aus RVGreport 2015, 406
(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "RVGreport" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "RVGreport" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)
von Rechtsanwalt Detlef Burhoff Stand, RiOLG a.D., Münster /Augsburg
Grds. erhält der Pflichtverteidiger/-beistand dieselben Gebühren wie der Wahlanwalt oder Wahlbeistand. An der ein oder anderen Stelle unterscheiden sich seine gesetzlichen Gebühren bzw. seine Vergütung jedoch. Die nachfolgenden Ausführungen sollen diese Unterschiede und Besonderheiten in einem Überblick vorstellen. Die mit der Beiordnung/Bestellung zusammenhängenden Fragen werden hier nicht dargestellt (vgl. dazu Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 7. Aufl., 2015, Rn. 2759 und 3912 m.w.N.). Es wird von einer ordnungsgemäßen Bestellung/Beiordnung ausgegangen. Die Ausführungen gelten im Übrigen nicht nur für den Pflichtverteidiger, sondern ggf. auch für den Pflichtbeistand, also z.B. dem nach § 397a StPO bestellten Nebenklägervertreter. Soweit sich insoweit Abweichungen ergeben, wird darauf hingewiesen.
Grundlage des Gebührenanspruchs des Pflichtverteidigers gegen die Staatskasse (§ 55 RVG) und ggf. gegen den Beschuldigten (§ 52 RVG; vgl. dazu V, 1; zum für den Beistand geltenden § 53 RVG s.u. V, 2) ist allein die gerichtliche Bestellung. Dabei ist es unerheblich, ob der Beschuldigte mit der Bestellung des Pflichtverteidigers einverstanden war und ob er dem Verteidiger Vollmacht erteilt (vgl. auch Volpert in: Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 4. Aufl. 2015, Teil A: Umfang des Vergütungsanspruchs [§ 48 Abs. 1], Rn 1998 ff.).
Grundlage der Vergütung ist der Umfang der Bestellung des Pflichtverteidigers, die nach allgemeiner Meinung im Fall des § 140 Abs. 2 StPO auf einzelne Verfahrensteile/-abschnitte beschränkt werden kann (vgl. Burhoff, EV, Rn. 3005 ff.). Nach h.M. ist die Beiordnung zu den Bedingungen eines ortsansässigen RA, wovon bei einem auswärtigen Pflichtverteidiger gern gebraucht gemacht wird, unzulässig (OLG Brandenburg StV 2007, 484; StraFo 2006, 214; OLG Düsseldorf NStZ 1985, 185; NStZ-RR 2009, 348; OLG Zweibrücken NStZ-RR 1997, 287 m.w.N.; LSG NRW AGS 2015, 92; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., 2015, § 142 Rn 6 m.w.N.; Laufhütte/Willnow in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl., § 142 Rn 5; Burhoff/Volpert, RVG, Teil A: Auslagen aus der Staatskasse [§ 46 Abs. 1 und 2], Rn. 259 ff. m.w.N), wenn sich der RA damit nicht einverstanden erklärt (OLG Bamberg NJW 2006. 1536; OLG Hamburg StRR 2012, 282 [Ls.]; OLG Naumburg StraFo 2005, 73; s. aber auch zur Unzulässigkeit des Gebührenverzichts OLG Köln StV 2011, 659; OLG Naumburg StRR 2011, 228 m. Anm. Burhoff RVGreport 2002010, 333). Gegen eine (nicht vereinbarte) Einschränkung muss/kann der Verteidiger sich mit der Beschwerde wehren. Einen ggf. abgegebenen Verzicht auf die Erstattung seiner Reisekosten kann er widerrufen (zur Zulässigkeit des Widerrufs s. OLG München, Beschl. v. 6.4.2009 6 Ws 2/09 [3]; OLG Zweibrücken, a.a.O., m.w.N. aus der Rspr.; zur Zulässigkeit der Beschwerde OLG Düsseldorf, a.a.O.). Der Widerruf dürfte aber erst Wirkungen für die Zukunft haben (OLG München, a.a.O; OLG Zweibrücken, a.a.O.).
Grds. erhält der Pflichtverteidiger gem. Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG die gleichen Gebühren wie ein Wahlverteidiger. Der Gebührenanspruch ist jedoch der Höhe nach beschränkt. Der Pflichtverteidiger erhält nämlich ohne Rücksicht auf den Umfang seiner Tätigkeit nur 80 % der sog. Mittelgebühr eines Wahlanwalts, die sich im RVG unmittelbar aus dem VV RVG entnehmen lässt. Diese Beschränkung ist nach der Rechtsprechung des BVerfG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG AnwBl 1987, 194 [zur BRAGO]; vgl. auch BVerfG NJW 2005, 3699 [für RVG]).
Der Pflichtverteidiger erhält auch Auslagen. Insoweit gelten die allgemeinen Regeln des nach Teil 7 VV RVG, auf die hier aus Platzgründen nicht näher eingegangen werden kann (s. z Auslagen die Ausführungen bei Burhoff/Volpert, RVG, Teil A: Auslagen aus der Staatskasse [§ 46 Abs. 1 und 2], Rn 195 ff.).
Hinzuweisen ist hier nur darauf, dass in der Praxis häufig Streit um die Frage entsteht, ob einem auswärtigen Pflichtverteidiger bei den Fahrtkosten auch die Mehrkosten zu erstatten sind, die dadurch entstanden sind, dass er seinen Sitz nicht am Ort des Gerichts hatte (allgemein zu den Fahrtkosten s. die Kommentierung zu Nr. 7003 VV RVG bei Burhoff/Schmidt, RVG; s. auch Burhoff/Volpert, RVG, Teil A: Auslagen aus der Staatskasse [§ 46 Abs. 1 und 2], Rn 246 ff.). Insoweit gilt, dass diese Mehrkosten erstattungsfähig sind und die Erstattungsfähigkeit nicht unter Hinweis auf auswärtiger Pflichtverteidiger und mangelnde Erforderlichkeit (§ 46 RVG) abgelehnt werden kann. Denn die Frage der Erforderlichkeit der Bestellung eines nicht ortsansässigen Pflichtverteidigers ist vom Gericht bereits bei der Bestellung geprüft worden An das Ergebnis dieser Prüfung ist die Staatskasse hinsichtlich der Fahrtkosten dann gebunden (BVerfG NJW 2001, 1269 = StV 2001, 241; OLG Düsseldorf NStZ 1997, 605 = StV 1998, 91 = AGS 11988, 88; LG Magdeburg StraFo 2008, 131; Burhoff/Volpert, RVG, Teil A: Auslagen aus der Staatskasse [§ 46 Abs. 1 und 2], Rn 250).
Auch der Pflichtverteidiger kann mit seinem Mandanten eine Vergütungsvereinbarung treffen. § 3a Abs. 3 und 4 RVG schließen das nicht aus, sie beziehen sich nur auf PKH und Beratungshilfe (s. dazu II, 1 b). In § 58 Abs. 3 RVG sind vielmehr gerade auch Zahlungen an den Pflichtverteidiger vorgesehen (zur Zulässigkeit s. BGH NJW 1980, 1394 = JurBüro 1979, 1793; AnwKomm-RVG/Onderka, § 3a Rn. 24; Burhoff/Burhoff, RVG, Teil A: Vergütungsvereinbarung [§ 3a], Rn. 2184 ff.). Der Verteidiger muss, wenn er (später) die vereinbarte Vergütung fordert, nicht zuvor nach § 52 Abs. 2 RVG die Leistungsfähigkeit des Mandanten feststellen lassen (BGH NJW 1980, 1394 = JurBüro 1979, 1793). § 52 RVG gilt nicht (vgl. Burhoff/Volpert, RVG, § 52 Rn. 7).
Die Vereinbarung muss aber vom Beschuldigten freiwillig getroffen worden sein (vgl. dazu BGH NJW 1980, 1394 = JurBüro 1979, 1793; AnwKomm-RVG/Onderka, § 3a Rn. 25). Der Mandant muss also über die gebührenrechtliche Lage informiert (worden) sein. Das bedeutet vor allem, dass er wissen muss, dass dem Verteidiger i.d.R. ein unmittelbarer Anspruch gegen ihn gar nicht zusteht. Der Annahme von Freiwilligkeit steht es entgegen, wenn auf den Mandanten hinsichtlich des Abschlusses einer Vergütungsvereinbarung dadurch Druck ausgeübt wird, dass ihm der Abschluss in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer bevorstehenden Hauptverhandlung angetragen wird (vgl. BGHZ 184, 209 = NJW 2010, 1364 = AGS 2010, 267 = StRR 2010, 236; BGH RVGreport 2013, 265 = AGS 2013, 317 = StRR 2013, 278 = VRR 2013, 278; AG Butzbach JurBüro 1986, 1033; s. auch AG München RVGreport 2010, 411 = AGS 2011, 20 m. Anm. Winkler).
Hat der Verteidiger das Wahlmandat niedergelegt und sich als Pflichtverteidiger beiordnen lassen, so steht ihm aus einer ggf. getroffenen Vergütungsvereinbarung nur der Teil der vereinbarten Vergütung zu, den er bis zur Bestellung als Pflichtverteidiger verdient hat (AnwKomm-RVG/Onderka, § 3a Rn. 27 m.w.N.). Soll auch für die Tätigkeit als Pflichtverteidiger eine Vergütungsvereinbarung getroffen werden, muss er eine neue Vereinbarung abschließen (KG, KGR 1995, 156), die auch den Formerfordernissen von § 3a Abs. 1 entsprechen muss (OLG Bremen, StV 1987, 162; AnwKomm-RVG/Onderka, a.a.O.).
Nach § 3a Abs. 3 Satz 1 RVG ist eine Vergütungsvereinbarung ausgeschlossen, wenn der RA im Wege der PKH beigeordnet worden ist. Das kann z.B. nach den §§ 406g Abs. 3, 397a StPO beim Nebenkläger oder beim nebenklageberechtigten Verletzten der Fall sein. Auch beim Privatkläger kann PKH in Betracht kommen (§ 379 Abs. 3 StPO). Hat der Auftraggeber freiwillig und ohne Vorbehalt gezahlt, kann er das Geleistete nach § 3a Abs. 3 Satz 2 RVG nach den Vorschriften des BGB über die ungerechtfertigte Bereicherung zurückfordern. Der RA kann sich also nur noch auf den Rückforderungsausschluss aus § 814 BGB berufen (vgl. BT-Drucks. 16/8916, S. 17; AnwKomm-RVG/Onderka, § 3a Rn. 126; zur Auslegung der Regelung s. auch RVGreport 2008, 210).
Über Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG gelten für den Pflichtverteidige die allgemeinen Gebührenvorschriften des RVG für die Vertretung des Mandanten im Strafverfahren. Das bedeutet, dass wegen der dem Pflichtverteidiger ggf. zustehenden einzelnen Gebühren grds. keine Besonderheiten gelten. Er erhält also wie ein Wahlanwalt ggf. Grundgebühr, Verfahrens- und Terminsgebühren und auch die zusätzlichen Verfahrensgebühr nach Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 5 VV RVG. Diese sind allerdings der Höhe nach beschränkt (vgl. oben I, 2).
Eine Besonderheit gilt für den Pflichtverteidiger allerdings bei den Terminsgebühren. Denn (nur) der Pflichtverteidiger erhält nach den Nrn. 4110, 4111, 4116, 4117, 4122, 4123, 4128, 4129, 4134, 4135 VV RVG einen sog. Längenzuschlag zur Terminsgebühr für die Hauptverhandlung, wenn diese mehr als fünf bis zu acht bzw. mehr als acht Stunden gedauert hat. In der Rechtsprechung ist umstritten, ob bei der Feststellung der für die Gewährung dieses Zuschlags maßgeblichen (Hauptverhandlungs)Zeit Wartezeiten des Verteidigers vor bzw. während der Hauptverhandlung zu berücksichtigen sind bzw. ob Pausen von der Hauptverhandlungsdauer abgezogen werden müssen. Die dazu vorliegende obergerichtliche Rechtsprechung lässt sich wie folgt zusammenfassen (eingehend zu dieser Problematik Burhoff, RVGreport 2006, 1; Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 4110 VV RVG Rn 15 ff.; Burhoff in: Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl. 2015, VV 4108 4111 Rn 22 ff.; vgl. a. die Zusammenstellung der Rechtsprechung bei Burhoff RVGreport 2008, 44, auf www.burhoff.de, bei Kotz NStZ 2009, 414 ff. und bei Fromm JurBüro 2014, 564):
Rechtsprechungsübersicht Wartezeiten/Pausen
Ist der RA zunächst Wahlanwalt und wird dann im Laufe des Verfahrens als Pflichtverteidiger beigeordnet, kann er über § 48 Abs. 6 Satz 1 RVG auch die während der Tätigkeit als Wahlanwalt entstandenen Gebühren und Auslagen als gesetzliche Vergütung gegenüber der Staatskasse abrechnen. Ist der RA nicht schon im ersten Rechtszug, sondern erst in einem späteren Rechtszug, also erst im Berufungs- und/oder Revisionsverfahren, beigeordnet worden, gilt hinsichtlich der von ihm als Wahlanwalt vor der Beiordnung im Berufungs- oder Revisionsrechtszug erbrachten Tätigkeiten § 48 Abs. 6 Satz 2 RVG. Auch hier erhält er für die in diesem Rechtszug vor der Beiordnung als Wahlanwalt erbrachten Tätigkeiten gesetzliche Gebühren aus der Staatskasse (wegen der Einzelh. zur Erstreckung Burhoff RVGreport 2004, 411; ders. RVGreport 2008, 129; ders., StraFo 2014, 454; Burhoff/Burhoff, RVG, § 48 Abs. 6 Rn. 1 ff.; Gerold/Schmidt/Burhoff, § 48 Rn. 137 ff.). § 48 Abs. 6 Satz 2 RVG erstreckt sich aber nicht auf Tätigkeiten, die der RA als Wahlanwalt in früheren Rechtszügen, also z.B. in der ersten Instanz, erbracht hat (vgl. Burhoff/Burhoff, RVG, § 48 Abs. 6 Rn. 14 ff.).
Ist der Pflichtverteidiger in mehreren Verfahren tätig, die dann miteinander verbunden werden, muss er die mit der Erstreckung nach § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG zusammenhängenden Fragen im Blick haben ((wegen der Einzelh. Burhoff/Burhoff, RVG, § 48 Abs. 6 Rn. 1 ff.; Gerold/Schmidt/Burhoff, § 48 Rn. 137 ff., jeweils m.w.N.; Burhoff StraFo 2014, 454). Im Hinblick auf die Rechtsprechung einiger OLG (vgl. OLG Braunschweig AGS 2014, 402 = NStZ-RR 2014, 232; OLG Koblenz StRR 2012, 319 = StraFo 2012, 290 = AGS 2012, 390 = RVGprofessionell 2013, 42 = RVGreport 2013, 227; OLG Oldenburg NStZ-RR 2011, 261 = RVGreport 2011, 220; ähnlich OLG Rostock StRR 2009, 279), die davon ausgeht, dass ein Erstreckungsantrag immer erforderlich ist, sollte der Verteidiger in allen Verbindungfällen Erstreckung beantragen. Die Erstreckung ist zwar m.E. nur dann erforderlich, wenn zu einem Verfahren, in dem der RA als Pflichtverteidiger bereits beigeordnet worden ist, weitere Verfahren hinzuverbunden werden (wegen der Einzelheiten und zur Kritik an der teilweise abweichenden Rechtsprechung der OLG zuletzt Burhoff StraFo 2014, 454). Aus anwaltlicher Vorsicht sollte der RA aber auch in allen andern Fällen Erstreckung beantragen.
Die dem Pflichtverteidiger aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung wird gem. § 55 RVG auf Antrag vom Urkundsbeamten des Gerichts des ersten Rechtszugs festgesetzt (wegen der Einzelh. der Festsetzung s. Burhoff/Volpert, RVG, Teil A: Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse [§§ 44, 45, 50], Rn. 2117 ff.], und Teil A: Kostenfestsetzung und Erstattung in Strafsachen, Rdn. 1266 ff., sowie Volpert StRR 2011, 378). Bei der Festsetzung muss der RA angeben, ob und welche Vorschüsse von Mandanten oder Dritten gezahlt worden sind (§ 55 Abs. 5 RVG). Das ist unabhängig davon, ob diese anzurechnen sind oder nicht (zur Anrechnung s. IV, 3).
Die Frage, wie Vorschüsse bzw. Zahlungen, die der Pflichtverteidiger vor oder nach seiner Beiordnung vom Beschuldigten oder für diesen von einem Dritten erhalten hat, zu behandeln sind, ist in § 58 Abs. 3 Satz 1, 2 RVG geregelt. Die Vorschrift bestimmt, ob und in welchem Umfang die empfangenen Beträge auf die Pflichtverteidigergebühren zu verrechnen sind (wegen der Einzelh. Burhoff/Volpert, RVG, § 58 Abs. 3 Rn. 1 ff.; Gerold/Schmidt/Burhoff, § 58 Rn. 53 ff.). Anrechenbar ist nur der um die Umsatzsteuer verminderte Nettovergütungsbetrag (OLG Düsseldorf JurBüro 1987, 1800; OLG Hamm StV 1996, 334 = AnwBl 1996, 175 = JurBüro 1996, 191; OLG Schleswig StV 1996, 335 [Ls.]; OLG Stuttgart JurBüro 1996, 134; OLG Zweibrücken StV 1998, 93 = NStZ-RR 1998, 63 = wistra 1998, 39, jeweils noch zur BRAGO).
§ 58 Abs. 3 RVG ist durch das 2. KostRMoG v. 23.07.2013 (BGBl 2013, S. 2586) geändert worden. Früher wurde auf die Zahlung für bestimmte Verfahrensabschnitte abgestellt, wobei in Rspr. und Lit. umstritten war, was unter einem "Verfahrensabschnitt zu verstehen war (s. dazu Burhoff/Volpert [3. Aufl.], RVG, § 58 Abs. 3 Rn. 14; Gerold/Schmidt/Burhoff [20 Aufl.], § 58 Rn. 53 ff.; aus der Rspr. KG StraFo 2009, 84 m. abl. Anm. Burhoff = StRR 2008, 477; OLG Dresden, Beschl. v. 18.7.2007 3 Ws 37/07, www.burhoff.de.; OLG Frankfurt am Main NJW 2007, 219; OLG Hamm, Beschl. v. 20. 11. 2007 3 Ws 320/07, www.burhoff.de; OLG Köln StraFo 2008, 399; OLG München RVGreport 2010, 219 = StRR 2010, 319; OLG Oldenburg RVGreport 2007, 344 = StV 2007, 477; OLG Stuttgart StraFo 2007, 437 = AGS 2008, 117). Nach den Änderungen durch das 2. KostRMoG sind Zahlungen und Vorschüsse, die der RA in einer gebührenrechtlichen Angelegenheit erhalten hat, (nur) auf die von der Staatskasse für diese Angelegenheit zu zahlenden Gebühren anzurechnen (vgl. zu den Auswirkungen der Neuregelung Burhoff RVGreport 2014, 370; Gerold/Schmidt/Burhoff. § 58; Burhoff/Volpert, RVG, § 58 Rn. 18 ff.). Das bedeutet: Wenn der RA als Wahlanwalt also die Zahlung eines Vorschusses vereinbart (§ 9 RVG), muss er, wenn er die Anrechnung ausschließen will, auf jeden Fall in die Vereinbarung aufnehmen, für welche Angelegenheit gezahlt werden soll (zum Begriff der Angelegenheiten Burhoff RVGreport 2014, 210 u. 290). Die Vorschussvereinbarung muss daher entsprechend formuliert werden, also dass z.B. der Vorschuss für das vorbereitende Verfahren Az. gezahlt wird.
Der Pflichtverteidiger, der Beistand des Nebenklägers gem. §§ 397a Abs. 1, 406g Abs. 3 Nr. 1 StPO, der im Wege der PKH gem. §§ 397a Abs. 2, 406g Abs. 3 Nr. 2 StPO beigeordnete Vertreter des Nebenklägers oder der Zeugenbeistand haben nach § 47 Abs. 1 Satz 1 RVG ein Recht auf Vorschuss auf die gesetzlichen Gebühren. Ob und in welcher Höhe ein Vorschuss verlangt wird, liegt im jeweiligen Ermessen des RA. Dieser ist also nicht verpflichtet, einen Vorschuss zu verlangen. Verlangt er ihn aber, liegen die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 RVG vor und enthält der Antrag alle erforderlichen Angaben und Erklärungen, insbesondere gem. § 55 Abs. 5 Satz 2 - 4 RVG zu erhaltenen Zahlungen (Burhoff RVGreport 2011, 327), ist der Vorschuss vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle im Verfahren nach § 55 RVG festzusetzen und anschließend auszuzahlen. Der Antrag auf Festsetzung eines Vorschusses kann vom Urkundsbeamten nur abgelehnt werden, wenn die genannten Voraussetzungen für den Vorschuss nicht vorliegen.
Nach § 52 RVG steht dem Pflichtverteidiger ein Gebührenanspruch gegen den Beschuldigten zu, der von einem Vertragsverhältnis zwischen dem RA und dem Beschuldigten unabhängig ist. Dieser Anspruch kann jedoch nur insoweit geltend gemacht werden, als dem Beschuldigten ein Erstattungsanspruch, etwa nach Einstellung oder Freispruch, gegen die Staatskasse zusteht und das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag die Leistungsfähigkeit des Beschuldigten feststellt (wegen der Einzelh. Burhoff/Volpert, RVG, § 52 Rn. 1 ff.; Gerold/Schmidt/Burhoff, § 52 Rn. 1 ff.).
Für den (Pflicht)Beistand gilt § 53. Dessen Abs. 1 gilt für den im Strafverfahren beigeordneten RA. Erfasst werden aufgrund der ausdrücklicher Erwähnung die Beiordnungen im Wege der PKH für den Privatkläger gem. § 379 Abs. 3 StPO, den Nebenkläger gem. § 397a Abs. 2 StPO (vgl. OLG Koblenz RVGreport 2008, 139 = AGS 2007, 507 = StRR 2008, 40) sowie den Antragsteller im Klageerzwingungsverfahren gem. § 172 Abs. 3 Satz 2 StPO). Darüber hinaus findet § 53 Abs. 1 RVG auch Anwendung bei der Beiordnung eines RA in sonstigen Fällen. Hierzu gehören insbesondere (vgl. auch Burhoff/Volpert, RVG, § 53 Rn. 17): die Beiordnung für den Einziehungs- und Nebenbeteiligten gem. § 434 Abs. 2 StPO, die Beiordnung für den (nebenklageberechtigten) Verletzten gem. §§ 406g Abs. 3 Nr. 2, 397a Abs. 2 StPO (so auch Gerold/Schmidt/Burhoff, § 53 Rn. 5), die Beiordnung im Wege der PKH für den Antragsteller oder den Angeschuldigten im Adhäsionsverfahren gem. § 404 Abs. 5 StPO (so auch Gerold/Schmidt/Burhoff, § 53 Rn. 5).
§ 53 Abs. 1 RVG verweist auf § 52 RVG, so dass die in Abs. 1 genannten RÄe unter den Voraussetzungen des § 52 RVG (s.o.) von ihrem Mandanten die Wahlanwaltsgebühren geltend machen können.
In § 53 Abs. 2 RVG ist der Sonderfall der Bestellung als Beistand für den Nebenkläger, den nebenklageberechtigten Verletzten oder für einen Zeugen geregelt. Bei Beiordnung im Wege der PKH gilt Abs. 2 nicht, sondern Abs. 1. Nach § 53 Abs. 2 RVG kann auch der als Beistand bestellte RA die Gebühren eines gewählten Beistands geltend machen. Ausdrücklich klargestellt ist aber, dass sich der Anspruch auf die Wahlanwaltsgebühren nur gegen den Verurteilten und nicht wie in § 53 Abs. 1 RVG gegen den Auftraggeber (Nebenkläger, nebenklageberechtigter Verletzter oder Zeuge) richtet (KG JurBüro 2009, 656; OLG Düsseldorf RVGreport 2013, 232 = JurBüro 2012, 358 = StRR 2012, 397; OLG Hamm RVGreport 2013, 71 = AGS 2013, 254 = StRR 2012, 438; LG Meiningen, Beschl. v. 11.1.2013 - 2 Qs 2/13). Der Auftraggeber/Vertretene kann daher auch dann nicht nach § 53 Abs. 2 RVG in Anspruch genommen werden, wenn diesem ein Erstattungsanspruch gegen den Verurteilten zusteht (AnwKomm-RVG/N. Schneider, § 53 Rn. 5; Burhoff/Volpert, § 53 Rn. 26 ff. m.w.N.).
Für den Pflichtverteidiger von besonderer praktischer Bedeutung ist die Pauschgebühr nach § 51 RVG. Nach § 51 RVG steht dem Pflichtverteidiger, der in einem besonders umfangreichen oder besonders schwierigen Verfahren tätig geworden ist, eine Pauschvergütung zu, wenn so die Formulierung in § 51 Abs. 1 RVG die gesetzlichen Gebühren (.....) nicht zumutbar sind. Der Begriff der Unzumutbarkeit ist durch das RVG neu aufgenommen worden. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist noch nicht abschließend geklärt, wann die Voraussetzungen der Unzumutbarkeit i.S.d. § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG zu bejahen sind (vgl. dazu eingehend auch Gaede StRR 2007, 89; Burhoff/Burhoff, RVG, § 51 Rn 24 ff.; aus der Rechtsprechung OLG Hamm StraFo 2005, 173; NJW 2007, 857; OLG Karlsruhe AGS 2006, 121). In der neueren Rechtsprechung ist die Tendenz erkennbar, die Pauschgebühr nur noch auf Ausnahmefälle zu beschränken (vgl. OLG Frankfurt am Main RVGreport 2006, 145 = NJW 2006, 457; OLG Nürnberg RVGreport 2015, 181 = StRR 2015, 157 = AGS 2015, 171 = Rpfleger 2015. 355; s. auch BGH StRR 2014, 198 = RVGreport 2014, 269). Dieser Ansicht scheint auch das BVerfG zu sein (vgl. NJW 2007, 3420; zur Kritik an dieser Rspr. Burhoff/Burhoff, RVG, § 51 Rn 44 ff.; Gerold/Schmidt/Burhoff, § 51 Rn 32 ff.; Gaede, a.a.O.).
Es ist an dieser Stelle kein Raum, alle mit der Pauschvergütung zusammenhängenden Fragen zu behandeln. Insoweit verweise ich auf meine auf Burhoff/Burhoff, RVG, § 51 Rn. 1 ff. sowie auf Gerold/Schmidt/Burhoff, § 51 Rn. 1 ff. und auf zuletzt RVGreport 2006, 121; StraFo 2008, 192 sowie zur Rechtsprechung Burhoff StraFo 2014, 279 m.w.N.). Hinzuweisen ist hier auf folgenden Überblick:
Die dem Pflichtverteidiger zu gewährende Pauschgebühr liegt über den Festgebühren des Teil 4 VV RVG, sie kann die Höchstgebühren des Wahlverteidigers überschreiten (Burhoff StraFo 1999, 264; Burhoff/Burhoff, RVG, § 51 Rn 56 ff. m.w.N.; Gerold/Schmidt/Burhoff, § 51 Rn 39 ff.). Die Entscheidung über die Pauschgebühr trifft ein Strafsenat des OLG, in dessen Bezirk die Strafsache anhängig war; dieser ist i.d.R. nur mit einem Richter besetzt (vgl. § 51 Abs. 2 RVG i.V.m. § 42 Abs. 3 RVG). Eine Pauschgebühr kann auch in Betracht kommen, wenn das Verfahren nicht gerichtlich anhängig geworden ist.
Maßgeblicher Zeitraum für die Prüfung, ob eine Gebühr nach § 51 Abs. 1 RVG zu gewähren ist, ist nur der Zeitraum seit der Bestellung des Pflichtverteidigers. Allerdings sind die vom Pflichtverteidiger vor seiner Beiordnung bereits als Wahlanwalt erbrachte Tätigkeiten ebenfalls zu berücksichtigen (§ 51 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 48 Abs. 6 Satz 1 RVG). Für die Beurteilung einer Strafsache als besonders umfangreich i.S.d. § 51 Abs. 1 RVG ist die gesamte Tätigkeit des Pflichtverteidigers von Bedeutung. Entscheidend ist der zeitliche Aufwand des Verteidigers, der schon erheblich über dem liegen muss, der dem Verteidiger in einer normalen Sache entsteht (Burhoff/Burhoff, RVG, § 51 Rn 17; Burhoff StraFo 1999, 263; ders, StraFo 2001, 119; ders., StraFo 2008, 192, jeweils m.w.N. aus der Rechtsprechung).
Die OLG haben ihre zur BRAGO ergangene Rspr. zum besonderen Umfang unter Geltung des RVG weitgehend aufrecht erhalten. Allerdings wird diese jeweils sorgfältig darauf untersucht, inwieweit Tätigkeiten, für die das RVG einen besonderen Gebührentatbestand geschaffen hat, jeweils für die Annahme des besonderen Umfangs mitbestimmend gewesen sind (vgl. dazu Burhoff/Burhoff, RVG, § 51 Rn 15 m.w.N.; Burhoff RVGreport 2006, 121 und ders., StraFo 2008, 192). Auch für Beurteilung der besonderen Schwierigkeit eines Verfahrens haben die OLG an der zu § 99 BRAGO ergangenen Rechtsprechung festgehalten (vgl. dazu die Nachw. bei Burhoff RVGreport 2006, 121 und bei Burhoff/Burhoff, RVG, § 51 Rn 27 ff.).
Häufig ergibt sich der vom Verteidiger erbrachte Aufwand nicht oder nicht vollständig aus den Akten, so z.B. bei häufigeren Besuchen des inhaftierten Mandanten oder bei Terminen mit SV, Mitverteidigern usw. Dem Verteidiger ist deshalb dringend zu raten, seinen zeitlichen Aufwand, der über das Normale hinausgeht, für einen ggf. später zu stellenden Pauschgebührenantrag entweder selbst festzuhalten oder dafür zu sorgen, dass er z.B. in Protokollen von Vernehmungen, an denen er z.B. im Ermittlungsverfahren bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft teilgenommen hat als Anwesender aufgeführt wird. Dazu ist dann später im Pauschgebührenantrag vorzutragen.
Der Anspruch auf Pauschgebühr unterliegt der normalen/kurzen Verjährung von drei Jahren nach § 195 BGB (OLG Köln NStZ 2006, 410). Die Verjährungsfrist beginnt gem. § 199 BGB mit dem Ende des Jahres, in dem der Pauschgebührenanspruch entstanden ist, also grds. mit rechtskräftigem Abschluss des gesamten Verfahrens (vgl. zu allem [zum alten Recht] OLG Hamm NStZ 1997, 41; OLG Jena StraFo 1997, 253; OLG Köln, a.a.O., jeweils m.w.N.; s. jetzt a. zum neuen Recht KG RVGreport 2015, 257 = StRR 2015, 237 = StraFo 2015, 307 unter Aufgabe von KG JurBüro 1999, 26). Der Lauf der Verjährungsfrist ist nicht während der Dauer des normalen Festsetzungsverfahrens gehemmt (OLG Hamm StraFo 1998, 35). Die Verjährungsfrist des Pauschgebührenanspruchs beginnt im Fall der Entpflichtung des Pflichtverteidigers allerdings schon am Ende des Jahres, in dem der Pflichtverteidiger entpflichtet worden ist (OLG Hamm NStZ-RR 2001, 190; vgl. zu den Verjährungsfragen auch Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, § 51 Rn 52 ff.).
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