aus StV 2006, 207
(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "StV" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "StV" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)
Hinweis: Der Text der Fußnoten des Originalbeitrags sind in rot formatiert
von RiOLG Detlef Burhoff, Münster/Hamm
Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG) vom 5. Mai 2004 (BGBl. I, S. 718) am 1. Juli 2004 sind inzwischen mehr als 18 Monate vergangen. Schon bald nach dem Stichtag haben viele Strafverteidiger gemerkt, dass die vom Regierungsentwurf erwarteten/geplanten Mehreinnahmen bei der Abrechnung von Strafsachen nach Teil 4 VV RVG von bis zu 30 % für den Wahlanwalt (vgl. dazu BT-Dr. 15/1971, S. 220), erreicht, ja teilweise noch, insbesondere im Bereich der Pflichtverteidigung, überschritten werden. Schon bald haben sich aber auch an der ein oder anderen Stelle des neuen Gesetzes Anwendungsprobleme ergeben, die, da alle Anwender in der Praxis erst den Umgang mit den neuen Vorschriften erlernen mussten, zu erwarten waren. Einige Fragen, wie z.B. die zur Übergangsregelung nach § 61 RVG dürften inzwischen weitgehend geklärt sein (vgl. dazu unten X.), andere sind noch offen und ungeklärt und warten auf eine (abschließende) Beurteilung/Lösung durch die Rechtsprechung. Ziel dieses Beitrages ist es, die aktuellen Fragen und Brennpunkte mit der dazu vorliegenden Rechtsprechung darzustellen. Dieser Beitrag ist also keine Einführung in das RVG (mehr). Dazu muss auf die in den vergangenen Monaten veröffentlichten Beiträge (vgl. dazu insbesondere die von mir stammenden Beiträge aus RVGreport und RVGprofessionell, die sich teilweise im Volltext auf meiner Homepage www.burhoff.de befinden und dort ausgedruckt werden können; vgl. auch die Zusammenstellung der Literatur bei Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, Rn. 2073 ff.; s. auch noch Burhoff, Das neue Gebührenrecht im Straf- und OWi-Verfahren, DAR 2004, 361; ders., Die wesentlichen Neuerungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) für die anwaltliche Vergütung in Strafverfahren, StraFo 2004, 184; ders., Gebührenrechtliche Neuerungen im Straf- und OWi-Verfahren durch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, ZAP F. 24, S. 795; Enders, Umfang der anwaltlichen Tätigkeit, JurBüro 2004, 459; ders., Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, JurBüro 2004, 515; Möthrath, Bußgeldverfahren, Abrechnung nach dem RVG, SVR 2004, 125; Onderka, So bestimmen Sie Ihren Gebührenrahmen richtig, RVGprofessionell 2004, 56; dies., Was Sie bei Honorarvereinbarungen nach § 4 RVG beachten müssen, RVGprofessionell 2005, 38; N.Schneider, Gebühren nach dem RVG in verkehrsrechtlichen Straf- und Bußgeldsachen, zfs 2004, 495; ders., Die Gebühren des Verteidigers in Strafsachen, AGS 2004, 133; ders., Neue Grundgebühr in Straf- und Bußgeldsachen, RVGprofessionell 2005, 119.) und die Kommentarliteratur verwiesen werden (Burhoff (Hrsg.), Straf- und Bußgeldsachen, 2004, (zitiert: Burhoff/Bearbeiter); Gebauer/Schneider (Hrsg.), RVG, 2. Aufl., 2004, (zitiert: N.Schneider, AnwKomm); Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 16. Aufl., 2004, (zitiert: Gerold u.a.): Hartung/Römermann, RVG, 2004 (zitiert: Hartung/Römermann); Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, 2004 (zitiert: Bearbeiter in Hansens/Braun/Schneider); Schneider/Mock, Das neue Gebührenrecht für Anwälte, 2004 (zitiert: Schneider/Mock)). Die nachfolgenden Ausführungen gelten im Übrigen nicht nur für das Strafverfahren. Sie gelten wegen der weitgehend gleichen Strukturen auch für die Abrechnung im Bußgeldverfahren nach Teil 5 VV RVG (vgl. dazu auch die Nachw. bei Fn. 4 und zudem Burhoff, Die wesentlichen Neuerungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) für die anwaltliche Vergütung in Bußgeldsachen, StraFo 2004, 259; Mayer, Die wichtigsten Neuerungen bei den RVG-Gebührentatbeständen: Teil 5 Vergütungsverzeichnis, JurBüro 2005, 239.). Berücksichtigt ist - zumindest in den Fußnoten - die bis Januar 2006 bekannt gewordene Rechsprechung.
a) Allgemeines
Die früher in § 12 BRAGO enthaltene Regelung zur Bestimmung des Gebührenrahmens hat durch das RVG Änderungen erfahren, auf die hier nicht im Einzelnen eingegangen werden soll (vgl. dazu eingehend Burhoff/Burhoff, ABC-Teil, Rahmengebühren (§ 14).. Hinzuweisen ist nur darauf, dass die Aufzählung der Kriterien in § 14 Abs. 1 RVG nicht abschließend ist, sondern auch andere Umstände bei der Bestimmung der Gebühr berücksichtigt werden können. Diese anderen Kriterien stehen dann gleichwertig neben den in § 14 Abs. 1 RVG erwähnten (Burhoff/Burhoff, Rahmengebühren (§ 14), Rn. 8 ff. m.w.N.; N.Schneider, AnwKomm, § 14 Rn. 22). Nach wie vor obliegt bei den Rahmengebühren dem Rechtsanwalt die Bestimmung der Gebühren im Einzelfall. Er hat sie unter Berücksichtigung der in § 14 Abs. 1 S. 1 RVG genannten Umstände nach billigem Ermessen zu treffen. Ist diese Gebühr von einem Dritten zu erstatten so z.B. im Fall der Freispruchs von der Staatskasse ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung allerdings nach § 14 Abs. 1 S. 4 RVG dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Insoweit hat das KG seine und die ständige Rechtsprechung wohl aller Obergerichte zu § 12 Abs. 1 S. 2 BRAGO fortgeführt, wonach Unbilligkeit nur angenommen wurde, wenn die Gebührenbestimmung um 20% oder mehr von der Gebühr abweicht, die sich unter Berücksichtigung aller in § 14 Abs. 1 S. 1 RVG genannten Bemessungsgrundlagen ergibt (KG, Beschl. 9. 8. 2005, 3 Ws 59/05; www.burhoff.de; vgl. auch die Nachw. zu § 12 BRAGO bei Burhoff/Burhoff, ABC-Teil: Rahmengebühren (§ 14 RVG), Rn. 49; s. auch N.Schneider, AnwKomm, § 14 Rn. 80 ff. m.w.N.). Bei der Feststellung der angemessenen Gebühr nach § 14 Abs. 1 RVG ist nach Ansicht des KG - ebenso wie früher im Rahmen des § 12 Abs. 1 BRAGO - eine Abwägung aller Umstände, d. h. der gebührenerhöhenden und - mindernden vorzunehmen (wegen der Kriterien verweise ich auf Burhoff/Burhoff, Rahmengebühren (§ 14) Rn. 17 ff.; s. auch Enders JurBüro 2005, 459). Dabei sei jeweils von der Mittelgebühr auszugehen (KG, a.a.O.). Entscheidendes Kriterium für den "Umfang der anwaltlichen Tätigkeit" ist vor allem der zeitliche Aufwand, den der Verteidiger auf die Führung des Mandats verwendet hat. Dazu zählen nicht nur die Zeiten, die der Verteidiger faktisch an bzw. in der Sache gearbeitet hat, sondern auch der nutzlos erbrachte Aufwand. Dass das RVG den nutzlos erbrachten Aufwand auf jeden Fall berücksichtigen will, ergibt sich aus Vorbem. 4 Abs. 3 S. 2 VV RVG und der dort bestimmten Terminsgebühr für einen "geplatzten Termin" (Burhoff/Burhoff, Vorbem. 4 VV Rn. 70 ff., Vorbem. 5 VV Rn. 39.; zur Gebührenbemessung im OWi-Verfahren Burhoff; Gebührenbemessung im OWi-Verfahren, RVGreport 2005, 361).
Bei der Gebührenbestimmung bleiben allgemeine Erwägungen unberücksichtigt (Burhoff/Burhoff, Rahmengebühren (§ 14), Rn. 11 ff. m.w.N.; N.Schneider in AnwKomm, § 14 Rn. 24). Das gilt in Strafsachen insbesondere für die Tätigkeit des Nebenklägervertreters, bei dem nicht grundsätzlich von einem geringeren Gebührenrahmen ausgegangen werden kann, weil er "nur" neben dem Staatsanwalt tätig wird (vgl. die ähnlichen Überlegungen in OLG Hamm, AGS 1998, 138 = StV 1998, 618 = AnwBl. 1998, 612 für die Pauschvergütung des Pflichtverteidigers, der neben dem "federführend" verteidigenden Wahlanwalt verteidigt hat). Auch beim Nebenklägervertreter ist daher grds. von der Mittelgebühr auszugehen (N.Schneider, AnwKomm, BRAGO, § 95 Rn. 22 ff.; s. auch unten).
b) Gebührenbemessung im OWi-Verfahren
Diese Grundsätze gelten auch für das OWi-Verfahren (zur Gebührenbemessung im OWi-Verfahren vgl. Burhoff RVGreport 2005, 361). Insoweit galt schon zu § 105 BRAGO, dass die Gebühren nicht deshalb niedriger bemessen werden durften, weil es sich generell um Angelegenheiten von geringerer Bedeutung handelt (vgl. N.Schneider, AnwKomm, § 105 Rn. 137 ff. m.w.N.). Das gilt jetzt, nachdem durch das RVG für die anwaltliche Vergütung in Bußgeldsachen in Teil 5 VV RVG eigenständige Gebühren geschaffen worden sind und die Verknüpfung mit den Gebühren für das Strafverfahren weggefallen ist, erst Recht (vgl. auch Burhoff/Burhoff, Vorbem. 5 VV Rn. 21 ff.). Anderenfalls würde gegen ein "gebührenrechtliches Doppelverwertungsverbot" verstoßen (eingehend dazu Burhoff RVGreport 2005, 361 ff. m.w.N.). Im Übrigen ist auch in OWi-Sachen grundsätzlich von der Mittelgebühr auszugehen (s. auch Leipold, Anwaltsvergütung in Strafsachen, Rn. 495; s. dazu auch AG Frankenthal RVGreport 2005, 271 = VRR 2005, 280 = AGS 2005, das die Mittelgebühr zumindest immer dann gewähren will, wenn es im Verfahren um die Verhängung eines Fahrverbotes geht oder dem Betroffenen Punkte im VZR drohen; AG München AGS 2005, 430 = RVGreport 2005, 381; AG Chemnitz AGS 2005, 431; AG Saarbrücken, Urt. v. 21. 10. 2005, 42 C 192/05; AG Altenburg, Urt. v. 17. 10. 2005, 1 C 262/05; AG Darmstadt, Urt. v. 27. 6. 2005, 305 C 421/04; a.A. LG Dortmund RVGreport 2005, 465, teilweise im Volltext auf www.burhoff.de). Das gilt vor allem dann, wenn die Verhängung eines Fahrverbotes droht bzw. ein Fahrverbot bereits verhängt ist(vgl. die zuvor zitierte Rechtsprechung der AG).
a) Vorbereitendes und gerichtliches Verfahren dieselbe oder unterschiedliche Angelegenheiten?
Das RVG regelt die mit dem Begriff der "Angelegenheit" zusammenhängenden Fragen, die früher über die gesamte BRAGO verteilt waren, in den §§ 15 ff. RVG. Dabei ist ausdrücklich nicht geregelt (worden), ob im Strafverfahren das vorbereitende und das gerichtliche Verfahren dieselbe Angelegenheit i.S. des § 16 RVG sind oder, ob es sich um verschiedene Angelegenheiten i.S. des § 17 RVG handelt. Bedeutung hat diese Frage in zweierlei Hinsicht: Geht man von verschiedenen Angelegenheiten aus (so Schneider/Mock, § 25 Rn. 22; N.Schneider, Zwei Auslagenpauschalen für vorbereitendes und gerichtliches Verfahren, AGS 2005, 7, a.A. Burhoff/Burhoff, ABC-Teil: Angelegenheit, Rn. 4; Gerold u.a., VV 7001, 7002, Anm. 28, 29), dann kann der Verteidiger zweimal die Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG abrechnen. Zudem kann es zu Auswirkungen im Hinblick auf das Übergangsrecht kommen. Je nach dem Zeitpunkt der Auftragserteilung kann ggf. das vorbereitendes Verfahren noch nach BRAGO abgerechnet werden, während für das gerichtliche Verfahren schon das RVG anwendbar sein kann (vgl. zur Übergangsregelung unten X). In der Frage dürfte N.Schneider (vgl. AGS 2005, 7) die stärkeren Argumente - gesonderte Verfahrensabschnitte, gesonderte Gebühren, Regelungen in Satz 2 der Anm. zu Nr. 4102 VV RVG und in Nr. 4142 ("einschließlich des vorbereitenden Verfahrens") sonst unverständlich - für seine Auffassung haben. Allerdings hat sich inzwischen das LG Düsseldorf der anderen Auffassung angeschlossen (vgl. LG Düsseldorf, Beschl. v. 10. 6. 2005, XI 1 Qs 66/05, www.burhoff.de).
b) Strafverfahren und sich anschließendes Bußgeldverfahren (§ 19 Nr. 10 RVG)
Ausdrücklich geregelt hat das RVG die Frage, in welchem Verhältnis zueinander Strafverfahren und sich anschließendes Bußgeldverfahren stehen. Diese Frage war unter Geltung der BRAGO auch zuletzt noch umstritten (vgl. wegen der Literatur und Rechtsprechungs-Nachw. Gebauer/Schneider, BRAGO, § 105 Rn. 91 ff.). Das RVG hat den Streit in § 19 Nr. 10 RVG im Sinne der h.M. zur BRAGO gelöst und ausdrücklich bestimmt, dass es sich um verschiedene Angelegenheiten handelt. Das hat zur Folge, dass der Rechtsanwalt, der den Beschuldigten/Betroffenen sowohl im Strafverfahren als auch in einem sich anschließenden Bußgeldverfahren verteidigt, neben den im Strafverfahren verdienten Gebühren zusätzlich auch noch die entsprechenden Gebühren des Bußgeldverfahrens erhält. Eine Anrechnung findet nicht statt Burhoff/Burhoff, Vorbem. 5 Rn. 26.), mit Ausnahme der Grundgebühr (vgl. dazu die Anm. 2 zu Nr. 5100 VV RVG).
Aus der Praxis ist zu hören, dass es (auch) in diesem Bereich erhebliche Schwierigkeiten mit den Rechtsschutzversicherungen gibt, die, wenn die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren eingestellt und das Verfahren an die Verwaltungsbehörde abgegeben hat, nicht bereit sind, die Gebühr Nr. 4141 Ziff. 1 VV RVG zu zahlen. Gegen deren Ansatz wird geltend gemacht, dass das Verfahren nicht endgültig beendet sei und deshalb die sog. Befriedungsgebühr nicht angesetzt werden könne. Das ist gebührenrechtlich falsch und widerspricht der Neuregelung in § 19 Nr. 10 RVG. Der Gesetzgeber hat Strafverfahren und Bußgeldverfahren ausdrücklich als verschiedene Angelegenheiten geregelt. Wenn aber das Strafverfahren eingestellt wird, dann ist die gebührenrechtliche Angelegenheit "Strafverfahren" endgültig erledigt und es ist - (geringe) Mitwirkung des Verteidigers unterstellt - die Gebühr Nr. 4141 Ziff. 1 VV RVG entstanden (s. auch AG Regensburg, Urt. v. 28. 10. 2005, 5 C 3473/05, www.burhoff.de). Im Strafverfahren findet eine Hauptverhandlung nicht statt. Das reicht aus für das Entstehen der Gebühr. Die andere Auffassung der Rechtsschutzversicherungen führt zudem zu einem systemwidrigen Ergebnis. Wird nämlich später das Bußgeldverfahren (auch) eingestellt, dann müsste das, da nun ja auch das Strafverfahren endgültig erledigt wäre, zumindest dann zum Entstehen der Gebühr Nr. 4141 VV RVG führen. Das kann aber, da diese Angelegenheit erledigt ist und nur noch die Gebührenangelegenheit "Bußgeldverfahren" andauert, die nach Teil 5 VV RVG abgerechnet wird, nicht der Fall sein.
Teil 4 VV Abschnitt 1 RVG gilt für den (Voll)Verteidiger, der Wahlanwalt oder Pflichtverteidiger sein kann, Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG gilt hingegen nur für die Einzeltätigkeiten des Rechtsanwaltes, der nicht Verteidiger oder Vertreter ist (zur Abgrenzung der Tätigkeiten in der Strafvollstreckung von der Einzeltätigkeit OLG Schleswig RVGreport 2005, 70 = AGS 2005, 120 = JurBüro 2005, 25, vgl. dazu auch unten VIII.) .Diese im Grunde in der Anwendung einfache Abgrenzung macht in der Praxis bei der Abrechnung der Tätigkeit des Rechtsanwalts als Zeugenbeistand, für den nach der Neuregelung in Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG Teil 4 VV RVG ebenfalls gilt, jedoch offenbar erhebliche Schwierigkeiten. Insbesondere die Instanzgerichte (vgl. z.B. AG Lingen, Beschl. v. 20. 10. 2005, 10 AR 266/05, www.burhoff.de) und die Vertreter der Staatskasse legen sie restriktiv zu Lasten des Rechtsanwalts aus und wollen von einer Einzeltätigkeit ausgehen (so auch Gerold u.a., VV 4300 bis 4304, Rn. 58 m. Hinweis auf nicht mehr heranziehbare, da zum Rechtszustand der BRAGO ergangene, Rechtsprechung). Dies ist jedoch falsch und widerspricht der wohl überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur (zur Vergütung des Zeugenbeistandes s. eingehend Burhoff RVGreport 2004, 458; Burhoff/VoLpert, Vorbem. 4.3 Rn. 16; siehe auch BT-Dr. 15/1971 S. 145; KG RVGreport 2005, 341 = StraFo 2005, 439 = NStZ-RR 2005, 358 = Rpfleger 2005, 694; www.burhoff.de; zum Zeugenbeistand im Wiederaufnahmeverfahren OLG Köln, Beschl. v. 6. 1. 2006, 2 Ws 9/06, www.burhoff.de). Auch auf die Tätigkeit des Rechtsanwalts als Zeugenbeistand ist vielmehr i.d.R. der Abschnitt 1 des Teil 4 VV RVG anzuwenden (KG, a.a.O.; s. auch OLG Köln, a.a.O.; a.A. OLG Oldenburg, Beschl. v. 20. 12. 2005, 1 Ws 600/05, www.burhoff.de). Denn i.d.R. wird dem Rechtsanwalt die volle Vertretung übertragen und nur ausnahmsweise wird er bloß in einer Einzeltätigkeit beauftragt (KG NStZ-RR 2005, 327 = JurBüro 2005, 536; ähnlich OLG Schleswig zur Abgrenzung der Tätigkeiten in der Strafvollstreckung von der Einzeltätigkeit RVGreport 2005, 70 = AGS 2005, 120 = JurBüro 2005, 25). Das entspricht auch der ausdrücklichen Intention des Gesetzgebers (KG, a.a.O.; vgl. auch OLG Schleswig, a.a.O., zur ähnlichen Problematik für die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Überprüfungsverfahren nach § 67e StGB). Die andere Auffassung von Madert (Gerold u.a., a.a.O.) ist nach Auffassung des KG seit dem Inkrafttreten des RVG nicht mehr haltbar (KG, a.a.O.; s. auch schon Burhoff RVGreport 2004, 458; s. aber AG Lingen, Beschl. v. 20. 10. 2005, 10 AR 266/05, www.burhoff.de).
Dies gilt auch im Fall der Beiordnung (§ 68 b StPO) (OLG Schleswig, a.a.O., für den vergleichbaren Fall der Abgrenzung der Einzeltätigkeit im Überprüfungsverfahren; s. auch KG, a.a.O. ), und zwar auch dann, wenn der Beiordnungsbeschluss nur mit dem Gesetzestext formuliert, der Rechtsanwalt also für die "Dauer der Vernehmung des Zeugen" beigeordnet wird (so KG und OLG Köln, jew. a.a.O.; a.A. OLG Oldenburg, a.a.O.). Auch aus dieser Formulierung lässt sich nicht entnehmen, dass es sich nur um eine Einzeltätigkeit handelt. Abgesehen davon, dass selbst diese Formulierung immer auch ein Vorgespräch mit dem Mandanten umfassen würde (Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., 2005, § 68b Rn. 5 m.w.N; OLG Köln, a.a.O.), darf gerade beim beigeordneten Vernehmungsbeistand nicht übersehen werden, dass dessen Tätigkeit schon sui generis nur einen begrenzten Rahmen umfasst, nämlich den (bloßen) Beistand bei der Vernehmung des Zeugen. Das bedeutet aber nicht, dass der Rechtsanwalt damit etwa nur für eine Einzeltätigkeit beigeordnet worden wäre. Vielmehr ist er in diesem (begrenzten) Tätigkeitsbereich "voller Vertreter", so dass auf seine Tätigkeit gebührenrechtlich Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG anzuwenden ist (vgl. dazu auch KG, a.a.O. .
Nach Auffassung des KG (KG RVGreport 2005, 341 StraFo 2005, 439 = AGS 2005, 439 = NStZ-RR 2005, 358; www.burhoff.de) sollen dem als Zeugenbeistand tätigen Rechtsanwalt allerdings grundsätzlich der Höhe nach geringere Gebühren zustehen als dem Verteidiger (KG, a.a.O.). Dem wird man widersprechen müssen (vgl. dazu eingehend Burhoff RVGreport 2005, 341). Abgesehen davon, dass das wegen der Festbetragsregelung beim bestellten Zeugenbeistand nicht möglich wäre, erhält m.E. auch der Rechtsanwalt, der als Wahlanwalt seine Tätigkeit als Zeugenbeistand erbringt und abrechnet, nicht grundsätzlich andere/niedrigere Gebühren. Er muss sich zwar an der durchschnittlichen Tätigkeit des Verteidigers messen lassen (so auch BT-Dr. 15/1971, S. 145; Burhoff/Volpert, Vorbem. 4.3 Rn. 16). Entscheidend ist aber der konkrete Einzelfall und die richtige Anwendung des § 14 RVG. Ein Zeugenbeistand, der die gerichtliche Verfahrensgebühr geltend macht, muss allerdings wegen seines eingeschränkten Aufgabenbereichs konkret vortragen, durch welche von ihm erbrachte Tätigkeit diese entstanden sein soll (KG, Beschl. v. 4. 11. 2005, 4 Ws 61/05, www.burhoff.de).
Nach der Vorbem. 1 und der Vorbem. 2 Abs. 3 VV RVG können auch im Strafverfahren die sog. allgemeinen Gebühren des Teils 1 und des Teils 2 für außergerichtliche Tätigkeiten des Rechtsanwalts entstehen (vgl. dazu die Komm. bei den jeweiligen Gebühren bei Burhoff, ABC-Teil, jeweils m.w.N.).
Anwendbar ist insbesondere also auch die Gebühr Nr. 1008, wenn der Rechtsanwalt im Strafverfahren mehrere Auftraggeber vertritt (vgl. dazu OLG Koblenz AGS 2005, 504 = JurBüro 2005, 589), was z.B. bei der Nebenklage aber auch als Zeugenbeistand der Fall sein kann. Allerdings wird der Rechtsanwalt, der in einer Hauptverhandlung mehreren Zeugen beisteht, für mehrere Auftraggeber in derselben Angelegenheit im Sinne des § 7 Abs. 1 RVG tätig und erhält deshalb die Gebühren - mit der Erhöhung nach Nr. 1008 VV-RVG - nur einmal (OLG Koblenz, a.a.O.). Bei Anwendung der Nr. 1008 VV RVG wird im Übrigen nicht zuerst die konkrete Gebühr bestimmt und dann die Gebühr ggf. um 0,3 oder mehr erhöht. Vielmehr erhöht sich der Gebührenrahmen um den entsprechenden Erhöhungssatz. Innerhalb dieses erhöhten Rahmens ist dann die angemessene Gebühr zu bestimmen (allgemein zu mehreren Auftraggebern Burhoff/Volpert, ABC-Teil: Mehrere Personen als Auftraggeber [§ 7, Nr. 1008], S. 157 ff.; OLG Koblenz, a.a.O.).
Unter Geltung der BRAGO konnte die Hebegebühr des § 22 BRAGO für den Pflichtverteidiger als gesetzliche Gebühr nicht entstehen, da sie im Katalog des 3 97 BRAGO nicht genannt war. Diese Einschränkung ist im RVG entfallen (OLG Düsseldorf RVGreport 2005, 306 = AGS 2005, 501; s. auch LG Duisburg AGS 2005, 501, beide auch www.burhoff.de.), so dass nun auch der Pflichtverteidiger grundsätzlich diese reine Wertgebühr als gesetzliche Gebühr abrechnen kann. Allerdings erstreckt sich nach Auffassung des OLG Düsseldorf (vgl. OLG Düsseldorf und LG Duisburg, a.a.O.) die allgemeine Pflichtverteidigerbestellung nicht automatisch auch auf die Tätigkeiten, für die gesondert eine Hebegebühr nach Nr. 1009 VV RVG entstehen. Da die der Hebegebühr nach Nr. 1009 VV RVG zugrunde liegende Tätigkeit des Rechtsanwaltes als selbständige gebührenrechtliche Angelegenheit einen besonderen Auftrag voraussetze, sei dem Pflichtverteidiger die Hebegebühr aus der Staatskasse nur dann zu erstatten, wenn die Pflichtverteidigerbestellung auf die Aus- und Rückzahlung von Geldbeträgen erweitert worden ist. Das muss der Verteidiger in geeigneten Fällen beantragen.
Schließlich kann im Strafverfahren grundsätzlich auch die Gebühr für die Prüfung der Erfolgaussichten eines Rechtsmittels (Nr. 2202 f. VV) entstehen (vgl. dazu Burhoff/Burhoff, ABC-Teil, Beratung über ein Rechtsmittel, Rn. 1 m.w.N. ). Ob diese allerdings auch der Rechtsanwalt, der dem Beschuldigten bereits für das erstinstanzliche Verfahren beigeordnet war, neben den gesetzlichen Gebühren nach Teil 4 VV RVG geltend machen kann, wenn er die Erfolgsaussichten einer Berufung geprüft hat, ist fraglich und m.E. zu verneinen (a.A. aber LG Berlin, Beschl. v. 17. 6. 2005, 538 Qs 84/05, im Leitsatz auf www.burhoff.de.; differenzierend N.Schneider, AnwKomm, Nr. 2202 VV RVG Rn. 2). Die Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels gehört entweder zur Verfahrensgebühr der ersten bzw. zur Verfahrensgebühr der Rechtsmittelinstanz und wird durch diese Gebühren abgegolten (vgl. dazu Burhoff/Burhoff, Vorbem. 4.1 Rn. 15 f). Die Gebühr Nr. 2202 VV RVG entsteht daher nur, wenn der Rechtsanwalt keinen sonstigen Auftrag hat, sondern sich seine Tätigkeit in der Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels erschöpft. Anders ergibt die Anrechnungsregelung in der Anm. zur Nr. 2202 VV RVG keinen Sinn. Zu dieser Frage ist beim KG ein Beschwerdeverfahren anhängig.
Eine besondere Problematik bei der Abrechnung der gesetzlichen Gebühren des Pflichtverteidigers hat sich durch die (neue) Regelung in § 48 Abs. 5 RVG ergeben, die nur zum Teil bereits in § 97 Abs. 3 BRAGO enthalten war. Aus Platzgründen kann hier nicht auf alle Einzelheiten eingegangen werden; insoweit muss ich auf meinen Beitrag im RVGreport verweisen (Burhoff, Umfang der Beiordnung des Pflichtverteidigers im Strafverfahren - Erstreckung nach § 48 Abs. 5 RVG, RVGreport 2004, 411.). Hier kann ich nur die Grundzüge darstellen. In § 48 Abs. 5 S. 1 RVG hat das RVG die bereits in § 97 Abs. 3 BRAGO enthaltene Regelung übernommen. Danach erhält der Rechtsanwalt, wenn er im Laufe des ersten Rechtszugs bestellt wird, seine Vergütung auch für seine Tätigkeit vor dem Zeitpunkt der Bestellung oder Beiordnung. § 48 Abs. 5 S. 1 RVG gewährt aber nicht einen Vergütungsanspruch für nicht erbrachte Tätigkeiten. Vielmehr muss der Rechtsanwalt vor der Beiordnung oder Bestellung eine Tätigkeit erbracht haben, wenn § 48 Abs. 5 S. 1 RVG zum Zuge kommen soll (OLG Hamm RVGreport 2005, 273 = AGS 2005, 437 = JurBüro 2005, 532; LG Koblenz JurBüro 2005, 255 m. Anm. Enders JurBüro 2005, 256 = Rpfleger 2005, 278; LG Berlin AGS 2005, 401, z.T. www.burhoff.de ). In § 48 Abs. 5 S. 2 RVG ist jetzt die von der h.M. zur BRAGO verneinte Frage (vgl. zuletzt OLG Hamm JurBüro 2004, 427 m.w.N.), ob § 97 Abs. 3 BRAGO auf spätere Rechtszüge ausgedehnt werden kann, ausdrücklich bejaht worden. Allerdings erhält der Rechtsanwalt im Falle der Beiordnung in einem späteren Rechtszug nur die Vergütung aus diesem Rechtszug und nicht etwa auch die aus früheren (Burhoff/Volpert; § 48 Abs. 5 Rn, 9 ff; Schneider in Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, Teil 14 Rn. 128). Einbezogen wird aber die Tätigkeit des Rechtsanwalts, die er vor dem Zeitpunkt seiner Bestellung in dem späteren Rechtszug erbracht hat.
Neu ist die Regelung in § 48 Abs. 5 S. 3 RVG für den Fall der Verbindung von Verfahren. Zu § 97 Abs. 3 BRAGO war umstritten, ob der Rechtsanwalt eine gesetzliche Vergütung für die in verbundenen Verfahren erbrachten Tätigkeiten aus der Staatskasse auch dann erhielt, wenn er in den einzelnen Verfahren zwar (teilweise) schon als Wahlverteidiger tätig war, er aber erst nach der Verbindung der Verfahren gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden ist. Das wurde von der h.M. bejaht (vgl. u.a. OLG Hamm, JurBüro 2002, 302 = Rpfleger 2002, 379 = StV 2003, 178; zustimmend auch Burhoff/Volpert, § 48 Abs. 5 RVG Rn. 14 m.w.N. auch zu a.A.). § 48 Abs. 5 S. 3 StPO bestimmt nun, dass im Fall der Verbindung von Verfahren das Gericht "die Wirkungen des Satzes 1 auch auf diejenigen Verfahren erstrecken [kann], in denen vor der Verbindung keine Beiordnung oder Bestellung erfolgt war". Darauf muss der Verteidiger, der im Fall der Verbindung von Verfahren bereits in einem der (hinzu)verbundenen Verfahren als Wahlanwalt tätig geworden war, achten. Es muss ausdrücklich die Erstreckung (einer in einem anderen Verfahren bereits bestehenden Pflichtverteidigerbestellung) beantragt werden. Wird das übersehen, läuft der Verteidiger Gefahr, dass er in den verbundenen Verfahren für die dort erbrachten Tätigkeiten keine gesetzliche Vergütung erhält. § 48 Abs. 5 S. 3 RVG führt jedoch nicht dazu, dass über die Erstreckung nicht erbrachte Tätigkeiten honoriert werden (LG Koblenz JurBüro 2005, 255 m. Hinweis von Enders). Die Problematik der Erstreckung im Sinne des § 48 Abs. 5 S. 3 RVG stellt sich im Übrigen nur, wenn der Rechtsanwalt in einem von mehreren Verfahren bereits als Pflichtverteidiger beigeordnet ist und zu diesem Verfahren dann weitere Verfahren, in denen er nicht als Pflichtverteidiger beigeordnet ist, hinzu verbunden werden (OLG Hamm RVGreport 2005, 273 = NStZ-RR 2005, 285 = AGS 2005, 437).
Nach der Gesetzesbegründung soll die Erstreckung erfolgen, wenn eine Beiordnung oder Bestellung unmittelbar bevorgestanden hätte, falls die Verbindung unterblieben wäre (vgl. dazu BT-Dr. 15/1971, a.a.O.). Nach Auffassung des LG Berlin (LG Berlin, Beschl. v. 28. 9. 2005, 505 Qs 167/05, www.burhoff.de) soll eine Erstreckung der Pflichtverteidigerbestellung anlässlich der Verbindung von Strafsachen bei vor der Verbindung bereits vorhandenem Wahlverteidiger nur erfolgen bei bereits vor Verbindung gestelltem Antrag auf Bestellung als Pflichtverteidiger; eine Antragstellung nach Verbindung soll unerheblich sein. Dem wird man sich kaum anschließen können. Denn die Gesetzesbegründung meint nicht das formale Kriterium der Antragstellung, sondern es soll darauf ankommen, ob die materiellen Voraussetzungen für eine Pflichtverteidigerbestellung vorgelegen haben und deshalb dem Beschuldigten auch in dem hinzu verbundenen Verfahren ein Pflichtverteidiger hätte bestellt werden müssen, wenn er dort keinen Wahlverteidiger gehabt hätte Auf die Frage, ob der Rechtsanwalt bereits einen Beiordnungsantrag gestellt hatte, kann es nicht ankommen. Denn die Frage, ob eine Pflichtverteidiger beigeordnet werden muss - die Beiordnung also "unmittelbar bevorsteht" - hängt nicht von der Antragstellung ab, sondern vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 140 StPO. Die Entscheidung über die Erstreckung kann mit der Beschwerde angefochten werden (LG Bielefeld, Beschl. v. 4. 1. 2006, Qs 731/05 III, www.burhoff.de). Über die Erstreckung kann nur nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände entschieden werden (LG Bielefeld, a.a.O.).
Die (neue) Grundgebühr (dazu auch Burhoff RVGreport 2004, 53 ff) steht dem Rechtsanwalt für die (erstmalige) Einarbeitung in den Rechtsfall zu. Wird der Rechtsanwalt für den Angeklagten nur im Termin tätig, z.B. als (Termins-)Vertreter für einen anderen Rechtsanwalt oder im Fall der Beiordnung als Pflichtverteidiger (vertretungsweise) für nur einen Hauptverhandlungstermin, gilt: Auch dieser Rechtsanwalt rechnet grundsätzlich nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG ab und nicht nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG (zur Abgrenzung der Einzeltätigkeiten vom vollen Verteidigungsauftrag s. u.a. OLG Schleswig RVGReport 2005, 70; KG NStZ-RR 2005, 327 = JurBüro 2005, 536, www.burhoff.de). Auch er ist i.d.R. voller Verteidiger und hat nicht nur einen Einzelauftrag übernommen (KG, a.a.O.). Dieser Rechtsanwalt kann daher ebenfalls die Grundgebühr abrechnen (a.A. KG, a.a.O.), denn auch er muss sich in den Rechtsfall einarbeiten. Es entsteht nicht etwa nur die Terminsgebühr (a.A., aber unzutreffend KG, a.a.O.; AG Koblenz AGS 2004, 484 m. abl. Anm. N.Schneider = RVGreport 2004, 469 m. abl. Anm. Hansens; OLG Koblenz JurBüro 2005, 199). Die Grundgebühr ist nicht verfahrensbezogen, sondern personenbezogen und kann im Laufe des Verfahrens - je nachdem, wie viele Verteidiger tätig sind - mehrfach entstehen (a.A. offenbar KG, a.a.O.). Auch dann, wenn der - zufällig anwesende - Rechtsanwalt erst im Hauptverhandlungstermin mandatiert/beigeordnet wird, so z.B. im Strafbefehlsverfahren nach § 408b StPO, entsteht die Grundgebühr (a.A. AG Koblenz AGS 2004, 484 m. abl. Anm. N.Schneider = RVGreport 2004, 469 m. abl. Anm. Hansens; OLG Koblenz JurBüro 2005, 199; s. auch N.Schneider, a.a.O.).
Einige Schwierigkeiten im Hinblick auf die Gewährung einer Grundgebühr haben sich im Zusammenhang mit dem Übergang von der BRAGO zum RVG ergeben. Insoweit gilt: Wird das Verfahren vom übergeordneten Rechtsmittelgericht zurückverwiesen, ist das Verfahren vor dem untergeordneten Gericht ein neuer Rechtszug. (Sämtliche) Gebühren können dort also grds. erneut entstehen (vgl. § 21 Abs. 1 RVG). Für die Grundgebühr gilt das aber nicht, da der Rechtsanwalt, der den Angeklagten auch zuvor bereits schon vertreten hat, sich bereits in das Verfahren eingearbeitet hatte (KG RVGreport 2005, 343 = AGS 2005, 449 m. Anm. Madert = RVG professionell 2005, 178, www.burhoff.de). Etwas anderes gilt auch nicht, wenn die erste Instanz bereits vor dem 30. Juni 2004 beendet war, die Zurückverweisung aber erst nach dem 1. 7. 2004 erfolgt ist (KG RVGreport 2005, 343 = AGS 2005, 449; OLG Bamberg RVGreport 2005, 260 = AGS 2005, 401 m. Anm. Madert; LG Koblenz RVGreport 351; s. auch Schneider AGS 2005, 397; Jungbauer JurBüro 2005, 32; a.A. OLG Frankfurt NStZ-RR 2005, 31 = StV 2005, 76 = AGS 2005, 69 = NStZ 2005, 469; Madert AGS 2005, 239). Auch dann, wenn der Rechtsanwalt vor dem 1.7. 2004 als Wahlanwalt tätig gewesen ist, seine Beiordnung aber erst nach dem Stichtag erfolgte, wird er nach wohl zutreffender Ansicht die Grundgebühr nicht erhalten. Er hat zu RVG Zeiten eine diese Gebühr auslösende Tätigkeit nicht erbracht (KG, a.a.O., N.Schneider AGS 2005, 240; a.A. OLG Frankfurt NStZ-RR 2005, 31 = StV 2005, 76 = AGS 2005, 69 = NStZ 2005, 469; Madert AGS 2005, 239).
Mit der Grundgebühr wird nach Nr. 4100 Anm. 1 VV RVG die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall abgegolten werden. Damit ist der Arbeitsaufwand gemeint, der einmalig mit der Übernahme des Mandats entsteht (wegen der Einzelh. Burhoff/Burhoff, Nr. 4100 VV RVG Rn. 12 ff. m.w.N.; N.Schneider, AnwKomm, VV 4100-4101 Rn. 1). Das ist insbesondere auch eine erste Akteneinsicht nach § 147 StPO (OLG Jena StraFo 2005, 172 = Rpfleger 2005, 276 = JurBüro 2005, 258-259 = RVGreport 2005, 103; OLG Hamm, StraFo 2005, 130 = Rpfleger 2005, 214 = JurBüro 2005, 196 = AGS 2005, 117 = RVGreport 2005, 68; jeweils www.burhoff.de). Weitere, im Verlauf sich anschließender Verfahrensabschnitte durchgeführte, Akteneinsichten werden dann aber nicht mehr von der Grundgebühr, sondern von den jeweiligen Verfahrensgebühren abgegolten. Alle darüber hinausgehenden Tätigkeiten werden mit der jeweiligen Verfahrensgebühr abgegolten. Diese entsteht daher im Zweifel immer auch neben der Grundgebühr (s. auch N.Schneider AGS 2005, 160). Nur in seltenen Ausnahmefällen wird es nicht zur Verfahrensgebühr kommen, so z.B., wenn der Mandant das Mandat alsbald nach der Beauftragung kündigt und der Rechtsanwalt, wie z.B. bei einer telefonischen Mandatierung, noch keine über den Abgeltungsbereich der Nr. 4100 VV RVG hinausgehende Tätigkeiten erbracht hat.
Für die Gebührenhöhe sind neben der Dauer des ersten Gesprächs sicherlich der Umfang der Akte, in die der Rechtsanwalt Einsicht nehmen muss, und auch der Umfang des Prozessstoffs, in den er sich einarbeitet, von Belang (N.Schneider, AnwKomm, Nr. 4100-4101, Rn. 7; zur Bemessung s. auch KG, Beschl. v. 9. 8. 2005, 3 Ws 359/05, http:://www.burhoff.de) Die Frage der Ordnung des Gerichts bleibt hingegen bei der Bemessung der konkreten Gebühr außer Betracht. Der von der Grundgebühr honorierte Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts ist - so auch die Gesetzesbegründung - nämlich weitgehend unabhängig von der (späteren) Gerichtszuständigkeit (vgl. BT-Dr. 15/1971, a.a.O.; Burhoff/Burhoff, Nr. 4100 Rn. 21).
Zur (neuen) Vernehmungsterminsgebühr ist auf folgendes hinzuweisen: Die Gebühr entsteht grundsätzlich nur, wenn der Rechtsanwalt an einem Termin i.e.S. teilgenommen hat. Das wird i.d.R. seine körperliche Anwesenheit voraussetzen. Die Gebühr entsteht also nicht, wenn der Verteidiger zum Zeitpunkt des bestimmten Vernehmungstermin bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft anruft (so aber Madert AGS 2005, 277; s. dazu auch BT-Dr. 15/1971, S. 223). Etwas anderes kann gelten, wenn eine "Videokonferenz" vereinbart ist (s. auch Burhoff/Burhoff, Nr. 4102 VV RVG Rn. 32 für die Gebühr nach Nr. 4102 Ziff. 4). Für die Gebühr nach Nr. 4102 Ziff. 3 VV RVG ist nicht nur die Anwesenheit des Rechtsanwalts erforderlich, sondern zusätzlich auch, dass im Hafttermin "verhandelt" worden ist. Insoweit ist es aber nach Auffassung des LG Düsseldorf ausreichend, wenn vor der Aufruf der Sache zur Haftbefehlsverkündung längere und auch eingehende sachbezogene Erörterungen, u.a. zu den Möglichkeiten einer Verfahrensbeschleunigung, zu den Untersuchungshaftbedingungen und dergleichen stattgefunden haben, um die Gebühr Nr. 4102 Ziff. 3 VV RVG entstehen zu lassen (LG Düsseldorf, Beschl. v. 25. 3. 2005, Qs 9/05, www.burhoff.de). Bei der Abrechnung ist nach Auffassung des KG hinsichtlich der Gebührenhöhe zu berücksichtigen, dass die Beschränkung der Gebühr durch S. 2 der Anmerkung nicht generell dazu führt, dass in Fällen mit nur einem einzigen Haftprüfungstermin nur eine weit unterhalb des Mittelwerts liegende Gebühr gerechtfertigt ist (KG, Beschl. v. 9. 8. 2005, 3 Ws 59/05, www.burhoff.de), wenn es sich um einen im Übrigen nur durchschnittlichen Termin handle (dahin tendierend aber N.Schneider, Anwkomm, VV 4102-4103, Rn. 11). Das KG sieht das Gewicht der Bestimmung vielmehr bei ihrer gesetzgeberisch gewollten Funktion, nämlich zu verhindern, dass Termine nur aus Gebühreninteresse des Rechtsanwalts herbeigeführt werden. Demgemäß stellt es auf die Besonderheiten des Einzelfalls ab (KG, a.a.O.). Die Gebührenvorschrift Nr. 4102 VV RVG ist nicht entsprechend auf andere in der Vorschrift nicht genannte Termine anwendbar (KG, Beschl. v. 30. 12. 2005, 4 Ws 160/05; www.burhoff.de, für Vorbereitungsgespräch zur Hauptverhandlung), A.A. N.Schneider, AnwKomm, Nr. 4102-4103, Rdnr. 4 für die Teilnahme an einer Durchsuchung). Die Beschränkung in Satz 2 der Anmerkung zu Nr. 4102 VV RVG ist im Übrigen so zu verstehen, dass die durchgeführten Termine nicht insgesamt, sondern für jeden Verfahrensabschnitt, in dem sie stattgefunden haben, gesondert zu addieren sind (KG, Beschl. v. 13. 1. 2006, 4 Ws 143/05, www.burhoff.de; s. auch Burhoff/Burhoff Nr. 4102 Rdnr. 43).
Die Verfahrensgebühr erhält der Rechtsanwalt "für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information" (vgl. allgemein zur Verfahrensgebühr Burhoff RVGreport 2004, 127; s. auch Burhoff/Burhoff, Vorbem. 4 Rn. 29 ff.). Die Verfahrensgebühr entsteht auch für den Rechtsanwalt, der zu Beginn der Hauptverhandlung zufällig im Gerichtssaal anwesend ist und sodann (im Strafbefehlsverfahren) zum Pflichtverteidiger bestellt wird. Dieser erhält nicht etwa nur die Grundgebühr und die Terminsgebühr (so aber OLG Koblenz AGS 2005, 158 mit zutreffender abl. Anm. von N.Schneider = Jurbüro 2005, 199; wie das OLG Koblenz auch AG Koblenz 2004, 448 mit ebenfalls abl. Anm. N.Schneider = RVGreport 2005, 469 m. abl. Anm. Hansens). Von der Systematik her ist es grundsätzlich nicht möglich, dass nur eine Grundgebühr und ggf. eine Terminsgebühr entsteht (N.Schneider AGS 2005, 160).
Durch die gerichtlichen Verfahrensgebühren (Nr. 4106, 4112 usw. VV RVG) abgegolten wird auch die allgemeine Vorbereitung der Hauptverhandlung (OLG Jena StraFo 2005, 172 = Rpfleger 2005, 276 = JurBüro 2005, 258-259 = RVGreport 2005, 103; vgl. auch BT-Dr. 15/1971, S. 220; Burhoff/Burhoff, Vorbem. 4 Rn. 55; krit. Enders JurBüro 2005, 34). Nicht erfasst wird hingegen von der Verfahrensgebühr die Teilnahme am Hauptverhandlungstermin und auch nicht die konkrete Vorbereitung des Termins (vgl. dazu OLG Jena StraFo 2005, 172 = Rpfleger 2005, 276 = JurBüro 2005, 258-259 = RVGreport 2005, 103; so auch Burhoff/Burhoff, Vorbem. 4 Rn. 34.). Die insoweit anfallenden Tätigkeiten werden vielmehr von der jeweiligen Terminsgebühr erfasst. Dort ist ihre systematisch richtige Ansiedlung (a.A. N.Schneider AGS 2004, 485; krit. insoweit Enders JurBüro 2005, 34). Anderenfalls würde ggf. die Verfahrensgebühr mit zu viel Tätigkeiten überfrachtet, so dass die anwaltlich Tätigkeit kaum noch angemessen honoriert werden könnte (zur Bemessung s. auch KG, Beschl. v. 9. 8. 2005, 3 Ws 59/05, www.burhoff.de).
Die Terminsgebühr erhält der Rechtsanwalt nach Vorbem. 4 Abs. 3 VV RVG für die Teilnahme an gerichtlichen Terminen (zur Terminsgebühr allgemein Burhoff/Burhoff, Vorbem. 4 Rn. 51 ff.). Neben der Teilnahme an der Hauptverhandlung erfasst die Terminsgebühr aber auch sonstige mit dem jeweiligen Termin in Zusammenhang stehende Tätigkeiten, wie z.B. die konkrete Vorbereitung dieses Termins (vgl. auch OLG Jena, a.a.O.). Wesentliches Kriterium für die konkrete Bemessung der Gebühr ist die Terminsdauer (Burhoff/Burhoff, Vorbem. 4 VV RVG Rn. 58; AG Trier RVGreport 2005, 271.), wobei Wartezeiten und Pausen grds. zu berücksichtigen sind (KG, Beschl. v. 9. 8. 2005, 3 Ws 59/05, www.burhoff.de, vgl. auch die nachstehenden Rechtsprechungsnachweise zum "Längenzuschlag".). Die Terminsdauer ist aber nicht das einzige Kriterium (a.A. AG Koblenz AGS 2004, 484; ihm folgend N.Schneider AGS 2004, 485). Vielmehr ist auch die Vorbereitung des (konkreten) Hauptverhandlungstermins zu berücksichtigen (s.o. V.). Eine umfangreiche Vorbereitung der Hauptverhandlung kann also eine überdurchschnittliche Hauptverhandlungsgebühr rechtfertigen, auch wenn die Kriterien für die Hauptverhandlung selbst nur unterdurchschnittlich sind (a.A. N.Schneider, a.a.O.). Das folgt auch schon aus dem Rechtsgedanken der Vorbem. 4 Abs. 3 S. 2 VV RVG. Vom KG (KG, a.a.O.) ist eine Terminsdauer von 6 Stunden und 26 Minuten als überdurchschnittlich angesehen worden. Zur Begründung hat es auf die für den Pflichtverteidiger geltenden sog. Längenzuschläge (vgl. dazu unten VI,2) verwiesen. Die dort gewählten Zeitstufen geben nach Auffassung des KG Hilfestellung für die Einordnung im Gebührenrahmen der Terminsgebühren auch des Wahlverteidigers (vgl. Burhoff/Burhoff, Vorbem. 4 Rn. 59). Das spreche dafür, auch beim Wahlverteidiger in einer 5 Stunden überschreitenden Terminsteilnahme eine überdurchschnittliche Inanspruchnahme zu erblicken, die sich in der Höhe des Gebührenansatzes niederschlagen müsse (vgl. Burhoff/Burhoff, Vorbem. 4 Rn. 61).
Erhebliche Schwierigkeiten bestehen in der Praxis mit der Anwendung der neuen Längenzuschläge für den Pflichtverteidiger, die dieser zur (Hauptverhandlungs)Terminsgebühr erhält, wenn diese mehr als fünf bis zu acht bzw. mehr als acht Stunden gedauert hat (vgl. die Nrn. 4110, 4111, 4116, 4117, 4122, 4123, 4128, 4129, 4134, 4135 VV RVG). Streit herrscht in der Frage, ob Wartezeiten des Verteidigers vor bzw. während der Hauptverhandlung zu berücksichtigen sind bzw. ob Pausen von der Hauptverhandlungszeit abgezogen werden müssen. Die dazu inzwischen vorliegende obergerichtliche Rechtsprechung lässt sich wie folgt zusammenfassen (eingehend zu dieser Problematik Burhoff, Der Längenzuschlag auf die Terminsgebühr für den Pflichtverteidiger, RVGreport 2006, 1): Bei der Berechnung der Dauer der HV werden Wartezeiten mitgerechnet (vgl. OLG Hamm RVGreport 2005, 351; OLG Karlsruhe RVGreport 2005, 315; KG RVGreport 2006, 33; LG Berlin, Beschl. v. 23. 8. 2005, 534-16/05; OLG Bamberg, Beschl. v. 13. 9. 2005, Ws 676/05; KG, Beschl. v. 8. 11. 2005, 4 Ws 127/05; LG Düsseldorf, Beschl. v. 25. 3. 2005, I Qs 9/05; alle www.burhoff.de; aus der Literatur s. u.a. Burhoff/Burhoff, Nr. 4110 VV RVG Rdnr. 8 ff.; Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., VV 4110, 4111 Rdnr. 1; Riedel/Sußbauer/Schmahl, RVG, 9.Aufl., VV Teil 4 Abschnitt 1, Rn. 64). Maßgeblich für den Beginn der Zeitberechnung ist also der Zeitpunkt der Ladung, wenn der Rechtsanwalt zu diesem Zeitpunkt erschienen ist. Die Frage, ob Pausen abgezogen werden, wird nicht ganz einheitlich beantwortet. Einigkeit besteht, dass kürzere Pausen - "zur Vermeidung einer kleinlichen Handhabung der Vorschrift (OLG Bamberg, a.a.O.) - nicht abgezogen werden (so auch OLG Stuttgart und KG, jeweils a.a.O.). Längere Pausen will das OLG Bamberg hingegen abziehen (vgl. OLG Bamberg, a.a.O.), während das OLG Stuttgart (OLG Stuttgart, a.a.O.) und das KG (KG, a.a.O.) zutreffend darauf abstellen, ob und wie der Rechtsanwalt die freie Zeit sinnvoll hat nutzen können. Nach Auffassung des OLG Stuttgart (OLG Stuttgart, a.a.O.) ist im Übrigen dem Rechtsanwalt immer auch eine angemessene Mittagspause zuzubilligen. Dem muss man sich im Hinblick auf den mit der gesetzlichen Neuregelung verfolgten Zweck der Verfahrensvereinfachung (BT-Dr. 15/1972, S. 221) anschließen.
Nr. 4141 VV RVG hat die frühere Regelung in § 84 Abs. 2 BRAGO weitgehend übernommen: Erforderlich für das Entstehen der Gebühr ist nach wie vor eine anwaltliche Mitwirkung. Diese muss aber nicht bedeutend sein (LG Göttingen, Beschl. v. 20. 12. 2005, 2 KLs 4/05, www.burhoff.de, zugleich auch zur Mitwirkung bei der Rücknahme). Diese weitgehende Übereinstimmung mit dem früheren § 84 Abs. 2 BRAGO bedeutet, dass für die Anwendung und Auslegung der Vorschrift die dazu vorliegenden Literatur und Rechtsprechung übernommen werden kann (Burhoff/Burhoff, Nr. 4141 Rn. 4). Neu ist, dass die Gebühr nach Nr. 4141 Abs. 1 Ziff. 3 VV RVG auch entsteht, wenn die Revision zurückgenommen wird. Ist Hauptverhandlung anberaumt, gilt die gleiche zeitliche 2-Wochen-Grenze wie bei der Rücknahme des Einspruchs gegen den Strafbefehl oder der Rücknahme der Berufung. Es ist aber für das Entstehen der Gebühr nicht erforderlich, dass Revisionshauptverhandlungstermin anberaumt ist (Burhoff/Burhoff, Nr. 4141 Rn. 37, a.A. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 17. 5. 2005, 1 Ws 164/05, www.burhoff.de). Die a.A. Auffassung des OLG Zweibrücken (OLG Zweibrücken, a.a.O.) ist abzulehnen. Sie steht nicht im Einklang mit dem eindeutigen Wortlaut der Nr. 4141 Ziff. 3 VV RVG und lässt sich auch nicht mit einer erforderlichen "restriktiven Auslegung rechtfertigen. Nach Auffassung des KG (vgl. KG JurBüro 2005, 533 = AGS 2005, 434 m. Anm. Schneider AGS 2005, 435 = RVGreport 2005, 352; www.burhoff.de.) soll die Gebühr Nr. 4141 VV RVG im Revisionsverfahren durch die Rücknahme dann nicht entstehen, wenn die Revision nicht zuvor begründet worden ist (a.A. zutreffend OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12. 9. 2005, III-1 Ws 288/05, www.burhoff.de). Dann sei eine "Mitwirkung" des Verteidigers nicht feststellbar. Diese Auffassung ist nur bedingt richtig. In dem Zusammenhang kann dem Verteidiger nur empfohlen werden, auf jeden Fall sofort bei Einlegung des Rechtsmittels dieses auch, und zwar zumindest mit der allgemeinen Sachrüge, zu begründen. Dann kann die fehlende Begründung - auch nach Auffassung des KG - dem Entstehen der Befriedungsgebühr Nr. 4141 Ziff. 3 VV RVG nicht entgegengehalten werden.
Nach Anmerkung 3 Satz 1 zu Nr. 4141 VV RVG bemisst sich die Befriedungsgebühr der Höhe nach nach dem Rechtzug, in dem die Hauptverhandlung vermieden worden ist (vgl. dazu Burhoff, Wie berechnet sich die zusätzliche Gebühr der Nr. 4141 VV bei Einstellung im vorbereitenden Verfahren?, AGS 4004, 434.). Für den Wahlanwalt ist ausdrücklich bestimmt, dass für ihn (immer) die Mittelgebühr anfällt (Nr. 4141 Anm. 3 S. 2 VV RVG) (Burhoff/Burhoff, Nr. 4141 Rn. 41; N.Schneider in Hansens/Braun/Schneider, Teil 14 Rn. 511.). Es handelt sich also um eine Festgebühr. Die a.A. des AG Viechtach/LG Deggendorf (a.A. AG Viechtach/LG Deggendorf RVGreport 2005, 431 = AGS 2005, 504 m. Anm. Schneider AGS 2005, 505; www.burhoff.de.), wobei auch insoweit die Kriterien des § 14 RVG Anwendung finden müssen, ist unzutreffend (vgl. dazu eingehend Burhoff, Sind die Befriedungsgebühren Nr. 4114 VV RVG bzw. Nr. 5115 VV RVG Festgebühren?, RVGreport 2005, 401).
Die Tätigkeiten des Rechtsanwalts im Hinblick auf Einziehung und verwandte Maßnahmen werden nun in Nr. 4142 VV RVG vergütet (früher § 88 BRAGO). Diese sieht als Wertgebühr eine besondere Verfahrensgebühr vor, wenn der Rechtsanwalt bei Einziehung und verwandten Maßnahmen (§ 442 StPO) eine darauf bezogene Tätigkeit für den Beschuldigten ausübt (Nr. 4142 Anm. 1 VV RVG). Die Gebühr entsteht nach Nr. 4142 Anm. 3 VV RVG für das Verfahren erster Instanz einschließlich des vorbereitenden Verfahrens und für jeden weiteren Rechtszug, also bis zu dreimal.
Für die Anwendung der Gebühr, die im Übrigen auch dem Pflichtverteidiger zusteht, ist der Wortlaut zu beachten. Ausreichend ist eine Tätigkeit, "die sich auf die Einziehung, dieser gleichstehende Rechte ... bezieht". Die Gebühr erfasst also jede im Hinblick auf die Einziehung erbrachte Tätigkeit. Es genügt, dass die Einziehung nach Lage der Sache (nur) in Betracht kommt. Die Einziehung muss nicht etwa ausdrücklich beantragt worden sein (LG Berlin RVGreport 2005, 193). Darunter fällt auch, wenn sich der Verteidiger in der Hauptverhandlung mit der außergerichtlichen Einziehung einverstanden erklärt oder der Verteidiger den Angeklagten nur über die außergerichtliche Einziehung berät (KG RVGreport 2005, 390 = NStZ-RR 2005, 358 = JurBüro 2005, 531 = Rpfleger 2005, 698; www.burhoff.de.).
Die Höhe der Gebühr der Nr. 4142 VV RVG richtet sich nach dem Gegenstandswert, der ggf. nach § 33 RVG festzusetzen ist. Für die Praxis von Bedeutung sind in dem Zusammenhang die Entscheidungen des KG und des LG Göttingen (LG Göttingen, Beschl. v. 12. 10. 2005; 2 KLs 20/05; www.burhoff.de). Danach ist der Gegenstandswert der objektive Verkehrswert der Sache. Der Wert des bei einem Angeklagten zwecks Einziehung sichergestellten Rauschgifts ist daher nicht zu berücksichtigen (KG, a.a.O.; LG Göttingen, a.a.O.). Wird ein Geldbetrag, z.B. Dealgeld, eingezogen bzw. für verfallen erklärt, ist der Nennbetrag maßgeblich (KG, a.a.O.).
Die Gebühren des Strafverteidigers in der Strafvollstreckung, die in der BRAGO überhaupt nicht erfasst waren, sind in Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG geregelt. (Vorab)Entscheidend ist auch hier zunächst die Abgrenzung von den Einzeltätigkeiten. Maßgeblich für die Abgrenzung von der Einzeltätigkeit ist beim Wahlanwalt der Umfang des erteilten Auftrags und beim Pflichtverteidiger der der gerichtlichen Beiordnung. Auch hier ist grundsätzlich von voller Vertretung bzw. Beiordnung auszugehen, i.d.R. wird der Auftrag bzw. die Beiordnung daher nicht nur für einen einzelnen Termin oder zur Fertigung eines bestimmten Schriftsatzes erteilt/erfolgen (so zutreffend OLG Schleswig RVGreport 2005, 70 = AGS 2005, 120 = JurBüro 2005, 25; OLG Frankfurt NStZ-RR 2005, 253; KG RVGreport 2005, 102 = NStZ-RR 2005, 127 = JurBüro 2005, 251 = AGS 2005, 393). Jedes einzelne Vollstreckungsverfahren stellt eine gesonderte Angelegenheit i.S. von § 15 RVG dar. In mehreren zeitlich aufeinander folgenden Widerrufsverfahren entstehen die Gebühren daher immer wieder neu (N.Schneider in Hansens/Braun/Schneider, Teil 14 Rn. 924). Entsprechendes gilt für die Überprüfungsverfahren nach § 67e StGB (OLG Schleswig, a.a.O.; s. dazu auch KG, a.a.O.).
Es entstehen Verfahrens- und ggf. Terminsgebühr (Nr. 4200 ff, 4204 ff. VV RVG), und zwar mit Zuschlag, wenn der Mandant in Haft ist. Wenn der Rechtsanwalt erst im Strafvollstreckungsverfahren mit der Verteidigung beauftragt wird, erhält er keine Grundgebühr (OLG Schleswig RVGreport 2005, 70, www.burhoff.de). In Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG ist eine solche nicht vorgesehen. Die Systematik des VV RVG verbietet den Rückgriff auf die Grundgebühr der Nr. 4100 VV RVG. Der Verteidiger erhält allerdings in den Verfahren der Strafvollstreckung im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung in der Hauptsache die Gebühren besonders (Vorbem. 4.2 VV RVG) (OLG Frankfurt, a.a.O.; OLG Schleswig AGS 2005, 444). Die insoweit erbrachten Tätigkeiten sind also nicht wie sonst das strafrechtliche Beschwerdeverfahren durch den Pauschgebührencharakter der Gebühren im Ausgangsverfahren mitabgegolten.
Nach wie vor ist es nach § 51 Abs. 1 S. 1 RVG für die Bewilligung einer Pauschgebühr ausreichend, wenn das Verfahren entweder "besonders schwierig" oder "besonders umfangreich" gewesen ist. Neu ist allerdings, dass die dem Rechtsanwalt zustehenden gesetzlichen Gebühren im Hinblick auf den besonderen Charakter des Verfahrens "nicht zumutbar" sein müssen. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Änderung den Ausnahmecharakter, den die Pauschgebühr nach RVG haben soll (vgl. BT-Dr. 15/9171, S. 201 f), zum Ausdruck bringen. Das OLG Hamm hat inzwischen zu dem neu in § 51 Abs. 1 RVG aufgenommenen Merkmal der "Zumutbarkeit" Stellung genommen (OLG Hamm StraFo 2005, 173 = AGS 2005, 112; noch weitgehend offen gelassen OLG Hamm, StraFo 2005, 130 = Rpfleger 2005, 214 = JurBüro 2005, 196 = AGS 2005, 117 = RVGreport 2005, 68; OLG Karlsruhe RVGreport 2005, 315; vgl. auch Burhoff/Burhoff, § 51 Rn. 23 ff.). Danach sind die Voraussetzungen der Unzumutbarkeit" i.S. des § 51 Abs. 1 S. 1 RVG zumindest immer dann zu bejahen, wenn das Verfahren bzw. der Verfahrensabschnitt sowohl als besonders schwierig" als auch als besonders umfangreich" anzusehen ist (zur Zumutbarkeit s. auch OLG Karlsruhe RVGreport 2005, 315 = NStZ-RR 2005, 286). Das OLG hat zudem entschieden, dass jedenfalls dann, wenn der Rechtsanwalt entscheidend zur Abkürzung des Verfahrens beigetragen hat, nach wie vor ein großzügiger Maßstab bei der Bewilligung der Pauschgebühr heranzuziehen. Anderenfalls würden sich die Justizbehörden - so das OLG Hamm - widersprüchlich verhalten (OLG Hamm StraFo 2005, 173 = AGS 2005, 112). Anders als das OLG Hamm betont das OLG Frankfurt (OLG Frankfurt, Beschl. v. 14. 12. 2005, 2 ARs 154/05, www.burhoff.de) unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG zu § 99 BRAGO (BVerfGE 67, 237) den besonderen Ausnahmecharakter und will die Pauschgebühr offenbar nur noch in extremen Ausnahmefällen gewähren.
Allgemein ist darauf hinzuweisen, dass in das Vergütungsverzeichnis des RVG neue Gebührentatbestände aufgenommen worden sind, bei denen die zugrunde liegenden Tätigkeiten in der Vergangenheit häufig von den Oberlandesgerichten bei der Bewilligung einer Pauschvergütung berücksichtigt worden sind. Das gilt z.B. für die Teilnahme an Vernehmungen im Ermittlungsverfahren oder für die Teilnahme an Haftprüfungsterminen (vgl. Nr. 4102 VV RVG). Da für diese Tätigkeiten dem Pflichtverteidiger nun ein gesetzlicher Gebührenanspruch zusteht, werden sie nur noch in Ausnahmefällen (auch) bei der Bewilligung einer Pauschvergütung Berücksichtigung finden können. Das wird z.B. bei außergewöhnlich langen Vernehmungen im Ermittlungsverfahren der Fall sein (vgl. dazu BT-Dr. 15/1971, S. 201). Zudem sieht das Vergütungsverzeichnis für den Pflichtverteidiger die o.a. Längenzuschläge zu den (Hauptverhandlungs)Terminsgebühren vor. Damit steht (auch) die Dauer der Hauptverhandlungstermine als Zeitmoment, das bislang von den Oberlandesgerichten auch wesentlich für die Bewilligung einer Pauschvergütung war, wohl nur noch in Ausnahmefällen zur Verfügung (vgl. dazu OLG Hamm StraFo 2005, 263; inzwischen st.Rspr. des OLG).
Darüber hinaus haben einige OLG bereits zu den weiteren Voraussetzungen der Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 RVG Stellung genommen (OLG Hamm StraFo 2005, 130 = Rpfleger 2005, 214 = JurBüro 2005, 196 = AGS 2005, 117 = RVGreport 2005, 68; OLG Jena StraFo 2005 = Rpfleger 2005, 276 = JurBüro 2005, 258-259 = RVGreport 2005, 103; OLG Celle AGS 2005, 393; OLG Karlsruhe RVGreport 2005, 315). Insoweit gilt: Zur Frage, wann ein Verfahren "besonders schwierig" ist, hält das OLG Hamm an seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 99 Abs. 1 BRAGO fest (vgl. dazu auch OLG Celle, a.a.O.). Das RVG hat insoweit keine Änderung gebracht (vgl. Burhoff/Burhoff, § 51 Rn. 18; zu § 99 BRAGO; Burhoff StraFo 1999, 261, 264). Danach ist nach wie vor grundsätzlich die Einschätzung des Vorsitzenden maßgebend (dazu grundlegend OLG Hamm AnwBl. 1998, 416 = AGS 1998, 104; JurBüro 1999, 194 = AGS 1999, 104 = AnwBl. 2000, 56). Zur Einordnung von Wirtschaftsstrafverfahren als "besonders schwierig" sind die bisher zu § 99 Abs. 1 BRAGO entwickelten Kriterien für Schwurgerichtsverfahren anwendbar (OLG Hamm NJW 2006, 74, www.burhoff.de).
Auch hinsichtlich des besonderen Umfangs halten die Obergerichte, da die Formulierung des § 51 Abs. 1 RVG dem bisherigen § 99 Abs. 1 BRAGO entspricht, die bisherigen Rechtsprechung zum "besonderen Umfang" weitgehend für weiter anwendbar. Allerdings muss diese jeweils sorgfältig darauf untersucht werden, inwieweit Tätigkeiten, für die das RVG einen besonderen Gebührentatbestand geschaffen hat, jeweils für die Annahme des "besonderen Umfangs" mitbestimmend gewesen sind (vgl. dazu OLG Hamm StraFo 2005, 263; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23. 8. 2005, 1 AR 35/05; OLG Celle StraFo 2005, 273 = RVGreport 2005, 142, alle www.burhoff.de; vgl. im Übrigen Burhoff/Burhoff, § 51 RVG Rn. 11.). Bei der Prüfung, ob ein Anspruch auf eine Pauschgebühr nach § 51 RVG besteht, ist im Übrigen hinsichtlich der besonderen Umfangs regelmäßig zunächst zu untersuchen inwieweit die anwaltlichen Tätigkeit hinsichtlich einzelner Verfahrensabschnitte zu berücksichtigen ist. Darüber hinaus kann aber auch noch eine pauschale Betrachtung in Betracht kommen (inzwischen st.Rspr. des OLG Hamm, vgl, dazu grundlegend OLG Hamm StraFo 2005, 173 = AGS 2005, 112, vgl. dazu auch OLG Jena und OLG Celle, jeweils a.a.O.). Das OLG Hamm hat an seiner Rechtsprechung festgehalten, wonach die intensive Vorbereitung der Hauptverhandlung, die zu einer Verkürzung der Hauptverhandlung führt, bei der Bewilligung einer Pauschgebühr zu berücksichtigen ist (OLG Hamm, StraFo 2005, 130 = Rpfleger 2005, 214 = JurBüro 2005, 196 = AGS 2005, 117 = RVGreport 2005, 68; OLG Hamm NJW 2006, 75; ähnlich OLG Karlsruhe RVGreport 2005, 315= NStZ-RR 2005, 286). Ebenso finden auch verfahrensabkürzende Besprechungen Berücksichtigung (OLG Karlsruhe, a.a.O.). Die Gewährung einer Pauschvergütung für das Vorverfahren kann zudem angezeigt sein, wenn für mehrere Besuche des Angeklagten in der Haftanstalt ein Zeitaufwand von etwa sechzehn Stunden erforderlich gewesen ist (OLG Hamm, Beschl. v. 12. 09. 2005, 2 (s) Sbd. VIII 188/05; s. aber auch OLG Hamm, Beschl. v. 07. 09. 2005, 2 (s) Sbd. VIII 150/05 (auch zur Darlegungspflicht); jeweils www.burhoff.de). Entsprechendes gilt, wenn für mehrere Besuche des Angeklagten in der Haftanstalt ein Zeitaufwand von etwa zehn Stunden erforderlich gewesen ist und die Verständigung mit dem Angeklagten nur mit einem Dolmetscher möglich war (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23. 8. 2005, 1 AR 35/05). Schließlich hat das OLG Hamm hinsichtlich der Berücksichtigung von Fahrtzeiten ebenfalls an seiner bisherigen Rspr. festgehalten (OLG Hamm, StraFo 2005, 130 = Rpfleger 2005, 214 = JurBüro 2005, 196 = AGS 2005, 117 = RVGreport 2005, 68; www.burhoff.de; vgl. zu § 99 BRAGO zuletzt RVGreport 2005, 70 m.w.N.), eben so das OLG Celle (OLG Celle, a.a.O.; vgl. dazu auch OLG Jena, Beschl. v. 26. 8. 2005, 1 ARs 51/05, www.burhoff.de). Der BGH hat im Übrigen bei der Feststellung einer Pauschgebühr nach § 42 RVG - allerdings ohne nähere Darlegungen - dann, wenn sich der Pflichtverteidiger nicht nur mit einer bedeutsamen Verfahrensrüge befassen musste, sondern vor allem auch mit mehreren Mordmerkmalen bei verschiedenen Sachverhaltsalternativen, eine Pauschvergütung in Höhe von 1.000 für angemessen gehalten (BGH RVGreport 2005, 345 = 439; www.burhoff.de; zur Höhe s. auch noch BGH, Beschl. v. 22. 7. 2005, 1 StR 84/05 (Doppelte der Wahlverteidigerhöchstgebühr); zur Höhe der Pauschgebühr in einer Staatsschutzsache BayObLG, Beschl. v. 17. 11. 2005, 6 St RR 6/04; www.burhoff.de).
Hinzuweisen ist schließlich noch auf Folgendes: Sind in einem Verfahren mehrere Pflichtverteidiger tätig, von denen der eine seine gesetzlichen Gebühren nach der BRAGO erhält, der andere aber schon nach RVG, lässt sich eine höhere als die nach der BRAGO angemessene Pauschgebühr für den Rechtsanwalt, der nach BRAGO abrechnet, nicht damit begründen, dass sein Mitverteidiger insgesamt nach dem RVG abrechnet und ihm damit für die gleiche Tätigkeit höhere Gebühren zustehen (OLG Hamm RVGreport 2005, 419). Kommt für die Abrechnung der Pflichtverteidigertätigkeit in erster Instanz die BRAGO zur Anwendung, für die Tätigkeit in zweiter Instanz aber das RVG, so findet keine Kompensation statt. Der Vertreter der Staatskasse kann nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Tätigkeiten des Rechtsanwalts in der ersten Instanz zwar überdurchschnittlich seien, jedoch durch die nur unterdurchschnittlichen Tätigkeiten in der zweiten Instanz und die dort entstandenen hohen Gebühren kompensiert würden (OLG Hamm RVGreport 200 2005, 263 = JurBüro 2005, 537 = AGS 2005, 440).
Nach § 51 Abs. 1 S. 4 RVG steht dem Pflichtverteidigers ein gesetzlicher Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Vorschusses auf die Pauschgebühr zu. Das RVG macht die Gewährung eines Vorschusses auf eine Pauschvergütung davon abhängig, dass dem Pflichtverteidiger "insbesondere wegen der langen Dauer des Verfahrens und der Höhe der zu erwartenden Pauschgebühr nicht zugemutet werden kann, die Festsetzung der Pauschgebühr abzuwarten. Die Gesetzesbegründung geht davon aus, dass die Pauschgebühr bereits "deutlich" über den gesetzlichen Gebühren liegen muss (dazu Burhoff/Burhoff, § 51 58 ff; vgl. auch BT-Dr. 15/1971, S. 202). Zum Vorschuss hat inzwischen das BVerfG bereits in seiner Entscheidung vom 23. 8. 2005 (BVerfG RVGreport 2005, 467, www.burhoff.de.) Stellung genommen. Danach kann die Zumutbarkeit des Wartens auf die endgültige Bewilligung der Festsetzung einer Pauschgebühr mit dem Hinweis auf den dem Pflichtverteidiger zustehenden Vorschuss auf die gesetzlichen Gebühren nach § 47 Abs. 1 RVG bejaht werden (so auch Burhoff/Burhoff, § 51 Rn. 60). Im Übrigen ist für die Bewilligung eines Vorschusses auf eine Pauschgebühr auf die Kriterien abzustellen, die die Rechtsprechung zum Vorschuss auf eine Pauschgebühr unter Geltung der BRAGo entwickelt hat (KG, Beschl. v. 16. 08. 2005, 4 ARs 26 u. 27/05; www.burhoff.de; vgl. dazu auch Burhoff/Burhoff, a.a.O.).
Für die Bewilligung der Pauschvergütung ist beim OLG der nach wie vor zuständige Strafsenat mit nur einem Richter besetzt (§ 51 Abs. 2 S. 4 RVG i.V.m. § 42 Abs. 3 RVG). Beim BGH entscheidet hingegen - anders als beim OLG - ausschließlich eine Spruchgruppe, die mit fünf Richtern besetzt ist (BGH RVGreport 2005, 345 = StraFo 2005, 439).
Erwartungsgemäß haben in der Praxis zunächst die Überleitungsvorschriften die größten Schwierigkeiten gemacht. Inzwischen nehmen die Veröffentlichungen zu den §§ 60, 61 RVG jedoch ab. Das Hauptproblem war die Anwendung des neuen Rechts in den Fällen, in den der Rechtsanwalt bereits vor dem 1. 7. 2004 als Wahlanwalt tätig war, Bestellung oder Beiordnung aber erst nach dem Stichtag erfolgten. Hier hat sich für den Bereich der Beiordnung des Pflichtverteidigers sehr schnell eine h.M. in der obergerichtlichen Rechtsprechung gebildet. Danach kommt es kommt es allein auf den Zeitpunkt der Beiordnung an. Ist der Rechtsanwalt vor dem 1. 7. 2004 bestellt worden, berechnen sich die gesetzlichen Gebühren gem. § 61 Abs. 1 S. 1 Fall 2 RVG nach der BRAGO. Erfolgte die Bestellung hingegen nach dem 1. 7. 2004, ist das RVG anwendbar, und zwar auch dann, wenn der Rechtsanwalt den Auftrag zur Wahlverteidigung vor dem 1. 7. 2004 erhalten hat (vgl. u.a. KG RVGreport 2005, 100 u. 186; OLG Bamberg RVGreport 2005, 260; OLG Hamm RVGreport 2005, 68; OLG Celle RVGreport 2005, 142; OLG Jena und OLG Frankfurt, beide RVGreport 2005, 221; OLG Schleswig RVGreport 2005, 29; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19. 07. 2005, 2 Ws 231/05; z.T. www.burhoff.de; a.A. soweit ersichtlich nur OLG Nürnberg RVGreport 2005, 304; LG Berlin RVGreport 2005, 30 m. abl. Anm. Hansens; aus der Lit. Burhoff/Volpert, ABC-Teil, Übergangsvorschriften (§ 60 f.), Rn. 28; Gerold u.a., § 60 RVG Rn. 18; Goebel/Gottwald, RVG, § 61 Rn. 32; Bischoff/Jungbauer, RVG, § 61 RVG, Rn. 27, N.Schneider, in Hansens/Braun/Schneider, Teil 19, Rn. 57; Hansens RVGreport 2004, 10, 13 f., Volpert RVGreport 2004, 296, 298). Das gilt auch für den (beigeordneten) Zeugenbeistand (KG RVGreport 2005, 341 = StraFo 2005, 439 = NStZ-RR 2005, 358 = Rpfleger 2005, 694; www.burhoff.de). Abzustellen ist insoweit auf den Zeitpunkt, zu dem der Vorsitzende die Verfügung über die Bestellung des Pflichtverteidigers unterschrieben hat, nicht auf den Zeitpunkt des Zugangs der Verfügung beim Verteidiger (OLG Hamm RVGreport 2005, 261 = StraFo 2005, 351 = NStZ-RR 2005, 286; ebenso aber mit anderer Begründung KG NJW 2005, 3655 = AGS 2005, 554 = RVGreport 2006, 24). Ist der Rechtsanwalt als Nebenklägerbeistand tätig (gewesen), gilt: Der nach dem 30. 6. 2004 gem. § 397a Abs. 1 StPO bestellte Nebenklägervertreter, der vor dem Stichtag beauftragt worden ist, erhält seine Vergütung aus der Staatskasse nach der BRAGO und nicht nach dem RVG (OLG Köln RVGreport 2005, 141; KG RVGreport 2005, 262 in Abänderung von LG Berlin RVGreport 2005, 188; so auch ; KG, Beschl. v. 10. 8. 2005, 4 Ws 90/05; OLG Hamm RVGreport 2005, 419; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19. 08. 2005, III 1 Ws 208/05; a.A. OLG Brandenburg NStZ-RR 2005, 253; differenzierend LG Dessau, Beschl. v. 08. 06. 2005, 6 Ks 5/04, www.burhoff.de; LG Berlin RVGreport 2005, 188).
Für das Rechtsmittelverfahren ist in § 61 Abs. 1 S. 2 RVG die (misslungene) Regelung des § 134 Abs. 1 S. 2 BRAGO übernommen worden (zur Kritik an der Regelung des § 134 Abs. 1 S. 2 BRAGO vgl. z.B. N.Schneider, AnwKomm, BRAGO, § 134 Rn. 7 ff. m.w.N.; N.Schneider BRAGOreport 2002, 1 f.; Hansens, RVGreport 2004, 13). Anzuwenden ist auch insoweit die allgemeine Vorschrift des § 61 Abs. 1 S. 1 RVG. War der Rechtsanwalt bereits in der Vorinstanz tätig, kommt es darauf an, wann das Rechtsmittel eingelegt worden ist (s. auch OLG Frankfurt NStZ-RR 2005, 31 = RVGreport 2005, 28; Burhoff/Volpert, ABC-Teil, Übergangsvorschriften (§ 60 f.), Rn. 33 ff.). Richtet sich der Gebührenanspruch des Rechtsanwalts für die Vorinstanz noch nach BRAGO, für die Rechtsmittelinstanz hingegen nach dem RVG, so erhält er für die Rechtsmittelinstanz nicht auch die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG (KG RVGreport 2005, 343 = AGS 2005, 449; OLG Bamberg RVGreport 2005, 260 = AGS 2005, 401 m. Anm. Madert; LG Koblenz RVGreport 351; s. auch Schneider AGS 2005, 397; Jungbauer JurBüro 2005, 32; a.A. OLG Frankfurt NStZ-RR 2005, 31 = StV 2005, 76 = AGS 2005, 69 = NStZ 2005, 469; Madert AGS 2005, 239). Wird der Rechtsanwalt, der bereits vor dem 1. 7. 2004 als Pflichtverteidiger beigeordnet war, nach dem Stichtag auch noch für die Revisionshauptverhandlung zum Pflichtverteidiger bestellt, hat das auf die Anwendung der BRAGO auf das vorhergehende Verfahren keine Auswirkungen (OLG Hamm NStZ-RR-2006, 32 [Ls.], www.burhoff.de).
Wenn ein nach dem 1. 7. 2004 zum Pflichtverteidiger bestellter Rechtsanwalt, der zuvor als Wahlverteidiger tätig war, nach dem Freispruch seines Mandanten im Strafverfahren den abgetretenen Kostenerstattungsanspruch des Mandanten gegen die Landeskasse im Wege der Kostenfestsetzung geltend macht, bestimmt sich die erstattungsfähige Vergütung nach der BRAGO (RVGreport 2005, 234; a.A. OLG Celle RVGreport 2005, 277 = NStZ-RR 2005, 286; www.burhoff.de).
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