Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.
(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "PA" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "PA" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)
StPO: Verteidigerstrategie
Durchsuchung: Sofortmaßnahmen des Verteidigers
von Richter am OLG Detlef Burhoff, Ascheberg/Hamm
Eine Durchsuchungsmaßnahme ist häufig der erste Kontakt, den der Mandant/Beschuldigte mit den Ermittlungsbehörden hat. Die Möglichkeiten des Verteidigers, diese Maßnahme im Vorfeld zu verhindern, sind gering, da auch er von der Durchsuchung in der Regel erst erfährt, wenn diese bereits läuft oder schon beendet ist. Deshalb beschränkt sich die Tätigkeit des Verteidigers zunächst auf seine Anwesenheit bei der Durchsuchung. Wie er sich dabei verhalten sollte, erläutert der folgende Beitrag.
1. Hinweise des Verteidigers im Vorfeld einer möglichen Durchsuchung
Ist dem Verteidiger bekannt, dass gegen seinen Mandanten ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, muss er ihn vorab auf eine Durchsuchung vorbereiten. Er muss ihn vor allem darauf hinweisen, dass der Mandant während der Dauer der Durchsuchung grundsätzlich selbst und allein telefonieren und Telefongespräche empfangen darf. Das gilt auch, wenn der Mandant Beschuldigter ist.
"Stubenarrest" und Telefonsperre sind unzulässig, solange der Mandant nicht als Beschuldigter, z.B. wegen Verdunkelungs- oder Fluchtgefahr, vorläufig festgenommen ist. Etwas anderes lässt sich auch nicht mit "möglichen Verdunkelungshandlungen" begründen (so aber OLG Karlsruhe StraFo 98, 13).
2. Telefonischer Kontakt mit dem Mandanten während der Durchsuchung
Erhält der Verteidiger während der Durchführung einer Durchsuchungsmaßnahme den Telefonanruf seines Mandanten, muss er sich nach folgenden Dingen erkundigen:
Checkliste: Fragen des Verteidigers im ersten Telefongespräch
Findet die Durchsuchung bei dem Mandanten als Beschuldigtem, Verdächtigem oder als unbeteiligtem Dritten statt?
Ist ein Durchsuchungsbeschluss ausgehändigt worden oder haben sich die Beamten auf "Gefahr im Verzug" berufen (BVerfG NJW 01, 1121)? Was genau ist dem Mandanten dazu erklärt worden? Haben die Beamten die Erklärung gegebenenfalls aktenkundig gemacht?
Welchen Inhalt hat der Beschluss? Gegebenenfalls sollte sich der Verteidiger den Beschluss vorlesen lassen.
Hat man dem Mandanten erklärt, dass bestimmte Gegenstände (welche?) beschlagnahmt werden sollen?
In der Regel wird sich der Verteidiger dann sofort zum Mandanten begeben. Vorab sollte er diesem folgende Ratschläge erteilen:
Checkliste: Erste Ratschläge an den Mandanten
Der Mandant darf auf keinen Fall Erklärungen zur Sache abgeben (Bornheim, PStR 99, 111) und sich möglichst nicht mit den Durchsuchungsbeamten unterhalten, da alle Angaben sonst gegebenenfalls als Einlassung gewertet werden können.
Er sollte sich zunächst nicht mit der Durchsuchung und einer sich unter Umständen anschließenden Beschlagnahme einverstanden erklären, sondern ausdrücklich widersprechen.
Der Mandant muss alles unterlassen, was als Versuch angesehen werden könnte, er wolle etwas beiseite schaffen. Das könnte als Verdunkelungshandlung ausgelegt werden und zur vorläufigen Festnahme und später zum Haftbefehlsantrag wegen "Verdunkelungsgefahr" i.S. von § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO führen.
Der Mandant soll auf der Anwesenheit seines Verteidigers und der Beiziehung von Durchsuchungszeugen (§ 105 Abs. 2 StPO) bestehen.
Kann der Verteidiger nicht an der Durchsuchung teilnehmen, muss er den Mandanten darauf hinweisen, dass dieser nach Abschluss der Durchsuchung ein Verzeichnis der beschlagnahmten und mitgenommenen Gegenstände verlangen muss.
3. Anwesenheit des Verteidigers bei der Durchsuchung
Der Verteidiger hat kein allgemeines Anwesenheitsrecht bei der Durchsuchung (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 106 Rn. 3; OLG Stuttgart NStZ 84, 574). Das bedeutet allerdings nicht, dass dem Verteidiger die Teilnahme an einer Durchsuchung beim beschuldigten Mandanten verboten werden kann. Der Beschuldigte ist und bleibt nämlich Inhaber des Hausrechts der zu durchsuchenden Räume und kann so über die Anwesenheit von anderen Personen weiter bestimmen und damit seinem Verteidiger die Anwesenheit gestatten (Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 3. Aufl., Rn. 547).
Praxishinweis: Grenzen ergeben sich lediglich aus § 164 StPO. Jedoch ist die Hinzuziehung des Verteidigers keine Störung der Amtshandlung (Burhoff, a.a.O.). In der Praxis wird daher die Anwesenheit des Verteidigers regelmäßig erlaubt, wenn bei dem Beschuldigten durchsucht wird. Allerdings wird mit dem Beginn oder der Fortführung der Durchsuchung in der Regel nicht bis zum Erscheinen des Verteidigers gewartet.
Wird nicht beim Beschuldigten, sondern bei einem Dritten durchsucht, z.B. bei seiner Bank, haben der Verteidiger und der Beschuldigte keinen Anspruch auf Anwesenheit. Ausnahme: Der Inhaber des Hausrechts gestattet die Anwesenheit. Entsprechendes gilt für die Durchsuchung von Zellen eines U-Haft-Gefangenen (OLG Stuttgart, a.a.O.).
Während seiner Anwesenheit bei der Durchsuchung muss der Verteidiger auf Folgendes achten (vgl. zu allem auch Burhoff, a.a.O., Rn. 548 ff.; Weihrauch, Verteidigung im Ermittlungsverfahren, 6. Aufl., Rn. 211; Burkhard, Stbg 98, 310):
Checkliste: Verteidigermaßnahmen während der Durchsuchung
Wichtig ist vor allem, dass der Verteidiger seinen Mandanten nach Möglichkeit davon abhält, mit den Durchsuchungsbeamten zu reden (Bornheim, PStR 99, 111). Auch "informelle Gespräche" sollte dieser nicht führen. Insbesondere ist davon abzuraten, dass der Beschuldigte sich während der Durchsuchung zur Sache einlässt. Denn regelmäßig befindet er sich in einem Zustand starker Erregung, der ihm als Grundlage seiner Aussage nicht zur Verteidigung nutzt.
Der Verteidiger muss gegebenenfalls versuchen, für eine Beruhigung der Situation zu sorgen. Insbesondere sollte sich der Beschuldigte der Durchsuchungsmaßnahme nicht widersetzen, um so Zwangsmaßnahmen der Durchsuchungsbeamten zu verhindern. Denn diese können, wenn der Durchsuchung Widerstand entgegen gesetzt wird, die Durchsuchung mit Zwang durchsetzen, also z.B. die Wohnung gewaltsam öffnen, Schränke und Verschläge aufbrechen usw. (OLG Stuttgart MDR 84, 249).
Praxishinweis: Es empfiehlt sich, bestimmte Gegenstände oder Unterlagen freiwillig herauszugeben, wenn so vermieden werden kann, dass für den Fortgang des Geschäftsbetriebs erforderliche Unterlagen mitgenommen werden. Es besteht dann nicht mehr die Gefahr, dass zufällig weitere, den Mandanten belastende Unterlagen gefunden werden.
Ist ein Durchsuchungsbefehl erlassen, muss der Verteidiger/Mandant sich davon auf jeden Fall eine Kopie aushändigen lassen. Darauf hat er einen Anspruch (BVerfG NJW 76, 1735). Wird die Herausgabe verweigert, muss er darauf hinweisen, dass er sonst Inhalt und Grenzen der Durchsuchung nicht überprüfen kann.
Ist ein Durchsuchungsbeschluss nicht erlassen, muss der Verteidiger nach dem konkreten Tatvorwurf, der konkreten Bezeichnung der zu suchenden Beweismittel und der konkreten Gründe für "Gefahr im Verzug" fragen. Der Durchsuchungsbeamte ist verpflichtet, die entsprechenden Angaben zu machen. Da schon bei einem richterlichen Durchsuchungsbeschluss die Verpflichtung zur Vorlage beim Betroffenen besteht, gilt das erst recht bei der Anordnung der Durchsuchung wegen "Gefahr im Verzug" durch die Staatsanwaltschaft. Sonst besteht keine Möglichkeit, den Umfang der Durchsuchung zu kontrollieren.
Praxishinweis: Die Tatsachen, die "Gefahr im Verzug" begründen sollen, sind aktenkundig zu machen (BVerfG NJW 01, 1121). Dazu wird der Verteidiger den Durchsuchenden auffordern oder die ihm erteilte Auskunft selbst schriftlich festhalten und zur Akte (nach-) reichen.
Einen Durchsuchungsbeschluss muss der Verteidiger darauf prüfen, ob dieser den ver-fassungsrechtlichen Anforderungen entspricht (Burhoff, a.a.O., Rn. 525). Stellt er fest, dass das nicht der Fall ist, muss er sich überlegen, ob er dies gegenüber den Durchsuchungsbeamten geltend macht. Das hat meist wenig Erfolg, da die Durchsuchung dann wegen "Gefahr im Verzug" fortgesetzt wird. Der Verteidiger wird daher nur bei besonders krassen Mängeln Einwände gegen die Durchsuchung erheben (Wehnert, a.a.O., § 6 Rn. 29).
Der Verteidiger muss darauf achten, ob eine beabsichtigte Beschlagnahme bestimmter Gegenstände vom gegebenenfalls erlassenen Beschlagnahmebeschluss gedeckt ist. Beschränkt sich der Durchsuchungsbeschluss ausdrücklich auf die Sicherstellung bestimmter Gegenstände, können Unterlagen, die nicht vom Beschluss erfasst sind, nicht unter Hinweis auf § 108 StPO beschlagnahmt werden (LG Freiburg NStZ 99, 582; a.A. Hentschel, NStZ 00, 274). Allerdings wird sich der Verteidiger in diesen Fällen zumindest mit einer Beschlagnahme dieser "Zufallsfunde" wegen "Gefahr im Verzug" konfrontiert sehen.
Der Verteidiger muss darauf achten, dass die Durchsicht von Papieren nur der Staatsanwaltschaft bzw. Beamten der Steuerfahndung gestattet ist (§ 110 Abs. 1 StPO, 404 Abs. 1 S. 2 AO), nicht jedoch anderen Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft. Polizeibeamte dürfen Papiere nicht inhaltlich durchsehen (Wehnert, StraFo 96, 78; Burhoff, a.a.O., Rn. 575).
Sollen Papiere des Beschuldigten mitgenommen werden, muss der Verteidiger darauf drängen, dass sie gemäß § 110 Abs. 3 HS. 1 StPO vor einer Auswertung durch die Polizei durch Siegelung gesichert werden (Dahs, Handbuch für den Strafverteidiger, 6. Aufl., Rn. 349).
Der Verteidiger muss prüfen, ob nicht die Mitnahme von Fotokopien statt der Originalunterlagen ausreicht oder dem Betroffenen wenigstens Fotokopien der Originale belassen werden, um so den Fortgang des Geschäftsbetriebs zu sichern. Insoweit ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besonders zu beachten (Wehnert, StraFo 96, 79).
Schließlich muss der Verteidiger dafür sorgen, dass alles, was von Durchsuchungsbeamten mitgenommen werden soll, in das gem. § 107 S. 2 StPO anzulegende Verzeichnis aufgenommen wird. Die Anlegung eines solchen Verzeichnisses muss der Verteidiger ausdrücklich verlangen. Inhaltlich muss es so abgefasst sein, dass die dort aufgeführten Gegenstände anhand des Verzeichnisses identifiziert werden können (Wehnert, StraFo 96, 79).
Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.
Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".