aus Verkehrsrecht Aktuell (VA) 2000, 77 ff.
(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "VA" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "VA" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)
Hat sich das OWi-Verfahren bis zum endgültigen amtsgerichtlichen Urteil länger hingezogen, stellt sich die Frage, ob die Verhängung eines Fahrverbots überhaupt noch gerechtfertigt ist. Dieses Problem stellt sich in der Praxis insbesondere dann, wenn ein amtsgerichtliches Urteil durch das OLG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen worden ist. In diesen Fällen liegen zwischen dem Verkehrsverstoß und der (neuen) Entscheidung des AG häufig ein oder zwei Jahre.
Als Verteidiger müssen Sie die zu diesem Problemkreis vorliegende Rechtsprechung kennen. Wir stellen sie Ihnen vor, damit Sie damit zu Gunsten Ihres Mandanten argumentieren können.
Argumentationsbasis
Ausgangspunkt Ihrer Argumentation sind die allgemeinen Grundlagen für die Verhängung eines Fahrverbots nach § 25 StVG i.V.m. der BKatVO:
Das Fahrverbot ist vom Gesetzgeber als "Denkzettel" für nachlässige und leichtsinnige Kraftfahrer vorgesehen, um den Täter vor einem Rückfall zu warnen und ihm ein Gefühl für den zeitweisen Verlust des Führerscheins und den Verzicht auf die aktive Teilnahme am Straßenverkehr zu vermitteln. Diese Warnungs- und Besinnungsfunktion kann das Fahrverbot auch im Hinblick auf seinen Strafcharakter aber nur erfüllen, wenn es sich in einem kurzen zeitlichen Abstand zur Tat auf den Täter auswirkt. Da das Fahrverbot in erster Linie spezialpräventiven Zwecken dient, kann es seinen Sinn verloren haben, wenn zwischen dem Verkehrsverstoß und Wirksamwerden der Anordnung des Fahrverbots ein längerer Zeitraum liegt (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.5.2000, 2 s Ss (OWi) 128/00 -(OWi) 39/00 III, MDR 2000, 829; BayObLG NZV 98, 82; OLG Köln, Beschl. v. 16.6.2000, Ss 241/00 B, NZV 2000, 430).
Die Rechtsprechung geht daher davon aus, dass es nach längerem Zeitablauf besonderer Umstände für die Annahme bedarf, dass zu einer nach wie vor erzieherischen Einwirkung auf den Täter auch jetzt noch die Verhängung eines Fahrverbots unbedingt notwendig ist (OLG Düsseldorf, aaO m.w.N.).
Zeitraum zwischen Tat und Ahndung | Gericht/Fundstelle | Besonderheiten? |
über 1 Jahr (13 Monate) | OLG Karlsruhe DAR 92, 437 | Die Entscheidung, vom Fahrverbot abzusehen, wird über den längeren Zeitraum hinaus auf weitere Umstände gestützt (rund 25 Jahre im Besitz der Fahrerlaubnis, ohne straßenverkehrsrechtlich in Erscheinung getreten zu sein, nur schwaches Verkehrsaufkommen, nach der Tat nicht erneut auffällig geworden). |
1 Jahr 9 Monate | OLG Köln (Ss 537/96) [B]) | zitiert bei OLG Köln NZV 2000, 217; |
erheblicher bzw. langer Zeitraum | BayObLG DAR 97, 115 = zfs 97, 75 BayObLG NZV 98, 83 | Keine Verhängung eines Fahrverbot, wenn in der Zwischenzeit kein weiteres Fehlverhalten im Straßenverkehr festgestellt worden ist; das BayObLG definiert allerdings nicht wann von einem erheblichen bzw. langen Zeitraum auszugehen ist. |
nahezu 2 Jahre bzw. 2 Jahre | OLG Düsseldorf NZV 93, 76 AG Ulm zfs 97, 155 | kein Fahrverbot, wenn nicht ganz besondere Umstände Hinweis: Entscheidung des OLG Düsseldorf ist zum vergleichbaren Fall des § 44 StGB ergangen; a.A. im übrigen insoweit LG Stuttgart NZV 93, 412. |
mehr als 2 Jahre | OLG Düsseldorf MDR 2000, 829 AG Schlüchtern zfs 96, 275 (2 Jahre und 4 Monate) | kein besonderer Umstand, der zur Verhängung eines Fahrverbotes führt, wenn der Betroffene seit der Tat zwar erneut im Straßenverkehr aufgefallen ist, dieser neue Verkehrsverstoß aber auch schon wieder lange (2 Jahre) zurückliegt (OLG Düsseldorf, a.a.O.). |
etwa 2 1/2 Jahre | OLG Köln NZV 2000, 217 = NJW 2000, 1966 [Ls.] | keine Berücksichtigung des langen Zeitraums, da dieser auch durch das prozessuale Verhalten des Betroffenen zurückzuführen war. |
3 Jahre | OLG Stuttgart zfs 98, 194 OLG Brandenburg zfs 97, 314 | während des Zeitraums beanstandungsfrei am Straßenverkehr teilgenommen. Im Fall des OLG Brandenburg hatte sich die endgültige Entscheidung aufgrund einer Vorlage an den BGH verzögert. |
Praxishinweise
Aus der Rechtsprechung lassen sich folgende Hinweise für die Praxis ableiten:
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