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aus RVGreport 2004, 53

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "RVGreport" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "RVGreport " auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Die neue Grundgebühr der Nr. 4100 VV RVG-E

von Detlef Burhoff, Richter am OLG, Münster/Hamm

I. Allgemeines

Die neue Gebührenstruktur des RVG-Entwurfs ist für das Strafverfahren stärker als die BRAGO an den Gang des Verfahrens angepasst worden. Das soll nach Auffassung des Gesetzgebers in Zukunft eine bessere, vor allem aufwandsgerechtere Honorierung der anwaltlichen Tätigkeit im Strafverfahren ermöglichen. Folge dieser geänderten Gebührenstruktur ist, dass das RVG künftig für das Strafverfahren eine Reihe neuer Gebührentatbestände enthält, die bisher in der BRAGO nicht enthalten waren. Eine dieser Vorschriften ist bei den in Teil 4 des VV geregelten Gebühren des Verteidigers die in Nr. 4100 VV RVG-E enthaltene "Grundgebühr". Sie gehört damit zu den in dem Unterabschnitt 1 neu geregelten "Allgemeinen Gebühren".

Hinweis

Die Grundgebühr kann nicht etwa nur im Ermittlungsverfahren entstehen. Die Stellung bei den in Unterabschnitt 1 aufgeführten "Allgemeinen Gebühren" zeigt vielmehr, dass sie ggf. auch in späteren Verfahrensabschnitten entstehen kann. Das wird zudem durch Nr. 4100 Abs.1 VV RVG ausdrücklich noch einmal klar gestellt.

II. Abgeltungsbereich

1. Allgemeines

Die Grundgebühr steht nach VV RVG Nr. 4100 dem Rechtsanwalt (zum persönlichen Abgeltungsbereich s. unten II.6) für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall zu. Mit ihr soll der Arbeitsaufwand abgegolten werden, der einmalig mit der Übernahme des Mandats entsteht (vgl. dazu BT-Dr. 15/1971, S. 281). Nach Nr. 4100 Abs. 1 VV RVG entsteht die Grundgebühr im Verfahren für den Rechtsanwalt nur einmal. Das Entstehen ist jedoch unabhängig davon, wann die Einarbeitung erfolgt.

Beispiel 1:

Dem Beschuldigten wird ein Diebstahl zur Last gelegt. Er verteidigt sich beim AG zunächst selbst. Seinen (späteren) Verteidiger RAt R 1 sucht er erst auf, nachdem er vom AG verurteilt worden ist, um mit ihm die Erfolgsaussichten einer Berufung zu besprechen.

RA 1 erhält, obwohl er erst im Berufungsverfahren erstmals mit der Sache befasst ist, eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG i.H.v. 30,- bis 300,- €( Mittelgebühr 165,-€).

Beispiel 2:

Entsprechendes gilt, wenn später noch RA R 2 mit der Einlegung und Begründung der Revision gegen das landgerichtliche Urteil beauftragt wird. Auch er erhält, obwohl er erst im Revisionsverfahren mandatiert wird, eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG .

Beispiel 3:

Dem Beschuldigten wird ein Diebstahl zur Last gelegt. Er sucht sofort einen RA R und beauftragt ihn mit seiner Verteidigung. RA R führt später auch das Berufungs- und das Revisionsverfahren.

RA R erhält nur einmal eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG , obwohl er für den Beschuldigten in mehreren Verfahrensabschnitten tätig geworden ist.

2. Voraussetzungen für das Entstehen der Gebühr

Aus der Stellung der Gebühr in Teil 4 Abschnitt 1 des VV, in dem die Verteidigergebühren geregelt sind, ergibt sich eindeutig, dass Voraussetzung für das Entstehen der Gebühr die "Übernahme" des Mandats ist (so auch die Gesetzesbegründung in vgl. dazu BT-Dr. 15/1971, S. 281). "Übernahme des Mandats" meint beim Wahlverteidiger den Abschluss eines Vergütungsvertrages. Beim bestellten oder beim sonst beigeordneten Rechtsanwalt wird der Vertragsabschluss durch die Beiordnung durch das Gericht, z.B. als Pflichtverteidiger nach § 140 StPO, oder die sonstige Beiordnung ersetzt.

Hinweis

Kommt es nicht zum Vertragsschluss/zur Mandatsübernahme bzw. wird der Rechtsanwalt nicht beigeordnet/bestellt, erhält der Rechtsanwalt keine Gebühren nach Teil 4 VV. Damit entsteht dann auch keine Grundgebühr. Der Rechtsanwalt erhält dann aber ggf. eine Beratungsgebühr nach Nr. 2101 VV RVG i.H.v. 10,- bis 260,- € ( Mittelgebühr 135,-).

3. Katalog der erfassten Tätigkeiten

Mit der Grundgebühr soll nach Nr. 4100 Abs. 1 VV RVG die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall abgegolten werden. Nach der Gesetzesbegründung ist damit der Arbeitsaufwand gemeint, der einmalig mit der Übernahme des Mandats entsteht. Das ist einmal das erste Gespräch mit dem Mandanten (vgl. dazu BT-Dr. 15/1971, S. 281 zu Nr. 4100). Von der Gebühr abgegolten wird nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelung aber nur das erste Gespräch des Rechtsanwalts mit seinem Mandanten, in dem er im Zweifel nur pauschal und überschlägig beraten wird. Weitere sich anschließende Gespräche, die dem konkreten Aufbau einer Verteidigungsstrategie dienen, werden nicht mehr von der Grundgebühr, sondern von der für den sich anschließenden Verfahrensabschnitt entstehenden Verfahrensgebühr abgegolten (vgl. zur ähnlichen Abgrenzung bei einer "Erstberatung" nach § 20 BRAGO in Familiensachen AG Augsburg AGS 1999, 132 m. Anm. Madert).

Abgegolten wird von der Gebühr auch die Beschaffung der erforderlichen Informationen (BT-Dr. 15/1971, S. 281 zu Nr. 4100). Auch hier kann nach Sinn und Zweck der Vorschrift nur die erste Informationsbeschaffung gemeint sein. Unter Informationsbeschaffung sind alle Tätigkeiten des Rechtsanwalts zu verstehen, die darauf gerichtet sind, ihm - über das Gespräch mit dem Mandanten hinaus - Informationen zu dem an ihn angetragenen Rechtsfall zu verschaffen. Das ist insbesondere eine erste Akteneinsicht nach § 147 StPO. Weitere, im Verlauf sich anschließender Verfahrensabschnitte durchgeführte Akteneinsichten werden nicht mehr von der Grundgebühr, sondern von den jeweiligen Verfahrensgebühr abgegolten.

Darüber hinaus werden sämtliche übrige Tätigkeiten, die in zeitlichem Zusammenhang mit der Übernahme des Mandats anfallen von der Grundgebühr erfasst. Das können sein Telefonate mit Familienangehörigen des Mandanten oder der Polizei bzw. der Staatsanwaltschaft, um nach dem Stand der Ermittlungen zu fragen. Im gerichtlichen Verfahren kann das sein ein Anruf oder eine Anfrage beim Gericht, um sich dort nach dem Sachstand zu erkundigen.

4. Begriff des "Rechtsfalls"

Der Begriff des "Rechtsfall" in Nr. 4100 Abs. 1 VV RVG ist neu. Die BRAGO kannte den Begriff bisher nicht. Damit sollte jedoch neben dem Begriff der "Angelegenheit" in § 15 und dem der "Tat" oder "Handlung" in Nr. 4100 Abs. 2 VV RVG keine neue Begrifflichkeit geschaffen werden. Entscheidend für die Eingrenzung des Begriffs ist der strafrechtliche Vorwurf, der dem Auftraggeber gemacht und wie er von den Strafverfolgungsbehörden verfahrensmäßig behandelt wird. Deshalb kann ein Rechtsfall verschiedene (Tat)Vorwürfe zum Gegenstand haben.

Beispiel 4:

Dem Beschuldigten wird zur Last gelegt, einen Pkw entwendet und mit diesem anschließend alkoholisiert weggefahren zu sein. Wegen dieser beiden Vorwürfe ist gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren betrieben.

Es handelt sich um einen einzigen Rechtsfall i.S. der Nr. 4100 VV RVG , so dass nur eine Grundgebühr entsteht, wenn der Beschuldigte einen Rechtsanwalt mit seiner Verteidigung beauftragt.

Beispiel 5:

Dem Beschuldigten wird zur Last gelegt, einen Pkw entwendet zu haben. Außerdem soll er später mit diesem alkoholisiert gefahren sein. Wegen dieser beiden Vorwürfe sind gegen den Beschuldigten zwei Ermittlungsverfahren anhängig.

Es handelt sich um zwei Rechtsfälle i.S.d. Nr. 4100 VV RVG , so dass auch zwei Grundgebühren entstehen, wenn der Beschuldigte einen Rechtsanwalt mit seiner Verteidigung beauftragt.

Beispiel 6:

Ausgangslage wie im Beispiel 5: Die Polizei gibt die Ermittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft ab, die sie zu einem Verfahren verbindet. Erst danach sucht der Beschuldigte einen Rechtsanwalt auf.

Es handelt sich hier wieder nur um einen Rechtsfall i.S.d. Nr. 4100 VV RVG , so dass auch nur eine Grundgebühr entsteht .

Als Faustregel wird man festhalten können:

Jedes von den Strafverfolgungsbehörden betriebene Ermittlungsverfahren ist ein Rechtsfall, solange die Verfahren nicht miteinander verbunden sind.

5. Grundgebühr bei Verbindung und Trennung von Verfahren

a) Verbindung

Werden mehrere Verfahren miteinander verbunden, erhält der Rechtsanwalt nach den allgemeinen Regeln bis zur Verbindung für jedes Verfahren gesonderte Gebühren, da jedes Verfahren eine eigene Angelegenheit i.S. des § 15 RVG darstellt. Die Verbindung hat keinen Einfluss auf bis dahin entstandene Gebühren.

Beispiel 7:

Dem Beschuldigten wird in einem Verfahren ein Diebstahl und in einem weiteren Verfahren eine Trunkenheitsfahrt zur Last gelegt. Er beauftragt RA R mit seiner Verteidigung. Vom AG werden die Verfahren später zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

RA R erhält in den Ausgangsverfahren jeweils eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG . Die spätere Verbindung hat auf darauf keinen Einfluss. In dem neu entstandenen verbundenen Verfahren erhält er aber nicht noch eine weitere dritte Grundgebühr. Denn insoweit erbringt er keine "erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall" i.S.d. Nr. 4100 Abs. 1 VV RVG . Der dem verbundenen Verfahren zugrundeliegende Rechtsfall setzt sich nämlich aus den Rechtsfällen der Ursprungsverfahren zusammen. In diese hat sich RA R aber bereits eingearbeitet, was durch jeweils eine Gebühr nach Nr. 4100 VV RVG abgegolten wird.

b) Trennung

Wird ein Verfahren in mehrere selbständige Verfahren getrennt, so liegen ab dann verschiedene Angelegenheiten i.S. des § 15 RVG vor. Das hat grds. Zur Folge, dass der Rechtsanwalt in jedem Verfahren eigenständige Gebühren erhält. Allerdings gilt das im Zweifel nicht auch für die Grundgebühr.

Beispiel 8:

Dem Beschuldigten wird in einem Verfahren ein Diebstahl und eine Trunkenheitsfahrt zur Last gelegt. Er beauftragt RA R mit seiner Verteidigung. Vom AG wird später das Verfahren wegen der Trunkenheitsfahrt abgetrennt.

RA R erhält für das Ausgangsverfahren eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG . Nach Trennung des Verfahrens erhält er für das abgetrennte Verfahren nicht noch eine weitere Grundgebühr, da er sich in den diesem Verfahren nicht erstmalig in den "Rechtsfall" Betrug einarbeiten muss. Die Einarbeitung ist bereits in dem Verfahren, dass beide Vorwürfe zum Gegenstand hatte, erfolgt..

6. Persönlicher Geltungsbereich

Die Grundgebühr steht sowohl dem Wahlanwalt als auch dem Pflichtverteidiger zu sowie auch dem sonstigen Vertreter oder Beistand eines Verfahrensbeteiligten zu (Vorbem. 4 Abs. 1). Die Grundgebühr steht dem Rechtsanwalt allerdings nur zu, wenn er in einer dieser Funktionen tätig wird. Das ergibt sich eindeutig aus der Stellung in Abschnitt 1, der die "Gebühren des Verteidigers" regelt. Überträgt der Verteidiger also einem anderen Rechtsanwalt die Vertretung des Angeklagten, z.B. in der Hauptverhandlung, steht diesem keine Grundgebühr zu. Er erhält dann für diese Einzeltätigkeit vielmehr nur die Verfahrensgebühr nach Nr. 4301 Nr. 4 VV RVG . Der Verteidiger erhält hingegen (s)eine Grundgebühr. Etwas anderes gilt, wenn der Rechtsanwalt, dem die Vertretung in der Hauptverhandlung übertragen wird, auch - unter Beachtung von § 137 StPO - zum Verteidiger bestellt wird.

III. Gebührenhöhe

Für den Wahlanwalt ist eine Betragsrahmengebühr in Höhe von 30 bis 300 € vorgesehen. Der Betragsrahmen ist unabhängig von der Ordnung des Gerichts, bei dem der "Rechtsfall", in den sich der Rechtsanwalt einarbeitet, später ggf. anhängig wird bzw. bei dem er bereits anhängig ist. Eine dem § 84 Abs. 3 BRAGO vergleichbare Regelung war also entbehrlich. Das führt - anders als bei der Bestimmung des Gebührenrahmens bei einer Gebühr nach § 84 Abs. 1 BRAGO - zu einer recht einfachen Handhabung der Gebühr.

Bei der Bemessung der Höhe der Gebühr sind über § 14 RVG die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen (vgl. dazu BT-Dr. 15/1971, S. 281 zu VV RVG Nr. 4100). Die Höhe der Gebühr wird vor allem abhängig sein von den vom Rechtsanwalt erbrachten Tätigkeiten, insbesondere also von der Dauer des ersten Gesprächs, das er mit dem Mandanten geführt hat. Insofern wird der Umfang der Vorwürfe, die dem Mandanten gemacht werden, ebenso von Belang sein wie die Schwierigkeit der Sache. Beides hat im Zweifel Einfluss auf die Dauer des Gesprächs.

Erhebliche Bedeutung hat auch der Umfang der Akten, in die der Rechtsanwalt erste Einsicht genommen hat. Darauf wird in der Gesetzesbegründung ausdrücklich abgestellt (vgl. dazu BT-Dr. 15/1971, S. 281). Desto umfangreicher die Akten sind, desto höher wird die Grundgebühr ausfallen müssen. Reicht der Betragsrahmen wegen des erheblichen Umfangs der Akten nicht mehr aus, um die Akteneinsicht - und die übrigen Tätigkeiten in diesem Verfahrenabschnitt (!) - angemessen zu entlohnen, muss der Wahlanwalt Feststellung einer Pauschgebühr nach § 42 RVG beantragen. Anhaltspunkt, wann dies der Fall sein kann, gibt die Rspr. der OLG zur Bedeutung des Aktenumfangs im Rahmen des § 99 BRAGO .

Die Frage der Ordnung des Gerichts spielt bei der Bemessung der konkreten Gebühr keine Rolle. Der von der Grundgebühr honorierte Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts ist nämlich unabhängig von der (späteren) Gerichtszuständigkeit (vgl. dazu BT-Dr. 15/1971, a.a.O.).

Der Pflichtverteidiger erhält einen Festbetrag in Höhe von 132 €. Reicht der nicht aus, um den erbrachten Arbeitsaufwand zumutbar zu honorieren, kann er ggf. einen auf diesen Verfahrensabschnitt beschränkten Pauschvergütungsantrag nach § 51 RVG stellen.

IV. Anrechnung anderer Gebühren

Ist wegen derselben Tat oder Handlung, die Gegenstand der erstmaligen Einarbeitung im Strafverfahren gewesen ist, bereits ein OWi-Verfahren geführt worden und ist insoweit bereits eine Grundgebühr nach Nr. 5100 VV RVG entstanden, wird diese nach Nr. 4100 Abs. 2 VV RVG auf die Gebühr nach Nr. 4100 VV RVG angerechnet.

Beispiel 9:

Der Beschuldigte hat infolge falschen Überholens einen Verkehrsunfall verursacht, bei dem ein anderer Verkehrsteilnehmer verletzt worden ist. Da dies zunächst nicht bekannt war, wird zunächst nur ein OWi-Verfahren geführt. Nach Bekannt werden der Körperverletzung wird das Verfahren gem. § 41 OWiG an die Staatsanwaltschaft abgegeben.

Auf eine in diesem entstandene Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG wird die Grundgebühr des OWi-Verfahrens nach Nr. 5100 VV RVG angerechnet.


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