aus RVGreport 2004, 127
(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "RVGreport" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "RVGreport " auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)
Das RVG kennt grundsätzlich nur noch die Verfahrens- und die Terminsgebühr. Das gilt auch für den Bereich der anwaltliche Vergütung in Strafsachen nach Teil 4 VV RVG. Daneben gilt hier allerdings insofern eine Ausnahme, als in Nr. 4100 VV RVG eine sogenannte Grundgebühr eingeführt worden, die jedem Rechtsanwalt, der als Verteidiger des Beschuldigte oder als Vertreter eines sonstigen Verfahrensbeteiligten im Strafverfahren tätig wird, für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall zusteht (zu den Einzelh. der Grundgebühr s. Burhoff, RVGreport 2004, 53; i.Ü. zur Verfahrensgebühr auch Burhoff/Kindermann, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz 2004, Rn. 268 ff.).
Verfahrens- und Terminsgebühr sind aus der alten Hauptverhandlungsgebühr des § 83 BRAGO entstanden. Die Aufteilung dieser Gebühr auf zwei Gebührentatbestände soll es nach Auffassung des Gesetzgebers ermöglichen, den Umfang der verschiedenen Tätigkeiten des Rechtsanwalts besser als nach der BRAGO aufwandsbezogen zu berücksichtigen (vgl. dazu BT-Dr. 15/1971, S. 220).
Hinweis: Darüber hinaus können dem Rechtsanwalt neben Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühr noch nach Teil 4 Unterabschnitt 5 VV RVG zusätzliche Gebühren zustehen, so z.B. die Befriedungsgebühr der Nr. 4141 VV RVG oder die Wertgebühr für Tätigkeiten im Hinblick auf Einziehung in Nr. 4142 VV RVG. |
Allgemein regelt Vorbem. 4 Abs. 2 VV RVG die Verfahrensgebühr. Hier wird insbesondere der (allgemeine) Abgeltungsbereich der Gebühr festgelegt. Die an dieser Stelle gegebene Definition der Verfahrensgebühr gilt für alle Verfahrensgebühren, die der Rechtsanwalt im Strafverfahren nach Teil 4 des VV RVG verdienen kann. Das sind
Im gerichtlichen Verfahren sind die Verfahrensgebühren der Höhe nach im ersten Rechtszug nach den Regelungen in Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 VV RVG von der Ordnung des Gerichts, bei dem der Rechtsanwalt tätig wird, abhängig. Damit wird, wie schon nach § 83 Abs. 1 BRAGO, die Schwierigkeit des jeweiligen Verfahrens bei der Bemessung der anwaltlichen Gebühren angemessen berücksichtigt. Die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren ist - anders als die Gebühr nach §§ 84 Abs. 1, 83 BRAGO - nicht (mehr) von der Ordnung des Gerichts abhängig. Das erspart viele Probleme, die durch die alte Rechtslage entstanden sind (vgl. dazu AnwKomm-BRAGO N.Schneider, BRAGO, § 84 Rn. 21 ff ; s. auch unter IV, 1). Im Übrigen sind die Verfahrensgebühren der Höhe nach von dem Rechtszug abhängig, in dem sie entstehen. Die Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren ist also höher als die für den ersten Rechtszug. Die für das Revisionsverfahren ist noch weiter angehoben worden.
Praxishinweis: Der Rahmen der jeweiligen Verfahrensgebühr ist allgemein gegenüber den Regelungen in § 83 BRAGO gesenkt worden. Das ist Folge der vom RVG vorgenommenen Aufteilung der Hauptverhandlungsgebühr des § 83 BRAGO in die Verfahrens- und Terminsgebühr. |
Für die Praxis von Bedeutung ist die Neuregelung in Nr. 4118 VV RVG. Danach fällt nämlich jetzt auch in Staatsschutzsachen (§ 74a GVG) und in Wirtschaftsstrafverfahren (§ 74c GVG) vor der großen Strafkammer der erhöhte Gebührenrahmen an, der bislang nach der BRAGO in erstinstanzlichen Sachen beim LG nur für Schwurgerichtsverfahren entstanden ist. Mit dieser Neuregelung ist das RVG-E berechtigten Forderungen der Praxis nachgekommen, die schon seit längerem eine Gleichbehandlung dieser i.d.R. schwierigen und zeitlich aufwändigen Verfahren mit den Schwurgerichtsverfahren gefordert hat. Diese Neuregelung wird allerdings Auswirkungen auf die Gewährung von Pauschvergütungen in Wirtschaftsstrafverfahren nach den §§ 42, 51 RVG haben. Diese sind von den OLG in der Vergangenheit nämlich häufig auch unter Hinweis auf das nicht stimmige Gesamtgefüge der Gebührenrahmen bewilligt worden (vgl. z.B. OLG Hamm StraFo 2000, 285). Dieses Argument fällt nach Anhebung der Gebührenrahmen für Staatsschutz- und Wirtschaftsstrafverfahren in Zukunft weg.
Zuständigkeit des Gerichts |
Gebührenrahmen/Festgebühr (ohne Zuschläge) |
||
Wahlverteidiger |
Pflichtverteidiger |
||
von |
bis |
||
Vorbereitendes Verfahren |
30,00 |
250,00 |
112,00 |
AG([erw.]Schöffengericht, Jugendschöffengericht, Strafrichter, Jugendrichter |
30,00 |
250,00 |
112,00 |
LG (Große Strafkammer, ohne Schwurgericht und ohne Staatsschutz- und Wirtschaftsstrafkammer, Jugendkammer |
40,00 |
270,00 |
124,00 |
Schwurgericht, Staatsschutz- und Wirtschaftsstrafkammer, Jugendkammer, (soweit Schwurgerichtszuständigkeit), OLG |
80,00 |
580,00 |
264,00 |
Der Rechtsanwalt erhält die Verfahrensgebühr nach der Legaldefintion in Vorbem. 4 Abs. 2 VV RVG "für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information". Diese Formulierung entspricht teilweise der im früheren § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO zur Geschäftsgebühr. Durch die Verfahrensgebühr, die sowohl im vorbereitenden Verfahren (vgl. Nr. 4104 VV RVG-E) als auch im gerichtlichen Verfahren und dort für jeden Verfahrensabschnitt entstehen kann, ist damit die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts im jeweiligen Verfahrensabschnitt und jeweiligen Rechtszug abgegolten, soweit hierfür keine besonderen Gebühren vorgesehen sind (BT-Dr. 15/1971, S. 220). Eine besondere Gebühr ist die in Nr. 4100 VV RVG-E enthaltene Grundgebühr, durch die "die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall" abgegolten wird (vgl. dazu Burhoff, RVGreport 2004, 53). Besondere Gebühren sind auch die Terminsgebühren (s. unten III, 3).
Folgende (allgemeine) Tätigkeiten werden von der jeweiligen Verfahrensgebühr erfasst, wobei der jeweilige Verfahrensabschnitt zu berücksichtigen ist, für den die Verfahrensgebühr angefallen ist:
Nicht erfasst wird von der Verfahrensgebühr - anders als von der früheren Hauptverhandlungsgebühr des § 83 BRAGO - die (jeweilige) Teilnahme an (gerichtlichen) Terminen. Für diese sieht der RVG nämlich jeweils eine eigene Vorschrift im VV RVG vor. Das sind insbesondere die (Vernehmungs)Termine der Nr. 4102 VV RVG und die Terminsgebühren für die Teilnahme an der Hauptverhandlung (vgl. Nr. 4108, 4114, 4118 VV RVG). Fraglich ist, welche der beiden Gebühren die Vorbereitung eines Termins abdeckt. Die Terminsgebühren erhält der Rechtsanwalt nach Vorbem. 4 Abs. 3 VV RVG für die "Teilnahme an gerichtlichen Terminen". Dazu gehört wegen des Sachzusammenhangs auch die damit zusammenhängende (konkrete) Vorbereitung und Nachbereitung des jeweiligen Termins. Zwar heißt es in der Gesetzesbegründung zur Verfahrensgebühr, dass der Rechtsanwalt diese im gerichtlichen Verfahren auch für die Vorbereitung der Hauptverhandlung erhält (s. vgl. dazu BT-Dr. 15/1971, S. 279). Die dort angesprochene Vorbereitung ist jedoch eine andere als die Vorbereitung des (jeweiligen) Termins. Gemeint ist damit nämlich nur die allgemeine Vorbereitung der Hauptverhandlung, wie z.B. das Absprechen der allgemeinen Verteidigungsstrategie, eigene Ermittlungen, um z.B. (weitere) Zeugen zur Hauptverhandlung laden zu können, u.Ä.
Hinweis: Es muss also bei der Bestimmung der im Sinne des § 14 RVG angemessenen Verfahrensgebühr zwischen der allgemeinen Vorbereitung der ggf. aus mehreren Terminen bestehenden Hauptverhandlung und der Vorbereitung des einzelnen Termins unterschieden werden. Die allgemeine Vorbereitung wird mit der jeweiligen Verfahrensgebühr abgegolten, die des konkreten Termins mit der dafür anfallenden Terminsgebühr. |
Für die Verfahrensgebühr stehen unterschiedliche Gebührenrahmen zur Verfügung, aus denen der Wahlverteidiger unter Anwendung der Kriterien des § 14 RVG die jeweils angemessene Gebühr bestimmt. Der Pflichtverteidiger erhält - wie schon nach der BRAGO - Festgebühren, und zwar 80% der einem Wahlanwalt zustehenden sog. Mittelgebühr.
Bei der konkreten Bemessung der Verfahrensgebühr sind alle erbrachten Tätigkeiten zu berücksichtigen. Dazu gehören insbesondere auch die erwähnten Tätigkeiten zur allgemeinen Vorbereitung der Hauptverhandlung, wie z.B. das intensive Bemühen um eine Absprache, die zu einer Abkürzung der Hauptverhandlung geführt hat. Das kann z.B. zur Folge haben, dass diese Tätigkeiten zu einer deutlich über der Mittelgebühr liegenden Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren führen, demgegenüber aber wegen des geringeren Zeitaufwands in der Hauptverhandlung für die Terminsgebühr allenfalls nur die Mittelgebühr gerechtfertigt ist.
Hinweis: Nach wie vor muss sich der Rechtsanwalt von den Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG leiten lassen. Für die Bemessung kommt es also vor allem auf die Bedeutung der Angelegenheit, den Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Mandanten an. Reicht die Verfahrensgebühr danach wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit des Verfahrens nicht aus, den Rechtsanwalt zumutbar zu entlohnen, kommt die Feststellung bzw. Gewährung einer Pauschvergütung nach §§ 42, 51 RVG in Betracht. |
Die Ordnung des Gerichts, bei dem das gerichtliche Verfahren anhängig, ist, kann bei der Bemessung der gerichtlichen Verfahrensgebühr keine Rolle spielen, da sie bereits Grundlage für die Bemessung des jeweiligen Gebührenrahmens ist. Auch für die Verfahrensgebühr im vorbereitenden Verfahren nach Nr. 4104 VV RVG muss außer betracht bleiben, wo das dem vorbereitenden Verfahren nachfolgende gerichtliche Verfahren anhängig werden wird. Der Gesetzgeber hat gerade für das Vorverfahren an die Anbindung der Höhe der Verfahrensgebühr an die Ordnung des demnächst zuständigen Gerichts verzichtet. Die damit erstrebte Vereinfachung würde unterlaufen, wenn nun bei der Bemessung der Gebühr dieser Umstand doch wieder Bedeutung erlangen würde.
Die Verfahrensgebühren können mit Zuschlag entstehen, wenn der RVG einen solchen vorsieht. Das ist der Fall, wenn sich der Mandant nicht auf freiem Fuß befindet (vgl. Vorbem. 4 Abs. 4 VV RVG). Diese Regelung entspricht weitgehend dem alten § 83 Abs. 3 BRAGO. Neu ist allerdings, dass der Haftzuschlag nun immer zu der Gebühr mit Zuschlag führt. Es fällt also nicht mehr nur dann eine wegen der Haft erhöhte Gebühr an, wenn der Gebührenrahmen im Übrigen nicht ausreicht, um die durch die Inhaftierung des Mandanten entstehenden Erschwernisse auszugleichen. Entfallen ist die Regelung in § 88 S. 3 BRAGO, die eine Überschreitung des Gebührenrahmens bei Tätigkeiten zuließ, die sich auf Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis bezogen. Diese sind nun aber bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensgebühr zu berücksichtigen und müssen zu einer höheren konkreten Gebühr führen.
Nach § 20 S. 1 RVG sind, soweit eine Sache an ein anderes Gericht verwiesen oder abgegeben wird, die Verfahren vor dem verweisenden oder abgebenden und vor dem übernehmenden Gericht ein Rechtszug. Die Gebühren entstehen also nur einmal. Zu § 83 BRAGO bestand Streit, welcher Gebührenrahmen für die Hauptverhandlungsgebühr anzuwenden war, wenn im Laufe des Verfahrens Gerichte verschiedener Ordnungen mit der (Straf)Sache befasst waren (vgl. dazu AnwKom-BRAGO-N.Schneider, § 83 Rn. 22; Gerold/Schmidt/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 83 Rn. 12, jeweils m.w.N.). Der Streit hatte seinen Grund darin, dass die Hauptverhandlungsgebühr eine einheitliche Gebühr war, die für das gesamte gerichtliche Verfahren galt und die Tätigkeiten vor und in der Hauptverhandlung abdeckte. Dieser Streit kann hinsichtlich der - neu eingeführten - Verfahrensgebühren des RVG nicht (wieder) entstehen. Die Verfahrensgebühr des RVG erfasst nur noch die Tätigkeiten außerhalb der Hauptverhandlung. Sie ist rechtszugbezogen, d.h., sie entsteht im Rechtszug nur einmal. Der Höhe nach entsteht sie nach dem Gebührenrahmen des höchsten jeweils mit der Sache befassten Gerichts. Für abgeschlossene Gebührentatbestände bleibt es bei einem ggf. geringeren Gebührenrahmen.
Hinweis: Im Fall der Zurückverweisung gilt § 21 Abs. 1 RVG: Das weitere Verfahren vor dem Gericht, an das zurückverwiesen wird, ist ein neuer Rechtszug. Es entsteht also eine neue gerichtliche Verfahrensgebühr. |
Beispiel
Rechtsanwalt R hat den Angeklagten im vorbereitenden Verfahren und im gerichtlichen Verfahren beim AG vertreten. Dort hat ein Hauptverhandlungstermin stattgefunden. Gegen das Urteil hat Rechtsanwalt R Sprungrevision eingelegt. Das OLG hat das amtsgerichtliche Urteil aufgehoben und die Sache an das AG zurückverwiesen. Dort gelingt es Rechtsanwalt R jetzt noch, eine Einstellung nach § 153 a StPO zu erreichen. Die Bemessungskriterien des § 14 RVG sind durchschnittlich.
Berechnung der Gebühren
Ursprungsverfahren |
Wahlanwalt |
Pflichtverteidiger |
Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG |
165,00 |
132,00 |
Vorbereitendes Verfahren: Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG |
140,00 |
112,00 |
Gerichtliches Verfahren Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG |
140,00 |
112,00 |
Gerichtliches Verfahren Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG |
230,00 |
184,00 |
Revision Verfahrensgebühr Nr. 4130 VV RVG |
515,00 |
412,00 |
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG |
20,00 |
20,00 |
Verfahren nach Zurückverweisung |
||
Gerichtliches Verfahren Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG |
140,00 |
112,00 |
Zusätzliche Gebühr Nr. 4141 Abs. 1 Ziff 1 VV RVG i.V.m. Nr. 4106 VV RVG |
140,00 |
112,00 |
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG |
20,00 |
20,00 |
zzgl. Umsatzsteuer. |
1.510,00 |
1.216,00 |
Wird ein einheitliches Verfahren in verschiedene Verfahren getrennt, so erhält der Rechtsanwalt ab der Trennung für jedes Verfahren gesonderte Verfahrensgebühren, soweit diese danach noch entstehen.
Beispiel:
Gegen den Beschuldigten wird wegen Diebstahls und Trunkenheit im Verkehr ermittelt. Das Verfahren wird beim AG angeklagt. Dieses trennt vor der Hauptverhandlung das Verfahren wegen Diebstahls ab und stellt es später ein.
Der Verteidiger erhält:
Werden mehrere Verfahren miteinander verbunden, so erhält der Rechtsanwalt ab der Verbindung für das verbundene Verfahren nur eine Verfahrensgebühr. Bereits in den verbundenen Verfahren entstandene Verfahrensgebühren bleiben erhalten (zur Gebührenberechnung bei Verbindung mehrerer Strafsachen im gerichtlichen Verfahren s. eingehend N.Schneider, AGS 2003, 432 m.w.N.).
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