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aus Verkehrsrecht Aktuell (VA) 2000, 33

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "VA" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "VA" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Täteridentifizierung

Identifizierung des Betroffenen anhand eines Lichtbildes

In den vergangenen Jahren hatte sich zum Thema "Identifizierung des Betroffenen
anhand eines Lichtbildes" eine unterschiedliche OLG-Rechtsprechung entwickelt.
Gestritten wurde insbesondere darum, inwieweit die Entscheidungen des Tatrichters zur Identitätsfeststellung für die Rechtsbeschwerdegerichte verbindlich und welche Anforderungen an die Urteilsgründe zu stellen sind. Diese Frage hat der BGH schließlich am 19.12.95 geklärt (BGHSt 41, 376 = NJW 96, 1420 = NZV 96, 157 = DAR 96, 178). Danach müssen die Urteilsgründe so gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das vom Verkehrsverstoß gefertigte Foto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen. Dafür stehen dem Richter zwei Wege zur Verfügung, die in den Urteilsgründen unterschiedlich begründet werden müssen. Sie als Verteidiger müssen daher sorgfältig prüfen, welchen Weg das Tatgericht gewählt hat und ob die sich daraus ergebenden Anforderungen erfüllt sind. Damit Sie nichts übersehen, haben wir die erforderlichen Punkte nachfolgend zusammengefasst:

Kontroll-Liste "Täteridentifizierung anhand eines Lichtbildes"

Weg 1: Verweisung auf das Foto unter Bezugnahme

Der Amtsrichter hat zunächst die Möglichkeit, in den Urteilsgründen gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG auf das in der Akte befindliche Foto von dem Verkehrsverstoß Bezug zu nehmen. Auf Grund dieser Bezugnahme wird das Foto zum Bestandteil der Urteilsgründe (eingehend OLG Brandenburg DAR 98, 112; BayObLG DAR 98, 147; OLG Hamm NStZ-RR 98, 238 = VRS 95, 232). Das Rechtsbeschwerdegericht kann das Foto dann aus eigener Anschauung würdigen und ist daher auch in der Lage zu beurteilen, ob es als Grundlage einer Identifizierung überhaupt tauglich ist (OLG Karlsruhe DAR 95, 337).

Nimmt der Amtsrichter auf das in der Akte befindliche Foto Bezug, sind darüber hinausgehende Ausführungen zur Beschreibung des abgebildeten Fahrzeugführers entbehrlich. Es reicht aus, wenn er im Urteil nur mitteilt, dass es sich bei dem Foto um ein nach Aufnahmeort und -zeit näher bezeichnetes Radarfoto
handelt, das das Gesicht einer männlichen oder weiblichen Person zeigt. Es ist weder eine Auflistung der charakteristischen Merkmale, auf die sich die Überzeugung von der Identität mit dem Betroffenen stützt, erforderlich noch brauchen diese Merkmale und das Maß der Übereinstimmung beschrieben zu werden.

Das Foto muss allerdings – wie z.B. ein (Front-)Radarfoto, das die einzelnen Gesichtszüge erkennen lässt – zur Identifizierung uneingeschränkt geeignet sein. Ist das Foto, z.B. auf Grund schlechterer Bildqualität (z.B. erhebliche Unschärfe) oder auf Grund seines Inhalts (z.B. das Gesicht des Fahrers ist teilweise durch den Rückspiegel verdeckt) zur Identifizierung nur eingeschränkt geeignet (dazu OLG Hamm NZV 96, 466 = DAR 96, 417 = VRS 91, 369), muss in den Urteilsgründen begründet werden, warum der Amtsrichter gleichwohl den Fahrer identifizieren konnte (BGH BGHSt 41, 376). An diese Begründung werden umso höhere Anforderungen gestellt, je schlechter die Fotoqualität ist. Dann sind auch die auf dem Foto erkennbaren charakteristischen Merkmale, die für die richterliche Überzeugungsbildung bestimmend waren, zu benennen und zu beschreiben.

Der geminderte Begründungsaufwand gilt aber nur, wenn der Amtsrichter
in prozessordnungsgemäßer Weise
auf das bei den Akten befindliche Foto Bezug genommen hat (OLG Hamm NZV 96, 466 = DAR 96, 417 = VRS 91, 369). Denn
nur dann wird das Lichtbild Gegenstand der Urteilsurkunde und kann von dem Rechtsbeschwerdegericht uneingeschränkt eingesehen werden. Für die ordnungsgemäße Bezugnahme gilt:

Verwiesen werden muss auf ein von dem Verkehrsverstoß gefertigtes Foto (OLG Hamm NZV 96, 466 = DAR 96, 417 = VRS 91, 369).

Die Bezugnahme muss deutlich und zweifelsfrei sein, was der Amtsrichter auf jeden Fall dadurch erreicht, dass er den Gesetzeswortlaut des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO verwendet (OLG Hamm NZV 98, 171 = VRS 94, 348).

Ist nur ein Foto in der Akte, muss nicht (auch) die Blattzahl genannt werden, wo sich dieses Foto befindet (OLG Hamm, aaO).

Für eine ordnungsgemäße Bezugnahme muss erkennbar sein, dass der Amtsrichter mit seinen Ausführungen das Lichtbild zum Gegenstand der
Urteilsurkunde machen und nicht nur den Beweiserhebungsvorgang beschreiben wollte (OLG Brandenburg, aaO; BayObLG, aaO; OLG Hamm, aaO; KG Berlin NZV 98, 123; OLG Dresden DAR 2000, 279). Nicht ausreichend ist daher z.B. die häufig in amtsrichterlichen Urteilen anzutreffende Formulierung: "Auf Grund des Vergleichs des Betroffenen mit dem vom Gericht in Augenschein genommenen Foto, Bl. 6 d.A., stand zur Überzeugung des Gerichts zweifelsfrei fest, dass der Betroffene zum Tatzeitpunkt Fahrer des Fahrzeugs war" (OLG Hamm VRS 93, 349 = StraFo 97, 115).

Wird nicht prozessordnungsgemäß Bezug genommen, gilt Weg 2.

Die BGH-Rechtsprechung hat das BayObLG fortgeführt. Nach einem Beschluss vom 4.4.96 (2 Ob (OWi) 223/96, NZV 96, 330 = JR 97, 38, mit zust. Anm. Göhler,
JR 97, 39) kann der Tatrichter das Foto auch in Form einer Fotografie oder einer Fotokopie in die Urteilsgründe selbst aufnehmen. Hierzu bedarf es keiner Bezugnahme gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO mehr. Auch müssen die Urteilsgründe dann nicht mehr die Angabe enthalten, ob es sich um eine männliche oder weibliche Person handelt, wenn das – wie in den allermeisten Fällen – aus dem Foto erkennbar wird.

Weg 2: Keine Verweisung auf das Beweisfoto

Verweist der Tatrichter in den Urteilsgründen nicht auf das Beweisfoto, ist nach der BGH-Rechtsprechung ein erhöhter Begründungsaufwand erforderlich. Es genügt dann weder, dass der Tatrichter nur das Ergebnis seiner Überzeugungsbildung mitteilt, noch, dass er die von ihm zur Identifizierung herangezogenen Merkmale der auf dem Foto abgebildeten Person auflistet (BGHSt 41, 376; OLG Dresden, aaO). Vielmehr muss er dem Rechtsmittelgericht, dem das Foto wegen der fehlenden Verweisung nicht als Anschauungsobjekt zur Verfügung steht, durch eine entsprechend ausführliche Beschreibung die Prüfung ermöglichen, ob es für eine Identifizierung geeignet ist. Im Einzelnen gilt:

Das Urteil muss Ausführungen zur Bildqualität enthalten (ständige Rechtsprechung der Obergerichte, aus neuerer Zeit OLG Dresden, aaO). Insoweit wird die Formulierung des Amtsrichters: "Auf dem Originallichtbild in DIN A-5-Vergrößerung ist der Betroffene aber hinreichend klar zu identifizieren", als noch genügend angesehen, um auf eine ausreichende Bildqualität des Lichtbildes des Betroffenen zu schließen (OLG Hamm VA 3/2000, 31).

Der Amtsrichter muss die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere Identifizierungsmerkmale so präzise beschreiben, dass in gleicher Weise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung der Ergiebigkeit des Fotos ermöglicht wird (OLG Hamm NZV 97, 89; zuletzt OLG Dresden, aaO). Die Zahl der zu beschreibenden Merkmale kann umso kleiner sein, je individueller sie sind und je mehr sie in ihrer Zusammensetzung geeignet erscheinen, eine bestimmte Person sicher zu erkennen. Dagegen muss die Beschreibung umso mehr Merkmale umfassen, wenn die geschilderten auf eine Vielzahl von Personen zutreffen und daher weniger aussagekräftig sind (zur Darstellung der Identitätsmerkmale in den Gründen siehe
u.a. OLG Karlsruhe NStZ-RR 96, 17; OLG Celle NStZ 95, 243; OLG Dresden, aaO).

Umstände, die eine Identifizierung erschweren können, sind ebenfalls zu schildern (BGH BGHSt 41, 376).

Hat der Amtsrichter zur Identifizierung des Betroffenen ein anthropologisches Sachverständigengutachten eingeholt, reicht es nicht aus, wenn er in den
Urteilsgründen nur das Ergebnis dieses Gutachtens mitteilt. Vielmehr müssen auch die Anknüpfungstatsachen dargestellt und die das Gutachten tragende fachliche Begründung mitgeteilt werden (OLG Hamm VA 3/2000, 32; OLG
Dresden DAR 2000, 279).

Praxishinweis

Wegen der erheblichen Auswirkungen für den Mandanten – gegebenenfalls droht ein Fahrverbot – muss der Verteidiger in den Fällen der Täteridentifizierung anhand eines Lichtbildes die Urteilsgründe sorgfältig prüfen. Die folgende Checkliste fasst die erforderlichen Prüfungsschritte auf einen Blick zusammen. Die vertiefende Prüfung können Sie anhand der Kontroll-Liste auf Seite 33 durchführen.

Checkliste "Prüfungsschritte auf einen Blick"

1. Frage: Wird auf ein Beweisfoto verwiesen (= Weg 1)?

Falls Nein: dann Übergang zu Weg 2 (= 4. Frage).

Falls Ja: weiter mit der 2. Frage.

2. Frage: Wird prozessordnungsgemäß Bezug genommen?

Falls Nein: dann Übergang zu Weg 2 (= 4. Frage).

Falls Ja: weiter mit der 3. Frage.

3. Frage: Ist das Beweisfoto zur Identifizierung uneingeschränkt geeignet?

Falls Ja: Das Urteil muss Angaben zu Aufnahmeort und -zeit des (Radar-)Fotos sowie einen Hinweis darauf enthalten, ob es sich bei dem Fahrer um eine männliche oder weibliche Person handelt.

Falls Nein: Der Amtsrichter muss erörtern, warum ihm die Identifizierung anhand des Beweisfotos gleichwohl möglich ist.

4. Frage: Wird nicht/nicht ordnungsgemäß auf das Beweisfoto verwiesen (= Weg 2)?

Falls Ja: Das Urteil muss Ausführungen zur Bildqualität und zu Identifizierungsmerkmalen enthalten.


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