aus RVGreport 2008, 444
(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "RVGreport" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "PStR" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)
von Rechtsanwalt Detlef Burhoff, Richter am OLG a.D., Münster/Augsburg
Fortsetzung v on RVGreport 2008, 405 ff.
In RVGreport 2008, 405 habe ich über die vergütungsrechtlichen Auswirkungen der Verbindung von mehreren Strafverfahren berichtet. Im Anschluss hieran stellt dieser beitrag bei der (Ab)Trennung von Verfahren entstehenden Probleme dar.
-> Hinweis: Die nachfolgenden Ausführungen gelten für den Wahlanwalt und den Pflichtverteidiger Sie gelten auch für das Bußgeldverfahren nach Teil 5 VV RVG. |
(Durch die Trennung gehen keine bereits entstandenen Gebühren verloren)
Wird ein einheitliches Straf- bzw. Bußgeldverfahren in verschiedene Verfahren getrennt, stellt sich vornehmlich die Frage, welche Gebühren der RA ab Trennung der Verfahren noch im Ursprungsverfahren erhält und ob ihm die bereits bis dahin entstandenen Gebühren ggf. verloren gehen. Außerdem ist von Bedeutung, welche Gebühren nun noch im abgetrennten Verfahren entstehen.
-> Hinweis: Als Faustregel gilt auch hier: Die Trennung der Verfahren hat auf bereits entstandene Gebühren keinen Einfluss. Durch die Trennung gehen dem RA also keine bereits entstandenen Gebühren verloren (§ 15 Abs. 4 RVG). |
(Ab Trennung liegen eigenständige gebührenrechtliche Angelegenheiten vor)
Wird ein einheitliches Straf- bzw. Bußgeldverfahren in verschiedene Verfahren getrennt, liegen nach der Trennung mehrere Angelegenheiten vor, die gebührenrechtlich eigenständig behandelt werden (KG RVGreport 2007, 239 = StRR 2007 4 [Ls.]; Hartung in: Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., Nrn. 4108-4111 VV Rn. 12; AnwKomm-RVG/N.Schneider, vor VV 4104 f Rn. 4, VV 4104 - 4105 Rn. 24, VV 4106-4107 Rn. 8; Burhoff, RVG, 2. Aufl., ABC-Teil: Trennung von Verfahren, Rn. 2; zu den Angelegenheiten s. ABC-Teil: Angelegenheiten [§§ 15 ff.], S. 29 ff.). Es handelt sich nicht mehr um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 S. 1 RVG, d.h. um die bloße Fortführung des Ursprungsverfahrens, sondern um eine andere Angelegenheit. Danach werden mit der Abtrennung die abgetrennten Verfahren selbständige Verfahren. Dies hat gebührenrechtlich zur Folge, dass mehrere Verfahrensgebühren (nach der Zahl der getrennten Verfahren) entstehen und mehrere Terminsgebühren anfallen können (KG, a.a.O.).
-> Hinweis: Das gilt auch für die Auslagen nach Teil 7 VV RVG (KG, a.a.O.; vgl. Burhoff, RVG, Nr. 7002 VV RVG Rn. 28; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 18. Aufl., 2008, VV 7001, 7002, Rn. ; AnwKomm-RVG/N. Schneider, 4. Aufl., 2008, VV 7001-7002, Rn. ). |
(Grundgebühr entsteht nicht noch einmal)
Diese gebührenrechtliche Konsequenz gilt allerdings nur für die nach der Trennung in den jeweiligen Verfahrensabschnitten noch anfallenden Verfahrens- und Terminsgebühren. Für die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG gilt das nicht, da insoweit bereits die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall erfolgt ist (vgl. Burhoff, RVG, Nr. 4100 VV Rn. 28).
(Rahmengebühren)
Bei der Anwendung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG zur Bestimmung der Höhe der nach Trennung entstandenen Gebühren muss immer darauf geachtet werden, ob die Gebühr innerhalb des gesetzlichen Gebührenrahmens nicht ggf. nun deshalb niedriger zu bemessen ist, weil der Verfahrensgegenstand sich verringert hat. Das hat - zumindest im Ursprungsverfahren - Einfluss auf den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit und ggf. auch auf deren
-> Hinweis: Nachfolgend soll die Abrechnung der anwaltlichen Tätigkeit im Fall der Trennung von Verfahren anhand von Beispielsfällen dargestellt werden. Dabei wird bei den Wahlanwaltsgebühren grds. jeweils von der sog. Mittelgebühr (§ 14 RVG) ausgegangen. Soweit sich durch die Trennung niedrigere Gebühren ergeben, wird darauf ausdrücklich hingewiesen. Außerdem werden nach der insoweit zutreffenden h.M. in der Literatur vorbereitendes und gerichtliches Verfahren als verschiedene Angelegenheiten angesehen (vgl. dazu Burhoff, RVG, ABC-Teil: Angelegenheiten [§§ 15 ff.], Rn. 17 ff. m.w.N. aus der Rspr. auch zur a.A.; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG; 18. Aufl. 2008, Vorb. 4.1 Rn 2 m.w.N.). |
(Grundfall: Trennung vor der Hauptverhandlung)
Beispiel 1 Dem Beschuldigten B wird im Ursprungsverfahren 1 Fahren ohne Fahrerlaubnis und ein Kfz-Diebstahl zur Last gelegt. Er wird von Anfang an von RA R verteidigt. Es kommt zur Anklage beim AG. Der Amtsrichter terminiert. Vor der Hauptverhandlung stellt sich heraus, dass ein Zeuge, der zum Fahren ohne Fahrerlaubnis gehört werden soll, am Hauptverhandlungstermin verhindert ist. Der Amtsrichter trennt das Verfahren insoweit ab. Es findet im Ursprungsverfahren eine eintägige Hauptverhandlung statt. Später findet auch im abgetrennten Verfahren 2 die Hauptverhandlung statt. |
(Hier entstehen mehrere Verfahrens- und mehrere Terminsgebühren)
Lösung Die im Ursprungsverfahren 1 bis zur Trennung entstandenen Gebühren gehen RA R nicht verloren. Entstanden sind die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG, die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren Nr. 4104 VV RVG und die gerichtliche Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG (vgl. die Anm. zu Nr. 4104 VV RVG). Nach der Trennung entstehen dann noch die Gebühren, deren Tatbestand erst nach der Verbindung verwirklicht wird. Das ist die Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG. Das abgetrennte Verfahren 2 ist eine eigenständige gebührenrechtliche Angelegenheit, in der grundsätzlich alle Gebühren entstehen können. Das gilt aber nicht noch für die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG. RA R hat sich nämlich in den Rechtsfall Diebstahlsvorwurf, der diesem Verfahren 2 nunmehr zugrunde liegt, bereits vor der Trennung eingearbeitet (s. auch Burhoff, RVG, Nr. 4100 VV RVG Rn. 28). Auch die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG entsteht nicht, da der Verfahrensabschnitt bereits beendet ist (vgl. die Anm. zu Nr. 4104 VV RVG). Es entsteht also nur noch die Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG für das gerichtliche Verfahren und die Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG für die auch im Verfahren 2 durchgeführt Hauptverhandlung. Hinsichtlich der Gebührenhöhe gilt: Grds. ist von der Mittelgebühr auszugehen (s. oben). Für die gerichtliche Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG im Ursprungsverfahren ist allerdings darauf hinzuweisen, dass sich der Verfahrensgegenstand nach der Trennung verringert hat, was ggf. dazu führen könnte, dass die Gebühr nunmehr niedriger zu bemessen ist als sie zu bemessen gewesen wäre, wenn das Ursprungsverfahren 1 mit allen Vorwürfen fortgeführt worden wäre. Für die Auslagen gilt: Auch die bis zur Trennung im Ursprungsverfahren 1 entstandenen Auslagen kann RA R abrechnen. Die Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG entsteht in dem Ursprungsverfahren 1 nach Trennung aber nicht noch einmal. Nach der Anmerkung zu Nr. 7002 VV RVG kann diese Pauschale in derselben Angelegenheit nur einmal entstehen. Sie ist aber im Ursprungsverfahren 1 bereits einmal entstanden. Die Trennung führt nicht zu einer neuen/weiteren Angelegenheit nach Trennung (Enders JurBüro 2007, 393, 394 für die Verbindung; Burhoff RVGreport 2008, für die Verbindung). Allerdings können weitere Auslagen, die nach der Trennung entstanden sind, zusätzlich zu den Auslagen, die schon vor der Trennung in dem führenden Verfahren angefallen sind, abgerechnet werden (Enders, a.a.O.), so z.B. (weitere Fotokopien). Im Verfahren 2 entsteht, da es sich um eine eigenständige Angelegenheit handelt, die Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG jedoch (noch einmal).
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(Trennung vor der Hauptverhandlung; Einstellung eines Verfahrens)
Beispiel 2 Im Beispiel 1 findet im Verfahren 2 keine Hauptverhandlung statt, sondern das Verfahren wird eingestellt. |
(Jedes Verfahren folgt seinen eigenen Regeln)
Lösung Die Abrechnung gegenüber dem Beispiel 1 ändert sich insofern als nun im Verfahren 2 nach der Trennung keine Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG entsteht, sondern eine Befriedungsgebühr Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 1 VV RVG, da dieses Verfahren eingestellt worden ist. Es handelt sich um eine eigenständige Angelegenheit, in der, unabhängig davon, dass im Ursprungsverfahren 1 eine Hauptverhandlung durchgeführt worden ist, die Befriedungsgebühr anfallen kann.
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(Trennung im vorbereitenden Verfahren)
Beispiel 3 Im Beispiel 1 wird das Verfahren 2 nicht erst nach Anklageerhebung abgetrennt, sondern bereits von der Staatsanwaltschaft, die dann in beiden Verfahren Anklage erhebt. Im Ursprungsverfahren wird dann vom Amtsrichter eine eintägige Hauptverhandlung durchgeführt. Das Verfahren 2 wird später eingestellt. |
(auch mehrere Verfahrensgebühren für das vorbereitende Verfahren)
Lösung Gegenüber der Abrechnung im Beispiel 1 tritt insoweit eine Änderung ein, als nun auch im Verfahren 2 die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG entsteht. Der Verfahrensabschnitt vorbereitendes Verfahren ist noch nicht beendet (s. die Anm. zu Nr. 4104 VV RVG). Im Ursprungsverfahren 1 entsteht dann eine Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG für die Teilnahme an der Hauptverhandlung. Im Verfahren 2 entsteht die Befriedungsgebühr Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 1 VV RVG).
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-> Hinweis: Für den Anfall der Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG im abgetrennten Verfahren kann etwas anderes gelten, wenn die Verfahren noch vor oder während der Einarbeitung durch den RA getrennt werden. Dann ist noch keine (abschließende) Einarbeitung erfolgt und es kann dann auch im abgetrennten Verfahren noch eine Grundgebühr entstehen (AnwKomm-RVG/N.Schneider, VV 4100 - 4101 Rn. 10; Burhoff, RVG, Nr. 4100 VV RVG Rn. 28). |
(Trennung in der Hauptverhandlung
Beispiel 4 Im Beispiel 1 wird das Verfahren 2 nicht schon vor der Hauptverhandlung abgetrennt, sondern erst in der Hauptverhandlung, als eine Zeuge nicht erscheint. Im Ursprungsverfahren wird die Hauptverhandlung fortgesetzt, im Verfahren 2 wird später an einem anderen Tag die Hauptverhandlung durchgeführt. |
(mehrere Terminsgebühren)
Lösung Gegenüber der Abrechnung im Beispiel 1 tritt keine Änderung ein. Im Ursprungsverfahren entsteht nicht noch etwa eine weitere Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG für die nach Abtrennung fortgesetzte Hauptverhandlung. Es handelt sich vielmehr um die Fortsetzung des ursprünglichen Hauptverhandlungstermins, für den bereits eine Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG entstanden ist. |
(Abwandlung: Trennung in der Hauptverhandlung und Aussetzung der Hauptverhandlung)
Beispiel 5 Im Beispiel 4 wird nach Abtrennung des Verfahrens im Ursprungsverfahren die Hauptverhandlung nicht fortgesetzt. Das geschieht erst in einem weiteren Termin. Im Verfahren 2 wird die Hauptverhandlung dann auch durchgeführt. |
(mehrere Terminsgebühren)
Lösung Gegenüber der Abrechnung im Beispiel 4 tritt nunmehr eine Änderung ein. Im Ursprungsverfahren entsteht jetzt noch eine weitere Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG für den nach Abtrennung durchgeführten weiteren Hauptverhandlungstermin.
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(Abwandlung: Trennung in der Hauptverhandlung und Hauptverhandlung im abgetrennten Verfahren am selben Kalendertag)
Beispiel 6 Im Beispiel 4 wird die Hauptverhandlung im Verfahren 2 nicht an einem anderen Tag, sondern am selben Kalendertag durchgeführt. Lösung: Diese Verfahrensweise hat auf die Abrechnung der anwaltlichen Tätigkeit keinen Einfluss. Denn es wird nun nicht etwa in Verfahren 2 dieselbe Hauptverhandlung in zwei getrennt aufgerufenen Terminen an einem Hauptverhandlungstag durchgeführt, sondern es findet jeweils ein Hauptverhandlungstag in jedem der selbstständigen Verfahren statt. Das hat zur Folge, dass auch im Verfahren 2 eine Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG entsteht (KG RVGreport 2007, 239 = StRR 2007 4 [Ls.]; Burhoff, RVG; Vorbemerkung 4 Rn. 72). |
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