aus StRR 5/2018, 4
(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "StRR" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "StRR" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)
Das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens v. 17.8.2017 (BGBl I, S. 3202) hat in § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO eine für die Praxis wesentliche Neuregelung im Recht der Pflichtverteidigung gebracht. Danach ist dem Beschuldigten nämlich jetzt von dem Gericht, bei dem eine richterliche Vernehmung durchzuführen ist, ein Verteidiger zu bestellen, wenn die StA dies beantragt oder wenn die Mitwirkung eines Verteidigers aufgrund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint. Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 oder 2 kommt es nicht an. Diese Neuregelung stellen wir nachfolgend vor (dazu auch schon Schlothauer StV 2017, 557 ff., der die Regelung für begrüßenswert hält, und Burhoff, StPO 2017, Rn 106 ff).
Von § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO erfasst werden dem Wortlaut nach alle richterlichen Vernehmungen. Die Gesetzesbegründung geht zwar davon aus, dass die Vorschrift vom zeitlichen Umfang her auf richterliche Vernehmungen im Ermittlungsverfahren beschränkt ist (vgl. BT-Drucks. 18/11277, S. 28). Zutreffend weist Schlothauer (StV 2017, 557) aber darauf hin, dass sich diese Beschränkung weder aus dem Wortlaut noch aus der Gesetzessystematik ergibt.
Geht man davon aus, führt das dann an sich dazu, dass grundsätzlich auch im Verfahrensstadium der Hauptverhandlung dem Angeklagten immer dann ein Pflichtverteidiger bestellt werden müsste, wenn einer der Fälle des § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO vorliegt (vgl. III). Problematisch erscheint das jedoch für die Beiordnung, wenn die Mitwirkung eines Verteidigers aufgrund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint. Denn die ist von den Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 oder 2 StPO unabhängig. Diese Sicht des § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO würde also, da es sich bei der Vernehmung des Angeklagten oder eines Zeugen/Sachverständigen in der Hauptverhandlung auch um eine richterliche Vernehmung handelt, dazu führen, dass die Neuregelung zu einer Erweiterung der Bestellung eines Pflichtverteidigers über die Gründe des § 140 StPO hinaus geführt hätte. M.E. sind diese Fälle jedoch von der Neuregelung ausgeschlossen. Aus dem Wortlaut des § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO folgt zwar eine solche Beschränkung/Eingrenzung nicht. Dem erkennbaren Sinn und Zweck der Erweiterung, der Formulierung der Gesetzesbegründung und deren Gesamtzusammenhang ist jedoch zu entnehmen, dass der o.a. Fall nicht erfasst sein soll.
Die Vorschrift ist also nicht auf die richterliche Vernehmung des Beschuldigten in der HV anzuwenden. Insoweit bleibt es bei der Erforderlichkeit der Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 und 2 StPO.
Im Übrigen ist der Anwendungsbereich des § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO nicht beschränkt. Die Vorschrift gilt generell für richterliche Vernehmungen jeglicher Art (BT-Drucks. 18/11277, S. 28; Schlothauer StV 2017, 557, 558; SSW-StPO-Beulke, § 140 Rn 19). Erfasst werden also richterliche Beschuldigtenvernehmungen, alle richterlichen Vernehmungen von Mitbeschuldigten und alle richterlichen Vernehmungen von Zeugen und Sachverständigen. Erfasst werden damit auch die Fälle des § 233 Abs. 2 StPO, wenn im Hauptverfahren der Angeklagte von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden werden will oder die Fälle der kommissarischen Vernehmung des § 223 StPO.
§ 141 Abs. 3 Satz 4 StPO erfasst seinem Wortlaut nach eindeutig auch diejenigen Fälle, in denen ein Beschuldigter nach vorläufiger Festnahme oder nach seinem Ergreifen zwecks Entscheidung über den Erlass eines HB bzw. dessen Aufrechterhaltung richterlich zu vernehmen ist sowie die Fälle der Haftprüfung (§§ 128 Abs. 1, 115 Abs. 2, 115a Abs. 2; LG Halle StRR 5/2018, 17; LG Magdeburg 5/StRR, 24; AG Stuttgart StV 2018, 169 [Ls.]). Schlothauer (StV 2017, 557, 558) spricht vom Hauptanwendungsbereich des § 141 Abs. 3 S. 4. Dass diese Fälle ausgenommen sein sollten, ergibt sich weder aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut, der ohne Einschränkung von richterlichen Vernehmungen spricht, noch aus der Gesetzessystematik (Schlothauer, a.a.O.), auch der Gesetzesbegründung lässt sich nichts anderes entnehmen.
Dadurch ist nicht etwa § 141 Abs. 3 Satz 5 StPO, der die Bestellung im Fall der Vollstreckung von U-Haft regelt, überflüssig worden. Die Regelung ist vielmehr weiterhin erforderlich. Denn die Bestellung nach § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO gilt nur für den Zeitraum der Vernehmung und erlischt mit ihrem Ende. Das bedeutet, dass einem Beschuldigten in den Fällen, in denen im Rahmen der Vorführung ein HB erlassen worden ist (§ 128 Abs. 2 Satz 2 StPO), im Hinblick auf die nunmehr einsetzende Vollstreckung der Untersuchungshaft (§ 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO) gemäß § 141 Abs. 3 Satz 5 StPO unverzüglich ein Verteidiger beigeordnet werden muss (vgl. dazu Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 7. Aufl. 2015, Rn 2848).
Vorab: Das Gericht hat hinsichtlich der Bestellung kein Ermessen. Das folgt aus dem Wortlaut des § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO. Danach bestellt das Gericht einen Verteidiger.
Voraussetzung ist aber ebenso wie bei der Beiordnung nach § 140 Abs. 1 Nr. 4, 141 Abs. 3 Satz 5 StPO in den U-Haft-Fällen (vgl. dazu Burhoff, EV, Rn 2863 f.) -, dass der Beschuldigte noch keinen Verteidiger hat. Hat er einen Verteidiger kann/muss dieser seine Rechte wahrnehmen. Es bedarf dann vom Sinn und Zweck der Neuregelung her nicht die Bestellung eines weiteren Verteidigers (vgl. a. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 141 Rn 1 und OLG Düsseldorf NJW 2011, 1618 zu § 140 Abs. 1 Nr. 4).
§ 141 Abs. 3 Satz 4 StPO ist zunächst in Fall 1 zunächst die Bestellung eines Pflichtverteidigers geregelt, wenn die StA einen Antrag stellt. Damit wird dem Grunde nach die Regelung des § 141 Abs. 3 Satz 3 für das Verfahrensstadium nach Abschluss der Ermittlungen auf den Bereich richterlicher Vernehmungen ausgedehnt/übertragen. Die Stellung des Antrags steht im pflichtgemäßen Ermessen der StA. Insoweit ist die Rechtsprechung zu der Frage anwendbar, wann die StA ggf. verpflichtet ist, (schon im EV) einen Beiordnungsantrag zu stellen (Burhoff, EV, Rn 3057 ff.), auf die auch die Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 18/11277, S. 29) teilweise verweist. In all denen Fällen, in denen eine Verpflichtung der StA zur Antragstellung angenommen worden ist, ist diese Pflicht jetzt erst recht zu bejahen. Das Ermessen der StA ist in diesen Fällen auf Null reduziert (vgl. z.B. BGHSt 46, 93).
Stellt die StA einen Antrag, muss der Richter/das Gericht, bei dem die richterliche Vernehmung stattfindet, dem Antrag entsprechen (vgl. BT-Drucks. 18/11277, S. 29). Es gelten insoweit die bisher schon geltenden Regeln für die Pflicht zur Bestellung bei Antragstellung durch die StA (vgl. dazu LG Dresden StV 2011, 665 [Ls.]; LG Hamburg, Beschl. v. 31.3.2013 619 Qs 20/13; LG Oldenburg StV 2011, 90 [Ls.]; LG Stuttgart StV 2008, 132 [Ls.]; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 141 Rn 5b).
§ 141 Abs. 3 Satz 4 StPO gebietet in Fall 2 die Bestellung eines Verteidigers, wenn die Mitwirkung eines Verteidigers aufgrund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint. Liegt diese Voraussetzung vor, ist die Bestellung obligatorisch. Sie ist unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 und 2 StPO . Die Bestellung und die Mitwirkung eines Verteidigers muss aufgrund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten sein. Dass die Bestellung/Mitwirkung des Verteidigers nur erforderlich ist, reicht also nicht aus.
Ob die Bedeutung der Vernehmung die Mitwirkung eines Verteidigers zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten gebietet, ist eine Frage des Einzelfalls, bei der alle Umstände zu würdigen sind. Entscheidend bei der Abwägung ist, der Stellenwert der Aussage für die Ermittlungen bzw. für das weitere Verfahren (BT-Drucks. 18/11277, S. 29). Geboten wird die Mitwirkung eines Verteidigers insbesondere (vgl. BT-Drucks. 18/11277, S. 28; a. Schlothauer StV 2017, 557 f.) sein:
Für haftrichterliche Beschuldigtenvernehmung nach §§ 115 Abs. 2, 115a Abs. 2 und 128 Abs. 1 Satz 2 StPO ist davon auszugehen, dass in den Fällen immer die Mitwirkung eines Pflichtverteidigers zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten ist. Denn es ist in den Fällen immer unmittelbar das Freiheitsrecht des Beschuldigten (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) tangiert, da es bei diesen Vernehmungen immer um die Frage geht, ob gegen den Beschuldigte ein HB ergeht bzw. die Haft aufrechterhalten oder der HB aufgehoben wird, also um die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG; vgl. a. LG Halle StRR 5/2018, 17; LG Magdeburg StRR 5/2018, 24; AG Stuttgart StV 2018, 169 [Ls.]).
Der (Ermittlungs)Richter ist nicht an die die Erforderlichkeit einer Mitwirkung verneinende Einschätzung der StA gebunden (BT-Drucks. 18/11277, S. 29). Wäre das der Fall, würde die Regelung ins Leere laufen. Sie ist vielmehr ein Korrektiv für die Fälle, in den die StA keinen Antrag nach § 141 Abs. 3 Satz 4 Fall 1 StPO stellt, der Richter/das Gericht jedoch der Auffassung ist, dass die Mitwirkung eines Verteidigers bei der richterlichen Vernehmung geboten ist. Das wird vor allem dann der Fall sein, wenn der Richter einer Aussage eine andere/größere Bedeutung für das Verfahren beimisst als die StA. Dann soll der Richter nicht an die Einschätzung der StA gebunden und ggf. nicht gehalten sein, die Vernehmung ohne den nach seiner Meinung erforderlichen Pflichtverteidiger durchzuführen. Er kann dann aus eigenem Recht einen Pflichtverteidiger bestellen.
Auf Zeitraum der Vernehmung beschränkt
Die Beiordnung nach § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO ist nach dem Wortlaut der Vorschrift Mitwirkung bei einer richterlichen Vernehmung - und nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift zeitlich auf den Zeitraum der Vernehmung beschränkt (Schlothauer StV 2017, 557). Die Bestellung erlischt mit dem Ende des Vernehmungstermins. Ist die weitere Beiordnung eines Pflichtverteidigers nach § 141 Abs. 1 StPO oder im Fall des § 141 Abs. 3 Satz 5 StPO oder auch nach § 140 Abs. 2 StPO geboten, muss eine neue Beiordnungsentscheidung ergehen.
Der Verteidiger muss diese bzw. Erweiterung/Fortdauer der Pflichtverteidigerbestellung beantragen. Für die neue Entscheidung ist dann von Bedeutung, ob (weiterhin) Gründe für die Pflichtverteidigerbestellung vorliegen. Es gelten für diese Entscheidung die allgemeinen Regeln.
Kommt es im Verlauf des Verfahrens zu weiteren richterlichen Vernehmungen, ist dem Beschuldigten ggf. erneut nach § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO ein Pflichtverteidiger zu bestellen. Es lebt nicht etwa die ursprüngliche Beiordnung wieder auf. Diese ist mit Beendigung der ersten richterlichen Vernehmung erloschen.
Für das Verfahren der Bestellung eines Pflichtverteidigers nach § 141 Abs. 3 Satz 4 gelten grds. die allgemeinen Regeln. Der Richter entscheidet in den Fällen der richterlichen Vernehmung von Amts wegen, ein Antrag des Beschuldigten ist nicht erforderlich. Liegen die Voraussetzungen für die Bestellung vor, muss der Richter einen Pflichtverteidiger bestellen. Zuständig ist das Gericht, bei dem die richterliche Vernehmung durchzuführen ist. Zuständig ist also nicht unbedingt der Ermittlungsrichter des Bezirks in dem die StA ihren Sitz hat, sondern bei Vernehmungen, die bei auswärtigen Gerichten in anderen AG-Bezirken durchgeführt werden, das zuständige auswärtige Gerichts. Zuständig kann also auch das nach § 115a StPO zuständige Gericht sein.
Auch für die Auswahl des Pflichtverteidigers gelten die allgemeinen Regeln (vgl. Burhoff, EV, Rn 2765 ff.). Diese werden ergänzt durch die Regeln, die für die Beiordnung eines Pflichtverteidigers wegen Inhaftierung des Beschuldigten gelten (dazu Burhoff, EV, Rn Rdn 2861 ff.). Beizuordnen ist dem Beschuldigten also grds. der Anwalt des Vertrauens. Der Beschuldigte muss vor der Bestellung nach § 142 Abs. 1 S. 1 angehört werden, auch ist ihm eine angemessene Frist zur Benennung des Pflichtverteidigers zu gewähren. Das alles wird in der Praxis nicht unerhebliche Schwierigkeiten deshalb machen, weil gerade richterliche Vernehmungen häufig eilbedürftig und, wenn es um die Vernehmung des Beschuldigten in einer haftrichterlichen Vorführungsverhandlung geht, fristgebunden sind. Daher wird der Vorschlag des Beschuldigten, ihm einen bestimmten Pflichtverteidiger beizuordnen, nicht immer umzusetzen sein. Wenn Schlothauer (StV 2017, 557, 559 m.w.N.) meint, dass dies im Hinblick auf die Fristen gemäß Art. 104 Abs. 2 GG, §§ 115 Abs. 2, 115a Abs. 1, 128 Abs. 1 in Kauf genommen werden muss, ist dem grds. beizupflichten. Das setzt aber voraus, dass sich das Gericht zumindest ernsthaft bemüht haben muss, dem Vorschlag des Beschuldigten nachkommen zu können. Das bedeutet, dass ihm die Möglichkeit einer Kontaktaufnahme gewährt worden sein muss oder das Gericht selbst versucht haben sollte, zu dem Wunschverteidiger Kontakt aufzunehmen. Dies alles setzt natürlich auf der anderen Seite voraus, dass der Verteidiger oder zumindest ein funktionierender anwaltlicher Notdienst besteht und erreichbar ist (s. auch Schlothauer, a.a.O.).
§ 141 Abs. 3 Satz 4 StPO verlangt ausdrücklich die Mitwirkung des Verteidigers und nicht nur eine Mitwirkungsmöglichkeit. Das bedeutet, dass der Verteidiger anwesend sein muss (s.a. Schlothauer StV 2017, 557, 559; vgl. a. BGHSt 46, 96). Alles andere würde dem Sinn und Zweck des § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO der die Interessen des Beschuldigten wahren soll, widersprechen und auch dem Umstand, dass das Gericht seine Mitwirkung ja für geboten gehalten und ihn deshalb beigeordnet hat. Dann kann nicht später auf seine Anwesenheit verzichtet werden (vgl. aber BGH StV 2005, 533). Erscheint der bestellte Verteidiger zur Vernehmung nicht, muss unverzüglich - entsprechend § 145 Abs. 1 StPO - ein anderer Verteidiger bestellt oder ein anderer Vernehmungstermin anberaumt werden (Schlothauer StV 2017, 557, 559; SSW-Beulke, § 141 Rn 19). Das gilt auch, soweit dem Verteidiger gem. § 168c Abs. 5 StPO bei Verhinderung kein Anspruch auf Terminsverlegung zustehen soll (Schlothauer, a.a.O.; vgl. die Fallgestaltung bei LG Magdeburg StRR 5/2018, 24).
Geht man davon aus, dass § 141 Abs. 3 S. 4 StPO zur gebotenen Mitwirkung die Anwesenheit des Verteidigers voraussetzt, folgt daraus, die Verpflichtung des Gerichts, den bestellten Verteidiger zu dem Vernehmungstermin zu laden. Eine bloße Benachrichtigung ist nicht ausreichend. Telefonische Ladung oder Ladung auf sonstigen Wegen ist wegen der i.d.R. bestehenden Eilbedürftigkeit zulässig.
Die Mitwirkung(sverpflichtung) des Verteidigers setzt voraus, dass auf diesen wenn er sich verspätet zu warten ist (vgl. dazu VerfGBbg NJW 2003, 2009), wenn mit seinem Kommen noch zu rechnen ist. Bleibt der Verteidiger aus, muss ggf. ein anderer Verteidiger bestellt oder ein anderer Vernehmungstermin anberaumt werden. Der anwesende Verteidiger hat ein Fragerecht. Die §§ 240 Abs. 2, 241 StPO gelten entsprechend Zur Vorbereitung auf den Termin ist dem Verteidiger vorab Akteneinsicht zu gewähren. Anders lässt sich eine sachgerechte Mitwirkung des Verteidigers an der Vernehmung und eine Wahrung der Interessen des Beschuldigte nicht sicher stellen. Ohne Akteneinsicht kann der Verteidiger auch nicht von seinem Fragerecht Gebrauch machen (Schlothauer StV 2017, 557, 560 unter Hinweis auf BGHSt 46, 96). Nach der Akteneinsicht muss dem Pflichtverteidiger die Möglichkeit gegeben werden, sich mit dem Beschuldigten zu besprechen.
Für Rechtsmittel gelten die allgemeinen Regeln (Burhoff, EV, Rn 2980). Nicht selten wird in der Praxis, insbesondere in den Fällen der fristgebundenen/eilbedürftigen Vernehmungen, wie z.B. nach § 115 Abs. 2 StPO, ein Rechtsmittel des Verteidigers ins Leere gehen, weil über das Rechtsmittel erst nach der richterlichen Vernehmung entschieden wird. Dann greifen die Regeln des fortwirkenden Rechtsschutzinteresses auf der Grundlage der Rechtsprechung des BVerfG ein (dazu Burhoff, EV, Rn 3232 ff. m.w.N.).
Für die Verwertbarkeit gelten zunächst die allgemeinen Regeln zu Beweisverwertungsverboten bei richterlichen Vernehmungen (vgl. Burhoff, EV, Rn 3298). Fraglich ist das Vorliegen eines Beweisverwertungsverbotes, weil eine richterliche Vernehmung ohne Mitwirkung eines Pflichtverteidigers durchgeführt worden ist, obwohl die Voraussetzungen des § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO vorgelegen haben. Der BGH hat sich in der Vergangenheit mit der Annahme eines Beweisverwertungsverbotes auch an dieser Stelle schwer getan (vgl. BGHSt 47, 172, 47, 233). Die Frage wird man nun aber neu stellen/diskutieren müssen. Denn es besteht nun anders als nach der bisherigen Rechtslage eine Pflicht zur Beiordnung, um die Mitwirkung eines Pflichtverteidigers sicher zu stellen. Das führt m.E. dazu, ein Beweisverwertungsverbot zu bejahen ist, wenn trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 141 Abs. 3 Satz 4 StPO ein Pflichtverteidiger nicht beigeordnet worden ist und nicht mitgewirkt hat.
RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg