aus RVGreport 2006, 41
(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "RVGreport" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "RVGreport PStR" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)
von Detlef Burhoff, Richter am OLG, Münster/Hamm
In der Praxis ist es heftig umstritten, ob die Aktenversendungspauschale auch die dem RA für die Rücksendung der überlassenen Akten entstehenden Portoauslagen abdeckt. In dem Beitrag wird der Stand der hierzu vertretenen Auffassung und Literatur dargestellt.
(Deckt die Aktenversendungspauschale auch die Kosten der Rücksendung?)
Der Aktenversendungspauschale Nr. 9003 GKG KostVerz. ist durch das Kostenrechtsmodernisierungsgesetzt eine Anmerkung beigefügt worden, wonach die Hin- und Rücksendung der Akten als eine Sendung gelten. Auf der Grundlage dieser Anmerkung wird nun seit einiger Zeit in Rechtsprechung und Literatur um den Abgeltungsbereich der Nr. 9003 GKG KostVerz. diskutiert. Ausgelöst worden ist diese Diskussion durch eine Entscheidung des AG Brandenburg (JurBüro 2005, 316 = AGS 2005, 298 = DAR 2005, 658 mit Anmerkung Henke AnwBl. 2005, 494 und Mock RVG-Berater 2005, 85). Dieses hat die Auffassung vertreten, der Gesetzgeber habe durch die Neufassung der Vorschrift zum Ausdruck bringen wollen, dass mit der Pauschale alle Kosten abgedeckt sein sollen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Aktenversendung entstehen, egal wo sie entstehen. Insbesondere sollen mit der Aktenversendungspauschale auch die Kosten der Rücksendung der Akten nach Einsichtnahme durch den Rechtsanwalt abgedeckt sein. Die Behörden müssten deshalb für eine kostenfreie Rücksendung Vorsorge treffen, in dem z.B. der Akten ein frankierter Rückumschlag beigefügt werde. Wenn das nicht geschehe, müsste dem Akteneinsicht nehmenden Rechtsanwalt ein Erstattungsanspruch zugebilligt werden.
(Der Meinungsstreit)
Dieser Argumentation haben sich in der Rechtsprechung u.a. das AG Vechta (vgl. Beschl. v. 25. 1. 2005, 22 OWi 11/05 und das OLG Koblenz (RVGreport 2006, 76 [Hansens] angeschlossen (so auch Onderka RVGprofessionell 2006, 5 ff.; EUba ZAP F. 24 S. 937), während andere Gerichte dem AG Brandenburg widersprochen haben (vgl. AG Leipzig JurBüro 2005, 547; LG Bonn, Beschl. v. 15. 9. 2005 - 22 AR 42/05). Anderer Auffassung als das AG Brandenburg ist nun auch der 2. StrS des OLG Hamm (RVGreport 2006, 76 [Hansens]; so auch schon OLG Hamm, Beschl. v. 30. 9. 2005, 22 U 185/05; kritisch bzw. ablehnend zudem auch noch Büttner NJW 2005, 3108 m.w.N. aus der Rechtsprechung und Volpert VRR 2005, 296; Burhoff in Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, Rn. 185).
Das OLG Hamm hat folgende Punkte zur Begründung seiner Auffassung angeführt:
(Die Pauschale deckt nicht die anwaltlichen Auslagen für die Aktenrücksendung)
(Wortlaut zwingt zu keiner anderen Auslegung)
(Keine Gleichstellung mit Akteneinsicht bei Gericht)
(Freistellung des Rechtsanwalts von Auslagen im GKG systemwidrig)
(Pauschale deckt Aufwendungen für Serviceleistung der Justiz)
(Argument der Systemwidrigkeit überzeugt)
M.E. wird man sich der inzwischen wohl überwiegenden Auffassung, die den Abgeltungsbereich der Nr. 9003 GKG KostVerz. enger zieht, anschließen müssen. Die vorstehend mitgeteilten Argumente des OLG Hamm sind stichhaltig. Insbesondere überzeugt das Argument der "Systemwidrigkeit" (a.A. auch insoweit Onderka RVGprofessionell 2006, 5 ff.). Zu Recht hat das OLG Hamm auch noch darauf hingewiesen, dass, wenn die andere Auffassung zutreffend wäre, die Landeskassen ggf. nicht nur die Portokosten, sondern sämtliche - auch andere - Kosten - , die für die Rücksendung der Akten nach Akteneinsicht anfallen, übernehmen müsste. Da dem Rechtsanwalt/Verteidiger die Art der Rücksendung der Akten nach erfolgter Akteneinsicht nicht vorgeschrieben werden könne, müsste die Landeskasse ggf. also auch (höheren) Kosten übernehmen, die z.B. durch die Beförderung durch einen Kurier oder durch den Rechtsanwalt oder einen seiner Mitarbeiter entstehen. Diese wären aber möglicherweise bei weitem durch die gesetzliche Aktenversendungspauschale von 12 nicht mehr gedeckt. Für Strafsachen gilt zudem: Gerade hier sind die Akten häufig so dick, dass für die Rücksendung das "normale" Briefporto für einen Großbrief nicht ausreichen würde. Das bedeutet, dass praktisch in allen diesen Sachen die Landeskasse nicht die (vollständige) Aktenversendungspauschale einnehmen würde.
Praxishinweis: Hinzuweisen ist auf § 17 Abs. 2 GKG: Danach kann die Versendung der Akten - mit Ausnahme in Straf- und Bußgeldverfahren (§ 17 Abs. 4 Satz 2 GKG) - von der vorherigen Zahlung der Aktenversendungspauschale abhängig gemacht werden. Von dieser Möglichkeit wird im Zweifel bei wiederholter Nichtzahlung oder unvollständiger Zahlung durch Rechtsanwälte trotz der jetzt wohl eindeutigen h.M. in dieser Frage Gebrauch gemacht werden. |
(BMJ plant Klarstellung der Nr. 9003 GKG KostVerz.)
Inzwischen hat das Bundesministerium der Justiz in einem Schreiben vom 21. 11. 2005 (R B 6 - 5605 - R 3 636/2005) mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, eine Klarstellung in Nr. 9003 GKG KostVerz., § 137 Abs. 1 Nr. 4 KostO sowie in § 107 Abs. 5 OwiG herbeizuführen. In Absatz 1 der Anmerkung zu Nr. 9003 GKG KostVerz. soll nach dem Wort "Akten" die Wörter "durch Gerichte oder Staatsanwaltschaften" eingefügt werden. In § 137 Abs. 1 Nr. 4 KostO und § 107 Abs. 5 OwiG soll jeweils das Wort "Sendung" durch die Wörter "der Rücksendung durch Gerichte" (KostO) bzw. "der Rücksendung durch Behörden" (OWiG) ersetzt werden.
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