rechtlichen Erwägungen, wie sie zur Aufhebung des Urteils zugunsten der Angeklagten fuhren, auch zu einer entsprechenden Entscheidung zugunsten des früheren Mitangeklagten S. geführt hatten (vgl. zu den Voraussetzungen BGH LM Nr. 3; OLG Düsseldorf NJW 86, 2266).

Der Antrag der Angeklagten auf Beiordnung des Rechtsanwalts T. als Pflichtverteidiger war durch den insoweit allein entscheidenden Senatsvorsitzenden zurückzuweisen. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft vom 21. Januar 2000, zu denen der Angeklagten rechtliches Gehör gewährt wurde, zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Damit ist die Beiordnung eines Pflichtverteidigers für das Revisionsverfahren ausgeschlossen, über die Frage, ob eine solche - was durchaus zweifelhaft erscheint - für die erneute Verhandlung vor dem Amtsgericht geboten ist, hat der Amtsrichter zu befinden.


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