aus ZAP Heft 2/2002; Fach 22, S. 345 ff.
(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung der "ZAP" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "ZAP auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)
I. Allgemeines
1. Normzweck des
§ 147 StPO
2. Regelungsumfang
II. Verteidiger i. S. d. § 147 StPO
1. Begriff
2. Kein Akteneinsichtsrecht
des Beschuldigten
III. Akten i. S. d.
§ 147 StPO
1. Zum Aktenbegriff in
§ 147 StPO
2. Besondere Fälle
a) Spurenakten
b) Akten anderer
Behörden und Beiakten
c) Verfahren gegen mehrere
Beschuldigte
d) Einsichtsrecht in gerichtliche
Dateien
IV. Durchführung der Einsichtnahme
1. Einsichtnahme
2. Mitnahmerecht
3. Auszüge/Abschriften
4.
Unterrichtung des Beschuldigten
V. Besonderheiten in den
Verfahrensabschnitten
1. Ermittlungsverfahren
2. Ausnahmen von § 147 Abs. 2 StPO
3. Einstellung des Verfahrens
4.
Rechtskräftiger Verfahrensabschluss
5.
Untersuchungshaft und Akteneinsicht
VI.
Beweismittel
1. Begriff des Beweismittels
2. Besichtigung der Beweismittel
a)
Umfang des Besichtigungsrechts
b) Mitgabeverbot
c) Urkunden als Beweismittel
VII.
Akteneinsicht von nicht am Verfahren Beteiligten
VIII.
Verfahren
1. Zuständigkeit zur Gewährung von
Akteneinsicht
2. Anfechtung von Entscheidungen
a) Entscheidungen der Staatsanwaltschaft im
Ermittlungsverfahren
b) Richterliche
Entscheidungen
c) Entscheidungen nach
rechtskräftigem Abschluss
d) Entscheidungen zur
Akteneinsicht Dritter
IX. Revision
X. Anträge zur Akteneinsicht
1. Antrag im
Ermittlungsverfahren
2. Antrag in der Hauptverhandlung
wegen nicht rechtzeitig gewährter Akteneinsicht
1. Normzweck des § 147 StPO
Der Beschuldigte kann sich wirksam nur verteidigen, wenn er die
ihm zur Last gelegten Umstände kennt. I. d. R. setzt dies die
Kenntnis des Inhalts der Strafakte voraus. Nur eine möglichst
frühzeitige Information über die Vorwürfe, wegen der gegen ihn
ermittelt wird, versetzt den Beschuldigten in die Lage, sich rechtzeitig auf
die Verteidigung einzurichten und sich Verteidigungsmittel zu beschaffen.
Deshalb ist das Akteneinsichtsrecht des § 147 StPO
neben dem Beweisantrags- und Fragerecht (zum Beweisantragsrecht vgl.
BURHOFF, Handbuch für die
strafrechtliche Hauptverhandlung, 3. Aufl., Rn. 255 ff. [im
folgenden kurz: BURHOFF, HV]; MICHALKE ZAP F. 22, S. 49 ff.
[Grundsätze]; dies., ZAP F. 22, S. 61 ff. [Formen des
Beweisantrages]; zum Fragerecht des Angeklagten in der Hauptverhandlung
BURHOFF, HV, Rn. 490 ff.)
ein Kernstück der Verteidigung, das den
Grundsätzen des Rechts auf rechtliches Gehör und des fairen
Verfahrens entspringt (LÜDERSSEN, in: LÖWE-ROSENBERG, StPO,
25. Aufl., § 147 Rn. 1 m. w. N. [im folgenden
kurz: LR-LÜDERSSEN]; wegen der Einzelheiten des Akteneinsichtsrechts
s. a. BURHOFF, Handbuch für
das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 2. Aufl.,
Rn. 29 ff. m. w. N. [im folgenden kurz: BURHOFF, EV];
BAHNSEN, Das Akteneinsichtsrecht des Verteidigers im Strafverfahren, 1996). Das
Akteneinsichtsrecht dient insbesondere auch dazu, Fehlurteile zu verhindern
(WASSERBURG NStZ 1981, 211).
Inhaltsverzeichnis
§ 147 StPO gilt für das gesamte Strafverfahren (vgl. dazu unten IV. 1 und V.) und über § 46 Abs. 1 OWiG auch für das Ordnungswidrigkeitenverfahren (vgl. dazu auch BayObLG NStZ 1991, 190). Im disziplinarrechtlichen Vorermittlungsverfahren steht dem Verteidiger ebenfalls ein Recht auf Einsichtnahme in die Akten zu, §§ 40 Abs. 1, 26 Abs. 3 BDO (BDiszG NStZ 1992, 596).
§ 147 StPO unterscheidet zwischen dem Recht zur Einsicht in die Akten und dem Recht zur Besichtigung der Beweisstücke, wobei das Besichtigungsrecht das Einsichtsrecht ergänzt. Beides wird vom Gesetz im wesentlichen gleichbehandelt. Daher ist im folgenden mit Akteneinsichtsrecht, wenn nicht besonders darauf hingewiesen wird, der umfassende Begriff gemeint (zu den Unterschieden vgl. unten VI.). Die Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV) regeln die Akteneinsicht über § 147 StPO hinaus in Nr. 182 ff. Die dort früher geregelte Akteneinsicht für Dritte ist nun durch StrafverfahrensänderungsG 1999 in den §§ 474 ff. StPO geregelt (s. dazu unten VII.).
Das Akteneinsichtsrecht besteht grundsätzlich immer und kann
nur unter gewissen, engen Voraussetzungen (vgl. § 147
Abs. 2 StPO; s. u. V. 2) abgelehnt werden.
Inhaltsverzeichnis
II. Verteidiger i. S. d. § 147 StPO
Zur Akteneinsicht nach § 147 StPO ist grundsätzlich nur der Verteidiger berechtigt. Verteidiger i. S. d. § 147 StPO sind zunächst der Wahlverteidiger (§ 138 StPO) und der Pflichtverteidiger (§ 141 StPO). Verteidiger sind aber auch der Rechtsreferendar, dem die Verteidigung gem. § 139 StPO übertragen wurde, sowie die nach § 138 Abs. 2 StPO als Verteidiger zugelassenen Personen, unabhängig davon, ob ein Fall notwendiger Verteidigung vorliegt.
Der Begriff des Verteidigers (vgl. dazu a. BURHOFF, EV, Rn. 922) ist weit auszulegen. Für das Akteneinsichtsrecht ist aber nicht Voraussetzung, dass bereits ein Verteidigungsverhältnis i. S. eines zwischen dem "Verteidiger" und dem "Beschuldigten" zustande gekommenen Geschäftsbesorgungsvertrags nach den §§ 675, 611 BGB besteht. Vielmehr ist nach h. M. auch schon während des sog. Anbahnungsverhältnisses, also in der Zeit, in der der Rechtsanwalt prüft, ob er das Mandat überhaupt annehmen will, Akteneinsicht zu gewähren (KLEINKNECHT/ MEYER-GOßNER, StPO, 45. Aufl., § 147 Rn. 9 m. w. N. (im folgenden kurz: KLEINKNECHT/ MEYER-GOßNER]).
Kein Akteneinsichtsrecht besteht, wenn der Rechtsanwalt
selbst Beschuldigter ist. Er wird dann ebenso wie jeder andere Beschuldigte
behandelt. Auch der gesetzliche Vertreter oder ein Beistand haben kein Recht
zur Einsichtnahme. Ihnen kann jedoch gegebenenfalls Einsicht gewährt
werden (zur Akteneinsicht von nicht am Verfahren Beteiligten s. unten
VII.).
Inhaltsverzeichnis
2. Kein Akteneinsichtsrecht des Beschuldigten
Das Akteneinsichtsrecht ist dem Wortlaut des § 147 StPO nach grundsätzlich auf den Verteidiger beschränkt, obwohl heute § 147 StPO nicht mehr als Verbot der Gewährung von Akteneinsicht an den Beschuldigten verstanden werden sollte (LR-LÜDERSSEN, § 147 Rn. 12 ff.). Denn Träger des Akteneinsichtsrechts ist an sich der Beschuldigte (zum Begriff s. BURHOFF, EV, Rn. 198 m. w. N.), der das Recht allerdings nicht selbst ausüben kann, sondern insoweit grundsätzlich einen Verteidiger benötigt. Demgemäss wird auch zunehmend in der Literatur dem Beschuldigten selbst ein Akteneinsichtsrecht zugebilligt (BÖSE StraFo 1999, 293; a. A. aber die h. M., vgl. die Nachw. bei KLEINKNECHT/MEYER-GOßNER, § 147 Rn. 3). Der EuGH hat zudem dem Beschuldigten dann einen Anspruch auf Akteneinsicht gewährt, wenn er sich ohne Akteneinsicht nicht hinreichend verteidigen kann, die Beiordnung eines Pflichtverteidigers wegen des nur geringen Vorwurfs aber ausscheidet (s. NStZ 1998, 429 m. zust. Anm. DEUMELAND; dazu auch BÖSE, a. a. O., und HAAS NStZ 1999, 442).
Nach der Neuregelung des § 147 Abs. 7 können
aber dem Beschuldigten, der keinen Verteidiger hat, Abschriften oder
Ablichtungen der Akten ausgehändigt werden (so schon zur
früheren Rechtslage LR-LÜDERSSEN, 24. Aufl., a. a. O.;
SCHROEDER NJW 1987, 301, 303). Über einen entsprechenden Antrag hat
der Staatsanwalt oder der Vorsitzende gem. § 147 Abs. 5 StPO
nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Ihm wird
i. d. R. stattzugeben sein, wenn nicht der Untersuchungszweck
gefährdet ist und nicht schutzwürdige Belange Dritter (z. B.
Schutz gefährdeter Zeugen pp.) entgegenstehen. Ergibt die Prüfung,
dass der Beschuldigte sich ohne Aktenkenntnis nicht angemessen verteidigen
kann, so ist ihm gegebenenfalls nach § 140 Abs. 2 StPO ein
Pflichtverteidiger zu bestellen (LAUFHÜTTE, in: Karlsruher Kommentar zur
StPO, 4. Aufl., § 147 StPO Rn. 2 [im folgenden kurz:
KK-LAUFHÜTTE]).
Inhaltsverzeichnis
III. Akten i. S. d. § 147 StPO
1. Zum Aktenbegriff in § 147 StPO
a) § 147 StPO enthält
keine Legaldefinition des Begriffs der Akten. Im allgemeinen werden zu den
Akten, auf die sich das Einsichtsrecht des Verteidigers erstreckt, alle vom
ersten Zugriff der Polizei an gesammelten be- und entlastenden
Schriftstücke gezählt, die im Fall der Anklageerhebung dem
Gericht vorzulegen wären, sowie die nach der Anklageerhebung entstandenen
Aktenteile und die vom Gericht herangezogenen oder von der StA nachgereichten
Beiakten (KLEINKNECHT/MEYER-GOßNER, § 147 Rn. 14
m. w. N.; vgl. auch BVerfGE 62, 338; BGH StV 1988,
193 f.; s. a. ODENTHAL StV 1991, 441 ff., 447; zur
Akteneinsicht im Steuerstrafverfahren BURKHARD StV 2000, 526 ff.;
BURHOFF, EV, Rn. 736).
Inhaltsverzeichnis
b) Danach fallen unter das
Akteneinsichtsrecht (s. zum Umfang des Akteneinsichtsrecht auch das "ABC" bei
BURHOFF, EV, Rn. 90 ff.)
alle Schriftstücke, Ton- (KÖLLNER
StraFo 1995, 50; LG Bonn StV 1995, 632) oder
Bildaufnahmen (OLG Karlsruhe AnwBl. 1981, 18), einschließlich
etwaiger Videoaufnahmen (BayObLG NStZ 1991, 190 [für das
OWi-Verfahren]) sowie der Strafregisterauszug (BVerfG StV 1983,
137; LR-LÜDERSSEN, § 147 Rn. 73 m. w. N.). Es
besteht auch ein Recht auf Einsicht in die dem Gericht vorliegenden
Unterlagen über die Untersuchungshaft, wozu sämtliche
Entscheidungen nach § 119 Abs. 3 i. V. m.
§ 126 Abs. 2 StPO und darüber hinausgehende Vorgänge,
wie z. B. die Genehmigung von Telefonaten, Beschwerden über die Dauer
der Postwege oder Schreiben des Angeklagten über Beschränkungen
gehören (vgl. BGH NStZ 1991, 94 m. Anm. FOTH; StV 1991,
337; Haftsonderheft!). Teil der Akten sind auch Beweismittelordner, die
nur Ablichtungen von sichergestellten Urkunden enthalten (OLG Köln
NJW 1985, 336) sowie die vorläufigen Aufzeichnungen der Protokolle
nach § 168a Abs. 2 StPO. Gefangenenpersonalakten (vgl.
dazu LG Braunschweig, OLG Koblenz, und OLG Celle in StV 1981, 80 ff.)
sind dann nach § 147 StPO (auch) dem Verteidiger vorzulegen, wenn sie
dem Gericht wegen einer bevorstehenden Prozesshandlung zur Kenntnis zu bringen
sind (OLG Koblenz StV 1981, 286; vgl. LR-LÜDERSSEN, § 147
Rn. 79 m. w. N.).
Inhaltsverzeichnis
c) Vom Akteneinsichtsrecht nicht
umfasst sind die Handakten der StA und andere innerdienstliche
Vorgänge. Dazu gehören auch Notizen, die sich Mitglieder
des Gerichts während der Hauptverhandlung gemacht haben
(KK-LAUFHÜTTE, § 147 StPO Rn. 4). Diesen gleichgestellt
werden sog. "Nebenprotokolle", das sind Mitschriften zur
Unterstützung des Gerichts (OLG Karlsruhe NStZ 1982, 299). Denn diese
sind für das Verfahren ohne Bedeutung, da sie wie Berichterstattervermerke
und Stenogramme nicht Bestandteil des Sitzungsprotokolls sind, so dass auf sie
eine Revision in keinem Fall gestützt werden könnte
(KK-LAUFHÜTTE, a. a. O., m. w. N.). Auch auf nach
§ 119 Abs. 3 StPO angehaltene und zur Habe des Angeklagten
genommene Schreiben bezieht sich das Akteneinsichtsrecht nicht (BGH
MDR 1988, 357 ff.) sowie auch nicht auf gem. § 96 StPO
gesperrte Akten oder Aktenteile (OLG Celle StV 1982, 264; OLG Hamm
NJW 1984, 880).
Inhaltsverzeichnis
d) Eine für die Praxis nicht
unbedeutende Einschränkung hat das Akteneinsichtsrecht durch das
1992 erlassene Gesetz zur Bekämpfung der Organisierten
Kriminalität (OrgKG) erfahren. Besteht nämlich Anlass zu der
Besorgnis, dass Leben, Leib oder Freiheit eines Zeugen oder einer anderen
Person durch die Offenbarung der Identität oder des Wohn- oder
Aufenthaltsortes dieses Zeugen gefährdet sind, werden die
Unterlagen, die die Feststellung der Identität des Zeugen
gewährleisten, bei der Staatsanwaltschaft gesondert verwahrt und nach
§ 68 Abs. 3 S. 4 StPO erst dann zu den Akten genommen, wenn
die Gefährdung entfällt. Erst dann erstreckt sich auf sie das
Akteneinsichtsrecht (KLEINKNECHT/MEYER-GOßNER, § 68
Rn. 17). Entsprechendes gilt für Entscheidungen und sonstige
Unterlagen über den Einsatz eines sog. verdeckten Ermittlers. Auch sie
werden nach § 110d Abs. 2 S. 1 StPO gesondert verwahrt und
nach § 110d Abs. 2 S. 2 StPO erst dann zu den Akten
genommen, wenn dies ohne Gefährdung des Untersuchungszwecks, der
öffentlichen Sicherheit, der Sicherheit von Leib und Leben einer Person
sowie der Möglichkeit der weiteren Verwendung des verdeckten Ermittlers
geschehen kann. Zu den Unterlagen gehören auch Aktenvermerke des
verdeckten Ermittlers oder sonstige auf dessen Angaben beruhende Informationen
(KLEINKNECHT/MEYER-GOßNER, § 110d Rn. 2
m. w. N.). Erst nach Übernahme der Unterlagen in die Strafakten
besteht das Akteneinsichtsrecht (KLEINKNECHT/MEYER-GOßNER,
a. a. O.). Schließlich ist in § 101 Abs. 4
S. 2 StPO Ähnliches geregelt für den Einsatz bestimmter
technischer Mittel zu Observationszwecken und für den sog.
Großen Lauschangriff (KLEINKNECHT//MEYER-GOßNER, § 100c
Rn. 2 ff. m. w. N.). Diese Einschränkungen können
zur Folge haben, dass die entsprechenden Unterlagen während des Verfahrens
weder dem Gericht noch dem Angeklagten bekannt werden, sondern insgesamt
verborgen bleiben (mit Recht krit. dazu STRATE ZRP 1990, 145;
KLEINKNECHT/MEYER-GOßNER, § 102 Rn. 7; s. a.
Stellungnahme des DAV StV 1992, 34).
Inhaltsverzeichnis
Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass zu den zur Akteneinsicht vorzulegenden Akten nicht die Handakten der Staatsanwaltschaft gehören (vgl. oben 1 c). In diesen Handakten dürfen jedoch, von dem Ausnahmefall des § 147 Abs. 2 StPO abgesehen, nicht Aktenbestandteile zurückgehalten werden, die in die dem Gericht vorzulegenden Akten gehören. Problematisch wird dies bei den sog. "Spurenakten" (vgl. zu diesem Problem die eingehende Darstellung bei LR-LÜDERSSEN, § 147 Rn. 31 ff.). Dazu lassen sich in etwa folgende Grundsätze darstellen (s. a. BURHOFF, EV, Rn. 72 ff.):
Das Einsichtsrecht bezieht sich auf jeden Fall auf Akten,
die dem Gericht zur Kenntnis gebracht werden (OLG Hamm NStZ 1984,
423). Bei Vorgängen, die dem Gericht nicht vorliegen und die nicht
aufgrund des Verfahrens gegen den Beschuldigten und des durch Tat und
Täter bestimmten Prozessgegenstandes entstanden sind, handelt es sich um
verfahrensfremde Akten. Nach BGH (NJW 1981, 2267; s. dazu BVerfG
NStZ 1983, 273) gilt das auch für Vorgänge, die tatbezogene
Überprüfungen eines Sachverhalts oder einer Person enthalten. Solche
"Spurenakten" sind den Hauptakten dann als Beiakten beizufügen, so
dass sie dem Einsichtsrecht unterliegen, wenn bei großzügiger
Auslegung (BGH NStZ 1983, 228) ein Sachzusammenhang
i. S. e. möglichen schuld- oder rechtsfolgenerheblichen
Bedeutung des Akteninhalts besteht, was von der Anklagebehörde gem.
§ 199 Abs. 2 S. 2 StPO zu prüfen ist (vgl. zur Kritik
dieser Auffassung KK-LAUFHÜTTE, § 147 StPO Rn. 4). Das
BVerfG (a. a. O.) hat der Verteidigung ein nach § 23
EGGVG einklagbares Recht zur Einsicht auch in die Spurenakten zuerkannt,
die die Polizei oder Staatsanwaltschaft dem Gericht nicht vorgelegt haben.
Inhaltsverzeichnis
b) Akten anderer Behörden und Beiakten
Auch in Akten anderer Behörden ist grundsätzlich Akteneinsicht zu gewähren, es sei denn, sie sind nur zur vertraulichen Behandlung übersandt worden (vgl. RiStBV 187 Abs. 2 S. 2; KLEINKNECHT/MEYER-GOßNER, § 147 StPO Rn. 16; LR-LÜDERSSEN, § 147 Rn. 146 f.). Nach BGHSt 42, 71 (= NStZ 1997, 43) ist die Vertraulichkeitsbitte unbeachtlich. Die (bloße) Vertraulichkeitsbitte schließt die Verwertung der Akten durch das Gericht in der Hauptverhandlung nicht aus, dafür wäre eine Sperre nach § 96 StPO erforderlich (BGH, a. a. O.).
Die Akteneinsicht umfasst auch sog. Beiakten, also etwa Vorstrafenakten, Personalakten, Akten über Zivil- oder Verwaltungsprozesse, Steuerakten u. a. Insoweit steht auch nicht der Grundsatz des Datenschutzes der Akteneinsicht entgegen (SCHMIDT NStZ 1983, 89; vgl. auch GROß/FÜNFSINN NStZ 1992, 105; zu Steuerakten insbesondere BURKHARD StV 2000, 526 ff.; BURHOFF, EV, Rn. 736).
c) Verfahren gegen mehrere Beschuldigte
Hier treten Probleme in praktischer und rechtlicher Hinsicht auf (wegen der Einzelheiten BURHOFF, EV, Rn. 44 ff.): Praktische Probleme macht oft die Frage, wie die Akteneinsicht der Verteidiger mehrerer Beschuldigter organisiert werden kann. I. d. R. werden dazu Zweitakten anzulegen sein, damit mehrere Verteidiger gleichzeitig die Akten einsehen können. Auch kann ein Verteidiger dem Verteidiger eines Mitbeschuldigten den von ihm gefertigten Aktenauszug zur Einsichtnahme zur Verfügung stellen.
Rechtliche Probleme ergeben sich in folgender Hinsicht:
Wenn ein einheitliches Verfahren geführt wird, erstreckt sich die
Akteneinsicht selbstverständlich auf die gesamten Akten. Aktenteile, die
die Tat nur eines Beschuldigten betreffen, dürfen nicht
zurückgehalten werden. Wird ein einheitliches Verfahren getrennt
und gegen mehrere Beschuldigte in unterschiedlichen Verfahren fortgesetzt,
erstreckt sich das Einsichtsrecht auch auf die Akten des Ursprungsverfahrens
und nicht nur auf die Teile, die das Gericht für bedeutungsvoll hält
(OLG Karlsruhe AnwBl. 1981, 18). Inwieweit ein Einsichtsrecht auch
in die Teile der Akten von Mitbeschuldigten besteht, wenn diese erst nach
Trennung der Ursprungsverfahren angefallen sind oder in die gesamten
Akten, wenn die Verfahren von Anfang an getrennt geführt worden sind, ist
noch nicht abschließend entschieden. Die h. M. in der Rechtsprechung
verneint die Frage (vgl. OLG Hamm StV 1993, 299, 301 m. w. N.).
Beachtlich dürfte jedoch die Kritik von LÜDERSSEN (LR-LÜDERSSEN,
§ 147 Rn. 71) sein, der unter Hinweis auf BVerfG NStZ 1983,
273 ff. einen Akteneinsichtsanspruch jedenfalls dann für gegeben
hält, wenn der Inhalt der gesonderten Akten von irgendeiner
Bedeutung für die Feststellung der dem Beschuldigten vorgeworfenen
Tat und der eventuell gegen ihn zu verhängenden Rechtsfolge sein kann
(ähnlich BAHNSEN, a. a. O., S. 65).
Inhaltsverzeichnis
d) Einsichtsrecht in gerichtliche Dateien
Im Zuge fortschreitender Ausstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften mit Personalcomputern, ohne die heute umfangreiche Wirtschaftsstrafverfahren kaum noch zu erledigen sind, erhält die Frage, wie die Einsicht in während der Ermittlungen angelegte Dateien zu behandeln ist, immer größere praktische Bedeutung. Diese Frage ist folgendermaßen zu beantworten:
Computerausdrucke sind zu den Akten zu nehmen und werden
deren Bestandteil, so dass in sie Einsicht genommen werden kann. Bei
elektronisch gespeicherten Dateien auf Disketten oder
Festplatten, die von der Staatsanwaltschaft dem Gericht übergeben
bzw. überspielt werden, handelt es sich ebenfalls um "Akten"
i. S. d. § 147 StPO, die grundsätzlich wie Unterlagen
aus Papier zu behandeln sind, so dass sie auf Verlangen dem Verteidiger zur
Einsicht zur Verfügung zu stellen sind (vgl. zu allem FETZER
DRiZ 1990, 48; StV 1991, 142; SCHÄFER wistra 1989, 8). Das
gilt allerdings nicht für die Daten eines Prozesses, die ein
Richter sich separat auf einer Diskette oder Festplatte
speichert, um sie dort zu bearbeiten. Sie sind zu behandeln wie Notizen und
unterliegen damit nicht der Einsicht durch den Verteidiger (FETZER
StV 1991, 143; vgl. auch MEYER/BÖHM wistra 1992, 170).
Inhaltsverzeichnis
IV. Durchführung der Einsichtnahme
Der Verteidiger darf die Akten einsehen, sobald er gewählt oder bestellt ist. Ihm ist die Akteneinsicht auch zu gestatten, wenn er prüfen will, ob er ein ihm angetragenes Mandat annehmen will (sog. Anbahnungsfall); er muss dann aber die Aufforderung, das Mandat zu übernehmen, nachweisen (KLEINKNECHT/MEYER-GOßNER, § 147 StPO Rn. 9 m. w. N.; s. o. II. 1). Das Akteneinsichtsrecht erlischt mit dem Erlöschen der Verteidigerstellung, etwa durch Erlöschen der Vollmacht oder auch durch rechtskräftigen Ausschluss des Verteidigers.
Während laufender Hauptverhandlung hat der Verteidiger
das Einsichtsrecht jedenfalls dann, wenn er erst im Verlauf der
Hauptverhandlung gewählt oder bestellt worden ist (OLG Stuttgart
NJW 1979, 560), wenn er ein besonderes Interesse an der Einsicht
nachweisen kann (KK-LAUFHÜTTE, § 147 Rn. 14) oder wenn neue
Ermittlungsergebnisse oder Urkunden zu den Akten gelangt sind (ODENTHAL
StV 1991, 441 ff., 447; BGHSt 36, 305 [für
Telefon-Überwachungs-Unterlagen]). Ob der Verteidiger darüber hinaus
verlangen kann, während laufender Hauptverhandlung die Akten einzusehen,
ist strittig (vgl. einerseits bejahend LR-LÜDERSSEN, § 147
Rn. 100; andererseits verneinend KLEINKNECHT/MEYER-GOßNER,
§ 147 StPO Rn. 10). Es dürfte m. E. dann, wenn die
Akten während einer Unterbrechung der Hauptverhandlung vom Gericht nicht
benötigt werden, kein Grund bestehen, dem Verteidiger Akteneinsicht nicht
zu gewähren. § 147 StPO sieht insoweit eine zeitliche Begrenzung
des Akteneinsichtsrechts nicht vor. Der Verteidiger hat allerdings keinen
Anspruch auf Einsicht in das Sitzungsprotokoll einer über
mehrere Tage dauernden Hauptverhandlung, da dieses erst durch die
abschließende Unterschrift des Vorsitzenden und des Protokollführers
fertiggestellt ist (BGH NStZ 1981, 297).
Inhaltsverzeichnis
Die Akteneinsicht muss ausreichend und in zumutbarer Weise gewährt werden, u. U. auch mehrfach, wenn der Akteninhalt umfangreicher geworden ist (OLG Hamburg JR 1966, 274; OLG Hamm NJW 1972, 1096 f.). Die Dauer der Akteneinsicht richtet sich nach dem Umfang der einzusehenden Akten (BGH MDR 1955, 530; zur Dauer s. a. BURHOFF, EV, Rn. 58 f.). Die Akteneinsicht ist auch rechtzeitig vor der Hauptverhandlung zu gewähren. U. U. kann es unsachgemäß sein, einem auswärtigen Verteidiger erstmalig Akteneinsicht nur auf der Geschäftsstelle kurz vor dem Hauptverhandlungstermin zu gewähren (BayObLG NStZ 1991, 43). Einem Verteidiger kann im Ordnungswidrigkeitenverfahren auch nicht zugemutet werden, Videoaufzeichnungen auf einer weit entfernten Polizeidienststelle einzusehen (BayObLG NStZ 1991, 190).
Das Akteneinsichtsrecht kann dem Verteidiger nicht entzogen
werden. Solange jemand Verteidiger ist, hat er alle Rechte. Die einzige
Ausnahme bildet § 138c Abs. 3 S. 1 und 2 StPO.
Inhaltsverzeichnis
Nach Nr. 189 Abs. 3 RiStBV wird die Akteneinsicht grundsätzlich in den Diensträumen der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts gewährt. Der Verteidiger hat keinen Rechtsanspruch auf Aktenaushändigung zur Mitnahme in sein Büro oder seine Wohnung (BGH DRiZ 1990, 455; NStZ 1985, 13). Allerdings sollen ihm die Akten jedoch gem. § 147 Abs. 4 StPO, wenn nicht wichtige Gründe entgegenstehen, in seine Geschäftsräume oder in die Wohnung mitgegeben werden (zum Ort der Durchführung auch BURHOFF, EV, Rn. 76 m. w. N.). Das schließt aber nicht die Pflicht des Gerichts ein, dem Verteidiger die Akten zuzusenden (OLG Frankfurt NStZ 1981, 191; OLG Stuttgart NJW 1979, 559 f.). Werden die Akten zugesandt, kann für die Übersendung eine Gebühr verlangt werden (vgl. Nr. 9003 KVGKG). Das ist verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG NJW 1996, 2222; wegen der Einzelheiten s. BURHOFF, EV, Rn. 28 m. w. N.). Ein Mitnahmerecht besteht auch allenfalls für die Akten, nicht hingegen für Beweismittel. Diese dürfen nicht aus amtlichem Gewahrsam entlassen werden (vgl. wegen der Einzelheiten unten VI).
Ein wichtiger Grund, der der Mitnahme der Akten entgegensteht, kann z. B. darin liegen, dass die Akten als Verschlusssachen gekennzeichnet sind (vgl. Nr. 213 Abs. 4 RiStBV; KG StV 1997, 624), dass die Gefahr der Einsichtnahme oder der Beeinträchtigung durch Dritte besteht oder dass die Akten für die beschleunigte Durchführung des Verfahrens nötig sind. Auch vorläufige Tonbandaufzeichnungen nach § 168a Abs. 2 StPO werden i. d. R. von der Mitgabe auszuschließen sein, ebenso behördliche Akten vertraulicher Art, wie z. B. Personalakten (KLEINKNECHT/MEYER-GOßNER, § 147 StPO Rn. 29 m. w. N.; vgl. auch unten V. 2).
Der Verteidiger erhält die Akten immer nur zu treuen
Händen. Das bedeutet: Er darf sie selbst einsehen, sie aber nicht dem
Beschuldigten oder dritten Personen überlassen oder ihnen Einsicht
gewähren. Er kann sie auch nicht einem Sachverständigen zur
Erstattung eines Gutachtens überlassen. In diesen Fällen muss er
Ablichtungen oder Abschriften aus den Akten anfertigen, die er dann weitergeben
kann (KLEINKNECHT/MEYER-GOßNER, § 147 Rn. 31
m. w. N.).
Inhaltsverzeichnis
Der Verteidiger darf sich Auszüge oder Ablichtungen aus den Akten oder Abschriften von Aktenteilen fertigen (BGH NJW 1963, 1462; BURHOFF, EV, Rn. 37). Dabei kann er sich zur technischen Durchführung seines Büropersonals, nicht aber des Beschuldigten oder eines Dritten bedienen. Der Verteidiger hat keinen Anspruch darauf, dass das Gericht für ihn Ablichtungen fertigt (KK-LAUFHÜTTE, § 147 StPO Rn. 6; a. A. KREKELER wistra 1983, 47). In den Fällen, in denen die Aktenüberlassung in die Geschäftsräume oder die Wohnung abgelehnt worden ist, kann der Verteidiger jedoch beantragen, sich von der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht Ablichtungen gegen Erstattung der Auslagen fertigen zu lassen (KK-LAUFHÜTTE, m. w. N.). Im Einzelfall ist dem Verteidiger auch von Videoaufnahmen nach Übersendung einer Leerkassette eine Kopie zu fertigen (BayObLG NJW 1991, 1070; OLG Koblenz NStZ-RR 2000, 311).
Bei unter Geheimschutz stehenden Akten gilt: Das Gericht
kann das Recht des Verteidigers, sich Ablichtungen oder Auszüge zu
fertigen, beschränken oder ausschließen (BGH NJW 1963, 1462;
1977, 2086). Es darf dadurch jedoch nicht das Recht des Beschuldigten,
über die sachliche Grundlage des gegen ihn erhobenen Vorwurfs unterrichtet
zu werden, beeinträchtigt werden, so dass also solche Schriftstücke,
die der Verteidiger im Wortlaut zu einer sachgerechten Verteidigung
benötigt, ihm von Amts wegen in Ablichtung zur Verfügung zu stellen
sind (KK-LAUFHÜTTE, § 147 StPO Rn. 7).
Inhaltsverzeichnis
4. Unterrichtung des Beschuldigten
Der Beschuldigte hat zwar selbst kein Akteneinsichtsrecht
(s. o. II. 2), er muss aber zu einer sachgerechten
Verteidigung wissen, worauf sich der gegen ihn erhobene Vorwurf stützt.
Deshalb ist der Verteidiger zur Weitergabe der durch die
Akteneinsicht erlangten Kenntnisse an den Beschuldigten berechtigt und
aus dem Mandatsverhältnis heraus auch verpflichtet (BGH NJW 1980, 64;
KLEINKNECHT/MEYER-GOßNER, § 147 StPO Rn. 20
m. w. N.; zur Unterrichtung des Beschuldigten s. a.
BURHOFF, EV, Rn. 94). In dem
Umfang, in dem der Verteidiger dem Beschuldigten aus dem Akteninhalt
Mitteilungen machen darf, ist er auch berechtigt, ihm Aktenabschriften
und Auszüge sowie Ablichtungen, gegebenenfalls sogar die gesamte Akte,
auszuhändigen (BGH, a. a. O.). Das gilt aber nur so lange, wie
dadurch nicht eine Gefährdung des Untersuchungszwecks
eintritt, so z. B. wenn der Beschuldigte aus einem Aktenauszug
erfährt, dass eine Durchsuchung seiner Wohnung bevorsteht oder die
Staatsanwaltschaft gegen ihn Haftbefehl beantragt (BGH, a. a. O.;
vgl. auch KLEINKNECHT/MEYER-GOßNER, § 147 StPO Rn. 21
m. w. N. zur a. A. in der Literatur). Ein Informationsrecht
besteht auch nicht in Angelegenheiten, die nicht mehr im Rahmen der
Verteidigung liegen, z. B. wenn es sich um Einzelheiten handelt, die
ausschließlich die Mitbeschuldigten betreffen.
Inhaltsverzeichnis
V. Besonderheiten in den Verfahrensabschnitten
Im Ermittlungsverfahren kann dem Verteidiger bis zu dem Zeitpunkt,
in dem gem. § 169a StPO der Abschluss der Ermittlungen in den Akten
vermerkt ist spätestens bis zur Erhebung der Anklage
die Akteneinsicht insgesamt oder in einzelne Teile versagt
werden, wenn die Einsicht den Untersuchungszweck gefährden kann.
Dafür werden dringende Gründe oder eine konkrete Gefahr nicht
vorausgesetzt (a. A. BURKHARD wistra 1996, 173 m. w. N.).
Es genügt aber auch nicht nur eine vage und entfernte Möglichkeit der
Gefährdung. Die Gefährdung liegt z. B. dann vor, wenn zu
befürchten ist, dass bei Gewährung der Akteneinsicht die
Sachaufklärung beeinträchtigt würde, z. B. durch
Verdunklungshandlungen des Beschuldigten, der von seinem Verteidiger
pflichtgemäß über den Akteninhalt informiert wird (wegen
weiterer Einzelheiten s. BURHOFF,
EV, Rn. 53 m. zahlreichen w. N). Die Akteneinsicht kann immer versagt
werden, wenn bestimmte Untersuchungshandlungen vorbereitet werden, die nur
durch Überraschung erfolgreich sein können, wie z. B. eine
Durchsuchung. Sind die Gründe für die Beschränkung des
Akteneinsichtsrecht entfallen, muss die Beschränkung wieder aufgehoben
werden (§ 147 Abs. 6 StPO), was spätestens mit dem
Abschluss der Ermittlungen zu erfolgen hat. Davon ist dem Verteidiger
Mitteilung zu machen. Einem Akteneinsichtsgesuch ist nunmehr
nachzukommen.
Inhaltsverzeichnis
2. Ausnahmen von § 147 Abs. 2 StPO
Auch beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 147 Abs. 2 StPO sind die in § 147 Abs. 3 StPO bezeichneten Schriftstücke von der Beschränkung des § 147 Abs. 2 StPO ausgenommen. Dabei handelt es sich um Niederschriften über die Vernehmungen des Beschuldigten (vgl. dazu BURHOFF, EV, Rn. 56), und zwar sowohl um polizeiliche, staatsanwaltschaftliche und gerichtliche Protokolle (auch für polizeiliche Vernehmungen, auf die bei richterlichen Vernehmungen Bezug genommen wird, s. OLG Hamm NStZ 1987, 572). Die Beschränkungen gelten weiter nicht für die Niederschriften über solche richterlichen Untersuchungshandlungen, bei denen dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet worden ist oder hätte gestattet werden müssen, sowie für Gutachten von Sachverständigen, gleichgültig welchen Inhalts und aus welchem Verfahrensabschnitt (KK-LAUFHÜTTE, § 147 StPO Rn. 13). Damit unterfallen auch Bild-Ton-Aufzeichnungen, die im Ermittlungsverfahren gem. §§ 168e S. 4, 58a Abs. 2 StPO von der richterlichen Vernehmung eines Zeugen gemacht worden sind, als Ergänzungen der schriftlichen Vernehmungsprotokolle der in § 147 Abs. 3 StPO geregelten Ausnahme (s. dazu BURHOFF, EV, Rn. 56a, 930s). Sachverständigengutachten i. S. d. § 147 Abs. 3 StPO sind aber nicht Übersetzungen von fremdsprachigen Urkunden, die aus den Gründen von § 147 Abs. 2 StPO nicht eingesehen werden dürfen (OLG Hamburg StV 1986, 422). Eine Ausnahme vom Verbot der Beschränkung gilt bei einer nach den §§ 31, 32 EGGVG angeordneten Kontaktsperre in Verfahren wegen Begehung terroristischer Straftaten.
Nach Anbringung des Abschlussvermerks besteht ein
uneingeschränktes Akteneinsichtsrecht des Verteidigers, das nun
auch nicht mehr beschränkt werden kann (BGH NStZ 1998, 97), auch
nicht bei Wiederaufnahme der Ermittlungen (KLEINKNECHT/MEYER-GOßNER,
§ 147 StPO Rn. 27). Das Akteneinsichtsrecht darf auch dann nicht
(mehr) beschränkt werden, wenn sich aus dem Akteninhalt Anhaltspunkte
über den Beschuldigten betreffende Zwangsmaßnahmen ergeben sollten
(OLG Hamburg NStZ 1992, 50 = StV 1991, 551).
Inhaltsverzeichnis
Nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens, muss dem Verteidiger in entsprechender Anwendung von § 147 StPO auf Antrag Akteneinsicht gewährt werden (KK-LAUFHÜTTE, § 147 StPO Rn. 15). Dafür braucht der Verteidiger ein besonderes Interesse nicht darzulegen; das ergibt sich ohne weiteres daraus, dass die Staatsanwaltschaft bei Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO die Ermittlungen jederzeit wieder aufnehmen kann. Für die Einsichtnahme kommt eine Auslagenpauschale gem. § 5 Abs. 3 JVKostO nicht in Betracht (LG Oldenburg NStZ 1992, 555).
Das Akteneinsichtsrecht nach Einstellung ist grundsätzlich
unabhängig davon, nach welcher Vorschrift das Verfahren eingestellt
worden ist. Der Einstellung nach § 170 StPO steht die nach den
§§ 153, 153a StPO gleich, da auch hier die Ermittlungen unter
bestimmten Voraussetzungen wieder aufgenommen werden können. Etwas anderes
kann gegebenenfalls bei einer Einstellung nach § 153d StPO gelten,
wenn die Einsicht gerade die dort genannten Interessen gefährdet
(LR-LÜDERSSEN, § 147 Rn. 125).
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4. Rechtskräftiger Verfahrensabschluss
Nach rechtkräftigem Abschluss des Verfahrens kann der
Verteidiger ebenfalls in entsprechender Anwendung von § 147 StPO
Akteneinsicht beantragen. Sie ist ihm zu gewähren, wenn er sie zur
Vorbereitung von Prozesshandlungen, wie z. B. der Stellung eines
Wiederaufnahmeantrags oder von Anträgen, die Strafe zur Bewährung
auszusetzen, oder zur Stellung eines Gnadengesuchs benötigt
(KK-LAUFHÜTTE, a. a. O., § 147 StPO Rn. 16).
§ 147 StPO gilt aber nicht, wenn der frühere Beschuldigte
Akteneinsicht für Zwecke begehrt, die mit seiner Verteidigung in der
Strafsache nicht mehr zusammenhängen (SCHÄFER MDR 1984, 454
gegen OLG Hamm NJW 1984, 880).
Inhaltsverzeichnis
5. Untersuchungshaft und Akteneinsicht
Von besonderer Bedeutung ist das Akteneinsichtsrecht, wenn sich
der Beschuldigte in Untersuchungshaft befindet. Denn häufig kann er erst
durch die beantragte Akteneinsicht dem dringenden Tatverdacht oder auch den
Haftgründen entgegentreten. Deshalb muss der Verteidiger insbesondere in
diesen Fällen versuchen, der Verweigerung der Akteneinsicht
entgegenzutreten. In diesem Bereich sind noch viele Fragen ungeklärt (vgl.
dazu auch WASCHILEWSKI StV 2001, 243; BOSCH StV 1999, 338) und
manches ist in Bewegung. Der Verteidiger sollte sich aber auf jeden Fall auf
die Lamy-Entscheidung des EuGH v. 30. 3. 1989 (StV 1993, 283
m. Anm. ZIEGER, 320 f.) berufen, aus der sich ein Anspruch des
Verteidigers auf Einsicht in alle Akten, die dem Haftrichter vorliegen,
und zwar ab dem Zeitpunkt des Antrags auf Haftprüfung bzw. der
Beschwerde gegen den Haftbefehl, ergibt (ZIEGER a. a. O.,
S. 322).
Inhaltsverzeichnis
Zu den Fragen hat inzwischen auch das BVerfG Stellung
genommen (BVerfG NJW 1994, 573; s. a. BGH NJW 1996, 734). Es hat
ausgeführt, dass Art. 103 Abs. 1 GG auch Geltung bei
Entscheidungen über Anordnung und Fortdauer der Untersuchungshaft habe.
Das bedeute, dass der Haftbefehl und die ihn bestätigenden
gerichtlichen Entscheidungen im Haftprüfungs- und Haftbeschwerdeverfahren
nur auf solche Tatsachen und Beweismittel gestützt werden
dürfen, die dem Beschuldigten vorher bekannt waren und zu denen er sich
äußern konnte. Dem trage das Gesetz durch die in den
§§ 114 ff. StPO erfolgte nähere Ausgestaltung des
rechtlichen Gehörs im Haftprüfungsverfahren Rechnung. Wenn aber die
Tatsachen und insbesondere das Beweismaterial, auf das das Gericht seine
Haftentscheidung stütze, mündlich nicht (mehr) mitteilbar seien,
müssten dem Beschuldigten deshalb weitere Informationsquellen etwa
durch ein Akteneinsichtsrecht eröffnet werden. Zwar sei die
Möglichkeit der Beschränkung des Akteneinsichtsrecht bis zum
Abschluss der Ermittlungen in § 147 Abs. 2 StPO
grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der Beschuldigte aber inhaftiert
sei, habe er u. U. ein nicht bis zum Abschluss der Ermittlungen
aufschiebbares Interesse an Aktenkenntnis. In diesem Fall liege nämlich
ein Eingriff in das Recht des Beschuldigten auf Freiheit der Person vor, dessen
freiheitssichernde Funktion dem Informationsinteresse des Beschuldigten
gegenüber den Erfordernissen des rechtsstaatlichen Auftrags zur
Wahrheitsermittlung im Strafverfahren ein höheres Gewicht verleihe. Aus
dem Recht des Beschuldigten auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren und
seinem Anspruch auf rechtliches Gehör folge deshalb ein Anspruch
des inhaftierten Beschuldigten auf Einsicht seines Verteidigers in die
Akten, wenn und soweit er die sich darin befindenden Informationen
benötigt, um auf die gerichtliche Haftentscheidung effektiv
einwirken zu können und eine mündliche Mitteilung der
Tatsachen und Beweismittel, die das Gericht seiner Entscheidung zugrunde zu
legen gedenke, nicht ausreichend sei. Dabei werde allerdings
regelmäßig eine Teilakteneinsicht hinsichtlich der für
die Haftentscheidung relevanten Tatsachen und Beweismittel genügen
(ähnlich BGH NJW 1996, 734; a. A. u. a. ZIEGER
StV 1993, 320). Das BVerfG (a. a. O.) hat weiter festgestellt,
dass, wenn aus Gründen der Gefährdung der Ermittlungen aus der Sicht
der Staatsanwaltschaft eine auch nur teilweise Einsicht in die Ermittlungsakte
nicht möglich sei und sie diese deshalb gem. § 147
Abs. 2 StPO verweigere, das Gericht auf die Tatsachen und
Beweismittel, die deshalb nicht zur Kenntnis des Beschuldigten gelangt seien,
seine Entscheidung nicht stützen könne und deshalb ggf. den
Haftbefehl aufheben müsse (vgl. dazu auch KG StV 1994, 319 m. Anm.
SCHLOTHAUER, das ebenfalls der Auffassung ist, dass ein Haftbefehl aufzuheben
sei, wenn die Staatsanwaltschaft darauf bestehen sollte, dass die
Verdachtsgründe dem Beschuldigten im Interesse des Fortgangs der
Ermittlungen noch nicht zur Kenntnis gelangen dürfen; vgl. auch KG StV
1993, 370 mit Anm. SCHMIDTBAUER). Nach Ansicht des BVerfG gilt dies allerdings
nicht bei nicht vollzogenem Haftbefehl (BVerfG NStZ-RR 1998, 108; OLG Hamm
NStZ-RR 1998, 19 [für einen auf Verdunkelungsgefahr gestützten
Haftbefehl]; a. A. OLG Köln StV 1998, 269; WASCHILEWSKI
StV 2001, 243).
Inhaltsverzeichnis
Das Recht zur Einsicht in die Akten wird vom Recht zur
Besichtigung der Beweismittel ergänzt. Die Beweismittel werden
grundsätzlich ebenso wie Akten behandelt, einige Unterschiede bestehen
aber.
Inhaltsverzeichnis
Zu den Beweismitteln i. S. d. Vorschrift gehören
alle Gegenstände, die nach §§ 94 ff. StPO
beschlagnahmt oder sichergestellt sind, sowie die nach
§§ 111b ff. StPO sichergestellten Gegenstände, soweit
sie als Beweismittel in Betracht kommen, auch wenn sie nicht in dieser
Eigenschaft sichergestellt worden sind (LR-LÜDERSSEN, § 147
Rn. 107 m. w. N.). Beweismittel sind auch
Augenscheinsgegenstände, z. B. Videoaufzeichnungen (OLG
Schleswig NJW 1980, 352) und Gegenstände, die Grundlage für
einen Sachverständigenbeweis sein oder für Vorhalte bei Zeugen- oder
Beschuldigtenvernehmungen verwendet werden können. Auch Urkunden
und Urkundensammlungen gehören zu den Beweismitteln, wenn sie wegen ihrer
Beschaffenheit entscheidungserheblich sein können (OLG Köln
NJW 1985, 336 f.). Kommt es bei ihnen für das weitere Verfahren
nur auf den in ihnen verkörperten Inhalt an, sind sie als
Aktenbestandteile zu behandeln (LR-LÜDERSSEN a. a. O.). Akten
anderer Behörden sind keine Beweismittel, sie zählen
grundsätzlich zu den Verfahrensakten.
Inhaltsverzeichnis
2. Besichtigung der Beweismittel
a) Umfang des Besichtigungsrechts
Im Gegensatz zur Akteneinsicht, die auch in den
Geschäftsräumen des Verteidigers gewährt werden kann, u. U.
sogar soll, erfolgt die Besichtigung der Beweisstücke an der Stelle, wo
sie sich befinden, also etwa im Asservatenraum oder in den sonst zur
Aufbewahrung bestimmten Räumlichkeiten, in denen sich die Beweismittel
befinden oder in die sie gebracht werden.
Inhaltsverzeichnis
Bei der Besichtigung darf der Verteidiger Aufzeichnungen
und Lichtbilder machen oder Sachverständige hinzuziehen
(KLEINKNECHT/MEYER-GOßNER, § 147 StPO Rn. 19). Die
Besichtigung von Tonband-, Video- oder Filmaufnahmen erfolgt in der
Weise, dass der Verteidiger sie sich auch mehrmals
vorspielen lässt (LR-LÜDERSSEN, a. a. O.,
§ 147 Rn. 112). Ist das zur Informationsvermittlung nicht
ausreichend, hat er einen Anspruch auf Herstellung einer amtlich gefertigten
Kopie des Video- oder Tonbandes oder des Films (LR-LÜDERSSEN,
a. a. O.; KLEINKNECHT/MEYER-GOßNER, a. a. O.; LG Bonn
StV 1995, 632 [für Tonaufnahmen]; vgl. auch BayObLG NStZ 1991,
190). Die Besichtigungsmöglichkeit muss dem Verteidiger rechtzeitig vor
der Hauptverhandlung eingeräumt werden (KG StV 1989, 9) und ohne
Rücksicht darauf, ob die Aufzeichnungen einem Verwertungsverbot
unterliegen (KLEINKNECHT/MEYER-GOßNER, a. a. O.).
Inhaltsverzeichnis
Nach § 147 Abs. 4 StPO dürfen die Beweismittel
nicht zur Einsichtnahme in die Geschäftsräume oder die Wohnung des
Verteidigers mitgegeben werden. § 147 Abs. 4 StPO enthält
ein Mitgabeverbot, das es ausnahmslos verbietet, die Beweisstücke
mitzugeben. Beweisstücke, die zu Aktenbestandteilen geworden sind, werden
also aus den Akten entfernt, gegebenenfalls wird dem Verteidiger eine Fotokopie
überlassen. Nach LR-LÜDERSSEN (§ 147 Rn. 115) gilt
eine Ausnahme dann, wenn der Verteidiger einen Sachverständigen mit
der Erstattung eines Gutachtens beauftragen möchte und dieser das
Gutachten nur erstatten kann, wenn ihm das Beweisstück überlassen
wird (ähnlich KREKELER
StraFo 1996, 7).
Inhaltsverzeichnis
Häufig, insbesondere in Wirtschaftsstrafverfahren, sind
umfangreiche Geschäftsunterlagen beschlagnahmt worden. Der Inhalt
solcher Urkunden lässt sich i. d. R. nicht allein durch
Besichtigung in den Räumen der Staatsanwaltschaft aufnehmen, weshalb in
der Literatur die Forderung erhoben worden ist, dem Verteidiger diese
Beweismittel zur Einsichtnahme in sein Büro zu überlassen (KREKELER
wistra 1983, 47). Von dem Mitnahmeverbot des § 147 Abs. 4
StPO gibt es jedoch keine Ausnahme, so dass auch solche Beweismittel aus
Gründen des Integritätsschutzes nicht herausgegeben werden
dürfen. Mit LR-LÜDERSSEN (a. a. O., § 147
Rn. 117) wird man aber einen Anspruch des Verteidigers auf amtlich
gefertigte Fotokopien bejahen müssen, da anderenfalls das
Besichtigungsrecht des § 147 Abs. 1 StPO kaum sachgerecht
ausgeübt werden kann. Die Kosten für die Kopien dürften,
wenn das Besichtigungsrecht nur durch die Überlassung der Kopien
gewährt werden kann, zunächst der Staatskasse zur Last fallen.
Inhaltsverzeichnis
VII. Akteneinsicht von nicht am Verfahren Beteiligten
Das Gesetz regelt in § 147 StPO nur die Akteneinsicht
des Beschuldigten. Als Vertreter anderer Verfahrensbeteiligter hat ein
Rechtsanwalt einen Anspruch auf Einsichtnahme, und zwar als
Prozessbevollmächtigter des Privatklägers (§ 385
Abs. 3 StPO), des Nebenklägers (§ 397 Abs. 1 S. 2
i. V. m. § 385 Abs. 2 StPO), der Einziehungs- oder
Verfallsbeteiligten (§§ 434 Abs. 1 S. 2, 442
Abs. 1 StPO) sowie der bußgeldbeteiligten juristischen Person oder
einer Personenvereinigung (§ 444 Abs. 2 S. 2 StPO), sowie
des Verletzten (§ 406e StPO; vgl. zur Anfechtung BGH NStZ 1993,
351).
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Für sonstige Nichtverfahrensbeteiligte galten früher die Nrn. 182 ff. RiStBV. Inzwischen ist auch für diese das Akteneinsichtsrecht nicht mehr bloß durch Verwaltungsvorschriften geregelt (vgl. dazu u. a. OLG Hamm NStZ 1986, 236; OLG Koblenz NJW 1986, 3093 und BVerfG NStZ 1987, 286), sondern in den §§ 474 ff. StPO. Danach erhalten Gerichte, Staatsanwaltschaften und andere Justizbehörden Akteneinsicht, wenn dies für Zwecke der Rechtspflege erforderlich ist (§ 474 Abs. 1 StPO). Andere öffentliche Stellen erhalten unter den Voraussetzungen des § 474 Abs. 2 StPO Auskunft, z. B. zur Feststellung, Durchsetzung oder zur Abwehr von Rechtsansprüchen im Zusammenhang mit der Straftat. Für eine Privatperson abgesehen von den Verletzten erhält ein Rechtsanwalt Auskunft, wenn er hierfür ein berechtigtes Interesse darlegt (§ 475 StPO; vgl. dazu OLG Stuttgart NStZ-RR 2000, 349; wegen der Einzelheiten KLEINKNECHT/MEYER-GOßNER, § 475 StPO Rn. 2). Für wissenschaftliche Zwecke gilt die Regelung in § 476 StPO.
Die Ablehnung der Akteneinsicht erfordert nach Nr. 188
Abs. 1 RiStBV einen mit kurzer Begründung versehenen Bescheid
(zur Anfechtbarkeit der Ablehnungsentscheidung s. u. VIII. 2).
Inhaltsverzeichnis
1. Zuständigkeit zur Gewährung von Akteneinsicht
Die Frage der Zuständigkeit ist in § 147 Abs. 5 StPO geregelt, und zwar gilt je nach dem Verfahrensabschnitt:
Im vorbereitenden Verfahren und im Ermittlungsverfahren
entscheidet die Staatsanwaltschaft über die Akteneinsicht (s. auch
Nr. 183 Buchst. a RiStBV). Die Polizeibehörde darf keine
Akteneinsicht gewähren, auch nicht in Unfall- und Tatortskizzen. Die
Staatsanwaltschaft ist auch dann für die Entscheidung zuständig, wenn
die Akten nicht ihr, sondern dem Gericht zur Vornahme einer richterlichen
Handlung oder für eine Entscheidung vorliegen (OLG Hamm NStZ 1982,
348; OLG Saarbrücken StV 1991, 265 m. w. N.).
Inhaltsverzeichnis
Vom Eingang der Anklage bei Gericht an bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens ist der Vorsitzende des jeweils mit der Sache befassten Gerichts zuständig. Das gilt auch für die Hauptverhandlung, da § 238 Abs. 2 StPO nicht gilt.
Ist das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen, ist nach
§ 147 Abs. 5 S. 1 StPO wieder die Staatsanwaltschaft
zuständig (anders noch Nr. 183 Buchst. c RiStBV).
Inhaltsverzeichnis
2. Anfechtung von Entscheidungen
a) Entscheidungen der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren
Im Ermittlungsverfahren getroffene Entscheidungen der
Staatsanwaltschaft über die Akteneinsicht durch Verfahrensbeteiligte, sind
nach der Neuregelung in § 147 Abs. 5 S. 2 StPO anfechtbar,
wenn die Versagung erfolgt, nachdem bereits der Abschluss der Ermittlungen
(§ 169a StPO) in den Akten vermerkt worden ist, wenn die Versagung
die in § 147 Abs. 3 StPO bezeichneten Unterlagen betrifft (vgl.
dazu oben V. 2) oder wenn der Beschuldigte sich nicht auf freiem Fuß
befindet. In diesen Fällen kann Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach
§ 161a Abs. 3 S. 24 StPO gestellt werden. In den
übrigen Fällen ist ein Rechtsmittel nicht gegeben, zulässig ist
lediglich eine Dienstaufsichtsbeschwerde, nicht aber der Antrag nach
§ 23 EGGVG (vgl. u. a. OLG Hamm NStZ 1984, 280; OLG Hamburg
StV 1986, 422; KLEINKNECHT/MEYER-GOßNER, § 147 StPO
Rn. 40 m. w. N.). Auch der Antrag nach § 23 EGGVG ist
nicht (mehr) zulässig. Aus der Regelung in § 147 Abs. 5
S. 2 StPO ist zu entnehmen, dass ein Rechtsbehelf nur in den dort
genannten Fällen zulässig sein soll (KLEINKNECHT/MEYER-GOßNER,
a. a. O.). Der insoweit früher bestehende Streit hat sich also
erledigt. Wird allerdings die Einsicht in die den Ermittlungsakten
beigefügten Spurenakten (vgl. oben III.
2 a) abgelehnt, ist dagegen der Rechtsweg nach § 23
EGGVG (noch) gegeben (KLEINKNECHT/MEYER-GOßNER, a. a. O.;
s. dazu BVerfG NJW 1983, 1043; OLG Hamm NStZ 1984, 423).
Inhaltsverzeichnis
b) Richterliche Entscheidungen
Richterliche Entscheidungen können mit der Beschwerde
angefochten werden. Das gilt auch für Entscheidungen des erkennenden
Gerichts, § 305 S. 1 StPO steht dem nicht entgegen (str. OLG
Brandenburg NJW 1996, 67 m. w. N.; OLG Frankfurt NStZ 1996,
238). Nichtverfahrensbeteiligte haben das Beschwerderecht des § 304
Abs. 2 StPO, nicht das Antragsrecht nach § 23 EGGVG (vgl.
u. a. OLG Köln NJW 1985, 336). Nach § 147 Abs. 4
S. 2 StPO besteht folgende Ausnahme: Die Entscheidung über die
Mitgabe von Akten zur Einsichtnahme oder deren Verweigerung kann nicht
angefochten werden. Das gilt auch für eine Entscheidung, die die
Modalitäten der Mitnahme regelt, z. B. Abholung auf der
Geschäftsstelle (OLG Hamm, Beschl. v. 11. 3. 1993
3 Ws 123/93). Die richterliche Entscheidung über die
Akteneinsicht des Verletzten nach § 406e StPO ist für den
Beschuldigten jedoch anfechtbar (BGH NStZ 1993, 351
m. w. N.).
Inhaltsverzeichnis
c) Entscheidungen nach rechtskräftigem Abschluss
Die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft sind nach Maßgabe
des § 147 Abs. 5 S. 2 StPO anfechtbar (s. oben
2 a).
Inhaltsverzeichnis
d) Entscheidungen zur Akteneinsicht Dritter
Für die Rechtsmittel betreffend Entscheidungen zur
Akteneinsicht Dritter gilt § 478 Abs. 3 StPO. Die Entscheidungen
der Staatsanwaltschaft können angefochten werden, die des Vorsitzenden
sind unanfechtbar (wegen der Einzelheiten s. KLEINKNECHT/MEYER-GOßNER,
§ 478 Rn. 3).
Inhaltsverzeichnis
Entscheidungen des Vorsitzenden nach § 147 StPO, die vor
der Hauptverhandlung ergehen, können unter den Voraussetzungen des
§ 336 S. 1 StPO mit der Revision anfechtbar sein
(KK-LAUFHÜTTE, § 147 StPO Rn. 22). Im übrigen gilt:
Grundsätzlich kann auf die Verweigerung der Akteneinsicht die Revision
nicht gestützt werden (OLG Hamm NJW 1972, 1096), auch nicht wegen der
Art der Ausgestaltung (BGH NStZ 2000, 46). Nur wenn in der
Hauptverhandlung deswegen ein Antrag auf Unterbrechung oder
Aussetzung gestellt und durch Gerichtsbeschluss abgelehnt worden ist,
kann der Revisionsgrund des § 338 Nr. 8 StPO
Beschränkung der Verteidigung geltend gemacht werden (BGH
NStZ 1985, 87; KG StV 1982, 10; BGH StV 1988, 193 [auch ohne den
Antrag]; so auch KK-LAUFHÜTTE, a. a. O.; zum notwendigen
Revisionsvorbringen s. a. BayObLG NJW 1992, 2242).
Inhaltsverzeichnis
1. Antrag im Ermittlungsverfahren
Im Ermittlungsverfahren dürfte sich folgender Antrag auf Akteneinsicht empfehlen (nach BURHOFF, EV, Rn. 36):
An die
Staatsanwaltschaft beim Landgericht
Musterstadt
In dem Ermittlungsverfahren
gegen H. Muster
Az.:
. . .
wegen des Verdachts der Hehlerei u. a.
wird unter Hinweis auf die Vollmacht
Akteneinsicht
in die Verfahrensakten, sämtliche Beiakten, Beweismittelordner und sonstigen Beweisstücke beantragt.
Sollten die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen und zur Zeit wegen Gefährdung des Ermittlungszwecks gem. § 147 Abs. 2 StPO Akteneinsicht nicht gewährt werden, wird beantragt, unter Hinweis auf § 147 Abs. 3 StPO auf jeden Fall das Protokoll der Beschuldigtenvernehmung, die Protokolle über solche richterlichen Untersuchungshandlungen, bei denen ich als Verteidiger anwesend war bzw. mir die Anwesenheit hätte gestattet werden müssen sowie Sachverständigengutachten zur Verfügung zu stellen. Ich bitte auch um kurze gegebenenfalls telefonische Mitteilung der Tatsachen, aus denen sich die Gefährdung des Ermittlungszwecks ergeben soll.
Für den Fall, dass der Verletzte Akteneinsicht gem. § 406e Abs. 1 StPO beantragt, bitte ich, mir vor Entscheidung über das Akteneinsichtsgesuch Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Stellungnahmerecht des Beschuldigten ergibt sich aus Art. 19 Abs. 4 GG und aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs (s. SCHLOTHAUER StV 1987, 356 ff.).
Rechtsanwalt
Inhaltsverzeichnis
2. Antrag in der Hauptverhandlung wegen nicht rechtzeitig gewährter
Akteneinsicht
An das
Amtsgericht/Landgericht Musterstadt
In der Strafsache
gegen H. Muster
Az.: . . .
wird namens und in Vollmacht des Angeklagten beantragt,
die Hauptverhandlung wegen fehlender Akteneinsicht auszusetzen.
Ich habe mich mit Schriftsatz vom . . . zum Verteidiger des Angeklagten bestellt und um Akteneinsicht gebeten. Diese ist bisher nicht gewährt worden. Damit war eine ordnungsgemäße Vorbereitung des Termins, zu dem auch eine Erörterung des Akteninhalts mit meinem Mandanten gehört, nicht möglich. Deshalb muss die heutige Hauptverhandlung ausgesetzt werden. Sollte sie dennoch stattfinden, läge darin eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung nach § 338 Nr. 8 StPO.
Rechtsanwalt
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