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aus RVGreport 2014, 450

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "RVGreport" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "RVGreport" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Abtretung des Kostenerstattungsanspruch (§ 43 RVG)

von Rechtsanwalt Detlef Burhoff Stand, RiOLG a.D., Augsburg/Münster

(Nach)Fragen in meinem Forum auf Burhoff-Online aber auch in gebührenrechtlichen Seminaren zeigen, dass folgende Konstellation in der Praxis der Strafverteidigung gar nicht so selten ist: Der Mandant ist frei gesprochen worden. bzw. ein Rechtsmittel hat einen (Teil)Erfolg erzielt: Folge davon ist, dass nach § 467 StPO bzw. § 473 Abs. 3 u. 4 StPO der Staatskasse die notwendigen Auslagen des Angeklagten ganz oder teilweise auferlegt werden. Der Verteidiger lässt sich den insoweit gegebenen Kostenerstattungsanspruch des Mandanten abtreten und macht ihn gegenüber der Staatskasse geltend. Und er ist erstaunt, wenn diese dann mit einem ihr ggf. zustehenden Anspruch auf Zahlung einer Geldstrafe und/oder von Gerichtskosten, auch aus früheren Verfahren, aufrechnet. Damit ist der Verteidiger dann um die Chance gebracht, sich wegen seiner Vergütung gegenüber dem Mandanten aus dessen Anspruch gegenüber der Staatskasse ganz oder wenigstens teilweise zu befriedigen. Der RA reibt sich ggf. verwundert die Augen und fragt: Kann das sein? Antwort: Ja, das kann, aber man kann auch gegensteuern, wenn man § 43 RVG kennt. Die damit zusammenhängenden Fragen und Probleme sollen die nachfolgenden Ausführungen klären.

I. Allgemeines

§ 43 RVG regelt, dass eine von der Staatskasse gegenüber dem Beschuldigten/dem Betroffenen (zum Anwendungsbereich s. II) erklärte Aufrechnung insoweit unwirksam ist, als sie den Anspruch des RA vereiteln oder beeinträchtigen würde, wenn der Anspruch gegen die Staatskasse auf Erstattung von Anwaltskosten als notwendige Auslagen an den RA abgetreten ist. Die Schuldnerschutzbestimmungen der §§ 406 und 407 BGB sind also nicht anzuwenden (vgl. zum Regelungsgehalt des § 43 eingehend Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn. 2 ff. mit Beispielen; Hartung in: Hartung/Schons/Enders, RVG, 2. Aufl. 2013, § 43 Rn. 1 ff.; AnwKomm-RVG/N.Schneider, 7. Aufl. 2013, § 43 Rn. 1 ff.). Auf der Basis empfiehlt es sich daher für den RA/Verteidiger, sich bei jeder Übernahme eines Mandats in Straf- oder in Bußgeldsachen frühzeitig einen eventuellen Erstattungsanspruch abtreten zu lassen und die Abtretungsurkunde alsbald bei Gericht oder bei der Verwaltungsbehörde einzureichen. Der RA/Verteidiger ist allerdings nicht verpflichtet, sich den Kostenerstattungsanspruch abtreten zu lassen. Tut er es nicht, kann ihm später von der Staatskasse deshalb nicht vorgehalten werden, er habe sich durch die versäumte Abtretung des Erstattungsanspruchs des Beschuldigten selbst dem Schutz des § 43 entzogen (BVerfG RVGreport 2009, 260 = StRR 2009, 276 m. zust. Anm. Burhoff im Zusammenhang mit der Frage des Erlöschens von Pflichtverteidigergebührenansprüchen; Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn. 5; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG 21. Aufl. 2013, § 43 Rn. 2)

II. Sachlicher Anwendungsbereich

Die Vorschrift des § 43 RVG ist in Abschnitt 7 des RVG enthalten: Sie gilt daher (nur) für das Straf- und für das Bußgeldverfahren. Dies ergibt sich auch aus dem Gesetzeswortlaut, der sowohl den Beschuldigten als auch den Betroffenen nennt.

Von § 43 RVG erfasst werden nur die Anwaltskosten, die sich der Angeklagte/Betroffene gem. § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO, § 91 Abs. 2 ZPO als notwendige Auslagen von der Staatskasse erstatten lassen kann. Dazu gehören nach § 1 Abs. 1 Satz 1 RVG die Gebühren und Auslagen des RA. Erfasst werden daher nicht nur die nach dem RVG berechneten Gebühren und Auslagen, sondern auch die in Vorb. 7 Abs. 1 VV RVG genannten und nach § 670 BGB zu ersetzenden Aufwendungen des RA, wie also z.B. die Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 KV GKG (vgl. AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 43 Rn. 22; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 43 Rn. 4). Da eine nach § 42 RVG festgestellte Pauschgebühr einen Anspruch auf Erstattung i.S.d. § 43 RVG darstellen kann, hat zur Folge, dass zur Feststellung der Tragweite einer Aufrechnung ggf. das Verfahren nach § 42 RVG durchgeführt werden muss (Kroiß in: Mayer/Kroiß, RVG 5. Aufl. 2013, § 43 Rn. 5; AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 43 Rn. 21, Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn. 9.). § 43 RVG gilt zudem auch für die durch Anbringung des Kostenfestsetzungs- und des Verzinsungsantrags im Kostenfestsetzungsverfahren angefallenen Zinsen, obwohl der in der Vorgängervorschrift § 96a BRAGO enthaltene redaktionelle Klammerhinweis auf §§ 464b, 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO nicht mehr enthalten ist (allgemeine Meinung, vgl. AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 43 Rn. 17; Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn. 10; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O.; vgl. zur Abtretung von Zinsen auch Düsseldorf JurBüro 2006, 260). § 43 gilt aber nicht für andere dem Angeklagten/Betroffenen entstandene notwendige Auslagen, wie z.B. die Entschädigung für Zeitversäumnis, Reisekosten, Verdienstausfall, Kosten für Privatgutachten, für die § 464a Abs. 2 Nr. 1 StPO gilt (Burhoff/Volpert, RVG § 43 Rn. 11, 36 m. Beispielen; AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 43 Rn. 19). Auch für an den RA abgetretene Entschädigungsforderungen nach dem StrEG gilt § 43 RVG nicht (LG Saarbrücken RVGreport 2010, 381 = StRR 2010, 240 = AGS 2010, 221). Sind die insoweit bestehenden Ansprüche an den Verteidiger abgetreten worden, kann die Staatskasse wirksam aufrechnen.

Für die vereinbarte Vergütung (§ 3a RVG) gilt § 43 RVG nur teilweise. Die vereinbarte Vergütung wird von der Vorschrift nämlich nur insoweit erfasst, als sie die nach dem RVG berechnete gesetzliche Vergütung nicht übersteigt. Der Auftraggeber kann nämlich nach § 464 Abs. 2 Nr. 2 StPO und § 91 Abs. 2 ZPO sowie § 46 OWiG nur Erstattung der gesetzlichen und nicht einer mit seinem Verteidiger vereinbarten Vergütung verlangen (KG Rpfleger 1992, 39; OLG München AnwBl 1991, 71; OLG Koblenz Rpfleger 1984, 286; Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn. 9; AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 43 Rn. 21; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 43 Rn. 8; Mayer/Kroiß/Kroiß, a.a.O., § 43 Rn. 5.).

Allgemein gilt: Zwischen dem Vergütungsanspruch und dem abgetretenen Anspruch muss Deckungsgleichheit bestehen. D.h., dass die Erstattungsforderung des Auftraggebers gerade aus denjenigen Forderungen des RA stammen muss, die dem RA gegen den Auftraggeber noch zustehen. Andere Ansprüche können nicht über § 43 gesichert werden (AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 43 Rn. 23). Der Staatskasse muss aus dem vorliegenden oder auch einem anderen (früheren) Verfahren eine fällige (vgl. dazu § 449 StPO, § 8 GKG) Forderung zustehen (OLG Nürnberg JurBüro 1990, 1167; Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn. 12; AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 43 Rn. 14). Dabei kann es sich um Ansprüche aus der Verurteilung in der Hauptsache handeln, also auf Zahlung einer Geldstrafe, und/oder um Verfahrenskosten oder um Gerichtskosten aus einer Zivilsache oder einem anderen gerichtlichen Verfahren (AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 43 Rn. 15; zur Zulässigkeit der Aufrechnung mit einer Geldstrafe AG Hannover NJW 1975, 178).

III. Persönlicher Anwendungsbereich

Nach seinem Wortlaut gilt § 43 RVG nur, wenn der Erstattungsanspruch an einen RA als Verteidiger abgetreten wird. Die Vorschrift gilt nicht für die Abtretung an sonstige Vertreter (vgl. Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn. 7 m.w.N.; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 43 Rn. 10; AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 43 Rn. 11; vgl. zu sonstigen Verteidigern Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 6. Aufl., 2013, Rn. 3155 ff.). Erfasst wird aber der als Verteidiger nach § 138 Abs. 2 StPO zugelassene Kammer-Rechtsbeistand (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 3, Art. IX RPflege-AnpassungsG v. 26.6.1992; BGBl. I S. 1147; Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn. 7; AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 43 Rn. 10). Die Vorschrift ist allerdings nicht auf den „Vollverteidiger“ im straf- oder bußgeldverfahrensrechtlichen Erkenntnisverfahren, der nach Teil 4 Abschnitt 1 bzw. Teil 5 Abschnitt 1 Verteidiger abrechnet, beschränkt, sondern sie gilt auch für den Verteidiger im (Straf)Vollstreckungsverfahren (Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG bzw. Nr. 5200 Anm. 4 VV RVG). Sie gilt auch für den RA, der lediglich mit einer Einzeltätigkeit nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG oder nach Nr. 5200 VV RVG beauftragt war (Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn. 7; AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 43 Rn. 9; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 43 Rn. 10).

Tritt der RA nach Abtretung des Erstattungsanspruchs durch den Beschuldigten/Betroffenen diesen an einen anderen RA ab (vgl. dazu eingehend Burhoff/Burhoff, RVG, Teil A: Abtretung der Gebührenforderung Rn. 15 ff.; zu Zulässigkeit u.a. BGH NJW 2007, 1196 = RVGreport 07, 197 = AGS 2007, 334), wird sich auch der neue RA unter den Voraussetzungen von § 43 auf die Abtretung berufen können (Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn. 8; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 43 Rn. 10). Die Schutzwirkung der Vorschrift tritt nach ihrem Wortlaut aber nicht ein, wenn der Erstattungsanspruch an einen Nicht-RA abgetreten wird (Burhoff/Volpert, RVG, a.a.O.). Das gilt auch dann, wenn der Beschuldigte zunächst an den RA und dieser z.B. an die Verrechnungsstelle abtritt (Burhoff/Volpert, RVG, a.a.O.).

IV. Abtretung des Erstattungsanspruchs

1. Allgemeines

Für die Abtretung des Erstattungsanspruchs des Beschuldigten/Betroffenen auf Ersatz seiner notwendigen Auslagen aus der Staatskasse gelten die allgemeinen Regeln. Der Anspruch muss gem. § 398 BGB formwirksam an den RA abgetreten worden sein (Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn. 18 m.w.N.; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 43 Rn. 11; AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 43 Rn. 25). Erforderlich ist eine ausdrückliche Abtretung des Erstattungsanspruchs (KG Rpfleger 1980, 402 = JurBüro 1980, 1200; OLG Braunschweig Nds.Rpfl 1985, 147; AG Osnabrück JurBüro 2004, 535; Burhoff/Volpert, RVG, a.a.O.; Hartung/Schons/Enders/Hartung, a.a.O., § 43 Rn. 17; AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 43 Rn. 23) Nach allgemeiner Meinung reicht eine dem RA erteilte Geldempfangs- bzw. Inkassovollmacht nicht aus. Kommt es im Verlauf eines Verfahrens zum Anwaltswechsel, so verliert eine Abtretung an den ersten Bevollmächtigten ihre Wirksamkeit auch dann nicht, wenn der Beschuldigte/Betroffene seine Ansprüche erneut an den neuen RA abtritt (LG Düsseldorf AGS 2007, 34). Abtretungsverbote, wie z.B. nach § 13 Abs. 2 StrEG für die Haftentschädigungsforderung, sind zu beachten (LG Saarbrücken AGS 2010, 221 = RVGreport 2010, 381 = StRR 2010, 240).

2. Zulässigkeit der Abtretung in der Strafprozessvollmacht

Nicht eindeutig geklärt/umstritten ist die Frage, ob die Abtretung bereits in der Strafprozessvollmacht erfolgen kann. Das wird teilweise wegen eines Verstoßes gegen § 305c BGB als unzulässig mit der Folge der Unwirksamkeit der Abtretung angesehen (vgl. OLG Koblenz VersR 2009, 1348 für Zivilsachen; LG Düsseldorf AGS 2007, 55; LG Konstanz Rpfleger 2008, 596; LG Nürnberg-Fürth AnwBl 1976, 166; OVG Münster NJW 1987, 3029 für das Verwaltungsstreitverfahren; Mayer/Kroiß/Mayer § 43 Rn. 7). Das ist jedoch nicht zutreffend. Die Möglichkeit der Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs ist in § 43 RVG gesetzlich ausdrücklich vorgesehen. Es besteht auch keine gesetzliche Regelung, gegen die durch Aufnahme der Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs in eine Strafprozessvollmacht verstoßen würde. Die Abtretung in der Vollmacht ist daher zulässig (so auch OLG Koblenz Rpfleger 1974, 403 = MDR 1974, 1038; LG Hamburg AnwBl 1977, 70; LG Leipzig RVGreport 2010, 185 = AGS 2010, 129 = StRR 2010, 239; Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn. 19; Hartung/Schons/Enders/Hartung, § 43 Rn. 18; AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 43 Rn. 26; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 43 Rn. 12; Volpert VRR 2007, 57 = StRR 2007, 174; ders., AGkompakt 2009, 34).

3. Nachweis der Abtretung durch Abtretungsurkunde/-anzeige

Nach § 43 Satz 2 RVG ist die Aufrechnung der Staatskasse nur dann unwirksam, wenn zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung eine Abtretungsurkunde bzw. Abtretungsanzeige des Beschuldigten in den Akten vorhanden ist. Dies dient Beweiszwecken. Aus der Formulierung „in den Akten“ folgt, dass es sich nicht um die Akten des Verfahrens handeln muss, in dem die Aufrechnung erklärt wird. Anderenfalls müsste nämlich bei Verfahrenstrennung erneut eine Abtretungsurkunde eingereicht bzw. die Abtretung angezeigt werden (ebenfalls Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn. 21; Mayer/Kroiß/Kroiß, a.a.O., § 43 Rn. 10; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 43 Rn. 12; AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 43 Rn. 35; vgl. auch BT-Drs. 15/1971, S. 199, wonach die Abtretungsurkunde bzw. Abtretungsanzeige bei dem Gericht oder der Verwaltungsbehörde eingegangen sein muss; a.A. Hartung in: Hartung/Römermann/Schons, RVG 2. Aufl., § 43 Rn. 20). Eine Kopie der Abtretungsurkunde ist ausreichend (KG JurBüro 2006, 387; Hartung/Schons/Enders/Hartung, a.a.O., § 43 Rn. 21; AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 43 Rn. 36; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 43 Rn. 13).

Für den Nachweis der Abtretung reicht statt der Vorlage einer Abtretungsurkunde reicht auch eine schriftliche Abtretungsanzeige des Beschuldigten/Betroffenen. Eine mündliche Abtretungsanzeige oder ein über eine mündliche Abtretungsanzeige gefertigter Aktenvermerk reichen hingegen nicht aus (Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn. 22 f. m.w.N.; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 43 Rn. 14). Nach dem insoweit wohl eindeutigen Wortlaut des § 43 Satz 2 RVG wird auch eine Abtretungsanzeige des Verteidigers nicht erfasst (Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O.; a.A. AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 43 Rn. 37). Es ist aber ausreichend, wenn der RA eine von dem Beschuldigten/Betroffenen unterschriebene Erklärung zu den Akten gibt, dass die Erstattungsansprüche an den RA abgetreten sind. Der Beschuldigte muss diese Anzeige nicht selbst zur Akte geben (LG Würzburg RVGreport 2013, 55 = VRR 2013, 199 = StraFo 2013, 40 = AGS 2013, 277; Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn. 23f.; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 43 Rn. 14).

4. Zeitpunkt der Abtretung

Um Zweifel an der Wirksamkeit einer Aufrechnungserklärung auszuschließen, wird nach § 43 Satz  2 RVG darauf abgestellt, ob zum Zeitpunkt der Aufrechnung die Abtretungsurkunde oder eine Abtretungsanzeige des Beschuldigten oder Betroffenen in den Akten des Gerichts bzw. der Verwaltungsbehörde vorlag (vgl. AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 43 Rn. 27 f.; Mayer/Kroiß/Kroiß, a.a.O., § 43 Rn. 9; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 43 Rn. 16). Mit dem „Zeitpunkt der Aufrechnung“ ist der Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung der Staatskasse und nicht der Zeitpunkt gemeint, an dem sich die Forderungen erstmals aufrechenbar gegenüberstanden haben (Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn. 27; Hartung/Schons/Enders/Hartung, a.a.O., § 43 Rn. 21; AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 43 Rn. 27 f.). Das bedeutet, dass eine nach der Aufrechnung der Staatskasse erfolgte Abtretung des Erstattungsanspruchs immer unwirksam ist, weil zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung der Staatskasse in den Akten eine Abtretungsurkunde oder eine Anzeige des Beschuldigten oder Betroffenen über die Abtretung nicht vorliegt.

IV. Beeinträchtigung oder Vereitelung des Vergütungsanspruchs

1. Allgemeines

Nach § 43 Satz 1 RVG ist die Aufrechnung der Staatskasse insoweit unwirksam, als sie den Anspruch des Verteidigers vereitelt oder beeinträchtigt. Dass ist immer dann der Fall, wenn Ansprüche auf gesetzliche Gebühren des Verteidigers noch nicht vollständig erfüllt sind und somit im Falle der Wirksamkeit der Aufrechnung der Anspruch auf die gesetzliche Vergütung vereitelt oder beeinträchtigt würde. Der Anspruch des Verteidigers ist der Honoraranspruch des RA als Verteidiger in dieser Sache, nicht der abgetretene Anspruch auf Erstattung notwendiger Auslagen (Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 43 Rn. 18). 

2. Beeinträchtigung/Vereitelung

Unter Beeinträchtigung ist jede nicht nur unerhebliche Erschwerung bei der Einziehung des Honorars zu verstehen. Der Verteidiger braucht also weder eine Verzögerung, wie z.B. durch Stundung, noch eine besondere Mühe bei der Einziehung seines Honorars hinzunehmen (Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn. 29; Hartung/Schons/Enders/Hartung, a.a.O., § 43 Rn. 25; AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 43 Rn. 38 ff.). Er muss sich nicht auf Ratenzahlungen des Mandanten verweisen lassen (Burhoff/Volpert, RVG, a.a.O.; Hartung/Schons/Enders/Hartung, a.a.O.; AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 43 Rn. 40). § 43 RVG greift allerdings nicht ein, wenn und soweit der RA einen Vorschuss von seinem Mandanten erhalten hat, da der RA verrechnen kann und muss (Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn. 32 m. Beispielen; AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 43 Rn. 41; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 43 Rn. 19). Die Schutzwirkung des § 43 greift auch nicht ein, wenn der Vergütungsanspruch des Verteidigers RA bereits anderweitig erfüllt ist (Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., m.w.N.).

3. Rechtsfolgen

Nach § 43 Satz 1 RVG ist die von der Staatskasse erklärte Aufrechnung (nur) insoweit unwirksam, als sie den Anspruch des RA vereiteln würde. Das bedeutet, dass also im Einzelfall geprüft werden muss, in welcher Höhe eine Beeinträchtigung/Vereitelung vorliegt. Nur insoweit ist die Aufrechnung unwirksam (AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 43 Rn. 46 f.) Ist also der Vergütungsanspruch des RA nur noch teilweise offen, ist die Aufrechnung nur in Höhe dieses Betrages unwirksam. Ist die Aufrechnung wirksam, kann der RA von der Staatskasse die Gebühren eines gewählten Verteidigers nicht mehr geltend machen. Zu beachten ist jedoch, dass der gesetzliche Anspruch des RA auf Festsetzung und Auszahlung einer ihm ggf. zustehenden Pflichtverteidigervergütung nicht erloschen ist; denn hinsichtlich dieses eigenständigen Anspruchs kommt der von der Staatskasse gegen den Kostenerstattungsanspruch des freigesprochenen Angeklagten erklärten Aufrechnung keine Wirkung zu (BVerfG RVGreport 2009, 260 = StRR 2009, 276 m. zust. Anm. Burhoff; Burhoff/Volpert, RVG, § 52 Rn. 37; Volpert StRR 2011, 378, 381; unzutreffend a.A. LG Koblenz RVGreport 2010, 461 = JurBüro 2010, 646). Auch eine ggf. eintretende „Doppelbelastung“ der Staatskasse rechtfertigt nicht die Versagung des Pflichtverteidigerhonorars (BVerfG, a.a.O.). Durch die Aufrechnung der Staatskasse erlischt in diesen Fällen also nur der Anspruch auf Erstattung der Differenz zwischen den Pflicht- und Wahlverteidigergebühren (Burhoff/Volpert, RVG, a.a.O.).

Umstritten ist, wie bei einer Vergütungsvereinbarung mit einer Restforderung umzugehen ist, wenn der Mandant einen Vorschuss gezahlt hat. Teilweise wird dazu vertreten, dass der Vorschuss nur auf die gesetzliche Vergütung anzurechnen ist mit der Folge, dass die Staatskasse in Höhe des Vorschusses aufrechnen kann (KG JurBüro 1992, 99; Hansens StV 1991, 44). Teilweise wird der Vorschuss aber verrechnet auf den Betrag, um den die vereinbarte Vergütung die gesetzliche Vergütung übersteigt (Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn. 34 m. Beispiel). Das hätte zur Folge, dass die Aufrechnung der Staatskasse nur insoweit wirksam ist, als der Vorschuss über die Differenz zwischen vereinbartem Honorar und gesetzlicher Vergütung hinausgeht und daher auch auf die gesetzliche Vergütung anzurechnen ist. Eine dritte Ansicht differenziert schließlich danach, ob bei der Vorschusszahlung eine Tilgungsbestimmung gem. § 366 BGB getroffen worden ist (AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 43 Rn. 48 ff. mit Beispiel). Im Hinblick auf den mit § 43 RVG bezweckten Schutz des anwaltlichen Vergütungsanspruchs dürfte der 2. Ansicht der Vorrang zu geben sein (so auch Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn. 34; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 43 Rn. 21).

VI. Verfahrensfragen

1. Gerichtliche Überprüfung der Aufrechnung

a) Allgemeines

Wird dem vom Verteidiger/RA geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch entgegengehalten, der Anspruch sei durch die von der Staatskasse erklärte Aufrechnung erloschen und wird deswegen die Zahlung an den Verteidiger verweigert, muss der RA, wenn er anderer Auffassung ist, dagegen vorgehen. Zu wählen ist das Verfahren nach § 30a EGGVG (LG Saarbrücken RVGreport 2010, 381 = StRR 2010, 240 = AGS 2010, 221; eingehend Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn. 37 ff.; Hartung/Schons/Enders/Hartung, a.a.O., § 43 Rn. 29; AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 43 Rn. 58; Mayer/Kroiß/Kroiß, a.a.O., § 43 Rn. 18; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 43 Rn. 22; a.A. OLG Bamberg JurBüro 1990, 1172 [Verfahren entsprechend § 5 GKG a.F. bzw. § 66 GKG n.F.]); LG Würzburg RVGreport 2013, 55 = StraFo 2013, 40 = AGS 2013, 277 = VRR 2013, 199 [inzidenter § 66 GKG]); AG Hamm AGS 2011, 592 = StRR 2011, 403 m. abl. Anm. Volpert [§ 8 JBeitrO]; AGS 2013, 522 m. abl. Anm. Volpert).

b) Antrag

In dem Verfahren nach § 30a EGGVG muss die Aufrechnung der Staatskasse durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung angefochten werden (zu einem Musterantrag s. Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn. 48). Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle bei dem AG zu stellen. Antragsberechtigt ist nur der Verteidiger/RA, da nur sein Anspruch durch die Aufrechnung vereitelt oder vereitelt wird. Der Antrag darf daher nicht für den Mandanten gestellt werden. Der Antrag kann nur darauf gestützt werden, dass die Aufrechnung rechtswidrig sei, weil sie den Antragsteller in seinen Rechten beeinträchtigt (vgl. oben IV). Dies ist glaubhaft zu machen (AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 43 Rn. 54)., Es muss auch dargelegt und glaubhaft gemacht werden, dass noch Ansprüche auf Gebühren und Auslagen aus dem vorliegenden Verfahren bestehen (Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn. 33; AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 43 Rn. 54 ff.).. Der Verteidiger/RA sollte in dem Antrag angeben, ob und welche Vorschüsse der Verteidiger von seinem Mandanten in diesem Verfahren erhalten hat (Burhoff/Volpert, RVG, a.a.O.). Er muss jedoch nicht darlegen, warum ein Vorschuss nicht gefordert worden ist (Burhoff/Volpert, RVG, a.a.O.).

Zuständig zur Entscheidung ist das AG, in dessen Bezirk die Staatskasse ihren Sitz hat, die die Aufrechnung erklärt hat (§ 30a Abs. 2 Satz 1 EGGVG). Eine abweichende Zuständigkeit besteht nach der Rechtsprechung des BGH für die Entscheidung über Einwendungen gegen die Wirksamkeit der Aufrechnung bei Vollstreckung einer Geldstrafe durch Aufrechnung mit einem Kostenerstattungsanspruch (vgl. BGH NJW 1998, 2066 = Rpfleger 1998, 304; vgl. dazu auch Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn. 45). Dann gilt § 462a StPO. Zuständig zur Entscheidung über die Einwendungen des Verteidigers gegen die Aufrechnung ist dann die Strafvollstreckungskammer, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, die für die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe im Falle der Nichtzahlung der Geldstrafe zuständig wäre (so auch Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn. 45 m.w.N. auch zur a.A.; AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 43 Rn. 59; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 43 Rn. 24.

c) Entscheidung/Rechtsmittel

Entschieden wird durch begründeten Beschluss, der zu verkünden oder zuzustellen ist (BGH NJW 1998, 2066 = Rpfleger 1998, 304). Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde und ggf. die weitere Beschwerde nach § 30a Abs. 2 Satz 3 EGGVG i.V.m. § 81 Abs. 2 - 4 GNotKG zulässig. Für das Verfahren werden Gerichtskosten nicht erhoben. Eine Kostenerstattung findet nicht statt (Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn. 44; AnwKomm-RVG/N.Schneider, § 43 Rn. 60; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 43 Rn. 29).

2. Kostenfestsetzung nach Abtretung des Erstattungsanspruchs

Umstritten ist in Rechtsprechung und Literatur, ob, wenn der Erstattungsanspruch des Beschuldigten an den RA abgetreten worden ist,– wie in Zivilsachen (vgl. u.a. vgl. u.a. BGH RVGreport 2010, 267 = MDR 2010, 838 = VRR 2010, 399; OLG Karlsruhe JurBüro 1992, 747; OLG München JurBüro 1993, 222) – die Auslagenentscheidung entsprechend § 727 ZPO umgeschrieben werden muss oder ob das nicht erforderlich ist. Für die Umschreibung ausgesprochen haben sich in der Rechtsprechung das OLG Saarbrücken (StV 2000, 433= AGS 2000, 203 = JurBüro 1999, 592), das LG Duisburg (AGS 2007, 57 = VRR 2007, 79 = StRR 2007, 79) und in der Literatur AnwKomm-RVG/N.Schneider (§ 43 Rn. 48). Für nicht erforderlich halten die Umschreibung nicht erforderlich halten das OLG Düsseldorf (StRR 2010, 276), das OLG Koblenz (Rpfleger 1974, 403 = MDR 1974, 1038) und einige LG (LG Düsseldorf AGS 2007, 34; LG Duisburg JurBüro 2006, 373) sowie Teile der Literatur (vgl. Meyer/Goßner/Schmitt, StPO, 57 Aufl., 2014, § 464b Rn. 2; Gieg in Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 464b Rn. 3; Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn. 46; im Ergebnis wohl auch KG RVGreport 2006, 71; OLG Düsseldorf JurBüro 2006, 260). Zutreffend dürfte es sein, keine Umschreibung zu fordern (s. auch Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 43 Rn. 30). Voraussetzung für die Kostenfestsetzung gem. § 464b StPO ist lediglich eine Entscheidung darüber, wer die notwendigen Auslagen trägt (§ 464 Abs. 2 StPO) (KK StPO/Gieg, a.a.O., § 464b Rn. 1; Burhoff/Volpert, RVG § 43 Rn. 46). Nach einer Abtretung ist deshalb der Zessionar selbst antragsberechtigt und die Kostenfestsetzung somit für den Verteidiger vorzunehmen, dieser also statt des Freigesprochenen als erstattungsberechtigter Gläubiger im Rubrum des Kostenfestsetzungsbeschlusses aufzuführen (Burhoff/Volpert, RVG, § 43 Rn. 46). Der Verteidiger kann sich ggf. auch im eigenen Namen beschweren, wenn im Kostenfestsetzungsbeschluss seinem Antrag nicht bzw. nicht vollständig entsprochen wird (AG Passau StraFo 2011, 419).


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