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Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "BRAGO professionell" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus BRAGO professionell" 2000, 146 ff. auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.

Pflichtverteidiger


Antrag und Verfahren zur Bewilligung einer Pauschvergütung nach § 99 BRAGO

von RiOLG Detlef Burhoff, Ascheberg

In "BRAGO professionell" 8/2000, Seiten 99 f., und 10/2000, Seiten 127 ff., sind mehrere aktuelle Entscheidungen allein des OLG Hamm zur Pauschvergütung nach § 99 BRAGO vorgestellt worden. Schon die Anzahl dieser Beschlüsse zeigt die praktische Relevanz, die die Pauschvergütung für die Verteidigung in Strafverfahren als sonst nicht gerade lukratives Gebührenfeld hat. Mit der Pauschvergütung hat der Pflichtverteidiger aber eine Möglichkeit, für seine Verteidigertätigkeit angemessen entlohnt zu werden. Wie die Pauschvergütung beantragt und bewilligt wird, wird im folgenden Beitrag erläutert.

Wann kommt eine Pauschvergütung in Betracht?

Die Tätigkeit des Pflichtverteidigers wird in der Regel nach § 97 BRAGO aus der Staatskasse vergütet. Wie die PKH-Gebühren liegen die Gebühren nach § 97 BRAGO jedoch unter den Wahlanwaltsgebühren und stellen nur selten ein kostendeckendes Honorar dar. Dies trifft insbesondere auf Strafverfahren zu, die besonders umfangreich oder besonders schwierig sind. Aus diesem Grund gewährt § 99 BRAGO in solchen Fällen gegebenenfalls eine höhere angemessene Vergütung.

Die Pauschvergütung muss beantragt und ausführlich begründet werden

Nach § 99 Abs. 2 BRAGO wird eine Pauschvergütung nur auf Antrag bewilligt. Diesen Antrag sollte der Pflichtverteidiger eingehend begründen und dabei insbesondere die Tätigkeiten für den Mandanten darlegen, die sich nicht aus den Akten ergeben. Denn das zur Entscheidung berufene OLG muss z.B. erfahren, dass der Anwalt

sich zur Vorbereitung der Hauptverhandlung eingehend mit Familienangehörigen des Mandanten unterhalten hat (OLG Hamm 15.5.98, AGS 98, 140),

andere als die juristische Fachliteratur studieren musste,

die Befragung des gerichtlichen Sachverständigen durch Besprechungen mit einem anderen Sachverständigen vorbereitet hat (OLG Hamm 19.5.2000, StraFo 2000, 286),

im Zusammenhang mit der Inhaftierung des Mandanten tätig geworden ist (in der Regel Besuche in der Justizvollzugsanstalt, Haftprüfungstermine). Der Pflichtverteidiger kann hier leicht anhand seiner Handakten Anzahl, Tage und vor allem Dauer seiner Besuche darlegen und damit den Einwand der "Üblichkeit" des Umfangs der Besuche widerlegen (OLG Hamm 17.2.2000, Rpfleger 2000, 295).

Vorheriger Antrag auf gesetzliche Gebühren ist nicht Voraussetzung

Der Antrag nach § 99 BRAGO setzt nicht voraus, dass vorher die gesetzlichen Pflichtverteidigergebühren festgesetzt, geschweige denn ausgezahlt worden sind (Herrmann in Beck‘sches Formularbuch für den Strafverteidiger, 3. Auflage, S. 1095 Ziffer 7). Der
Antrag kann aber auch noch nach der Festsetzung der gesetzlichen Gebühren gestellt werden (OLG Nürnberg 16.7.86, JurBüro 87, 245).

Praxishinweis: Da die gesetzlichen Pflichtverteidigergebühren in der Regel jedoch
zügiger als eine Pauschvergütung bewilligt werden, empfiehlt es sich durchaus, zunächst den Antrag auf Festsetzung der gesetzlichen Gebühren zu stellen und dann erst eine Pauschvergütung zu beantragen. So kommt der Anwalt schneller zu Geld.

Pauschvergütung kann erst nach abgeschlossener Tätigkeit beantragt werden

Das Gesetz schreibt keinen Zeitpunkt für den Antrag vor. Dennoch kann die Pauschvergütung grundsätzlich erst beantragt werden, wenn die Tätigkeit abgeschlossen und die gesetzliche Gebühr gemäß § 16 BRAGO fällig ist. In der Regel ist dies mit Abschluss der Instanz der Fall (OLG Bamberg 28.6.90, JurBüro 90, 1282; OLG Düsseldorf 3.2.93, JurBüro 93, 538). In der Praxis wird die Pauschvergütung meistens erst nach dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens beantragt und bewilligt, da nur die Gesamtschau aller Verfahrensabschnitte eine Beurteilung nach § 99 BRAGO ermöglicht (OLG Hamm 16.10.95, StraFo 96, 158; 17.3.97, AnwBl. 98, 220; 17.12.99, ZAP EN-Nr. 330/2000).

(Mindest-)Betrag für angemessene Pauschvergütung angeben

Der Pflichtverteidiger sollte den Betrag angeben, der nach seiner Meinung als angemessene Pauschvergütung zu zahlen ist (a.A. Herrmann, aaO, S. 1094 Ziffer 4). Damit macht er deutlich, wie er selbst seine Tätigkeit bewertet. Zumindest sollte er die Zahlung einer "angemessenen" Pauschvergütung beantragen und um die Übersendung der Stellungnahme des Bezirksrevisors bitten, um einer möglichen negativen Bewertung von vornherein entgegentreten zu können (Marberth, StraFo 97, 229).

Praxishinweis: Die Angabe eines Mindestbetrags hat den Vorteil, dass das OLG leichter über den Antrag des Pflichtverteidigers hinausgehen kann, wenn es eine höhere als die beantragte Pauschvergütung für angemessen hält. Das OLG ist zwar an den vom Pflichtverteidiger gestellten Pauschvergütungsantrag nicht gebunden. Üblicherweise werden aber zu niedrige Anträge in der Praxis aller OLG nicht überschritten (zu den Grundsätzen des OLG Celle siehe StraFo 95, 28).

Antrag an das OLG über die (letzte) Tatsacheninstanz stellen

Über den Pauschvergütungsantrag entscheidet nach § 99 Abs. 2 Satz 1 BRAGO grundsätzlich das OLG, zu dessen Bezirk das Gericht gehört, bei dem die Strafsache in erster Instanz anhängig war. Eine Ausnahme gilt, wenn der Pflichtverteidiger gemäß § 350 Abs. 3 StPO vom BGH für die Revisionshauptverhandlung bestellt worden ist. Hier
entscheidet der BGH nach § 99 Abs. 2 Satz 2 BRAGO selbst über die Gewährung der
Pauschvergütung, soweit es um die Tätigkeit vor dem BGH und deren Vorbereitung geht (BGH 8.7.70, NJW 70, 2223). Für die Bewilligung der Pauschvergütung für die Revisionsbegründung bleibt allerdings das OLG auch dann zuständig, wenn im Revisionsverfahren eine Hauptverhandlung vor dem BGH stattfindet (BGH, aaO).

Praxishinweis: Über den Pauschvergütungsantrag entscheidet zwar das OLG. Der Antrag sollte aber nicht direkt dorthin gerichtet, sondern über die (letzte) Tatsacheninstanz geleitet werden. So können von dort aus die für die Entscheidung des OLG
erforderlichen Sachakten und die Stellungnahme des Gerichtsvorsitzenden sofort beigefügt werden (Herrmann, aaO, S. 1095 Ziffer 5 a.E.; Marberth, StraFo 97, 229).

Auf zukünftige Pauschvergütung kann Vorschuss beantragt werden

Die Bearbeitung von Pauschvergütungsanträgen dauert häufig lange. Oft sind die Sachakten – z.B. wegen einer Rechtsmitteleinlegung – versandt und stehen für die
Pauschvergütungsentscheidung bis zur Rechtskraft des Verfahrens nicht zur Verfügung. Gleiches gilt in Verfahren gegen ursprünglich mehrere Beschuldigte, wenn das Verfahren gegen den Mandanten endgültig – z.B. durch Einstellung – erledigt ist, gegen die Mitbeschuldigten aber noch fortgeführt wird. Der Verteidiger kann deshalb einen Vorschuss auf eine demnächst zu bewilligende Pauschvergütung mit dem Hinweis darauf beantragen, dass er sich für die Gewährung der Pauschvergütung nicht auf den Eintritt der Rechtskraft verweisen lassen muss (OLG Hamm 10.6.98, AGS 98, 142).

Beispiel

An das OLG ..

über das LG/AG ... (= Gericht, bei dem die Pflichtverteidigung durchgeführt worden ist)

Bewilligung einer Pauschvergütung nach § 99 BRAGO im Strafverfahren gegen ..., Az: ...

In o.a. Strafsache bin ich am ... gerichtlich als Pflichtverteidiger des Angeklagten bestellt worden. Vor der Bestellung zum Pflichtverteidiger bin ich für den Angeklagten nicht (gegebenenfalls streichen) tätig gewesen.

Die mir nach § 97 BRAGO zustehenden gesetzlichen Gebühren betragen ... DM. Dadurch ist meine Tätigkeit als Pflichtverteidiger aber nicht ausreichend vergütet.

Ich beantrage deshalb, mir gemäß § 99 BRAGO eine Pauschvergütung von mindestens ... DM zu bewilligen. Diesen Antrag begründe ich wie folgt: (Hier die Umstände angeben, die das Strafverfahren zu einem besonders umfangreichen oder/und besonders schwierigen machen.)

Ich bitte, mir die Stellungnahme des Bezirksrevisors zuzusenden, damit ich dazu gegebenenfalls meinerseits Stellung nehmen kann.

Unterschrift Rechtsanwalt

Zur Äußerung des Vertreters der Staatskasse Stellung nehmen

Nach § 99 Abs. 2 Satz 3 BRAGO wird die Staatskasse zum Antrag des Pflichtverteidigers gehört. Deren Äußerung wird dem Pflichtverteidiger vor einer Entscheidung zur Kenntnis- und Stellungnahme zugeleitet (BVerfG 27.5.64, AnwBl. 64, 254). Sollte die Staatskasse den Anspruch verneinen – z.B. weil sie den zeitlichen Aufwand des Anwalts bestreitet oder den Verfahrensumfang als üblich ansieht, sollte der Pflichtverteidiger die einzelnen "Vorwürfe" unbedingt widerlegen. Unterlässt er dies, wird das OLG im Zweifel davon ausgehen, dass die Einwände des Vertreters der Staatskasse zutreffen.

Gegen Beschluss des OLG sind nur Gegenvorstellungen zulässig

Das OLG entscheidet durch unanfechtbaren Beschluss, doch sind hiergegen Gegenvorstellungen zulässig (OLG Nürnberg 12.2.74, AnwBl. 74, 356) und in der Vergangenheit durchaus erfolgreich gewesen (z.B. zur Frage der Verjährung: OLG Hamm 18.3.96, StraFo 96, 94; 28.6.96, JurBüro 96, 642, dazu Anm. Madert zfs 97, 32).

Bereits gezahlte gesetzliche Gebühren sind zu verrechnen

Die bewilligte Pauschvergütung wird nicht neben den gesetzlichen Gebühren gewährt, sondern tritt an deren Stelle (OLG Hamm 28.6.96, aaO; OLG Koblenz 18.11.99, NStZ-RR 2000, 128). Bereits gezahlte – allgemeine gesetzliche – Pflichtverteidigergebühren werden also auf eine gewährte Pauschvergütung angerechnet.

Eine Verzinsung der Pauschvergütung ist nicht möglich

Die Pauschvergütung wird nicht verzinst (OLG Frankfurt 21.1.72, NJW 72, 1481; OLG Koblenz 25.4.74, Rpfleger 74, 269). Das ist für den Verteidiger misslich, insbesondere wenn die Entscheidung des OLG lange auf sich warten lässt. Dem kann das OLG m.E. höchstens bei der Bemessung der Pauschvergütung Rechnung tragen, obwohl es sich – wenn überhaupt, dann – nur im weitesten Sinne um einen verfahrensbezogenen Umstand handelt.


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