aus StRR 2012, 336
(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "StRR" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "StRR" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)
von Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster /Augsburg
Ich habe in den vergangenen Jahren über die Fragen, die auf Seminaren, in meinem gebührenrechtlichen Forum auf www.burhoff.de, im Forum bei HeymannsStrafrecht, im Rechtspflegerforum (www.rechtspflegerforum.de) aber auch in an mich gerichteten Einzelanfragen immer wieder gestellt worden sind, berichtet (vgl. RVGreport 2010, 362 und 2011, 446). Die nachfolgenden Ausführungen knüpfen daran an und stellen weitere wichtige Fragen und Antworten, die die Praxis bewegen, vor.
Folgendes Abrechnungsproblem: Der Mandant, der sich in Bayern aufhält, wird wegen eines Vergehens gegen das AufenthG beschuldigt. Die Kanzlei des von ihm beauftragten Rechtsanwalt befindet sich in Berlin. Nachdem dieser geschrieben hat, dass das Verhalten des Mandanten gerade nicht den Tatbestand erfüllt, wird das Verfahren nach § 153 StPO eingestellt und der Landeskasse die Kosten auferlegt. Der Rechtsanwalt rechnet gegenüber der Staatskasse jeweils Mittelgebühren ab mit der Begründung, das Einkommen des Mandanten sei zwar unterdurchschnittlich, die Angelegenheit jedoch Spezialkenntnisse des Ausländerrechts sowie Fremdsprachenkenntnisse erfordert.
Im Kostenfestsetzungsbeschluss wird ausgeführt, dass die Angelegenheit insgesamt weit unterdurchschnittlich sei. Zwar seien Spezialkenntnisse des Verwaltungsrechts erforderlich gewesen. Allerdings habe der Beschuldigte gewusst, dass sein Rechtsanwalt über diese Spezialkenntnisse verfüge und habe deshalb auch eine Kanzlei in Berlin und nicht in Bayern beauftragt. Aus diesem Grund sei die Angelegenheit für den Verteidiger nicht schwierig gewesen, da davon auszugehen sei, dass er schon vergleichbare Fälle bearbeitet hätte. Der zeitliche Aufwand sei daher infolge der Spezialkenntnisse als nicht sehr hoch zu bewerten. Außerdem sei ein Großteil der anwaltlichen Tätigkeit bereits mit der Zusatzgebühr gem. Nr. 4141 VV RVG abgegolten. Der Verteidiger fragt, ob das so richtig ist.
Antwort: M.E. ist die Argumentation schlicht verkehrt. Mit dem Kriterium der "Schwierigkeit" in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG ist die generelle Schwierigkeit gemeint, nicht, ob die Sache für den jeweiligen Rechtsanwalt schwierig war (vgl. dazu Burhoff, Burhoff, RVG, 3. Aufl., Teil A: Rahmengebühren [§ 14], Rn. 1063 ff. m.w.N. in Rn. 1066, wie z.B. OLG Jena RVGreport 2005, 145). Der Hinweis auf die Zusatzgebühr ist auch unzutreffend. Sie entsteht "zusätzlich" für die Mitwirkung des Rechtsanwalts an der Einstellung und sie wird nicht (auf andere Gebühren) angerechnet. Darauf läuft die Argumentation im Kostenfestsetzungsbeschluss aber hinaus.
In Zusammenhang mit der Anrechnung von als Wahlanwalt erhaltenen Vorschüssen auf die Pflichtverteidigergebühren (§ 58 Abs. 3 RVG) beschäftigt einen Kollegen folgendes Problem: Erfolgt die Anrechnung nach § 58 Abs. 3 RVG auch dann, wenn im Rahmen eines früheren Wahlmandats Honorar an den Partner einer Kanzlei geleistet wurde und nun ein angestellter Anwalt die Pflichtverteidigung übernimmt? Muss dieser sich also die frühere Zahlung anrechnen lassen?
Die Antwort lautet: M.E. nein. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 58 Abs. 3 RVG. Denn dort heißt es: sind Vorschüsse und Zahlungen, die Rechtsanwalt vor oder nach der gerichtlichen Bestellung oder Beiordnung für seine Tätigkeit für bestimmte Verfahrensabschnitte erhalten hat, auf die von der Staatskasse für diese Verfahrensabschnitte zu zahlenden Gebühren anzurechnen. Die Anrechnung erfolgt also personenbezogen und stellt darauf ab, ob der nun als Pflichtverteidiger bestellte Rechtsanwalt Vorschüsse erhalten hat. Das ist aber, wenn die Vorschüsse an den Partner der Kanzlei gezahlt worden sind, nicht der Fall. Dass der Pflichtverteidiger dort angestellt ist, ändert daran m.E. nichts. Er hat keinen Vorschuss erhalten.
Folgende Verfahrensgestaltung: Der Rechtsanwalt verteidigt den Beschuldigten im Ermittlungsverfahren; das Verfahren wird von der StA eingestellt. Daneben hatte der Beschuldigte nach Zugang der Aufforderung durch die Polizei gem. § 81b 2. Alt StPO den Rechtsanwalt beauftragt, gegen diese Aufforderung vorzugehen. Der Rechtsanwalt fragt, welche Gebühren entstehen, wenn er gegen die Maßnahme nach § 81b Alt. 2 StPO vorgeht?
Antwort: Für die Tätigkeit im strafverfahrensrechtlichen Ermittlungsverfahren entstehen die Gebühren nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG, also die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG, die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG und ggf. die Nr. 4141 VV RVG. Für die ggf. gegen die angeordnete Maßnahme für erkennungsdienstliche Zwecke erbrachte Tätigkeit kann der Rechtsanwalt m.E. nach Teil 2 VV RVG abrechnen. Insoweit handelt es sich um eine eigene Angelegenheit. Die Tätigkeit ist nicht mehr Tätigkeit im Strafverfahren, also nicht mehr Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG. Das folgt schon daraus, dass die Maßnahme nicht mit den strafprozessualen Rechtsmitteln, sondern im Verwaltungsrechtsweg angefochten werden muss (Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 6. Aufl., 2012, Rn. 1449).
Folgende in der Praxis sicherlich häufigere Fallgestaltung: Der Mandant wird festgenommen und am selben Tag in Anwesenheit des Verteidigers dem Haftrichter vorgeführt. Die Staatsanwaltschaft hat den Erlass eines Haftbefehles beantragt. Grundlage des Haftbefehles waren 7 eigenständige Ermittlungsverfahren und der sich daraus ergebene dringende Tatverdacht sowie die Wiederholungsgefahr. Die Vorwürfe aus den einzelnen Ermittlungsverfahren werden in dem Termin besprochen, der Beschuldigte macht keine Angaben. Später werden die einzelnen Ermittlungsverfahren durch Verfügung der StA verbunden. Der Verteidiger fragt, welche Gebühren wie oft entstanden sind?
Die Lösung: Es ist auszugehen von dem Grundsatz, mehrere Ermittlungsverfahren so lange verschiedene Angelegenheiten sind, wie die Verfahren nicht miteinander verbunden sind. Bis dahin können in allen Verfahren die Gebühren jeweils selbständig entstehen (vgl. dazu KG StRR 2011, 359; LG Braunschweig VRR 2010, 359 = RVGreport 2010, 422 = StRR 2011, 39 = StraFo 2010, 513 = RVGprofessionell 2010, 214; LG Bonn StRR 2012, 200 = RVGprofessionell 2012, 62 = AGS 2012, 176 = VRR 2012, 238 = RVGreport 2012, 219; LG Hamburg, AGS 2008, 545; AG Braunschweig, RVGreport 2010, 69 = RVGprofessionell 2010, 59 = StRR 2010, 200 = VRR 2010, 39; AG Tiergarten, AGS 2010, 132 = RVGreport 2010, 18 = VRR 2010, 120 = StRR 2010, 120). Das bedeutet, dass in der o.a. Fallgestaltung in allen sieben Ermittlungsverfahren die Grundgebühr Nr. 4100, 4101 VV RVG, die Verfahrensgebühr Nr. 4104, 4105 VV RVG und die Terminsgebühr Nr. 4102 Ziff. 3, 4103 VV RVG entstanden sind. Diese Gebühren bleiben erhalten. Sie gehen durch die Verbindung nicht verloren (LG Hamburg, a.a.O.; AG Tiergarten, a.a.O.; Burhoff/Burhoff, RVG; Teil A: Verbindung von Verfahren, Rn. 1433). Es ist im Übrigen auch die Terminsgebühr sieben Mal entstanden. Zwar hat nur ein Termin stattgefunden, aber in sieben eigenständigen Verfahren (s. die Fallgestaltung bei LG Bremen, Beschl. v. 13.06.2012 5 Qs 146/12).
Folgender Sachverhalt: Rechtsanwalt A wird dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet. Danach meldet sich Rechtsanwalt B als Wahlanwalt für den Angeklagten und beantragt die Beiordnung als Pflichtverteidiger. Daraufhin bittet Rechtsanwalt A für den Fall, dass Rechtsanwalt B als Pflichtverteidiger beigeordnet werden sollte, ihn vor der Hauptverhandlung davon zu unterrichten, damit er nicht vergebens zur Hauptverhandlung erscheint. Diese Unterrichtung erfolgt nicht. Rechtsanwalt A erscheint also zur Hauptverhandlung. Vor Aufruf der Sache teilt der Richter ihm in einem persönlichen Gespräch mit, dass er in der Hauptverhandlung Rechtsanwalt A entpflichten und Rechtsanwalt B als Pflichtverteidiger beiordnen werde. Nach dem Gespräch verlässt Rechtsanwalt A vor Aufruf der Sache das Gerichtsgebäude. Ist eine Terminsgebühr für Rechtsanwalt A entstanden?
Die Lösung: M.E. ist die Terminsgebühr über Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG entstanden. Rechtsanwalt A ist zu einem Termin erschienen, der aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht stattgefunden hat. Es kommt nicht darauf an, dass die Hauptverhandlung dann mit Rechtsanwalt B durchgeführt worden ist. Entscheidend für den Anfall der Terminsgebühr für den geplatzten Termin ist, dass der Termin nicht mit dem jeweiligen Rechtsanwalt nicht stattgefunden hat. Dass er mit einem anderen Verteidiger durchgeführt worden ist, ist ohne Bedeutung, da die Regelung den nutzlosen Zeitaufwands des jeweiligen Rechtsanwalts ausgleichen soll. Sie ist also personengebunden (vgl. LG Marburg, Beschl. v. 16. 8. 2011 4 Qs 56/11; AG Hagen RVGreport 2007, 426 = RVGprofessionell 2007, 24 = AGS 2008, 78; unzutreffend a.A. OLG Frankfurt am Main RVGreport 2012, 64 = StRR 2012, 118). M.E. ist es auch ohne Bedeutung, dass Rechtsanwalt A das Gerichtsgebäude bereits vor Aufruf der Sache verlassen hatte. Die insoweit teilweise andere Sicht in der Rechtsprechung verkennt den Sinn und Zweck der Regelung (s. aber OLG Frankfurt am Main, a.a.O.; OLG München RVGreport 2008, 109 = NStZ-RR 2008, 159 = = AGS 2008, 233 = StRR 2008, 199 = NJW 2008, 1607 = JurBüro 2008, 418 m. abl. Anm. Kotz).
Folgende Fallkonstellation: Es ist Termin zur mündlichen Haftprüfung anberaumt. Der Pflichtverteidigerverteidiger reist zum auswärtigen Gericht an. Kurz vor Eintreffen bei Gericht erreicht ihn die telefonische Mitteilung, dass der Termin wegen Verzichts des Mandanten. auf die Haftprüfung, der ihm nicht bekannt war, aufgehoben wurde. Der RA macht über Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG eine Vernehmungsterminsgebühr nach Nr. 4102 Ziff. 3 VV RVG geltend. Der Rechtspfleger lehnt deren Festsetzung ab, weil mangels Durchführung des Termins nicht über die Haftfrage verhandelt worden sein könne. Lediglich die Fahrtauslagen seien erstattungsfähig.
Die Antwort: M.E. hat der Verteidiger im Grundsatz Recht. Die Frage der Verhandlung i.S. der Nr. 4102 Ziff. 3 (vgl. dazu Burhoff/Burhoff, RVG, 3. Aufl., 2012, Nr. 4142 VV Rn. 31 ff. m.w.N.) kann bei einem "geplatzten" Haftprüfungstermin keine Rolle spielen, weil es im Grunde ein fiktiver Termin ist. In diesen Fällen gilt ausschließlich Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG. Es kommt auf die zusätzliche Voraussetzung des Verhandelnmüssens nicht an, weil sich beides denknotwendig ausschließt. Anderenfalls wäre die Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV in diesen Fällen gar nicht anwendbar.
Der Verteidiger bekommt aber bei der Abrechnung ggf. noch ein anderes gebührenrechtliches Problem. Einige OLG (vgl. OLG Frankfurt RVGreport 2012, 64 = StRR 2012, 118; OLG München RVGreport 2008, 109 = StRR 2008, 199 = JurBüro 2008, 418 m. abl. Anm. Kotz) stellen darauf ab, ob der Rechtsanwalt im Gerichtssaal erschienen ist. Nur dann sei die Terminsgebühr für den geplatzten Termin entstanden. Die Auffassung ist, weil sie mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht im Einklang steht, aber abzulehnen (vgl. Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. 4 VV Rn. 79 ff; s. auch oben IV).
Folgender Sachverhalt: A und B verletzen sich bei einer Auseinandersetzung gegenseitig. Sowohl gegen A als auch gegen B wird ein Strafverfahren eingeleitet. Im Verfahren gegen B tritt A als Nebenkläger auf. B wird verurteilt, das Verfahren gegen A wird eingestellt. Im vorbereitenden Verfahren ist A im Beisein seines Rechtsanwalts A im Verfahren gegen ihn als Beschuldigter vernommen worden. Zugleich wird A bei dieser Vernehmung auch als Zeuge für das Verfahren gegen B vernommen. Rechtsanwalt A rechnet später als Nebenklägervertreter auch im Verfahren gegen B eine Vernehmungsterminsgebühr Nr. 4102 VV RVG ab. Zutreffend.
Die Antwort: M.E. ja. Die Verfahren gegen A und B sind verschiedene Angelegenheiten, so dass in jedem Verfahren die Gebühr Nr. 4102 VV RVG entstehen kann. § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG steht nicht entgegen. Es folgt auch aus der Beschluss des OLG Celle RVGreport 2011, 19 = StRR 2011, 37 = = AGS 2011, 25 nichts anderes. Denn dort hatte der Rechtsanwalt in einem Strafverfahren den Angeklagten, welcher als Nebenkläger zugelassen war, sowohl als Verteidiger als auch als Vertreter der Nebenklage gegen einen Mitangeklagten vertreten. In der Konstellation handelt es aber gebührenrechtlich jedenfalls dann um dieselbe Angelegenheit i.S. von § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG, wenn Verteidigung und Nebenklage dieselbe prozessuale Tat betreffen. Im o.a. Sachverhalt handelt es sich aber um verschiedene Angelegenheiten.
Folgende Fragestellung: Der Verteidiger legt gegen ein amtsgerichtliches Urteil ein unbestimmtes Rechtsmittel (§ 335 StPO) ein. Nach Zustellung des schriftlich begründeten Urteils kommt der Verteidiger nach Prüfung des Protokolls der Hauptverhandlung und der Urteilsgründe zu dem Ergebnis, dass weder die Berufung noch eine Revision Aussicht auf Erfolg haben. Nach entsprechender Beratung bittet ihn sein Mandant, das Rechtsmittel zurückzunehmen. Der Verteidiger kommt dieser Bitte nach. Die Revisionsbegründungsfrist ist noch nicht abgelaufen. Er stellt sich nun die Frage, welche Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RVG oder Nr. 4130 VV RVG er gegenüber dem Mandanten abrechnen kann.
Die Antwort lautet: Die (interessante) Frage ist bislang in Rechtsprechung und Literatur noch nicht behandelt. M.E. ist hier die Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren, also die Nr. 4124 VV RVG, abzurechnen. Zwar lief im Zeitpunkt der Rücknahme die Revisionsbegründungsfrist noch, so dass die Frist für die Wahl des Rechtsmittels noch nicht abgelaufen war (vgl. BGHSt 25, 321, 324; OLG München StRR 2009, 202 [Ls.]) und das Rechtsmittel noch hätte als Revision bezeichnet werden können. Entscheidend ist m.E. jedoch, dass eine Wahl nicht getroffen worden ist. In dem Fall wird das Rechtsmittel aber automatisch als Berufung durchgeführt (BGHSt 40, 395). Darauf muss man m.E. auch gebührenrechtlich abstellen.
Hinweis:
Die Anwendung der Nr. 4124 VV RVG und damit von gebührenrechtlichem Berufungsrecht ist für den Rechtsanwalt auch gebührenrechtlich günstiger. Zwar entsteht die Verfahrensgebühr für das Revisionsverfahren nach Nr. 4130 VV RVG aus einem höheren Gebührenrahmen als die Nr. 4124 VV RVG. Geht man jedoch von Berufungsrecht aus, dann ist auf jeden Fall durch die Rücknahme des Rechtsmittels die Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 3 VV RVG entstanden, ohne dass es darauf ankommt, ob das Rechtsmittel bereits begründet war oder nicht. Geht man hingegen von Revisionsrecht aus, müsste sich der Verteidiger mit dem Einwand auseinander setzen, dass die Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 3 VV RVG nicht entsteht für eine Rücknahme der Revision, wenn nicht das Rechtsmittel zumindest begründet war und/oder die Anberaumung eines Revisionshauptverhandlungstermins nahe lag (vgl. dazu die Nachw. bei Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 4141 VV Rn. 44).
Folgende Anfrage: In einem (zunächst) umfangreichen Wirtschaftsstrafverfahren lässt sich der Mandant im Ermittlungsverfahren ein und benennt die Haupttäter. Der zuständige Staatsanwalt ruft den Verteidiger an und man einigt sich auf einen Strafbefehl gegen seinen Mandanten. Der Verteidiger sagt, mit dem Mandanten zu reden, dass hiergegen kein Einspruch eingelegt wird. Verteidiger und Beschuldigter erhalten den vereinbarten Strafbefehl und nach Rücksprache mit dem Mandanten wird dieser rechtskräftig; es wird also kein Einspruch ein gelegt. Frage: Ist die zusätzliche Gebühr Nr 4141 VV RVG entstanden? Der Verteidiger ist der Meinung, dass die Gebühr in zumindest analoger Anwendung angefallen ist
Die Antwort: Diese Fallgestaltung ist in der Nr. 4141 VV RVG nicht geregelt. Es kommt also nur eine analoge Anwendung der Vorschrift in Betracht. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, den Rechtsanwalt, der daran mitwirkt, dass eine Hauptverhandlung entbehrlich wird, wodurch er die Terminsgebühr verliert, für diesen Gebührenverlust zu entschädigen (zuletzt BGH StRR 2011, 357 = VRR 2011, 358 = zfs 2011, 524). Legt man diesen Sinn und Zweck der Nr. 4141 VV RVG zugrunde, ist eine entsprechende Anwendung der Vorschrift zu bejahen (s. auch Burhoff/Burhoff, RVG Nr. 4141 VV Rn. 34; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., VV 4141 Rn. 30). Der Fall ist von der Interessenlage zudem vergleichbar mit der Nr. 5115 Anm. 1 Ziff. 3 VV RVG im Bußgeldverfahren. Ein Grund für eine unterschiedliche Behandlung dieser beiden vergleichbaren Fälle ist nicht ersichtlich (zu Nr. 5115 Anm. 1 Ziff. 3 VV s. die Komm. bei Burhoff/Burhoff, a.a.O. Rn. 22 ff.).
Eine andere Frage hatte auch eine Konstellation aus dem Strafbefehlsverfahren zum Gegenstand. § 411 Abs. 1 Satz 3 StPO sieht vor, dass das Gericht mit Zustimmung des Angeklagten, des Verteidigers und der Staatsanwaltschaft im Beschlussweg über einen Einspruch entscheiden kann, wenn der Einspruch auf die Höhe der festgesetzten Tagessätze beschränkt worden ist. Der Rechtsanwalt fragt, ob in dem Fall für ihn die Nr. 4141 VV RVG anfällt.
Die Lösung: Auch die Frage ist im RVG (derzeit) nicht geregelt und kann daher nur über eine entsprechende Anwendung der Nr. 41414 VV RVG gelöst werden. Das wird in der Rechtsprechung jedoch unterschiedlich gesehen . Teilweise wird eine analoge Anwendung der Vorschrift in diesen Fällen verneint (vgl. OLG Frankfurt am Main AGS 2008, 487 = RVGreport 2008, 428 = VRR 2009, 80 = StRR 2009, 159; OLG Hamm NStZ-RR 2008, 360 [Ls.]; LG Darmstadt, 25. 6. 2008 - 3 Qs 279/08), teilweise jedoch zutreffend bejaht (AG Darmstadt AGS 2008, 344 = VRR 2008, 243 [Ls.]) = StRR 2008, 243 [Ls.]; AG Köln, RVGreport 2008, 226 = AGS 2008, 284 = StRR 2008, 240 = VRR 2008, 239).
Hinweis:
Die für den Verteidiger günstigere Auffassung wird im Übrigen demnächst wohl Gesetz. Denn die vom 2. KostRMoG vorgesehenen Änderungen enthalten den Vorschlag, die Nr. 4141 VV RVG um eine Nr. 4 zu ergänzen, die den Anfall der Nr. 4141 VV RVG in diesen Fällen vorsieht.
Die Antwort: Die Gebühr Nr. 4142 VV RVG ist nur einmal nach dem Streitwert von 125.000 entstanden. Es ist insgesamt von der Verfallsanordnung über diesen Betrag abgesehen worden, insoweit also nur eine Angelegenheit. Anders wäre es ggf., wenn die Verletzten bereits Ansprüche im Adhäsionsverfahren geltend gemacht hätten. Da stünden dem Verteidiger dann in den einzelnen Verfahren jeweils Gebühren nach Nr. 4143 VV RVG mit ggf. unterschiedlichen Gegenstandswerten zu. Vorliegend kommt es also zur Deckelung des Gegenstandswertes über § 49 RVG.
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