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aus RVGreport 2008, 249

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "RVGreport" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "RVGreport" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Erstreckung der Bestellung eines Rechtsanwalts auch auf das Adhäsionsverfahren?

von Detlef Burhoff, Richter am OLG, Münster

Die StPO sieht an verschiedenen Stellen die gerichtliche Beiordnung eines Rechtsanwalt vor. Dieser kann z. B. gem. § 397a Abs. 1 StPO dem Nebenkläger als Beistand beigeordnet werden bzw. dem Beschuldigten nach § 140 StPO als Pflichtverteidiger. Ob die Beiordnung dann jeweils auch ein Tätigwerden im Adhäsionsverfahren umfasst, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet.

I. Bestellung eines Rechtsanwalts als Nebenklägerbeistand

(Rechtsprechung des BGH)

Für die Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand eines Nebenklägers nach § 397a Abs. 1 StPO hat der BGH noch unter Geltung der BRAGO entschieden, dass diese sich nicht auch auf das Adhäsionsverfahren erstreckt. Das hat der BGH mit der Entstehungsgeschichte des § 397a Abs. 1 StPO und des § 102 BRAGO sowie mit dem Gesetzeszweck des § 404 Abs. 5 StPO begründet. Die Rechtsprechung gilt für das RVG fort.

(Gesonderte Beiordnung erforderlich)

Danach ist § 102 Abs. 2 S. 1 BRAGO i. V. m. § 97 Abs. 1 S. 4 BRAGO bzw. die Nachfolgeregelung in Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG dahingehend auszulegen, dass der nach § 397a Abs. 1 StPO dem Nebenkläger bestellte anwaltliche Beistand für sein Tätigwerden im Adhäsionsverfahren (heute Nr. 4143 VV RVG, früher § 88 Abs. 3 BRAGO a.F.) nur dann nach den Maßstäben des § 49 RVG (früher § 123 BRAGO) aus der Staatskasse entschädigt wird, wenn er dem Nebenkläger für das Adhäsionsverfahren unter Gewährung von Prozesskostenhilfe gem. § 404 Abs. 5 S. 2 StPO gesondert beigeordnet wurde (BGH NJW 2001, 2486 = StraFo 2001, 306 = Rpfleger 2001, 370; OLG Hamm JurBüro 2001, 530 = Rpfleger 2001, 565 = NStZ-RR 2001, 351).

(PKH-Antrag stellen!)

Hinweis:

Der dem Nebenkläger beigeordnete Rechtsanwalt ist also nur dann befugt, im Adhäsionsverfahren für den Nebenkläger vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Angeklagten einzuklagen und die dadurch entstandenen Gebühren gegen die Staatskasse geltend zu machen, wenn er dem Nebenkläger im Rahmen der Gewährung von Prozesskostenhilfe gem. § 404 Abs. 5 S. 2 StPO, § 121 Abs. 2 ZPO ausdrücklich für das Adhäsionsverfahren beigeordnet worden ist. Dies muss ausdrücklich beantragt werden. Voraussetzung der Beiordnung ist nach §§ 114 ff. ZPO, dass der Nebenkläger die insoweit entstehenden Kosten nicht, auch nicht teilweise, aufbringen kann und die Geltendmachung der Ansprüche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (s. aber § 119 Abs. 1 S. 2 ZPO!).

II. Bestellung eines Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger

1. Gesonderte Beiordnung nicht erforderlich

(Bestellung zum Pflichtverteidiger erfasst auch Vertretung im Adhäsionsverfahren)

Anders wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung der Fall der Beiordnung des Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger des Beschuldigten nach § 140 StPO behandelt. Dazu wird vertreten, dass diese Bestellung auch die Befugnis zur Vertretung bei der Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche des Verletzten im sog Adhäsionsverfahren umfasst. Einer zusätzlichen Bestellung bedürfe es insoweit nicht (vgl. u.a. OLG Hamm StraFo 2001, 361 = AGS 2002, 110 = JurBüro 2001, 531 =.m.w.N.; OLG Köln StraFo 2005, 394 = AGS 2005, 436; vgl. auch OLG Hamburg wistra 2006, 37, 39; LG Berlin StraFo 2004, 400; LG Görlitz AGS 2006, 502; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl. 2007, § 140 Rn. 5; Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 2. Aufl., 2007, Nr. 4143 VV Rn. 12; Mayer/Kroiß, RVG, 2. Aufl., Nr. 4142-4147 Rn. 20; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 18. Aufl., 2008, VV 4143 Rn. 5; a.A. OLG Celle StraFo 2006, 41; RVGreport 2008, 102 (Hansens) = StRR 2008, 33 (LS); OLG München StV 2004, 38; OLG Zweibrücken RVGreport 2006, 429 = JurBüro 2006, 643; LG Bückeburg NStZ-RR 2002, 31, jeweils m.w.N.). Der BGH hat diese Frage in seiner o. a. Entscheidung ausdrücklich offen gelassen (BGH, a.a.O.).

Von der überwiegenden Meinung wird auf die enge tatsächliche und rechtliche Verbindung zwischen der Verteidigung des Angeklagten gegen die ihm vorgeworfene Straftat und der Abwehr der auf dieser Straftat gestützten zivilrechtlichen Ersatz- und Schmerzensgeldansprüche des Verletzten hingewiesen. Der Pflichtverteidiger wird dem Angeklagten beigeordnet, um sich gegenüber dem im Strafverfahren geltend gemachten staatlichen Strafanspruch verteidigen zu können. Warum dieser dann den Angeklagten nicht ohne ausdrückliche weitere Bestellung auch gegen die im Rahmen des Adhäsionsverfahrens verfolgten zivilrechtlichen An­sprüche verteidigen können soll, sei nicht ersichtlich. Auch sei eine Trennung zwischen der Tätigkeit des Verteidigers und derjenigen des anwaltlichen Vertreters im Adhäsionsverfahren nicht möglich. Es ist praktisch keine Tätigkeit des Pflichtverteidigers für den Angeklagten denkbar, die nicht zugleich zumindest auch Einfluss auf die Höhe des im Adhäsionsverfahren gel­tend gemachten Anspruchs haben könnte (OLG Köln, a.a.O.). Auch der Wortlaut der Nr. 4143 VV RVG stehe der automatischen Erstreckung nicht entgegen. Sowohl die Überschrift des Unterabschnitts 5 „Zusätzliche Gebühr" als auch die Differenzierung der Gebührenhöhe zwischen dem Wahlanwalt einerseits und dem gerichtlich bestell­ten oder beigeordneten Anwalt andererseits sprechen dafür, dass der gerichtlich be­stellte Pflichtverteidiger diese Gebühr erhalten kann (OLG Köln, a.a.O.).

2. Anfall der zusätzlichen Verfahrensgebühr

(Pflichtverteidiger erhält zusätzliche Verfahrensgebühr)

Nach der h.M. kann der Pflichtverteidiger des Beschuldigten also ohne besondere Beiordnung im Adhäsionsverfahren tätig werden. Er erhält für seine Tätigkeit eine zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV RVG, die der Höhe nach durch § 49 RVG begrenzt ist.

3. Einfluss auf die Pauschvergütung

(So kann sich die3 zusätzliche Verfahrensgebühr auf die Pauschvergütung auswirken)

Macht der Pflichtverteidiger später eine Pauschvergütung nach § 51 RVG geltend, werden dabei die Tätigkeiten im Adhäsionsverfahren berücksichtigt (OLG Hamm, OLG Schleswig, jeweils a. a. O.). Das kann sich, wenn der Pflichtverteidiger umfangreich tätig geworden ist, pauschgebührenerhöhend auswirken. Hat er hingegen im Adhäsionsverfahren nur wenig zeitaufwändige Tätigkeiten erbracht, kann die Gewährung der (zusätzlichen) Verfahrensgebühr Nr. 4143 VV RVG allerdings auch zu einer Minderung der Pauschgebühr führen (vgl. dazu OLG Schleswig JurBüro 1997, 417).

(Vorsorgliche Erweiterung der Pflichtverteidigerbestellung beantragen )

Hinweis:

Ggf. sollte der Pflichtverteidiger aber im Hinblick auf die o.a. abweichende Meinung in der Rechtsprechung, wenn der Geschädigte einen Adhäsionsantrag stellt, eine Erweiterung der Pflichtverteidigerbestellung beantragen. Diese ist von dem Gericht auszusprechen, das den Rechtsanwalt beigeordnet hat. Der Pflichtverteidiger muss bei der Antragstellung dann die Voraussetzungen des § 404 Abs. 5 StPO beachten, also zu den Erfolgsaussichten, der Bedürftigkeit und der fehlenden Mutwilligkeit (§§ 114 ff ZPO) Stellung nehmen.


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