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aus RVGreport 2015, 242

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "RVGreport" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "RVGreport" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Fragen aus der Praxis zu Gebührenproblemen in Straf – und Bußgeldverfahren aus dem Jahr 2014

von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster /Augsburg

Ich habe in den vergangenen Jahren über die Fragen, die in meinem gebührenrechtlichen Forum auf www.burhoff.de, im ehemaligen Forum bei JurionStrafrecht, im Rechtspflegerforum (www.rechtspflegerforum.de) diskutiert aber auch in an mich gerichteten Einzelanfragen oder auf Seminaren immer wieder gestellt worden sind, berichtet (vgl. RVGreport 2010, 362; 2011, 446; 2013, 42, 2014, 2). Die nachfolgenden Ausführungen knüpfen daran an und stellen weitere wichtige Fragen und Antworten, die die Praxis bewegen, vor.

I. Allgemeine Fragen

1. Kanzleiwechsel

In einem Fachanwaltskurs hat ein junger Kollege folgendes Problem an mich herangetragen, bei dem es sich allerdings nicht um ein „originäres Gebührenproblem“ gehandelt hat. Der RA war als angestellter Anwalt tätig. Er ist in mehreren Verfahren als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Der Kollege macht sich dann selbständig. Frage – und darüber kommt es zum Streit mit seiner ehemaligen Kanzlei: Wem stehen die Pflichtverteidigergebühren zu? Hat der frühere Arbeitgeber einen Anspruch auf Auskehrung der Honorare hat, wenn die Honorare ausschließlich nach Beendigung der Tätigkeit in der Kanzlei eingegangen sind? In den verschiedenen Verfahren lag die gesamte Breite aller möglichen Konstellationen vor. Teilweise war die 1. Instanz abgeschlossen, teilweise hat ein Termin noch während des früheren Angestelltenverhältnisses stattgefunden, teilweise lag der erste Termin auch erst nach dem Ende des Angestelltenverhältnisses.

Das Problem wird man ggf. unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 687 BGB und gesellschaftsrechtlicher Grundsätze wie folgt lösen können: Gebühren, die nur vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden sind, stehen dem Arbeitgeber zu (insbesondere also Grundgebühr, Terminsgebühren für Termine vor dem Ausscheiden usw.). Gebühren, die nur nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden sind, stehen dem ausgeschiedenen RA zu (z. B. Terminsgebühren für Termine nach dem Ausscheiden, Rechtsmittelverfahren nach dem Ausscheiden usw.). Auslagen, die in der alten Kanzlei angefallen sind, stehen dieser zu. Auslagen, die in der eigenen/neuen Kanzlei angefallen sind, stehen dem ausgeschiedenen Anwalt zu. Gebühren, die sowohl vorher als auch nachher entstanden sind, also insbesondere „Dauergebühren“, wie z.B. Verfahrensgebühren, sind anteilig aufzuteilen. Kann man sich nicht auf einen angemessenen Anteil – es bieten sich eine Aufteilung nach Zeit oder Arbeitsaufwand an - einigen, würde ich diese Gebühren hälftig aufteilen.

2. Akteneinsicht in die Strafakte

Folgendes Problem hat einen Kollegen beschäftigt, der mit der mit der Geltendmachung von Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche nach einem Kfz-Unfall befasst war. Die Mandantin war in einem Bus bei einem Unfall gestürzt. Im Rahmen des Auftrags nimmt der Kollege Akteneinsicht in die Strafakte gegen den Busfahrer. Dafür stellt er der gegnerischen Versicherung die Verfahrensgebühr Nr. 4302 VV RVG in Rechnung. Diese wird nicht bezahlt.

Meine Antwort: Der Kollege kann natürlich für die Einsicht in die Strafakte nicht – wie von ihm angenommen – die Nr. 4302 VV RVG abrechnen. Denn die (durchgeführte) Akteneinsicht ist/war keine Beistandsleistung im Strafverfahren, so dass also Teil 4 VV RVG schon nicht passt. Es handelte sich um eine Tätigkeit im Zivilverfahren, die mit der dort angefallenen Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG abgegolten ist/wird.

II. Angelegenheiten: Verteidiger/Nebenklägervertreter

Nicht alltäglich, aber offenbar doch häufiger als man denkt, ist folgende Konstellation: Der RA vertritt den Mandanten zunächst als Beschuldigten im Ermittlungsverfahren. Das Verfahren wird nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Der RA rechnet mit der Rechtsschutzversicherung für diese Tätigkeit Gebühren nach Nr. 4100, 4104 und 4141 VV RVG ab. Es wird gezahlt. Das Ermittlungsverfahren richtete sich außerdem gegen eine andere/weitere Beschuldigte. Die Staatsanwaltschaft hat gegen die Beschuldigte Anklage erhoben, weil sie den Mandanten des RA, der vorher auch Beschuldigter war, verletzt haben soll. Der RA hat für seinen Mandanten nach Anklageerhebung einen Antrag auf Zulassung der Nebenklage und ratenfreie PKH-Bewilligung sowie seine Beiordnung beantragt. Dem Antrag wurde stattgegeben. Die Angeklagte wurde dann freigesprochen. Der RA möchte nunmehr die PKH-Gebühren mit den Gebühren Nr. 4100, 4106 und 4108 VV RVG  festsetzen. Er fragt, ob er die für die Verteidigung des (ehemaligen) Beschuldigten erhaltenen Gebühren nach § 58 Abs. 3 RVG anrechnen lassen muss,

Die Lösung der Frage richtet sich danach, ob es sich um dieselbe Angelegenheit handelt. Davon ist das OLG Celle jedenfalls dann ausgegangen, wenn Verteidigung und Nebenklage dieselbe prozessuale Tat betreffen (OLG Celle RVGreport 2011, 19 = AGS 2011, 25 = StRR 2011, 37; s. auch Burhoff/Burhoff, RVG, Teil A: Angelegenheiten [§ 15 ff.], Rn. 109).

III.  Zeugenbeistand in mehreren Verfahren

Folgende Frage eines Kollegen, der als Zeugenbeistand tätig war: S ein Mandant hat gegen drei Personen eine Aussage gemacht. Alle drei Personen sollen nach seiner Aussage gemeinsam eine Straftat begangen haben bzw. gibt es bei mehreren Straftaten Schnittmengen zwischen den drei Beschuldigten. Die Polizei und die Staatsanwaltschaft führen drei gesonderte Verfahren. Der RA beantragt seine Beiordnung als Zeugenbeistand in allen drei Verfahren gem. § 163 StPO, welche seitens der StA angeordnet wird. Bei der nachfolgenden Vernehmung ist er anwesend. Der Mandant wird in einer einzigen Vernehmung zu allen drei Beschuldigten ausführlich befragt. Die Frage, die sich dem Kollegen stellt: Bekomme ich die Gebühren für meine Tätigkeiten einmal oder dreimal?

Mein Antwort : M.E. handelt es sich um drei unterschiedliche Angelegenheiten, mit der Folge, dass in jeder nach § 15 RVG die Gebühren entstehen (zu den Angelegenheiten Burhoff/Burhoff, RVG, Teil A: Angelegenheiten [§§ 15 ff.], Rn. 88 ff.).

  • Also – wenn man davon ausgeht -, dass der Zeugenbeistand nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG abrechnet, entsteht dreimal die Nr. 4302 VV RVG und dreimal die Nr. 7002 VV RVG.
  • Geht man davon aus, dass der Zeugenbeistand nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG abrechnet (vgl. dazu Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. 4.1 VV Rn. 5 ff. m.w.N. aus der Rechtsprechung), was m.E. richtig ist, dann sind dreimal die Nr. 4100 VV RVG und dreimal die Verfahrensgebühr (Nr. 4104 VV RVG) und dann auch dreimal die Terminsgebühr (im Zweifel Nr. 4102 VV RVG) entstanden. M.E. kann man die Argumentation aus OLG Koblenz (RVGreport 2006, 232 = AGS 2006, 598 = NStZ-RR 2006, 254) und OLG Düsseldorf ( RVGreport 2008, 182 = StRR 2008, 78) heranziehen. Die gilt entsprechend.

Hinweis :

Die Problematik, ob der Zeugenbeistand, wenn nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG abgerechnet wird, auch die Verfahrensgebühr erhält, stellt sich nach den Änderung der Anm. zur Nr. 4100 VV RVG nicht mehr. Denn danach entstehen Grundgebühr und Verfahrensgebühr jetzt immer nebeneinander (OLG Saarbrücken RVGreport 2015, 65 = StRR 14 ; LG Duisburg RVGreport 2014, 427 = VRR 2014, 319 = StRR 2014, 360 = AGS 2014, 330; LG Oldenburg RVGreport 2014, 470 = zfs 2014, 648; a.A. ohne nähere Begründung OLG Nürnberg StraFo 2015, 39 = AGS 2015, 29 = StRR 2015, 118; LG Saarbrücken StRR 2015, 119).

IV. Verbindung/Trennung

1.Verbindung/Trennung und dann Einstellung

Folgendes Problem stellte sich einem Kollegen in Zusammenhang mit Verbindung und Trennung und Einstellung. Der Kollege ist als Pflichtverteidiger vom Amtsgericht beigeordnet worden. Im gerichtlichen Verfahren wird ein weiteres Ermittlungsverfahren zu dem führenden Verfahren hinzu verbunden. In der Hauptverhandlung wird das weitere Verfahren abgetrennt und nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Der Kollege fragt, welche Gebühren in dem abgetrennten Verfahren nun noch entstanden sind.

Die Lösung ergibt sich aus dem LG Bremen, Beschl. v. 13. 6. 2012 (RVGreport 2013, 232 = StRR 2012, 479 = VRR 2012, 357 = AGS 2013, 279). Mit der Abtrennung des Verfahrens ist für den abgetrennten Teil eine neue Angelegenheit .i.S. des § 15 RVG entstanden, in der nach § 15 Abs. 2 RVG nun ggf. alle Gebühren noch einmal entstehen können. Das sind die gerichtliche Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG, die Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG und auch die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG. Die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG entsteht allerdings nicht noch einmal, denn in den “Rechtsfall” des abgetrennten Verfahrens hatte sich der Verteidiger schon im Ursprungsverfahren eingearbeitet. Die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren Nr. 4104 VV RVG entsteht nicht mehr, weil dieser Verfahrensabschnitte bereits beendet ist.

Hinweis :

Hinsichtlich der Terminsgebühr entstehen m.E. keine Probleme. Es hat ein Termin in der abgetrennten Sache stattgefunden, daran hat der Verteidiger teilgenommen. Das reicht für das Entstehen der Terminsgebühr aus (LG Bremen, a.a.O.; Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. 4 VV Rn. 60 f.

Und für die Entstehung der Nr. 4141 VV RVG ist es ausreichend, wenn die „Mitwirkung“ des Verteidigers aus dem Ursprungsverfahren fortwirkt und zur Einstellung führt (BGH RVGreport 2008, 431 = StRR 2009, 77 = VRR 2008, 438 = AGS 2008, 491; OLG Stuttgart RVGreport 2010, 263 = VRR 2010, 320 = AGS 2010, 292 m. abl. Anm. N. Schneider AGS 2010, 295).

2. Verbindung im Berufungsverfahren

Folgender Fall: Der RA verteidigt den Angeklagten vor dem AG in der ersten Instanz vor dem Jugendschöffengericht vertreten. Das Urteil ergeht im Januar 2014. Gegen dieses Urteil wird Berufung eingelegt. Im Dezember 2014 erhält der RA wir dann die Ladung zu den Berufungshauptverhandlungsterminen vor dem LG.
Fast zeitgleich ist der Mandant mit mehreren Anklagen erneut beim Jugendschöffengericht angeklagt worden. Dieses teilt mit, dass die Verfahren nach § 40 Abs. 2 JGG der Jugendstrafkammer beim LG zur Übernahme vorgelegt werden. Das LG beschließt im Januar 2015, dass die Verfahren vom Jugendschöffengericht sowie das Berufungsverfahren zur insgesamt erstinstanzlichen gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden werden. Der RA fragt nach den Folgen der Verbindung für seine Gebühren.

Für die Antwort von Bedeutung ist zunächst, dass durch die Verbindung des Berufungsverfahrens mit den erstinstanzlichen Verfahren die Verfahren nicht ihre Selbständigkeit verloren haben, das Berufungsverfahren bleibt also Berufungsverfahren (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl. 2014, § 237 Rn. 8). D.h.: Es liegen (weiterhin) verschiedene Angelegenheiten vor. Die entstandene Nr. 4124 VV RV bleibt dem RA auf jeden Fall erhalten, das folgt schon aus § 15 Abs. 4 RVG. In den übrigen Verfahren dürfte, da die ja erst vom LG verbunden worden sind, jeweils die Nr. 4112 VV RVG entstanden sein, durch die Verbindung dann aber nicht nochmals eine Nr. 4112 VV RVG. M.E. entsteht für die angekündigten Hauptverhandlungstermine eine Nr. 4126 VV RVG für das Berufungsverfahren und eine Nr. 4114 VV RVG für die verbundenen AG-Sachen, aber die nur einmal, da insoweit eine Angelegenheit vorliegen dürfte (zur Verbindung und den Auswirkungen auf die Terminsgebühr Burhoff RVGreport 2008, 405: Burhoff/Burhoff, RVG, Teil A: Verbindung von Verfahren, Rn. 2068).

V. Verbindung/Erstreckung (§ 48 Abs. 6 RVG)

1. Erstreckungsantrag

Folgende Problematik: Der Verteidiger wird im Verfahren A am 12.3.2014 im Ermittlungsverfahren zum Pflichtverteidiger bestellt. Am 8.4.2014 bestellt er sich für die Verfahren B, C, D und E ebenfalls im Ermittlungsverfahren als Verteidiger. Am 22.5.2014 verfügt die Staatsanwaltschaft, dass die Verfahren B, C, D und E mit dem Verfahren A, welches nunmehr führen soll, verbunden werden. Am 10.6.2014 erfolgt Anklageerhebung. Der Verteidiger stellt später den Kostenfestsetzungsantrag auf Erstattung von Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG auch für die Verfahren B, C, D und E. Das LG will aber nur die Gebühren für das Verfahren A erstatten. Zur Begründung beruft es sich darauf, dass eine Erstreckung nach § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG nicht erfolgt sei. Der Verteidiger fragt sich: Zu Recht?

Die Lösung: Das LG hat Recht. Es hätte nach § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG erstreckt werden müssen, da die Bestellung zum Pflichtverteidiger vor der Verbindung erfolgt ist (KG RVGreport 2010, 64 = JurBüro 2009, 531; zur Erstreckung s. die Kommentierung zu § 48 Abs. 6 bei Burhoff/Burhoff, RVG; s. auch noch Burhoff in: Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl., § 48 Rn. 191 ff..

Hinweis:

In den Fällen des „versäumten Erstreckungsantrags“ sollte der Verteidiger auf jeden Fall Rechtsmittel einlegen und den Antrag auf Erstreckung noch in der Rechtsmittelinstanz stellen. Das ist zulässig (vgl. dazu KG RVGreport 2012, 56 = StRR 2012, 78 = StraFo 2012, 292; OLG Düsseldorf RVGreport 2008, 140; OLG Hamm, Beschl. v. 29.01.2008 - 4 Ws 9/08; LG Cottbus StRR 2013, 305; LG Dresden RVGreport 2008,140).

2. Berufungsverfahren

Frage: Der RA verteidigt den Mandanten beim Jugendschöffengericht in zwei Verfahren, die zur gemeinsamen Entscheidung verbunden worden sind. Auf Antrag des RA werden die Wirkungen seiner Beiordnung auch auf das hinzuverbundene Verfahren erstreckt. In erster Instanz wird der Mandant verurteilt. Der RA hat Berufung eingelegt. Der Verteidiger rechnet sowohl für das amtsgerichtliche Verfahren als auch für die Berufungsinstanz u.a. zwei Verfahrensgebühren Nr. 4106 VV RVG bzw. Nr. 4124 VV RVG und jeweils zwei Auslagenpauschalen Nr. 7002 VV RVG ab. Festgesetzt wird für die Berufungsinstanz aber nur eine Verfahrensgebühr und eine Auslagenpauschale. Zutreffend?

Meine Antwort: Ja, das ist zutreffend. Denn mit der Verbindung der Verfahren liegt nur noch eine Angelegenheit vor (vgl. Burhoff/Burhoff, RVG, Teil A: Verbindung von Verfahren, Rn. 2068 ff.). Damit kann gem. § 15 RVG die Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RVG nur noch einmal entstehen.

VI. Anrechnung (§ 58 Abs. 3 RVG)

Eine Frage befasste sich mit einer Anrechnung nach § 58 Abs. 3 RVG, wenn zwei Anwälte einer Sozietät (nacheinander) tätig werden. Dazu folgender Sachverhalt: RA A, Partner der Sozietät, wird im Berufungsverfahren mandatiert. In einer Vergütungsvereinbarung wird vereinbart, dass seine Tätigkeit mit 250,00 €/ Stunde zu vergüten ist, Tätigkeiten, die ein angestellter Anwalt erbringt, hingegen nur mit 200,00 €/Stunde. Der angestellte Anwalt B, selbst nicht mandatiert, wird in die Mandatsbearbeitung intern eingebunden. Seine Tätigkeit wird - entsprechend der Vergütungsvereinbarung - im Rahmen von Kostenvorschussnoten von A gegenüber dem Mandanten mit abgerechnet. Das Mandat des A endet noch vor der Berufungshauptverhandlung, weil eine weitergehende Vergütung als Wahlverteidiger nicht mehr möglich ist. Der Mandant will dann in der Berufungshauptverhandlung von B, dem angestellten RA der Sozietät, pflichtverteidigt werden. Damit stellt sich die Frage: Sind die an A bzw. die Sozietät gezahlten (Wahlverteidiger-)Vorschüsse i.S.d. § 58 Abs. 3 RVG auf die gesetzliche Pflichtverteidigervergütung des B anzurechnen?

Die Antwort: Nach § 58 Abs. 3 RVG angerechnet wird nur, wenn derselbe RA Zahlungen erhalten hat und er Ansprüche gegen die Staatskasse geltend macht. Auf berufsrechtliche Fragen hebt § 58 Abs. 3 RVG nicht ab. Dafür spricht auch der Wortlaut. Es ist zudem auch in der Anrechnungsfrage strikt zwischen unterschiedlichen Mandaten – hier "Mandat des A" und "Mandat des B" – zu trennen

VII. Übergangsrecht (§ 60 RVG)

In Zusammenhang mit dem Übergang zum 2. KostRMoG stellte sich für einen Verteidiger folgende Problematik: Die erste Hauptverhandlung fand vor dem 1. 8. 2013 statt. Das Urteil wird in der Revision aufgehoben und die Sache wird zurückverwiesen. Die neue Hauptverhandlung findet nach dem 1. 8. 2013 statt. Welches Recht gilt für die neue Hauptverhandlung?

Die Antwort: Nach § 21 Abs. 1 RVCG ist im Fall der Zurückverweisung einer Sache an ein untergeordnetes Gericht das weitere Verfahren vor diesem Gericht als neuer Rechtszug anzusehen. § 60 Abs. 1 Satz 2 RVG regelt die Vergütung in den weiteren Rechtszügen, wenn der RA zum Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Gesetzesänderung bereits tätig ist. Zu diesen weiteren Rechtszügen gehört auch eine „zweite/neue“ erste Instanz nach einer Zurückverweisung (so schon zur BRAGO OLG Düsseldorf Rpfleger 1988, 337 = JurBüro 1988, 1352; OLG Stuttgart JurBüro 1989, 1404; OLG Zweibrücken AGS 2000, 170). Erfolgt diese Zurückverweisung somit nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung, bestimmen sich die erneut anfallenden Gebühren des RA nach dem neuen Recht (KG RVGreport 2005, 343 = AGS 2005, 449). Das gilt auch für die nach der Zurückverweisung erneut anfallenden Gebühren des vor dem Stichtag bestellten Pflichtverteidigers (KG, a.a.O.; Burhoff/Volpert, RVG, Teil A: Übergangsvorschriften [§ 60 f.], Rn. 1986).

Hinweis:

Im Fall der Zurückverweisung der Sache vor dem Stichtag und der erstmaligen Beauftragung eines neuen RA für das zurückverwiesene Verfahren nach diesem Zeitpunkt gilt der Grundsatz des § 60 Abs. 1 Satz 1. RVG Da der Auftrag nach dem Stichtag erteilt worden ist, findet neues Recht Anwendung (Burhoff/Volpert, RVG, Teil A: Übergangsvorschriften [§ 60 f.], Rn. 1987).

VIII. Verfahrensgebühr - Abgeltungsbereich

1. Antrag auf gerichtliche Entscheidung

Ein Verteidiger stellte folgende Frage zum Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr: Gegen den Mandanten ist ein Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfes der Körperverletzung anhängig gewesen. Im Rahmen dessen erfolgte eine Anordnung zur erkennungsdienstlichen Behandlung (§ 81 b 1. Alt StPO). Hiergegen hat der Verteidiger Widerspruch eingelegt und einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung über diese Anordnung gestellt. Das AG bestätigte die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung. Dagegen ist Beschwerde eingelegt worden, die verworfen worden ist. Der Verteidiger war sich nicht sicher, ob - da er ja bereits mit der Verteidigung beauftragt war - für diesen Mehraufwand eine besondere Gebühr erhält oder ob er diesen nur im Rahmen von § 14 RVG berücksichtigen kann.

Meine Antwort: Der Verteidiger liegt mit seiner Vermutung, dass die erbrachten Tätigkeiten durch die Verfahrensgebühr mitabgegolten sind, richtig (zum Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. 4 VV Rn. 34 ff.). Das LG Potsdam (LG Potsdam RVGreport 2014, 347 = StRR 2014, 277 = AGS 2014, 171) hat das zwar anders gesehen und ist von einer Einzeltätigkeit und einer Verfahrensgebühr Nr. 4302 Nr. 2 VV RVG ausgegangen. Das ist jedoch nicht zutreffend (vgl. die Anmerkungen bei LG Potsdam RVGreport 2014, 347 = StRR 2014, 277). Der Verteidiger muss den Mehraufwand über § 14 RVG geltend machen.

2. Kostenbeschwerde

Der Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr war in anderem Zusammenhang nochmals Gegenstand einer Frage: Der Mandant des RA wird vom LG im Berufungsverfahren zu einer vollstreckbaren Freiheitsstrafe verurteilt. Durch die Verteidigung war eine Bewährungsstrafe beantragt. Auf die - auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte - Revision wird das Urteil vom OLG im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben, und im 2. Durchgang wird dann die - bereits in 1. Instanz durch die Verteidigung beantragte – Bewährungsstrafe verhängt. Das Urteil wird noch in der Hauptverhandlung rechtskräftig. Gegen die für den Angeklagten nachteilige Kostenentscheidung des zweiten Urteils wird sofortige Beschwerde eingelegt, die in vollem Umfang insoweit Erfolg hat, dass die Staatskasse die vollen Kosten des Revisionsverfahrens übernehmen muss. Es ergeht auch eine Kostengrundentscheidung des OLG zugunsten des Mandanten. Frage: Fallen für das Beschwerdeverfahren gesonderte Gebühren an?

Meine Antwort lautete: Es gibt – auch für diesen Sonderfall – keine besondere Gebühr (allgemein zur Beschwerde Burhoff/Volpert, RVG, Teil A. Beschwerdeverfahren, Abrechnung, Rn. 570 ff.). Die Vorbem. 4.2 VV RVG greift nicht, da es sich nicht um Strafvollstreckung handelt. Es handelt sich auch nicht um eine Einzeltätigkeit nach Beendigung der Instanz (/vgl. dazu Burhoff/Volpert, RVG, Teil A. Beschwerdeverfahren, Abrechnung, Rn. 583 ff.), so dass nicht Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG gilt. Vielmehr wird die erbrachte Tätigkeit durch die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens – Nr. 4112 VV RVG – mitabgegolten. Man wird die Tätigkeit als Abwicklungstätigkeit sehen müssen.

IX. Wiederaufnahmeverfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft (Nr. 4136 ff. VV RVG)

Folgende Konstellation: Die Staatsanwaltschaft stellt beim AG einen Wiederaufnahmeantrag, der der Mandantin des RA zugestellt wird. Dieser wird für die Mandantin tätig und stellt den Antrag die Wiederaufnahme des Verfahrens abzulehnen. Die Staatsanwaltschaft nimmt den Antrag zurück. Der Verteidiger fragt sich, welche gesetzlichen Gebühren bei dieser Konstellation angefallen sind. Er hat hinsichtlich der Gebühren nach Nr. 4136 ff VV RVG Bedenken, weil er nicht in Zusammenhang mit einem Wiederaufnahmeantrag, sondern nur mit der Antrag, den Wiederaufnahmeantrag der StA zurück zu weisen, tätig geworden ist.

Meine Antwort: Die Konstellation ist bisher in der Literatur nicht behandelt. Dort wird immer nur der Fall dargestellt, dass der Verurteilte einen Wiederaufnahmeantrag stellt. Nicht aber der Fall, dass er sich gegen einen Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft verteidigt. Der Fall ist bislang offensichtlich übersehen worden. M.E. sind die aber Nrn. 4136, 4137 VV RVG sicher angefallen. Die Nr. 4136 VV RVG sieht eine "Geschäftsgebühr für die Vorbereitung eines Antrags" und die Nr. 4137 VV RVG eine "Verfahrensgebühr für das Verfahren über die Zulässigkeit des Antrags". Die Nr. 4137 VV RVG schließt sich nahtlos an die Nr. 4136 VV RVG an und umfasst die Fertigung des Wiederaufnahmeantrags (vgl. die Kommentierung zu den Nrn. 4136 ff. VV RVG bei Burhoff/Burhoff, RVG). Dies gilt dann aber auch für die Verteidigung gegen einen Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft und den Antrag auf Zurückweisung eines Wiederaufnahmeantrages.

X. Zusätzliche Verfahrensgebühren (Nr. 4141, 5115 VV RVG)

1. Strafbefehlsverfahren (Nr. 4141 VV RVG)

Ein Verteidiger musste folgende Fragen mit dem Rechtspfleger diskutieren: Der Mandant. erscheint bei dem RA mit einem Strafbefehl. Der RA legt Einspruch ein und legt dar, warum die vorgeworfene Handlung nicht strafbar ist. Die Staatsanwaltschaft nimmt daraufhin nach § 411 Abs. 3 StPO die Klage zurück und stellt kurze Zeit später das Verfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO ein. Die Kosten werden der Staatskasse auferlegt. Der Verteidiger beantragt die Festsetzung der Gebühren Nr. 4100, 4104, 4106 und 4141 VV RVG festzusetzen. Der Rechtspfleger meint, der Verteidiger sei erst nach Erlass des Strafbefehls tätig geworden und will deshalb die Gebühr Nr. 4104 VV RVG nicht festsetzen. Gegen die Festsetzung der Nr. 4141 VV RVG wendet er ein, dass dort die Rücknahme der Klage nicht erwähnt wird. Der Verteidiger ist der Meinung, dass nach Rücknahme der Klage die Sache wieder ins Ermittlungsverfahren zurückfällt und er deshalb sowohl die Nr. 4104 VV RVG als auch Nr. 4141 VV RVG wegen der Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO verdient habe. Liegt er richtig?

Ich habe folgende Antwort gegeben: Wegen des Anfalls der Nr. 4104 VV RVG habe ich Bedenken, weil m.E. der gebührenrechtliche Abschnitt „vorbereitendes Verfahren“ beendet ist. Geht man allerdings davon aus, dass durch die Rücknahme der Klage das Verfahrensstadium „vorbereitendes Verfahren“ wieder auflebt, ist nachträglich für den Verteidiger die Nr. 4104 VV RVG entstanden (s. dazu a. LG Oldenburg, Beschl. 25. 6.2008 – 5 Qs 230/08, www.burhoff.de. Auch die Nr. 4141 VV RVG ist entstanden. Zwar wird der Fall der Rücknahme der Anklage in Nr. 4141 Anm. 1 Nr. 1 VV RVG nicht erwähnt. Die Nr. 4141 VV RVG ist auf den Fall jedoch entsprechend anwendbar, wenn es sich um eine endgültige Anklagerücknahme handelt (vgl. dazu Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 4141 VV Rn. 35), was hier der Fall war.

2. Verwarnungsgeldangebot im Bußgeldverfahren (Nr. 5115 VV RVG).

Bei der Abrechnung eines Bußgeldverfahrens stellte sich für den Verteidiger folgendes Problem: Nach einer Vorfahrtsverletzung mit Unfall ist gegen den Mandanten wegen fahrlässiger Körperverletzung ermittelt worden. Der Verteidiger beantragt Akteneinsicht. Die Staatsanwaltschaft stellt das Strafverfahren ein und gibt die Sache an die Bußgeldstelle ab, auch zur Gewährung der Akteneinsicht. Nach Akteneinsicht fertigt der Verteidiger eine Schutzschrift. Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf diese erlässt die Bußgeldstelle dann ein „Verwarnungsgeldangebot“ über nur 35,00 €. Wegen des Verstoßes wird von der Nr. 34 BKat eigentlich eine Geldbuße von 100,00 € angedroht. Dieses „Verwarnungsgeldangebot“ nimmt der Mandant auf Empfehlung des Verteidigers hin an. Ist hier die Gebühr Nr. 5115 VV RVG entstanden?

Meine Antwort: Zu der Problematik gibt es (bislang) keine Rechtsprechung. Ich haben dem Kollegen geraten es mit einer Analogie zur Nr. 5115 Anm. 1 Nr. 3 VV RVG zu versuchen. Bei Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 5115 VV Rn. 47 habe ich dazu ausgeführt, dass eine entsprechende Anwendung der Nr. 3 dann in Betracht kommt, wenn die Verwaltungsbehörde nach Einspruchseinlegung und Rücknahme des Einspruchs, keinen neuen Bußgeldbescheid erlässt, sondern die Festsetzung nur eines Verwarnungsgeldes „anbietet“, was vom Betroffenen/Verteidiger akzeptiert wird. Sinn und Zweck der Regelung in Nr. 3 gebieten diese entsprechende Anwendung. Erfasst werden sollen durch sie gerade die Fälle, in denen nach Einspruchseinlegung durch eine neue vom Betroffenen/Verteidiger akzeptierte Entscheidung der Verwaltungsbehörde das Bußgeldverfahren endgültig erledigt wird.

XI. Isoliertes Adhäsionsverfahren

Folgende Frage betraf das sog. isolierte Adhäsionsverfahren: Nach Vorb. 4.3 Abs. 2 VV RVG verdient der RA, der nur als Adhäsionsklagevertreter ist, die Gebühren nach Nr. 4143 bis 4145 VV RVG. Der Adhäsionsklägervertreter ist jedoch unter bestimmten Umständen auch zur Teilnahme an der Hauptverhandlung verpflichtet, weil der Inhalt der Beweisaufnahme ja einen Einfluss auf die Höhe der geltend gemachten Ansprüche haben könnte. Die Nrn. 4143 bis 4145 VV RVG regeln jedoch nur die Verfahrensgebühr. Kann der Adhäsionsklagevertreter eine Terminsgebühr analog Nr. 4108 ff. VV RVG geltend machen oder ist die Verweisung in Vorbem. 4.3 Abs. 2 VV RVG abschließend?

Meine Antwort: M.E. ist die Regelung in Vorbem. 4.3 Abs. 2 VV RVG i.V.m. Nrn 4143 ff. VV RVG abschließend. Gewährt wird also eine Verfahrensgebühr, die alle Tätigkeiten abdeckt, m.E. auch die in einer Hauptverhandlung. Es wird ja auch nur auf die Verfahrensgebühren Nrn. 4143 ff. verwiesen (vgl. a. Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 4143 VV Rn. 7 ff.).


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