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aus Praxis Steuerstrafrecht (PStR) 2001, 132

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "PStR" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "PStR" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Ermittlungsverfahren

Falsche Einleitungsverfügung und ihre Folgen

von Richter am OLG Detlef Burhoff, Ascheberg

Will das FA gegen den Mandanten ein Steuerstrafverfahren einleiten, teilt es ihm das häufig in einer so genannten Einleitungsverfügung mit. Diese muss bestimmte rechtliche Voraussetzungen erfüllen, wenn die daraufhin vom Mandanten mitgeteilten Angaben später im Steuerstrafverfahren gegen den Mandanten verwertbar sein sollen. Wir zeigen Ihnen,

worauf Sie beim Inhalt der Einleitungsverfügung achten müssen und

welche rechtlichen Folgen eine falsche Einleitungsverfügung hat.

1. Rechtsgrundlagen

Die Einleitung eines Strafverfahrens ist dem Beschuldigten spätestens mitzuteilen, wenn er aufgefordert wird, Auskünfte zu geben oder Unterlagen vorzulegen, die mit der Straftat zusammenhängen, auf die sich der Verdacht erstreckt (§ 397 Abs. 3 AO). Bei der Bekanntgabe der Einleitung ist der Beschuldigte nach § 136 Abs. 1 StPO zu belehren.

Nach § 385 AO gelten für das Steuerstrafverfahren grundsätzlich die allgemeinen Regeln der StPO. Das bedeutet, dass auch im Steuerstrafverfahren die Beschuldigten vor Vernehmungen gemäß §§ 163 a Abs. 4 in Verbindung mit § 136 StPO zu belehren sind. Das gilt grundsätzlich auch für eine Einleitungsverfügung.

Hinweis: Als Verteidiger müssen Sie sich zunächst mit der Frage beschäftigen, ob es sich überhaupt um eine Vernehmung i.S. der §§ 136, 136a StPO gehandelt hat. Denn nur dann bestehen z.B. die dort normierten besonderen Belehrungspflichten. Nach allgemeiner Meinung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. KMG, StPO, 44. Aufl., § 136a Rz. 4 mwN) liegt eine "Vernehmung" i.S. der §§ 136, 136a StPO nur vor, wenn der Vernehmende vom Beschuldigten in amtlicher Funktion Auskunft verlangt. Das ist in den hier behandelten Fällen z.B. immer dann der Fall, wenn Detailfragen zu einem Tatvorwurf, in den Bankenfällen z.B. zu in- und ausländischen Bankverbindungen (Burkhard, StraFo 01, 37), gestellt werden.

2. Checklisten

Die Checklisten behandeln zum einen den Inhalt der Einleitungsverfügung und zum anderen das Verteidigerverhalten bei einer fehlerhaften Einleitungsverfügung.

Handelt es sich bei der Einleitungsverfügung um eine Vernehmung i.S. der StPO, müssen bestimmte Mindestanforderungen erfüllt sein, wenn die auf Grund der Verfügung gemachten Angaben im späteren Verfahren verwertbar sein sollen. Im Vordergrund stehen vor allem die Mindestangaben zur Belehrung. Das Verteidigerverhalten hängt unter anderem davon ab, ob der Mandant bereits ohne Beistand auf die Einleitungsverfügung reagiert hat.

Checkliste: Einleitungsverfügung

Frage Antwort
1.

Welche Belehrungen müssen vom FA vorgenommen worden sein?

Der Mandant muss nach § 136 Abs. 1 StPO über Folgendes belehrt worden sein:

Ihm muss der Tatvorwurf eröffnet worden sein, und zwar so konkret, dass er sich gegen den Vorwurf verteidigen kann.

Der Mandant muss darüber belehrt werden, dass es ihm freisteht, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen.

Er muss außerdem darüber belehrt werden, dass er jederzeit, auch schon vor der ersten Vernehmung, das Recht hat, einen von ihm zu wählenden Rechtsanwalt zu befragen.

Er ist zudem darüber zu belehren, dass er sich auch schriftlich äußern kann oder zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen kann.

2.

Müssen Angaben zur Person gemacht werden?

Ja. Der Mandant ist nach § 111 OWiG zu Angaben über seine Person verpflichtet.

3.

Kann das FA Zwangsmittel androhen?

Ja, aber nur mit zulässigen Maßnahmen (KMG, StPO, § 136a, Rz. 21). Die Drohung mit unzulässigen Maßnahmen verbietet § 136a StPO.

Hinweis: Problematisch wäre insoweit ein Hinweis des FA, wonach die Verletzung oder Versagung von (steuerlichen) Mitwirkungspflichten zu Zwangsmitteln nach §§ 328 ff. AO führen würde.

Denn auch für strafrechtlich nicht mehr verfolgbare Jahre sind Mitwirkungspflichten aus strafprozessualen Gründen nicht mehr erzwingbar, da sich der Mandant durch deren Erfüllung für noch verfolgbare Zeiträume möglicherweise selbst belasten müsste (§ 393 Abs. 1 S. 2 und 3 AO; zu allem eingehend mit Beispielsfällen Burkhard, a.a.O.).

4.

Kann die (unzulässige) Androhung von Zwangsmitteln weitere Folgen haben?

Ja. Gegebenenfalls liegt darin nämlich eine Täuschung des Mandanten über den Umstand, dass aus den von ihm geforderten Angaben zu bereits verjährten Zeiträumen unmittelbar Rückschlüsse auf noch nicht verjährte Jahre gezogen werden können (Burkhard, a.a.O., 39 f.). § 136a StPO verbietet aber auch eine Täuschung des zu Vernehmenden.

Checkliste Verteidigerverhalten

Frage Antwort
1.

Worüber muss ich als Berater den Mandanten belehren?

Der Mandant muss darüber belehrt werden, welche Vorteile das Schweigen haben kann. Schweigt der Mandant – zumindest vorläufig – kann er in Ruhe abwarten, ob und welche Beschuldigungen nun tatsächlich gegen ihn erhoben werden und ob sie sich überhaupt nachweisen lassen.

Hinweis: Der Verteidiger muss darauf hinweisen, dass einerseits aus seinem Schweigen keine nachteiligen Schlüsse gezogen werden dürfen, da es im Strafverfahren keinen Geständniszwang gibt (vgl. u.a. BVerfG 7.7.95, NJW 96, 449; BGH 30.7.98; StraFo 98, 346; 2.9.98, NStZ 99, 47); andererseits ein Geständnis in der Regel strafmildernde Wirkung hat. Insoweit besteht dann im Verfahren ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der gemachten Angaben (KMG, StPO, § 136 Rz. 20 m.w.N.).

2.

Was gilt, wenn der Mandant Angaben ohne Belehrung machte?

Auch diese Angaben sind im späteren Verfahren unverwertbar (KMG, StPO, § 136a, Rz. 27 m.w.N.).

3.

Was gilt, wenn der Mandant Angaben auf Grund einer Drohung mit Zwangsmitteln und/oder einer Täuschung machte?

Nein, wenn die Angaben unter Verstoß gegen § 136a StPO erlangt wurden (KMG, StPO, § 136a Rz. 27).

4.

Kann der Mandant der Verwertung seiner Angaben zustimmen?

Ja, bei einem Verstoß gegen § 136 StPO.

5.

Kann die Vernehmung des Mandanten wiederholt werden?

Ja. Dafür wird in der Literatur (vgl. Neuhaus, NStZ 97, 315) eine "qualifizierte Belehrung" verlangt, wonach die früheren Angaben nicht verwertet werden dürfen (zustimmend Burkhard, a.a.O., 41). Nach der Rspr. reicht es, wenn sich der Beschuldigte darüber bewusst war, nicht noch einmal aussagen zu müssen (BGH 27.4.88, NStZ 88, 419 = StV 88, 368).

6.

Wie ist die Unverwert-barkeit der Angaben geltend zu machen?

Der Verteidiger muss der Verwertung widersprechen, und zwar spätestens in der Hauptverhandlung (vgl. Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, Rz. 1166a ff.).

7.

Kann der Widerspruch auch schon eher geltend gemacht werden?

Ja. Dies ist im Übrigen sogar zu empfehlen, um so zu verhindern, dass die in unzulässiger Weise erworbenen Kenntnisse Grundlage für (weitere) Zwangsmaßnahmen (Durchsuchung, Beschlagnahme) gegen den Mandanten werden.


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