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aus StRR 2007, 220

Abrechnung der Tätigkeit des Zeugenbeistands im Straf- und OWi-Verfahren

von Richter am OLG Detlef Burhoff, Münster

Das RVG hat als eine der wesentlichen Neuerungen in Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG bzw. in Vorbem. 5 Abs. 1 VV RVG bestimmt, dass für den Rechtsanwalt, der im Straf- bzw. OWi-Verfahren als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen tätig wird, die Vorschriften des Teil 4 bzw. 5 VV RVG entsprechend gelten. Der nachfolgende Beitrag will die damit zusammenhängenden, inzwischen teilweise streitigen Fragen darstellen.

I. Abrechnung des Wahlbeistands

1. Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG oder Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG?

(Streit in der Rechtsprechung)

Der vornehmlich in der Rechtsprechung entbrannte Streit geht um die Frage, ob der Zeugenbeistand (im Strafverfahren) nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG abrechnet oder ob seine Tätigkeit eine Einzeltätigkeit“ i.S. von Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG darstellt und die Abrechnung also nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG zu erfolgen hat (zur Vergütung des Zeugenbeistandes eingehend auch schon Burhoff, RVGreport 2004, 458; ders., RVGreport 2006, 81).

Praxishinweis:

Die Überlegungen gelten für das OWi-Verfahren entsprechend: Entweder Abrechnung nach Teil 5 Abschnitt 1 VV RVG oder nach Teil 5 Abschnitt 2 VV RVG

(h.M: Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG)

Die wohl überwiegende Auffassung in Rspr. und Literatur (vgl. z.B. (in der Vergangenheit) KG StraFo 2005, 439 = RVGreport 2005, 341; StraFo 2007, 41 = AGS 06, 329; immer noch OLG Koblenz RVGreport 06, 232 = AGS 06, 598; OLG Köln NStZ 2006, 410; jetzt auch OLG Schleswig RVGreport 2007, 149; LG München I, Beschl. v. 19.02.2007, 12 KLs 247 Js 228539/05; LG Ulm StraFo 2007, 219) wendet auf die Tätigkeit des Rechtsanwalts als Zeugenbeistand grds. den Abschnitt 1 des Teil 4 VV an). Billigkeitserwägungen spielen insoweit keine Rolle (so zutreffend OLG Koblenz, a.a.O.). Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass dem Rechtsanwalt i.d.R. die volle Vertretung übertragen wird und er nur ausnahmsweise in einer Einzeltätigkeit beauftragt ist (KG, a.a.O.; ähnlich OLG Schleswig StV 2006, 206 = RVGreport 05, 70 zur Abgrenzung der Tätigkeiten in der Strafvollstreckung von der Einzeltätigkeit).

Praxishinweis:

Der Auffassung scheint auch der BGH zu sein. Denn er hat in der Entscheidung vom 17.04.2007 (StB 1/06) - allerdings ohne nähere Begründung - Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG angewendet.

(abweichende Auffassung)

Davon abweichend wird teilweise darauf abgestellt, dass der als Zeugenbeistand tätige Rechtsanwalt im Strafverfahren nur in einem Teilbereich tätig wird und es sich deshalb um eine Einzeltätigkeit handelt (vgl. z.B. (jetzt) KG, Beschl. v. 18.01.2007, 1 Ws 2/07; OLG Celle, Beschl. v. 21. 05. 2007, 1 Ws 195/07; OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.02.2007, 5-1 BJs 322185-2-3108; OLG Oldenburg StraFo 2006, 130 = RVGreport 2006, 107; LG Berlin, Beschl. v. 23. 10. 2006, (514) 83 Js 153/04 KLs (1/06); LG Bochum, Beschl. v. 22. 12. 2006, 1 KLs 46 Js 77/05; LG Osnabrück, Beschl. v. 11. 10. 2005, 3 KLs 30/04; AG Lingen AGS 2006, 175; früher auch OLG Schleswig NStZ-RR 06, 255; vgl. dazu auch OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.02.2007, 1 Ws 23/07, das allerdings auf den konkreten Einzelfalls abstellen will.

(Stellungnahme)

Von der abweichenden Auffassung wird m.E. zunächst übersehen, dass der Gesetzgeber die Tätigkeit des Zeugenbeistands in Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG ausdrücklich der Tätigkeit des Verteidigers gleich gestellt hat. Zudem wird nicht darauf geachtet, was eigentlich die Angelegenheit i.S. der § 15 ff. RVG ist, in der der Rechtsanwalt in diesen Fällen tätig wird. Die „Angelegenheit“ ist nicht etwa das gesamte Strafverfahren, in dem der Mandant als Zeuge vernommen werden soll, sondern nur der Bereich der Beistandleistung, vornehmlich bei der Vernehmung in der Hauptverhandlung (s. auch Burhoff RVGreport 2006, 81; Burhoff in Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, Vorbem. 4.1 Rn. 7). Nur auf diese Beistandleistung bezieht sich der Auftrag des Mandanten . Mehr Tätigkeit wird von dem Rechtsanwalt nicht erwartet. Geht man aber davon aus, dann ist der Rechtsanwalt in diesem Bereich "voller Vertreter" Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG anzuwenden ist. Es ist zudem gerade eine besondere Eigenart der Tätigkeit des Zeugenbeistands, dass dieser nur eingeschränkt tätig wird (vgl. dazu auch OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.02.2007, 1 Ws 23/07).

Praxishinweis:

Die Anwendung von Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG scheidet aufgrund der Subsidiaritätsklausel in Vorbem. 4.3 Abs. 1 VV RVG aus (ähnlich OLG Schleswig, a.a.O.; vgl. dazu Burhoff/Volpert, RVG, Vorbem. 4.3 Rn. 6 ff.).

2. Tätigkeit in mehreren Verfahren und/ für mehrere Zeugen

(Tätigkeit in mehreren Verfahren)

In BtM-Verfahren ergibt sich häufig folgende Konstellation: Der Rechtsanwalt ist zunächst für den (nunmehrigen) Zeuge in einem Verfahren als Verteidiger tätig gewesen. Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens soll der ehemalige Angeklagten nun noch in Verfahren gegen andere Angeklagte als Zeuge vernommen werden. Dabei erhält er von seinem früheren Verteidiger Beistand. Für die Abrechnung dieser Tätigkeit gilt: Die Tätigkeit als Zeugenbeistand ist nicht dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG oder auch eine zeitlich parallel laufende Verteidigertätigkeit (OLG Koblenz RVGreport 2006, 232 = AGS 2006, 598 = NStZ-RR 2006, 254) . Damit fällt für diese Tätigkeit eine gesonderte Vergütung an. Dazu gehört auch die Grundgebühr. Ohne ausdrückliche Anrechnungsklausel (siehe z.B. Vorbem. 3 Abs. 4 VV) ist der Rechtsanwalt in der „anderen Angelegenheit“ so zu honorieren als wäre er erstmals für den Mandanten tätig geworden. Genauso wie dem Verteidiger, der beispielsweise den des Prozessbetrugs Beschuldigten schon im Zivilverfahren vertreten hat und deshalb auch mit der nahezu identischen Materie des Strafverfahrens vertraut ist, die Grundgebühr zusteht, steht sie auch dem Zeugenbeistand zu, der in demselben Verfahrenskomplex Verteidiger des Zeugen war oder ist (OLG Koblenz, a.a.O.).

Praxishinweis:

Dass die „erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall“ unter diesen Umständen weniger aufwändig ist – völlig entfallen wird sie nicht, weil eine neue Verfahrenssituation regelmäßig auch neue Anforderungen stellt –, kann beim Wahlbeistand gemäß § 14 RVG Berücksichtigung finden.

(Tätigkeit für mehrere Zeugen)

Ist der Rechtsanwalt in einer Strafsache für mehrere Zeugen als Beistand tätig worden, wird er für diese in derselben Angelegenheit i.S. von § 7 Abs. 1 RVG tätig. Er erhält seine Gebühren nur einmal, die Verfahrensgebühr allerdings mit der Erhöhung nach Nr. 1008 VV (OLG Koblenz StraFo 2005, 526 = RVGreport 2006, 430; Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. 4.1 Rn. 12; a.A. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, VV 1008 Rn. 151).

3. Anfall und Höhe der Gebühren

a) Anfall

(Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG: Entstehen der Verfahrensgebühr nicht ganz unstrittig)

Geht man (zutreffend) davon aus, dass der Zeugenbeistand nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG abrechnet, entstehen für ihn auf jeden Fall die Grundgebühr Nr. 4100, 4101 VV RVG und, wenn der Zeugenbeistand an einem Termin teilgenommen hat, die jeweilige Terminsgebühr. Nach Auffassung des KG soll die Verfahrensgebühr nicht entstehen, da wegen des eingeschränkten Aufgabenbereichs des Zeugenbeistands nicht ersichtlich sei, welche über den Abgeltungsbereich der Grundgebühr hinaus gehende Tätigkeiten der Rechtsanwalt erbracht habe, die den Anfall der Verfahrensgebühr rechtfertigen würden (vgl. dazu KG StraFo 2007, 41 = AGS 06, 329). Befindet sich der Zeuge in Haft, entstehen die Gebühren für den Zeugenbeistands mit Haftzuschlag (vgl. zum Haftzuschlag Burhoff StRR 2007, 54).

Praxishinweis:

Macht der Zeugenbeistand die gerichtliche Verfahrensgebühr geltend, sollte er konkret vortragen, durch welche von ihm erbrachte Tätigkeit diese entstanden ist (s. auch KG, a.a.O.; s. aber OLG Köln NStZ 2006, 410 und OLG Koblenz RVGreport 2006, 232 = AGS 2006, 598). Das muss mehr sein, als die bloße Einarbeitung und die erste Information.

     

Abrechnungsbeispiel:

S wird eine Steuerstraftat vorgeworfen. Er wird zur Vernehmung bei der Staatsanwaltschaft geladen. S sucht nach Ladung zur Vernehmung den Rechtsanwalt R auf und bittet diesen, ihn als Zeugenbeistand zu vertreten und ihn auch zur Vernehmung zu begleiten. Nach dem Vernehmungstermin legt R das Mandat nieder. Alle Merkmale des § 14 sind durchschnittlich.

Berechnung:

Wahlanwalt Pflichtverteidiger
Grundgebühr, Nr. 4100 VV RVG  165,00 € 132,00 €
Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV RVG  140,00 € 112,00 €
Terminsgebühr, Nr. 4102 Ziff. 1 VV RVG 140,00 €   122,00 €
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG  20,00 €  20,00 €
USt (Nr. 7008 VV RVG)   88,35 €  71,44 €
Anwaltsgebühren insgesamt  553,35 € 447,44 €

(Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG? Dann Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG) 

Wird nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG abgerechnet, ist darauf zu achten, dass dann zumindest die richtige Gebührenvorschrift herangezogen wird. Zutreffend ist nicht die Nr. 4302 VV RVG, sondern, da die Vernehmung eines Zeugen der eines Beschuldigten gleichzusetzen ist, Nr. 4301 Ziffer 4 VV RVG (so ausdrücklich OLG Celle, Beschl. v. 21. 05. 2007, 1 Ws 195/07; OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.02.2007, 5-1 BJs 322185-2-3108; OLG Oldenburg StraFo 2006, 130 = RVGreport 2006, 107). Nr. 4302 Ziff. 3 VV RVG ist nämlich lediglich eine Auffangnorm, die nur dann eingreift, wenn nicht die Voraussetzungen einer anderen Gebührenvorschrift erfüllt sind (Burhoff/Volpert, RVG, Nr 4302 Rn. 13).

b) Höhe der Gebühren des Zeugenbeistands

Nach Auffassung des KG (vgl. StraFo 2005, 439 = RVGreport 2005, 341) sollen dem als Zeugenbeistand tätigen Rechtsanwalt i.d.R. der Höhe nach geringere Gebühren zustehen als dem Verteidiger. Davon kann man m.E. so allgemein nicht ausgehen. Abgesehen davon, dass diese Rechtsanwendung wegen der Festbetragsregelung beim bestellten Zeugenbeistand nicht möglich wäre, erhält auch der Rechtsanwalt, der als Wahlanwalt seine Tätigkeit als Zeugenbeistand erbringt und abrechnet, nicht grundsätzlich andere/niedrigere Gebühren. Er muss sich zwar an der durchschnittlichen Tätigkeit des Verteidigers messen lassen. Entscheidend für die Höhe der Gebühr ist aber letztlich der konkrete Einzelfall und die richtige Anwendung des § 14 RVG.

Praxishinweis

Deshalb ist auch wegen der Höhe der Gebühren eine eingehende Begründung zu empfehlen, die im Einzelnen darlegt, welche Tätigkeiten der Rechtsanwalt für den Mandanten erbracht und welche Zeit dafür aufgewendet worden ist (zu § 14 RVG Burhoff/Burhoff; RVG, ABC-Teil: Rahmengebühren [§ 14 RVG]).

II. Beigeordneter Zeugenbeistand

Die vorstehenden Ausführungen gelten im Fall der Beiordnung nach § 68b StPO sinngemäß (vgl. dazu KG StraFo 2005, 439 = RVGreport 2005, 341; OLG Schleswig StV 2006, 206 = RVGreport 2005, 70 und die übrige oben zitierte OLG-Rspr.). Das gilt auch dann, wenn der Beiordnungsbeschluss nur mit dem Gesetzestext formuliert, der Rechtsanwalt also für die „Dauer der Vernehmung des Zeugen“ beigeordnet wird (a.A. OLG Oldenburg StraFo 2006, 130 = RVGreport 2006, 107; LG Berlin, Beschl. v. 23. 10. 06, (514) 83 Js 153/04 KLs (1/06); LG Bochum, Beschl. v. 22. 12. 06, 1 KLs 46 Js 77/05; LG Osnabrück, Beschl. v. 11. 10. 2005, 3 KLs 30/04; AG Lingen AGS 2006, 175). Auch aus dieser Formulierung lässt sich nämlich nicht entnehmen, dass es sich nur um eine Einzeltätigkeit handelt (so zutreffend OLG Brandenburg, Beschl. v. Beschl. v. 26.02.2007, 1 Ws 23/07; a.A. z.B. OLG Oldenburg, a.a.O.). Hierbei handelt es sich um den Gesetzeswortlaut der StPO, aus dem gebührenrechtliche Folgerungen nicht abgeleitet werden können.


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