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aus RVGreport 2020, 402

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "RVGreport" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "RVGreport“ auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Geplante Änderungen bei der Anwaltsvergütung durch das KostRÄG 2021 – Teil 2

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

Die Bundesregierung hat am 16.9.2020 den von der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Christine Lambrecht vorgelegten Entwurf für ein „Gesetz zur Änderung des Justizkosten- und des Rechtsanwaltsvergütungsrechts“ (Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 – KostRÄG 2021) beschlossen. Der befindet sich inzwischen im Gesetzgebungsverfahren. Die BR-Drucks. 565/20 wird im Bundesrat als besonders eilbedürftige Vorlage gem. Art. 76 Abs. 2 Satz 4 GG behandelt. Die geplanten Änderungen sollen also tatsächlich wohl zum 1.1.2021 in Kraft treten. Volpert hat in RVGreport 2020, 362 ff. die vorgesehenen Änderungen vorgestellt, soweit davon Verfahren nach den Teilen 1–3, 6 und 7 VV RVG betroffen sind. Die nachfolgenden Ausführungen befassen sich mit den zu erwartenden Änderungen in Straf- und Bußgeldsachen in Teil 4 und 5 VV RVG.

I. Lineare Anhebung der Gebühren

1. Allgemeines

Zuletzt sind die anwaltlichen Gebühren im RVG zum 1.8.2013 durch das 2. KostRMoG v. 23.7.2013[1] erhöht worden.[2] Seitdem sind insbesondere auch die Kosten der RAe/Verteidiger für den Kanzleibetrieb erheblich gestiegen. U.a. deshalb und „im Interesse einer Teilhabe der Anwaltschaft an der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung“ sieht der Gesetzgeber nun (endlich wieder) eine erneute Anhebung der gesetzlichen Rechtsanwaltsvergütung als erforderlich an.[3] Diese Anhebung und Anpassung der gesetzlichen Anwaltsvergütung soll mit einer Kombination aus strukturellen „Verbesserungen“ (?) im anwaltlichen Vergütungsrecht (vgl. dazu II.) sowie einer linearen Erhöhung aller Gebühren des RVG um rund 10 Prozent erreicht werden (vgl. I. 2.). Als Kompensation für die „klammen“ Landeskassen, bei denen sich diese Erhöhung bemerkbar macht, sollen u.a. die Gerichtsgebühren ebenfalls linear um zehn Prozent angehoben werden.[4]

2. Lineare Anhebung um rund 10 %

Die vorgesehene lineare Anhebung um rund 10 Prozent erfasst alle Gebührentypen des RVG, also alle Betragsrahmengebühren, die Wertgebühren der Nrn. 4142, 4143, 4144, 5116 VV RVG und z.B. auch die Festgebühr der Nr. 4304 VV RVG. Bei den Wertgebühren, für die die §§ 13, 49 RVG gelten, beträgt die Erhöhung in der untersten Wertstufe bis 500 € allerdings rundungsbedingt lediglich etwa 9 Prozent. Das Ausmaß der Erhöhungen verdeutlicht folgendes Beispiel:

Beispiel 1

RA R ist für den Mandanten bereits von Anklageerhebung im Ermittlungsverfahren tätig. Er verteidigt den Angeklagten dann nach Anklageerhebung in einer eintägigen Hauptverhandlung bei der Strafkammer beim LG. Gegen das LG-Urteil wird Revision eingelegt, die vom BGH verworfen wird.

Es ergibt sich folgende Abrechnung/Gegenüberstellung altes/neues Recht, wobei Mittelgebühren zugrunde gelegt werden:

Wahlanwalt

Gebührentatbestand

Altes Recht

Neues Recht

Grundgebühr, Nr. 4100 VV RVG

200,00 €

220,00 €

Verfahrensgebühr vorbereitendes Verfahren, Nr. 4104 VV RVG

165,00 €

181,50 €

Verfahrensgebühr gerichtliches Verfahren, Nr. 4112 VV RVG

185,00 €

203,50 €

Terminsgebühr Strafkammer, Nr. 4114 VV RVG

320,00 €

352,00 €

Verfahrensgebühr Revision, Nr. 4130 VV RVG

+ 615,00 €

+ 676,50 €

Summe:

1.485,00 

1.633,50 

Erhöhung somit ca. 9,76 %

Pflichtverteidiger

Gebührentatbestand

Altes Recht

Neues Recht

Grundgebühr, Nr. 4100 VV RVG

160,00 €

176,00 €

Verfahrensgebühr vorbereitendes Verfahren, Nr. 4104 VV RVG

132,00 €

145,00 €

Verfahrensgebühr gerichtliches Verfahren, Nr. 4112 VV RVG

148,00 €

163,00 €

Terminsgebühr Strafkammer, Nr. 4114 VV RVG

256,00 €

282,00 €

Verfahrensgebühr Revision, Nr. 4130 VV RVG

+ 492,00 €

+ 541,00 €

Summe:

1.188,00 

1.307,00 

Erhöhung somit ca. 9,76 %

II. Änderungen im Paragrafenteil des RVG

1. Bestimmung einer Betragsrahmengebühr bei Gebührenanrechnungen (§ 14 Abs. 2 RVG-E)

Die BR-Drucks. 565/20 sieht in § 14 Abs. 2 RVG-E eine allgemeine Regelung für die Anrechnung von Betragsrahmengebühren vor. Diese ersetzt die künftig entfallenden Regelungen in Vorbem. 2.3 Abs. 4 Satz 3 VV RVG und in Vorbem. 3 Abs. 4 Satz 4 VV RVG.[5] Nach § 14 Abs. 2 RVG-E soll dann, wenn eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen ist, die Gebühr auf die angerechnet wird, so zu bestimmen ist, als sei der RA zuvor nicht tätig gewesen. In den Teilen 4 und 5 VV RVG kann diese Regelung bei folgenden Anrechnungsvorschriften Auswirkungen haben:

  • Abs. 2 der Anm. zu Nr. 4100 VV RVG (Grundgebühr),[6]
  • Abs. 2 der Anm. zu Nr. 4143 VV RVG (zusätzliche Verfahrensgebühr),[7]
  • Vorbem. 4 Abs. 4 VV RVG (vorangegangen Einzeltätigkeit)[8] und
  • Abs. 3 der Anm. zu Nr. 5200 VV RVG,[9]
  • nicht bei der „Anrechnung“ nach Abs. 2 der Anm. zu Nr. 5100 VV RVG (Grundgebühr im Bußgeldverfahren nach vorangegangenem Strafverfahren), da es sich dabei nicht um eine „Anrechnung“ i.e.S. handelt.[10]

Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, dass die Synergieeffekte, die bei einer fortschreitenden Befassung eintreten, ausschließlich durch die vorgeschriebene Gebührenanrechnung berücksichtigt werden sollen. Die Bestimmung der Höhe der zweiten Verfahrensgebühr soll danach so erfolgen, als sei der RA zuvor nicht tätig gewesen. Diese Regelung bezieht sich damit auf sämtliche Bemessungsmerkmale des § 14 Abs. 1 RVG.[11] Die Regelung soll sicherstellen, dass für RAe, deren Verfahrens- oder Geschäftsgebühr einer Anrechnung unterliegt, diese Gebühren vor Anrechnung in derselben Höhe anfallen wie für diejenigen RAe, die zuvor nicht tätig waren. Nur so werde eine Gleichbehandlung mit den Fällen erreicht, in denen – wie etwa in zivilprozessualen Mandaten – keine Rahmengebühren vorgesehen seien.[12]

Beispiel 2

Der RA A hat den Betroffenen im Bußgeldverfahren verteidigt. Entstanden sind die Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG und die Verfahrensgebühr Nr. 5103 VV RVG. Das Bußgeldverfahren wird an die StA abgegeben. Hier ist der RA zunächst weiter für den Mandanten tätig. Der beauftragt dann aber vor Anklageerhebung einen anderen Verteidiger, den RA B.

RA A rechnet wie folgt ab:

I. Abrechnung nach altem Recht

1. Bußgeldverfahren

 

Grundgebühr, Nr. 5100 VV RVG

100,00 €

Verfahrensgebühr, Nr. 5103 VV RVG

160,00 €

Zusätzliche Verfahrensgebühr, Nr. 5115 VV RVG

160,00 €

2. Strafverfahren

 

Grundgebühr, Nr. 4100 VV RVG

 

allerdings wegen des vorangegangenen Bußgeldverfahrens

 

nicht i.H.d. Mittelgebühr

150,00 €

Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV RVG

160,00 €

Anrechnung der Grundgebühr, Nr. 5100 VV RVG

– 100,00 €

Summe:

630,00 

II. Abrechnung nach neuem Recht

Nach § 14 Abs. 2 RVG-E ist die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG Verteidiger so zu bestimmen, als sei der Verteidiger zuvor nicht tätig gewesen.

1. Bußgeldverfahren

 

Grundgebühr, Nr. 5100 VV RVG

110,00 €

Verfahrensgebühr, Nr. 5103 VV RVG

176,00 €

Zusätzliche Verfahrensgebühr, Nr. 5115 VV RVG

176,00 €

2. Strafverfahren

 

Grundgebühr, Nr. 4100 VV RVG

 

jetzt wegen § 14 Abs. 2 RVG-E (auch)

 

i.H.d. Mittelgebühr

220,00 €

Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV RVG

181,50 €

Anrechnung der Grundgebühr, Nr. 5100 VV RVG

– 110,00 €

Summe:

753,50 

2. Erstreckung (§ 48 Abs. 6 VV RVG-E)

In der Praxis spielen im Recht der Pflichtverteidigung die mit § 48 Abs. 6 RVG zusammenhängenden Fragen in den Fällen der Verbindung mehrerer Verfahren eine große Rolle.[13] Dabei geht es immer um die Frage, ob der Verteidiger auch in den Verfahren die gesetzlichen Gebühren geltend machen kann, in denen er (noch) nicht zum Pflichtverteidiger bestellt war. Dazu ist in § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG die sog. Erstreckung vorgesehen. In dem Zusammenhang ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob ein anwaltlicher Vergütungsanspruch für frühere Tätigkeiten in Verfahren, die vor der Beiordnung hinzuverbunden wurden, bereits aus § 46 Abs. 6 Satz 1 RVG folgt und ob demgemäß der Anwendungsbereich des § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG entsprechend auf Fälle beschränkt ist, in denen nach einer Beiordnung noch weitere Verfahren hinzuverbunden werden.

Beispiel 3

Die StA hat gegen den Angeklagten ursprünglich zwei Ermittlungsverfahren geführt, und zwar das Verfahren V 1 sowie das Verfahren V 2. Am 14.1.2019 legitimierte sich der RA gegenüber der StA als Verteidiger zu beiden Verfahren und beantragte jeweils Akteneinsicht, die auch gewährt wurde. Am 1.2.2019 erfolgte die Verbindung des Verfahrens V 1 zu dem führenden Verfahren V 2 durch die StA. Am 29.3.2019 erhebt die StA Anklage.

Auf den Antrag des Verteidigers vom 11.4.2019 wird dieser mit Beschl. v. 15.4.2019 zum Pflichtverteidiger des Angeklagten bestellt.

Der Verteidiger beantragt in seinem Festsetzungsantrag später u.a. die Festsetzung von zwei Grundgebühren nach Nr. 4100 VV RVG sowie von zwei Verfahrensgebühren nach Nr. 4104 VV RVG.[14]

In diesen Fällen war bislang streitig, ob nach § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG hätte erstreckt werden müssen[15] oder ob es sich um einen Fall des § 48 Abs. 6 Satz 1 RVG handelt und eine Erstreckung nicht erforderlich war.[16] Diskutiert wurde also darum, ob sich die Frage der Erstreckung nur stellt, wenn zu einem Verfahren, in dem der Verteidiger bereits beigeordnet ist, weitere Verfahren, in denen bislang keine Beiordnung erfolgte, hinzuverbunden würden, es für die Anwendung der Vorschrift also auf die zeitliche Abfolge von Verbindung und Bestellung/Beiordnung ankommt, der Verteidiger somit grds. immer einen Erstreckungsantrag stellen muss.[17]

Diesen Streit löst der RegE. durch einen Einschub in § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG-E. Dort soll es nämlich demnächst heißen: „Werden Verfahren verbunden und ist der Rechtsanwalt nicht in allen Verfahren bestellt oder beigeordnet, kann das Gericht die Wirkung des Satzes 1 auch auf diejenigen Verfahren erstrecken, in denen vor der Verbindung kein Beiordnung oder Bestellung erfolgt war.“ Das bedeutet: Es ist jetzt gesetzlich klargestellt, dass dann, wenn Verfahren zunächst verbunden werden und erst danach die anwaltliche Bestellung oder Beiordnung in dem nunmehr verbundenen Verfahren erfolgt, § 48 Abs. 6 Satz 1 RVG unmittelbar gilt.[18] Der RegE. geht davon aus,[19] dass keine Gründe ersichtlich seien, warum das Gericht in den Fällen ausdrücklich nach § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG die Erstreckungswirkung anordnen sollte. Damit ist der Anwendungsbereich des § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG auf die Fälle der nach der Beiordnung oder Bestellung erfolgten Verfahrensverbindungen beschränkt und stellt damit indirekt auch klar, dass die Anordnung einer Erstreckungswirkung bei einer anwaltlichen Bestellung oder Beiordnung nach der Verbindung deshalb nicht erforderlich ist, weil § 48 Abs. 6 Satz 1 RVG unmittelbar gilt.

3. Anhebung der Kappungsgrenze für Wertgebühren aus der Staatskasse (§ 49 RVG-E)

Auch Verteidiger können Wertgebühren verdienen, und zwar nach den Nrn. 4142, 4143, 4144, 5116 VV RVG. Nach den Änderungen der §§ 73 ff. StGB durch die Neuregelung des Rechts der Vermögensabschöpfung hat in der Praxis insbesondere die Bedeutung der Nrn. 4142, 5116 VV RVG zugenommen.[20] Die Höhe der Gebühren richtet für den Wahlanwalt nach der Tabelle des § 13 RVG, für den Pflichtverteidiger und/oder beigeordneten RA nach der Tabelle des § 49 RVG.

Der RegE. sieht hier nun eine Änderung vor, die zu einer Anhebung der Gebühren bei den Pflichtverteidigern und/oder beigeordneten RA führen wird. Die derzeitige Regelung sieht bis zu einem Gegenstandswert von 30.000 € eine Staffelung der Werte und der zugehörigen Gebühren vor. Bei höheren Werten beläuft sich die Gebühr derzeit einheitlich auf 447 €. Die obere Wertgrenze wurde zuletzt im Jahr 2002 von 50.000 DM auf 30.000 € angehoben.[21] Dabei wurde allerdings die oberhalb der Wertgrenze anfallende Gebühr nicht erhöht. Davor war die Wertgrenze letztmals im Jahr 1987 angehoben worden. Vor diesem Hintergrund sieht der RegE.[22] nun vor, die obere Wertgrenze nunmehr auf 50.000 € anzuheben und gleichzeitig die Gebührenbeträge des § 49 RVG im gleichen Umfang wie die Wahlanwaltsvergütung in § 13 RVG, mithin um 10 Prozent, zu erhöhen.

Das führt dann zu folgender Neuregelung:

Hinweis

Gegenstandswert

bis … Euro

Gebühr

… Euro

 

Gegenstandswert

bis … Euro

Gebühr

… Euro

5 000

284

 

22 000

399

6 000

295

 

25 000

414

7 000

306

 

30 000

453

8 000

317

 

35 000

492

9 000

328

 

40 000

531

10 000

339

 

45 000

570

13 000

354

 

50 000

609

16 000

369

 

über 50 000

659

19 000

384

 

 

 

Beispiel 4

Der RA ist als Pflichtverteidiger in einem Verfahren tätig, in dem vom Gericht ein Betrag von 40.000 € Dealgeld eingezogen wird. Das Gericht setzt den Gegenstandswert auf 40.000 € fest.

Nach altem Recht beträgt die aus der Staatskasse zu zahlende gesetzliche zusätzliche Gebühr Nr. 4142 VV RVG (Tabelle zu § 49 RVG):

Nr. 4142 VV RVG

 

(Gegenstandswert: 40.000 €,

 

aber Kappung bei 30.000 €)

447,00 €

Nach neuem Recht/nach dem KostRÄG 2021 beträgt die aus der Staatskasse zu zahlende gesetzliche Gebühr Nr. 4142 VV RVG (Tabelle zu § 49 RVG-E):

Nr. 4142 VV RVG

 

(Gegenstandswert 40.000 €,

 

keine Kappung bei 30.000 €)

659,00 €

4. Keine Erklärung zur Vorsteuerabzugsberechtigung im Festsetzungsverfahren gegen die Staatskasse (§ 55 Abs. 5 RVG-E)

Das Festsetzungsverfahren des beigeordneten oder bestellten RA, also i.d.R. des Pflichtverteidigers gegen die Staatskasse ist in § 55 RVG geregelt. § 55 Abs. 5 Satz 1 RVG verweist derzeit auf § 104 Abs. 2 ZPO. Daraus zieht die Rechtsprechung teilweise den Schluss, dass von dem beigeordneten oder bestellten RA auch die in § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO geregelte Erklärung zur Vorsteuerabzugsberechtigung im Festsetzungsverfahren gegen die Staatskasse nach § 55 RVG abzugeben ist.[23]

Der RegE. schlägt dazu vor, den Verweis in § 55 Abs. 5 Satz 1 auf § 104 Abs. 2 ZPO durch einen Verweis lediglich auf § 104 Abs. 2 Satz 1 und 2 ZPO zu ersetzen, um so klarzustellen, dass im Verfahren gem. § 55 RVG keine Erklärung zur Vorsteuerabzugsberechtigung abzugeben ist.

5. „Höchstgebühren eines Wahlanwalts“ (§ 58 Abs. 3 Satz 4 RVG-E)

Die Anrechnung von Vorschüssen und Zahlungen, die der bestellte oder beigeordnete RA in Angelegenheiten erhalten hat, in denen sich die Gebühren nach den Teilen 4 bis 6 VV RVG bestimmen, ist in § 58 Abs. 3 RVG geregelt.[24] In der Praxis ist bei der Anwendung von § 58 Abs. 3 RVG (bislang) diskutiert worden, wie die Begrenzung in § 58 Abs. 3 Satz 4 RVG auf die „Höchstgebühren eines Wahlanwalts“ zu verstehen ist. Zum einen kann die Regelung darin verstanden werden, dass die im VV RVG vorgesehene obere Rahmengrenze maßgebend ist, zum anderen können darunter aber auch die im Einzelfall konkret entstandenen angemessenen Gebühren eines Wahlverteidigers verstanden werden.[25]

Der RegE. schlägt nun vor, die Frage in Richtung der erstgenannten Auslegung klar zu stellen.[26] Dazu werden die Wörter „als die Höchstgebühren“ durch die Wörter „als die im Vergütungsverzeichnis vorgesehenen Höchstgebühren“ ersetzt.

Diese Klarstellung erledigt die Diskussion in der Praxis. Die (Neu-)Regelung erfolgt vor dem Hintergrund, dass es nach Auffassung des RegE. eine im Einzelfall angemessene „Höchstgebühr“ nicht gibt, angemessen sei immer nur eine konkrete, der Höhe nach feststehende Gebühr.[27] Begründet wird sie auch damit, dass die Ermittlung der im Einzelfall entstandenen Wahlanwaltsgebühr das Festsetzungsverfahren erheblich verkomplizieren würde und sehr streitanfällig sei. Zudem sind die für die Ermittlung der jeweiligen Gebühr maßgeblichen Bemessungskriterien des § 14 RVG dem Gericht häufig nicht vollständig bekannt und müssten durch Mitwirkung des Verteidigers/RA aufwändig ermittelt werden. Hierdurch würde – so der RegE.[28] – das in § 14 Absatz 1 Satz 1 RVG eingeräumte Bestimmungsrecht missachtet werden. I.Ü. wäre u.U. zu prüfen, ob dem Verteidiger/RA eine Pauschgebühr nach § 42 RVG zusteht. Deshalb wird eine Anrechnung oder Zurückzahlung jetzt gesetzlich nur für solche Fälle vorgesehen, in denen die höchste denkbare sich aus dem VV RVG ergebende Wahlanwaltsvergütung überschritten wird. Mit der Formulierung „im Vergütungsverzeichnis vorgesehenen ...“ ist klargestellt, dass eine Pauschgebühr nach § 42 RVG keine Berücksichtigung findet.

6. Übergangsrecht (§ 60 RVG-E)

Die derzeitige Übergangsregelung in § 60 RVG wird in der Praxis kritisiert, weil sie zu Nachteilen bei bereits in der Vorinstanz mandatierten RAen und solchen, die erstmalig für ein Rechtsmittelverfahren beauftragt worden sind, führt.[29] In § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG-E soll daher demnächst nur noch darauf abgestellt werden, wann der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit erteilt worden ist. Es kommt damit für die Frage des anwendbaren Rechts grds. in jeder Instanz allein auf den Zeitpunkt der Auftragserteilung an.

Die Auftragserteilung kann dann nicht maßgeblich sein, wenn eine solche – wie z.B. im Fall der Pflichtverteidigung – nicht vorliegt.[30] Hier ist es nicht immer sachgerecht, auf den Zeitpunkt der Bestellung oder Beiordnung abzustellen, da der Beiordnungs- oder Bestellungsbeschluss oder auch das Vergütungsrecht (z.B. § 48 Abs. 6 RVG) eine Rückwirkung vorsehen kann. Daher sieht für diese Fälle § 60 Abs. 1 Satz 2 RVG-E vor, in solchen Fällen auf den frühesten Zeitpunkt des Entstehens einer Gebühr abzustellen.[31]

Beispiel 5

Gegen den Beschuldigten ist seit dem 15.9.2020 ein Ermittlungsverfahren anhängig. Der Beschuldigte beauftragt RA R am 15.10.2020 mit seiner Verteidigung. Dieser nimmt Akteneinsicht und nimmt gegenüber der StA Stellung. Diese erhebt am 11.1.2021 Anklage. Das AG bestellt den R am 15.1.2021 zum Pflichtverteidiger. Am 23.3.2021 findet die Hauptverhandlung statt. Das ergehende Urteil wird rechtskräftig.

Für das auf die gesetzlichen Gebühren des R anzuwendende Recht gilt:

Entstanden sind die Grundgebühr, Nr. 4100 VV RVG, die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren, Nr. 4104 VV RVG, die gerichtliche Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV RVG und die Terminsgebühr, Nr. 4108 VV RVG.

Nach § 48 Abs. 6 Satz VV RVG stehen dem RA auch die Gebühren, die er für Tätigkeiten verdient hat, die er vor seiner Beiordnung erbracht hat, als gesetzliche Gebühren aus der Staatskasse. Das sind die Grundgebühr, Nr. 4100 VV RVG, die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren, Nr. 4104 VV RVG und die gerichtliche Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV RVG. Da die Grundgebühr, Nr. 4100 VV RVG vor dem (angenommenen) Inkrafttreten des KostRÄG 2012 am 1.1.2021 schon am 15.10.2020 entstanden ist, greift § 60 Abs. 1 Satz 2 RVG ein. Wegen der Rückwirkung nach § 48 Abs. 6 Satz 1 RVG wird also die dem RA R aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung insgesamt nach bisherigem Recht gezahlt.

Neu ist dann noch § 60 Abs. 1 Satz 3 RVG-E. Danach ist, wenn der RA vor seiner Beiordnung oder Bestellung beauftragt war, und nach § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG-E für die insoweit entstandene Vergütung bisheriges Recht anzuwenden, auch für die in derselben Angelegenheit aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung bisheriges Recht anzuwenden. Durch die Regelung soll erreicht werden, dass der bestellte oder der beigeordnete RA die Vergütung aus der Staatskasse insgesamt nach demselben Recht erhalten, das für die zuvor in derselben Angelegenheit entstandene Wahlvergütung gilt, auch wenn keine Gebühr aus der Staatskasse zu zahlen ist, die vor dem Stichtag entstanden ist (§ 60 Abs. 1 Satz 2 RVG-E).[32]

III. Änderungen in Teil 4 VV RVG (Vorbem. 4.1 Anm. 3 RVG-E) – Längenzuschläge

Der RegE. sieht im Vergütungsverzeichnis des Teil 4 VV RVG nur eine einzige Änderung vor. Und zwar soll Vorbem. 4.1 VV RVG eine Anm. 3 angefügt werden. Sie soll lauten: „Kommt es für eine Gebühr auf die Dauer der Teilnahme an der Hauptverhandlung an, so sind Wartezeiten und Unterbrechungen an einem Hauptverhandlungstag als Teilnahme zu berücksichtigen. Dies gilt nicht für Wartezeiten und Unterbrechungen, die der Rechtsanwalt zu vertreten hat, sowie für Unterbrechungen von jeweils mehr als einer Stunde, soweit diese unter Angabe einer konkreten Dauer der Unterbrechung oder eines Zeitpunkts der Fortsetzung der Hauptverhandlung angeordnet wurden.

Diese (Neu-)Regelung steht in Zusammenhang mit den für die Pflichtverteidiger/beigeordnete RA in den Nrn. 4110, 4111, 4116, 4117, 4122, 4123, 4128, 4129, 4134 und 4135 VV RVG vorgesehenen Längenzuschläge zu den Hauptverhandlungsterminsgebühren, wenn sie an einem Hauptverhandlungstag mehr als fünf oder acht Stunden teilnehmen. Bei der Berechnung der für den Längenzuschlag maßgebenden Dauer der Hauptverhandlung gibt es zahlreiche Zweifels-/Streitfragen und eine umfangreiche und zum Teil kleinteilige Rechtsprechung.[33]

1. Derzeitiger Stand der Rechtsprechung

Der derzeitige Stand der Rechtsprechung/Literatur in dieser Diskussion lässt sich etwa wie folgt zusammenfassen:[34]

Weitgehend einig ist man sich, dass es für den Beginn der Hauptverhandlung nicht auf deren tatsächlichen, unter Umständen verzögerten Beginn ankommt, sondern auf den Zeitpunkt, zu dem der RA geladen und tatsächlich erschienen ist.

Ob Sitzungspausen abzuziehen sind, wird nicht einheitlich beantwortet.

Einigkeit besteht, dass kurze Unterbrechungen der Hauptverhandlung nicht abgezogen werden. Muss sich der RA in Bereitschaft halten, unterbricht etwa das Gericht die Hauptverhandlung für eine Beratung über einen Antrag, wird auch diese Zeit als Hauptverhandlungsdauer anerkannt, auch wenn formal während der Unterbrechung eine Hauptverhandlung nicht stattfindet.

Wird die Sitzung für eine Pause unterbrochen, in der sich die Beteiligten regelmäßig aus dem Gerichtssaal entfernen und daher nicht mehr zur Verfügung stehen, besteht Uneinigkeit, unter welchen Voraussetzungen diese Pausen zur Sitzungsdauer rechnen. Von der wohl überwiegenden Zahl der OLG wird eine Sitzungspause abgezogen, wenn der RA sie sinnvoll nutzen kann.[35] Dabei bringen einige Gerichte grds. Sitzungspausen ab einer Stunde Dauer in Abzug.[36]

2. Die geplante Neuregelung

Dieses Durcheinander will der RegE. auf der Grundlage der vorliegenden Rechtsprechung durch eine generalisierende Regelung ändern, die eine einfache Feststellung ermöglichen soll, ob die Voraussetzungen für die Gewährung eines Längenzuschlags erfüllt sind. Danach gilt:[37]

Grds. sollen Wartezeiten und Unterbrechungen während eines Verhandlungstags als Teilnahme an der Hauptverhandlung berücksichtigt werden. Dies soll nur dann nicht gelten, wenn der RA die Wartezeit oder die Unterbrechung zu vertreten hat oder die Unterbrechung länger als eine Stunde dauert. Die Berücksichtigung von Wartezeiten, die der RA nicht zu vertreten hat, ist zutreffend und korrespondiert mit der Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG, wonach die Terminsgebühr auch entsteht, wenn RA zu einem anberaumten Termin erscheinen, der Termin aber aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen nicht stattfindet.

Hinsichtlich der Unterbrechungen/Pausen am Hauptverhandlungstag erscheint dem RegE.[38] eine Nichtberücksichtigung der Berechnung der für einen Längenzuschlag maßgeblichen Hauptverhandlungszeit bei einer Dauer der Unterbrechung von mehr als einer Stunde sachgerecht. Dabei soll es jeweils auf die Dauer der einzelnen Unterbrechungen und nicht auf die Gesamtdauer der Unterbrechungen an einem Hauptverhandlungstag ankommen, es wird also nicht zusammengezählt.[39] Die Bewertung, ob der RA eine Unterbrechung – der RegE. erwähnt ausdrücklich als Beispiel die Mittagspause – sinnvoll für andere Tätigkeiten nutzen kann, ist weder dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle noch dem Gericht möglich. Es soll nach dem RegE. daher nicht darauf ankommen, ob der RA im konkreten Einzelfall sinnvoll genutzt hat oder überhaupt nutzen konnte. Der Streit um die Berücksichtigung der Mittagspause ist also erledigt. Eine (Mittags-)Pause von nicht mehr als einer Stunde ist also bei der Berechnung der maßgeblichen Hauptverhandlungszeit zu berücksichtigen. Längere Pausen werden nicht berücksichtigt

Da eine (ggf. sinnvolle) Nutzung einer Unterbrechung aber nur möglich ist, wenn der RA bei der Anordnung der Unterbrechung deren Zeitraum kennt, sieht der RegE. vor, dass ggf. auch längere Pausen berücksichtigt werden. Das soll dann der Fall sein, wenn der oder die Vorsitzende die Hauptverhandlung für unbestimmte Zeit – etwa für eine Beratungspause – unterbricht. Auch soll nur der angekündigte Zeitraum der Unterbrechung nicht als Teilnahme an der Hauptverhandlung berücksichtigt werden.

Beispiel 6

Es wird eine Unterbrechung der Hauptverhandlung von 90 Minuten angeordnet. Die Fortsetzung der Hauptverhandlung erfolgt aus vom Verteidiger nicht zu vertretenden Gründen erst nach zwei Stunden.[40]

Für die Berechnung der Hauptverhandlungszeit gilt: Nicht berücksichtigungsfähig sind lediglich die (angekündigten) 90 Minuten. Über die restlichen 30 Minuten kann der Verteidiger nicht mehr frei verfügen, sondern muss sich für die Fortsetzung der Hauptverhandlung im oder in der Nähe des Gerichtssaals bereithalten. Diese Situation ist vergleichbar mit einer Wartezeit aufgrund eines verspäteten Sitzungsbeginns.

Nach Vorbem 4.1 Anm. 3 Satz 2 Hs. 2 VV RVG-E sollen Unterbrechungen dann nicht als Teilnahme an der Hauptverhandlung zu berücksichtigen sein, wenn der RA sie zu vertreten hat.

Beispiel 7

Der Verteidiger stellt in der Hauptverhandlung einen Antrag, die Hauptverhandlung zu unterbrechen, weil eine Besprechung mit dem Mandanten erforderlich.

Nach dem RegE.[41] soll die Dauer dieser Unterbrechung nicht als Hauptverhandlungszeit zu berücksichtigen sein. Der RegE. geht davon aus, dass der Verteidiger die Unterbrechung „zu vertreten har“. Zudem handelte es sich insoweit um Vorbereitungsaufwand für den (fortzusetzenden) Hauptverhandlungstermin, der bereits über die Grundterminsgebühr (ohne Längenzuschlag) abgegolten werde.

Das ist m.E. nicht zutreffend. Denn der RA hat doch eine solche Unterbrechung der Hauptverhandlung nicht „zu vertreten“ i.e.S, d.h. ihm ist doch kein Schuldvorwurf zu machen. Und man lässt auch außer Betracht, dass es sich eben nicht um Vorbereitungsaufwand für den Hauptverhandlungstermin i.e.S. handelt, sondern sich aus dem Verlauf der Hauptverhandlung ergebende zusätzliche Tätigkeiten, die zu zusätzlichem Zeitaufwand des Verteidigers führen. Warum soll er die nicht vergütet bekommen?

IV. Änderungen in Teil 5 VV RVG (Vorbem. Abs. 1 VV RVG-E) – Zeugenbeistand

In Teil 5 VV RVG sieht der RegE.[42] eine Änderung vor, in der m.E. erhebliche Brisanz steckt. Dies gilt zwar nicht unbedingt für die Abrechnung von Tätigkeiten nach Teil 5 VV RVG, aber für die Abrechnung der Tätigkeiten des als Zeugenbeistand im Strafverfahren tätigen RA. Die damit zusammenhängenden Fragen sind in Rechtsprechung und Literatur erheblich umstritten, sie gehören sicherlich mit zu den meist umstrittenen Fragen des RVG.[43]

1. Derzeitiger Stand der Rechtsprechung

Es ist nämlich heftig umstritten, wie die den Zeugenbeistand betreffenden Regelungen in Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG einerseits und in Vorbem. 5 Abs. 1 VV RVG andererseits, die unterschiedlich formuliert sind, zu verstehen sind.

a) Zeugenbeistand in Strafsachen

Nach Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG sind im Strafverfahren für die Tätigkeit als Zeugenbeistand die Vorschriften des Teils 4 VV RVG entsprechend anzuwenden. Da der Zeugenbeistand ggf. nach § 68b Abs. 2 StPO nur für Dauer der Vernehmung beigeordnet wird, geht ein Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung davon aus, dass der (beigeordnete) Zeugenbeistand vergütungsrechtlich nicht wie ein Verteidiger nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG, sondern wie ein RA zu behandeln ist, der in einem Strafverfahren eine Einzeltätigkeit ausübt, also nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG.[44]

b) Zeugenbeistand in Bußgeldsachen

Die derzeit geltende Regelung für das Bußgeldverfahren in Vorbem. 5 Abs. 1 VV RVG weicht von der Formulierung in Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG ab. Dort ist bestimmt, dass für die Tätigkeit als Zeugenbeistand in einem Verfahren, für das sich die Gebühren nach diesem Teil bestimmen, die gleichen Gebühren wie für einen Verteidiger in diesem Verfahren entstehen. Nach dem eindeutigen Wortlaut gelten für diesen Zeugenbeistand ausschließlich die Gebührenregelungen für Verteidiger nach Teil 5 Abschnitt 1 VV RVG. Diese abweichende Formulierung wird von einem Teil der Rechtsprechung und Literatur – zutreffend – als Beleg dafür gesehen, dass auch im Strafverfahren der beigeordnete Zeugenbeistand wie Verteidigerinnen und Verteidiger zu vergüten ist.[45]

2. Die geplante Neuregelung

Der RegE. gleicht diese Formulierung an, und zwar so, dass die Vorbem. 5 Abs. 1 VV RVG an die Regelung in Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG „angeglichen“ worden. Dem RegE.[46] erscheint es im Hinblick auf die ausdrückliche Beschränkung der Beiordnung in § 68b Abs. 2 StPO auf die Dauer der Vernehmung sachgerecht, den Zeugenbeistand wie RAe zu vergüten, die keine Verteidiger sind und nur eine Einzeltätigkeit ausüben. Damit fällt ein Argument weg, dass bisher als Beleg für die „richtige“ Abrechnung des Zeugenbeistands im Strafverfahren nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG angeführt worden ist. Man wird sehen, ob die Auffassung, die sich für die Abrechnung nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG ausspricht, noch weiter zurückgehen wird.

V. Änderungen in Teil 7 VV RVG (Auslagen)

In Teil 7 VV RVG sind zwei Änderungen vorgesehen, die auch für Verteidiger von Bedeutung sein werden.

1. Fahrtkosten (Nr. 7003 VV RVG-E)

Der RegE. möchte die gestiegenen Anschaffungs- und Betriebskosten für Kraftfahrzeuge zumindest teilweise kompensieren. Deshalb soll der Fahrtkostenersatz für den RA bei Benutzung des eigenen Kraftfahrzeugs von 0,30 € auf 0,42 € für jeden gefahrenen Kilometer erhöht werden.

2. Tage- und Abwesenheitsgeld/Geschäftsreise (Nr. 7005 VV RVG-E)

In Nr. 7005 VV RVG sind bisher – je nach Länge der Abwesenheit des RA – Tage- und Abwesenheitsgelder von 25,00 €, 40,00 € und 70 € vorgesehen. Diese sollen auf 30,00 €, 50,00 € und 80,00 € angehoben werden, um die Tage- und Abwesenheitsgelder bei einer Geschäftsreise an die wirtschaftliche Entwicklung anzupassen.[47]

VI. Inkrafttreten

Art. 7 des RegE. sieht zwei unterschiedliche Zeitpunkte für das Inkrafttreten vor, und zwar:

Die Änderung der allgemeinen Übergangsvorschrift des § 60 RVG (vgl. III. 6.) soll bereits am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft treten. Damit soll sichergestellt werden, dass für die in dem RegE. vorgeschlagenen Anpassungen des RVG bereits die neue Übergangsvorschrift Anwendung findet.[48] i.Ü. soll das Gesetz am ersten Tag des ersten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats in Kraft treten. Das bedeutet, dass ein Inkrafttreten am 1.1.2021 eine Verkündung im BGBl bis zum 31.12.2020 voraussetzt.

VII. Fazit/Bewertung

1. Änderungen halbherzig

Wie kann/muss man diesen RegE. betreffend die Teile 4 und 5 VV RVG bewerten. Nun. m.E. passt am besten: Es röhrt ein Elefant und er gebiert eine Maus. Oder: Es handelt sich um sehr halbherzige Änderungen/Anpassungen des RVG, die m.E. deutlich die Handschrift der Bundesländer erkennen lassen, die Angst um ihre klammen Staatskassen haben. Die Bundesländer wollten so wenig wie möglich an zusätzlichem Geld ausgeben. Daher auch die zeitgleiche Anhebung der Gerichtskosten pp. Dagegen hatten sich BRAK und DAV gewehrt. Und was haben wir jetzt? Einen m.E. mickrigen Entwurf. Wie man bei dem Ergebnis schreiben kann „Auch wenn nicht alle Forderungen von DAV und BRAK in den vorliegenden Regierungsentwurf Eingang gefunden haben – das vorliegende Ergebnis ist ein Erfolg und zeigt, dass sich die Mühen der letzten Monate gelohnt haben.“,[49] erschließt sich mir – zumindest für die Teile 4 und 5 VV RVG – nicht. Denn zumindest für diese Teile ist nicht einer der im gemeinsamen Katalog von DAV und BRAK[50] enthaltenen Vorschläge umgesetzt. Und nicht nur das: Die Abrechnung der Tätigkeiten des Zeugenbeistands im Strafverfahren nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG wird gegenüber der bisherigen Regel noch weiter erschwert. Da wird es auch nichts helfen, wenn man darin in der „Gemeinsamen Stellungnahme Bundesrechtsanwaltskammer und Deutscher Anwaltverein“ aus August 2020[51] Sturm läuft. Im Gesetzgebungsverfahren wird sich nichts mehr ändern. Die Bundesländer werden mauern.

2. Vermisste Änderungen

Angetreten war man mal mit einem 3. KostRMoG bzw. das sollte kommen. Dass dieser RegE. den Namen nicht zu Recht tragen würde, hat dann auch wohl das BMJV erkannt und nennt das vorgesehene Gesetz dann lieber nur KostRÄG 2021. Ein KostRMoG wäre es – bezogen auf die Teile 4 und 5 VV RVG gewesen, wenn man die gemeinsamen Vorschläge von DAV und BRAK[52] aufgegriffen hätte. Dann hätte man endlich die Tätigkeiten des Zeugenbeistands im Strafverfahren angemessen honoriert, wie es schon mal der Entwurf für das 2. KostRMoG vorgesehen hatte, bevor das BMJV vor den Bundesländern gekniffen hat. Vielleicht hätte man auch endlich mal die Regelung in der Nr. 4102 VV RVG überarbeiten können und weitere Termine, an denen der RA im Strafverfahren teilnimmt, honorieren können. Denn es ist doch nicht einzusehen, warum ein Verteidiger, der an einem vom Gericht anberaumten Abstimmungsgespräch nach § 213 Abs. 2 StPO teilnimmt, diese Teilnahme nicht besonders vergütet bekommen soll. Dasselbe gilt für Teilnahme des Verteidigers an Durchsuchungsmaßnahmen oder an Erörterungen des Standes des Verfahrens nach den §§ 160b, 202a StPO. Auch die unsinnige Bündelung der zu einer Vernehmungsterminsgebühr nach Nr. 4102 VV RVG führenden Termine in Satz 2 der Anm. zu Nr. 4102 RVG müsste längst entfallen. Das in dieser Regelung erkennbar werdende Misstrauen gegenüber dem Verteidiger als „Gebührenschinder“ ist nicht berechtigt. Und: Warum „repariert“ man nicht auch endlich die Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG und macht auch das Einscannen von Akten „abrechnungsfähig“. Da führt man das beA ein und ist auf dem Weg zur elektronischen Akte, verharrt aber bei der Abrechnung der Herstellung und Überlassung von Dokumenten im „Papierzeitalter“.

3. Unzureichende lineare Anhebung

Hauptkritikpunkt ist m:E. aber der Grad der linearen Anhebung der anwaltlichen Gebühren um durchschnittlich nur 10 Prozent, die für alle Teile des RVG gilt. Das hört sich zunächst viel an. Das ist es aber nicht, wenn man bedenkt, dass die letzte Erhöhung durch das 2. KostRMoG aus dem Jahr 2013 stammt, also 7–8 Jahre zurückliegt, und davor die Anwaltsgebühren letztmals 1994 angehoben worden sind. Die Einführung des RVG im Jahr 2004 hatte keine linearen Erhöhungen gebracht. Die Erhöhungen, die durch das RVG eingetreten sind, waren auf die geänderten Strukturen zurückzuführen. 10 Prozent nicht viel? Nein, das ist nicht viel. Denn, wenn man sich mal die Steigerungen in anderen Bereichen in dem Zeitraum ansieht, werden die 10 Prozent mehr sehr schnell aufgefressen. Und: Wenn ich auf die Schnelle richtig gerechnet habe, dürften die Gehälter der Bundesbeamten in dem Zeitraum um rund 20–25 % brutto gestiegen sein.

Alles in allem: M.E. ist eine Chance, auf eine vernünftige Anhebung der anwaltlichen Vergütung und eine Modernisierung des RVG mal wieder vertan.


[1] BGBl I, 2586.

[2] Dazu Burhoff RVGreport 2013, 330.

[3] Vgl. auch Volpert RVGreport 2020, 362; zur Bewertung s. unten VII.

[4] Dazu Volpert RVGreport 2020, 362.

[5] Vgl. Volpert RVGreport 2020, 362, 364.

[6] Burhoff, in: Burhoff/Volpert, RVG in Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl., Nr. 4100 VV RVG Rn 59 f.

[7] Burhoff, a.a.O., Nr. 4143 VV RVG Rn 39 ff.

[8] Volpert, in: Burhoff/Volpert, a.a.O., Vorbem. 4.3 VV RVG Rn 74 ff.

[9] Burhoff, a.a.O., Nr. 5200 VV RVG Rn 21.

[10] Burhoff, a.a.O., Nr. 5100 VV RVG Rn 6 ff.

[11] BR-Drucks. 565/20, 86 f.

[12] BR-Drucks. 565/20, 87.

[13] Vgl. dazu eingehend Burhoff, a.a.O., § 48 Abs. 6 und Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 24. Aufl., § 48 Rn 194 ff.; Burhoff StraFo 2014,454; Ders. RVGreport 2008, 129.

[14] Nach OLG Celle RVGreport 2020, 93 = StraFo 2019, 526 = JurBüro 2019, 577 = AGS 2019, 554.

[15] So unzutreffend OLG Braunschweig NStZ-RR 2014, 232 = AGS 2014, 402; OLG Hamburg JurBüro 2018, 17 = RVGreport 2018, 50 = StraFo 2018, 41; OLG Celle StraFo 2019, 526 = JurBüro 2019, 577 = AGS 2019, 554 = RVGreport 2020, 93; OLG Koblenz StraFo 2012, 290 = AGS 2012, 390 = StRR 2012, 319 = JurBüro 2012, 522 = RVGreport 2013, 227; OLG Oldenburg RVGreport 2011, 220 = RVGprofessionell 2011, 104; OLG Zweibrücken NStZ-RR 2018 64 = RVGreport 2018, 14 = JurBüro 2018, 79; LG Dessau-Roßlau JurBüro 2015, 643 = AGS 2015, 513; LG Kaiserslautern, Beschl. v. 8.1.2019 – 5 Qs 120/18; ähnlich OLG Celle, Beschl. v. 2.1.2007 – 1 Ws 575/06; OLG Rostock RVGreport 2009, 304 = StRR 2009, 279 = RVGprofessionell 2009, 155.

[16] So zutreffend KG JurBüro 2009, 531 = RVGreport 2010, 64 = NStZ-RR 2009, 360 [Ls.]; OLG Bremen RVGreport 2013, 14 = StRR 2012, 436 = RVGprofessionell 2012, 186; OLG Hamm RVGreport 2005, 273 = AGS 2005, 437 = JurBüro 2005, 532; StraFo 2017, 391 = AGS 2017, 457 = RVGreport 2019, 376; OLG Jena JurBüro 2009, 138 [Ls.] = Rpfleger 2009, 171; LG Aurich, RVGreport 2011, 221 = StRR 2011, 244; LG Bonn, Beschl. v. 30.8.2006 – 37 Qs 22/06; LG Dortmund StraFo 2006, 258).

[17] KG JurBüro 2009, 531 = RVGreport 2010, 64 =NStZ-RR 2009, 360 [Ls.]; OLG Bremen RVGreport 2013, 14 = StRR 2012, 436 = RVGprofessionell 2012, 186; OLG Hamm RVGreport 2005, 273 = AGS 2005, 437 = JurBüro 2005, 532.

[18] So bisher schon die zutreffende Rechtsprechung bei Fn 16; s.a. Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 48 Rn 205; Burhoff, a.a.O., § 48 RVG Rn 26; N. Schneider StraFo 2014, 410, 413.

[19] BR-Drucks. 565/20, 90.

[20] Dazu aus neuerer Zeit Burhoff RVGreport 2019, 82; Klüsener JurBüro 2018, 169.

[21] Art. 6 Nr. 22 des Gesetzes zur Umstellung des Kostenrechts und der Steuerberatergebührenverordnung auf EUR vom 27.4. 2001, (BGBl I, 751).

[22] BR-Drucks. 565/20, 90 f.

[23] OLG Celle RVGreport 2014, 20 = AGS 2014, 80; a.A. OLG Braunschweig AGS 2017, 525; OLG Frankfurt am Main AGS 2018, 146; OLG Hamburg RVGreport 2013, 348 = AGS 2013, 428; OLG München RVGreport 2016, 456 = AGS 2016, 528.

[24] Vgl. dazu die Kommentierung bei Burhoff, a.a.O., § 58 RVG Rn 1 ff.; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 58 RVG Rn 54 ff.

[25] OLG Jena RVGreport 2018, 95 = Rpfleger 2018, 231; OLG Koblenz RVGreport 2019, 421; LG Aachen JurBüro 2020, 298 = RVGreport 2020, 303; LG Bad Kreuznach RVGreport 2019, 14.

[26] So schon OLG Jena, OLG Koblenz, LG Aachen und LG Bad Kreuznach, jeweils a.a.O.

[27] BR-Drucks. 565/20, 92.

[28] BR-Drucks. 565/20, 92.

[29] Vgl. Volpert RVGreport 2020, 362, 369.

[30] Vgl. zum Übergangsrecht in den Fällen der Pflichtverteidigung Burhoff, a.a.O., Teil A: Übergangsvorschriften (§ 60 f.), Rn 2094 ff.

[31] BR-Drucks. 565/20, 58.

[32] BR-Drucks. 565/20, 93.

[33] Vgl. die Übersicht bei Burhoff, a.a.O., Nr. 4110 VV RVG Rn 15 m.w.N. aus der Rechtsprechung; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., Nrn. 4108–4111 VV RVG Rn 22 ff. m.w.N.

[34] Vgl. die vorstehenden Literaturhinweise und BR-Drucks. 565/20, 97 f.

[35] Burhoff, a.a.O., Nr. 4110 VV RVG Rn 20, 23 m.w.N.

[36] Burhoff, a.a.O., Nr. 4110 VV RVG Rn 22 f.

[37] BR-Drucks. 565/20, 97 f.

[38] BR-Drucks. 565/20, 98.

[39] BR-Drucks. 565/20, 98.

[40] Nach BR-Drucks. 565/20, 98.

[41] BR-Drucks. 565/20, 98.

[42] BR-Drucks. 565/20, 99.

[43] Vgl. zum Meinungsstand Burhoff, a.a.O., Vorbem. 4.1 VV RVG Rn 5 ff. m.w.N. aus Rspr. und Lit.

[44] Vgl. die Nachweise bei Burhoff, a.a.O., Vorbem. 4.1 VV RVG Rn 9 ff.

[45] Burhoff, a.a.O., Vorbem. 4.1 VV RVG Rn 11 f. m.w.N.

[46] BR-Drucks. 565/20, 99.

[47] BR-Drucks. 565/20, 100.

[48] BR-Drucks. 565/20, 100 f.

[49] https://anwaltsblatt.anwaltverein.de/de/news/rvg-anpassung-startschuss.

[50] Vgl. Hansens RVGreport 2018, 202, 204.

[51] Stellungnahme Nr. 40/2020 bzw. Stellungnahme Nr. 54/2020, jeweils S. 8., s. Hansens RVGreport 2020, 361.

[52] Vgl. Hansens RVGreport 2018, 202 ff.


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