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aus ZAP Heft 3/2005, F. 22, S. 389

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "ZAP" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "ZAP" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Verfahrensrechtliche Änderungen im Strafverfahren durch das 1. JuMOG und das OpferRRG

Von Richter am OLG Detlef Burhoff, Münster/Hamm

Inhalt

I. Einführung

II. Justizmodernisierungsgesetz

1. Allgemeine Änderungen der StPO

a) Neuer Begriff: Ermittlungsperson

b) Öffentliche Zustellung

2. Änderungen im Ermittlungsverfahren

a) Änderung der Eidesvorschriften (§§ 59 ff. StPO)

b) Durchsicht von Papieren (§ 110 Abs. 1 StPO)

c) Siegelung der Papiere durch den Verteidiger (§ 110 Abs. 3 a.F. StPO)

3. Änderungen in der Hauptverhandlung

a) Änderung der Eidesvorschriften (§§ 59 ff. StPO)

b) Verlesung von Protokollen (§ 251 StPO)

d) Verlesbare Erklärungen (§ 256 StPO)

e) Dauer der Unterbrechung der Hauptverhandlung (§ 229 StPO)

4. Änderungen bei den Rechtsmittel

a) Berufung

b) Revision

III. Opferrechtsreformgesetz

1. Allgemeine Änderungen

2. Behandlung von Videoaufnahmen (§ 58 a Abs. 2, 3 StPO)

3. Videovernehmung in der Hauptverhandlung

4. Adhäsionsverfahren

IV. Änderungen im StVG (§ 29 StVG)


Inhaltsverzeichnis

I. Einführung

Inhaltsverzeichnis

Im vergangenen Jahr haben zwei StPO-Novellen für die Praxis des Strafverfahrens nicht unerhebliche Änderungen gebracht. Zunächst ist am 24. 6. 2004 das Gesetz zur Verbesserung der Recht von Verletzten im Strafverfahren (Opferrechtsreformgesetz - OpferRRG, BGBl. I, S. 1354) beschlossen worden, das am 1. 9. 2004 in Kraft getreten ist (vgl. zu den gesetzlichen Neuregelungen und Änderungen u. III). Am 24. 8. 2004 hat der Bundestag das Erste Gesetz zur Modernisierung der Justiz (1. Justizmodernisierungsgesetz - 1. JuMoG, BGBL. I, S. 2198) beschlossen. Dieses ist ebenfalls weitgehend am 1. 9. 2004 in Kraft getreten, die Änderungen des § 29 StVG (vgl. dazu unten IV.) treten erst am 1. 2. 2005 in Kraft (Art. 11, 14 S. 2 JuMoG, BGBl I, 2198, 2206, 2209, ber. BGBl. I, 2300). Der nachfolgende Beitrag will einen Überblick über die wesentlichen Änderungen und Neuregelungen geben (zu den zivilverfahrensrechtlichen Änderungen und Neuerungen des 1. JuMoG s. Schneider ZAP F. 13, S. 1257 ff.).

Aus der Literatur zu den gesetzlichen Änderungen ist hinzuweisen auf:

  • Breyer, StPO: Justizmodernisierungsgesetz, Die 12 wichtigsten Änderungen im Strafverfahren, PA 2004, 174,
  • Burhoff, Durchsicht von Papieren nach dem JuMoG, PStR 2005, 7;
  • ders., Änderungen oin § 29 StVG durch das JuMoG, VA 2005, 10;
  • Engelbrecht, Die Auswirkungen des Ersten Gesetzes zur Modernisierung der Justiz (1. Justizmodernisierungsgesetz - JuMoG) auf das verkehrsrechtliche Mandat, DAR 2004, 494,
  • Ferber, Das Opferrechtsreformgesetz, NJW 2004, 2561,
  • Hilger, Über das Opferrechtsreformgesetz, GA 2004, 4768,
  • Hirtz/Sommer, 1. Justizmodernisierungsgesetz, 2004,
  • Knauer/Wolf, Zivilprozessuale und strafprozessuale Änderungen durch das Erste Justizmodernisierungsgesetz - Teil 2: Änderungen der StPO, NJW 2004, 2931,
  • Leipold, Justizmodernisierungsgesetz, NJW-Spezial, 2004, 236,
  • Neuhaus, Das Opferrechtsreformgesetz 2004, StV 2004, 620;
  • ders., Die Änderungen der stPO durch das Erste Jsuizmondernisierungsgesetz vom 24. 8. 2005, StV 2005, 47;
  • Rauschenberg, Verbesserung der Opferrechte durch das Opferrechtsreformgesetz, Kriminalistik 2004, 564;
  • Sommer, Moderne Strafverteidigung - Strafprozessuale Änderungen des Ersten Justizmodernisierungsgesetzes, AnwBl. 2004, 306 = StraFo 2004, 295;
  • Schork/König, Das "Gesetz zur Verbesserung der Rechte von verletzten im Strafverfahren" (OpferRRG) - Synoptische Darstellung und Kommentierung, auf www.strafverteidiger-berlin.de;
  • Schubert/Moebius, Das 1. Justizmodernisierungsgesetz, NJ 2004, 433.
Tipp/Hinweis:

Da das JuMoG eine andere Regelung nicht enthält, gilt das neue Recht als Prozessrecht auch für bereits laufende Verfahren (Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., 2004, Einl. Rn. 203 [im Folgenden: Meyer-Goßner]). Die Ordnungsgemäßheit einer Prozesshandlung richtet sich nach dem im Zeitpunkt ihrer Vornahme geltenden Recht, so dass auf Prozesshandlungen bis zum 31. 8. 2004 noch das alte Recht anzuwenden ist. Für die Revision ist darauf hinzuweisen, dass ein Verstoß gegen das zur Zeit der Vornahme der Maßnahme geltende Verfahrensrecht unschädlich ist, wenn die betreffende Vorschrift vor der Entscheidung des Revisionsgerichts ausgehoben oder so geändert wird, dass das Verfahren ihr entspricht (König, a.a.O., m.w.N.; s. auch OLG Hamburg NJW 1975, 988). Das kann/wird Auswirkungen auf die durch das 1. JuMoG vorgenommenen Änderungen der Vereidigungsvorschriften haben.

Inhaltsverzeichnis

II. Justizmodernisierungsgesetz

1. Allgemeine Änderungen der StPO

a) Neuer Begriff: Ermittlungsperson

In der StPO und in übrigen Gesetzen war bisher der Begriff "Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft" enthalten (vgl. dazu Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 3. Aufl., 2003, Rn. 976 ff [im Folgenden kurz: Burhoff, EV]). Diese ist in § 152 GVG geändert worden in "Ermittlungsperson". Diese sprachliche Modernisierung will die geänderte Rolle der Polizei im Ermittlungsverfahren herausstellen und die Gesetzessprache an die Ermittlungswirklichkeit anpassen (BT-Drucks. 15/3482, Anl. 2, 26 f.). Ob darin allerdings nicht nur eine sprachliche Anpassung zu sehen ist, sondern zugleich auch ein sich abzeichnender Wandel, der die Staatsanwaltschaft als "Herrin des Ermittlungsverfahrens" immer mehr verdrängt, ist fraglich (krit. dazu Knauer/Wolf NJW 2004, 2937; König, a.a.O., 1; Hirtz/Sommer, S. 148).

Inhaltsverzeichnis

b) Öffentliche Zustellung

Die Vorschriften über die öffentliche Zustellung sind an die Regeln der ZPO angepasst worden. § 40 Abs. 1 StPO n.F. verweist jetzt in Verbindung mit § 37 Abs. 1 StPO auf die §§ 186, 187 ZPO. Es muss jetzt also nur noch die Benachrichtigung über die Zustellung mit Namen des Zustellungsadressaten, Bezeichnung des Prozessgegenstandes und der Stelle, bei der das zuzustellende Schriftstück eingesehen werden kann, ausgehängt werden. Dadurch wird weniger als bisher in die Persönlichkeitssphäre des Zustellungsempfängers eingegriffen.

Tipp/Hinweis:

Diese Regelung gilt über § 47 OWiG auch für das OWi-Verfahren.

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2. Ermittlungsverfahren

a) Änderung der Eidesvorschriften (§§ 59 ff. StPO)

Eine der wesentlichen Änderungen des JuMoG betrifft die Neuregelung der Vereidigungsregelungen. Es hat die in der StPO enthaltene Regelvereidigung abgeschafft, was insbesondere Auswirkungen auf das Verhalten des Verteidigers in der Hauptverhandlung haben muss und wird (vgl. deshalb unten 3, a; siehe auch Knauer/Wolf NJW 2004, 2931; Hirtz/Sommer, S. 63 ff.). Für das Ermittlungsverfahren, in dem die Verteidigung in der Praxis schon früher keine große Bedeutung hat, ist von Bedeutung, dass die Vereidigung nach § 62 StPO n.F. gegenüber der früheren Regelung in § 65 StPO a.F. jetzt noch weiter eingeschränkt worden ist. Die Vereidigung ist nur noch zulässig, wenn neben Gefahr im Verzug (Nr. 1) oder der voraussichtlichen Verhinderung des Zeugen am Erscheinen in der Hauptverhandlung (Nr. 2) die Voraussetzungen des § 59 StPO vorliegen (siehe dazu unten 3, a).

Tipp/Hinweis:

Der Eid als Mittel zur Herbeiführung einer wahren Aussage (§ 65 Nr. 2 StPO a.F.) ist abgeschafft.

Geändert haben sich auch die Regeln über die Vereidigung bei der kommissarischen Vernehmung in § 63 StPO (früher § 66 b StPO). Nach dem Wortlaut der neunen Vorschrift muss der Zeugen nur noch vereidigt werden, wenn es in dem Auftrag oder in dem Ersuchen des Gerichts verlangt wird (zur Auslegung dieser Vorschrift Knauer/Wolf NJW 2004, 2933 u. Hinw. auf BR-Drucks. 378/03; S. 55; a.A. Meyer-Goßner, a.a.O., § 66 b Rn. 5). Ob der kommissarische Richter darüber hinaus einen eigenen Entscheidungsspielraum hat, erscheint fraglich (vgl. Hirtz/Sommer, S. 70).

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b) Durchsicht von Papieren (§ 110 Abs. 1 StPO)

Nach § 110 StPO a.F. war die Durchsicht von Papieren des von einer Durchsuchung Betroffenen in allgemeinen Strafverfahren dem Richter und der Staatsanwaltschaft vorbehalten, damit diese entscheiden konnte(n), ob die richterliche Beschlagnahme beantragt wird oder die Rückgabe der sicher gestellten Sachen erforderlich war (vgl. zur Durchsicht von Papieren Burhoff, EV, Rn. 572 ff. m.w.N.). § 110 Abs. 1 StPO ist jetzt dahin ergänzt worden, dass die Durchsicht von Papieren auch ohne Zustimmung des von der Durchsicht Betroffenen auf die "Ermittlungspersonen" (vgl. dazu oben II, 1 a) übertragen werden kann. Erforderlich ist dafür nur noch eine Anordnung der Staatsanwaltschaft. Diese Änderung, die der schon bisherigen Rechtslage nach § 404 Satz AO entspricht, wird damit begründet, dass die Staatsanwälte Datenbestände auf Computern, die immer häufiger beschlagnahmt werden, nicht ohne weiteres sichten können (BR-Dr. 378/03, S. 56; zur Beschlagnahme von Computerdateien Burhoff, EV, Rn. 335 m.w.N.).

Tipp/Hinweis:

Im übrigen ist es bei der Regelung des § 110 Abs. 2 StPO verblieben, dass "andere Beamte" zur Durchsicht der aufgefundenen Papiere nur mit Genehmigung des Inhabers befugt sind. "Andere Beamte" sind all diejenigen, die nicht "Ermittlungspersonen" i.S. des § 152 GVG sind.

Zu Recht haben m.E. die Strafverteidigervereinigungen darauf hingewiesen, dass diese Regelung bedenklich ist (vgl. die Stellungnahme der Strafverteidigervereinigungen, S. 8; zu den Bedenken auch Neuhaus StV 2005, 50). Die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen werden nämlich noch weiter ausgehöhlt als das schon bisher der Fall war (Knauer/Wolf NJW 2004, 2937, König, a.a.O., S. 8; Sommer AnwBl. 2004, 507). Auch werden die durchsehenden Polizeibeamten nicht immer in der Lage sein zu beurteilen, ob ggf. ein Beschlagnahmeverbot besteht.

Tipp/Hinweis:

Der Verteidiger muss noch mehr als bisher versuchen, bei der Durchsuchung anwesend zu sein (zur Anwesenheit des Verteidigers vgl. Burhoff, EV, Rn. 547 ff.), um darauf achten zu können, dass die sich aus § 97 StPO ergebenden Beschlagnahmeverbote auch beachtet werden (so auch Sommer AnwBl. 2004, 507). Er muss insbesondere auf den Durchsuchungsbeschluss und die konkret dort aufzuführenden Beweisgegenstände, nach denen gesucht werden soll (vgl. dazu zuletzt BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 2004, 2 BvR 1821/03;s. auch Burhoff, EV, Rn. 537 ff.), achten. Jeder Versuch, dass "gezielt" gesucht wird, ist zu unterbinden (zu Beweisverwertungsverboten in diesen Fällen s. Burhoff, EV, Rn. 565 m.w.N.).

Inhaltsverzeichnis

c) Siegelung der Papiere durch den Verteidiger (§ 110 Abs. 3 a.F. StPO)

Entfallen ist insgesamt § 110 Abs. 3 StPO a.F., der in Halbsatz 1 (auch) dem Verteidiger die Möglichkeit bot, den durchzusehenden Papieren sein Siegel "beizudrücken". Die Streichung dieser Vorschrift erfolgte, weil sie in der Praxis - so der Rechtsausschuss des Bundestages - nur geringe praktische Bedeutung gehabt habe (BT-Dr. 15/3482, 58; zur Siegelung s. auch Meyer-Goßner, § 110 Rn. 5).

Das JuMoG hat aber nicht nur den Halbs. 1 des § 110 Abs. 3 StPO gestrichen, sondern zugleich auch noch Halbs. 2. Danach war der Inhaber der Papiere - wenn möglich - von der bevorstehenden Entsiegelung und Durchsicht zu informieren und zur Teilnahme aufzufordern. Das galt nach allgemeiner Meinung auch dann, wenn die StA die Durchsicht durchführte, ohne dass gesiegelt wurde und entsiegelt werden musste (Meyer-Goßner, a.a.O.; Park, Handbuch der Durchsuchung und Beschlagnahme, Rn. 244 [im Folgenden kurz: Park]; Burhoff, EV, Rn. 578) oder wenn anderes "Beamte" als die "Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft" die Durchsuchung durchgeführt hatten. Diese Verpflichtung ist nun insgesamt entfallen.

Tipp/Hinweis:

Das bedeutet aber nicht, dass der Betroffene nicht mehr von der Durchsicht in Kenntnis zu setzen ist und kein Teilnahmerecht mehr hat. Der Betroffene hat, da die Durchsicht noch zur Durchsuchung gehört (vgl. zuletzt BGH NStZ 2003, 670), aus § 106 Abs. 1 StPO ein Anwesenheitsrecht. Das des Verteidigers leitet sich aus §§ 163 a Abs. 3 S. 2, 168 c Abs. 1 StPO ab (s. auch Knauer/Wolf NJW 2004, 2938). Das hat zur Folge, dass Betroffener/Beschuldigter und Verteidiger nach wie vor vorher von der Durchsicht zu unterrichten sind (so auch Knauer/Wolf, a.a.O.; Hirtz/Sommer, S. 78; zur Frage, inwieweit ein Verstoß gegen § 110 StPO zu einem Beweisverwertungsverbot führt s. Burhoff, EV, Rn. 569 f; Park, Rn. 248 ff.).

Inhaltsverzeichnis

3. Änderungen in der Hauptverhandlung

a) Änderung der Eidesvorschriften (§§ 59 ff. StPO)

Eine der wesentlichsten Änderungen durch das JuMoG ist die Abschaffung der Regelvereidigung, wie sie bisher in § 59 ff. StPO vorgesehen war. Damit hat das JuMoG den in der Praxis herrschenden Zustand, nämlich dass i.d.R. nicht vereidigt wird Gesetz werden lassen. Nach § 59 StPO n.F. muss jetzt nur noch vereidigt werden, wenn das Gericht die Vereidigung wegen der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahren Aussage nach seinem Ermessen für notwendig hält. Das JuMoG hat die StPO damit an § 48 Abs. 1 S. 1 OWiG a.F. angeglichen, der aufgehoben worden ist (vgl. dazu Hirtz/Sommer, S. 109 f.). Es gilt für die Vereidigung nun:

  • Die Aussage muss "ausschlaggebende Bedeutung" haben. Das hat eine Aussage, wenn sie für eine entscheidungserhebliche Tatsache das alleinige Beweismittel ist (Meyer-Goßner, § 62 Rn. 2) oder, wenn die übrigen Beweismittel allein nicht ausreichen (vgl. auch König, a.a.O., S. 6; Hirtz/Sommer, S. 65). Die Frage der "ausschlaggebenden Bedeutung" wird sich nur im Einzelfall klären lassen (BGHSt 19, 99).
  • Alternativ kommt in Betracht, dass die Vereidigung zur Herbeiführung einer wahren Aussage erfolgen soll. Das ist dann der Fall, wenn das Gericht der Auffassung ist, der Zeuge habe die Unwahrheit gesagt und zu erwarten ist, dass er unter Eid die Wahrheit bekunden werde (König, a.a.O., m.w.N.).
  • Das Gericht muss zudem die Vereidigung nach seinem pflichtgemäßen Ermessen für notwendig halten.

Im Hauptverhandlungsprotokoll reicht die Angabe, dass der Zeuge vereidigt worden ist. Es muss weder angegeben werden, warum er vereidigt worden ist, noch warum nicht (§ 59 Abs. 1 S. 2 StPO; BR-Drucks. 378/03, S. 32; Neuhaus StV 2005, 47).

Tipp/Hinweis:

Gegen die Vereidigungsentscheidung des Vorsitzenden muss der Verteidiger, wenn er die Frage später in der Revision überprüfen lassen will, nach § 238 Abs. 2 StPO vorgehen und einen Gerichtsbeschluss beantragen. Dieser ist dann zu begründen. Die Begründung muss m.E. so abgefasst sein, dass die rechtliche Grundlage für die Ermessensentscheidung deutlich wird. Die Begründung darf sich nicht in einer Formel erschöpfen.

Die Neuregelung schließt es auch nicht aus, dass der Verteidiger Anträge auf Vereidigung oder Nichtvereidigung von Zeugen stellt. Über diese muss das Gericht dann in einem begründeten Beschluss entscheiden (Hirtz/Sommer, S. 67).

Der BGH hat inzwischen schon darauf hingewiesen, dass ggf. eine Änderung seiner Rechtsprechung zu § 247a StPO angezeigt ist. Danach ist ein absoluter Revisionsgrund angenommen worden, wenn der Angeklagte auch bei der Verhandlung über die Vereidigung des in seiner Abwesenheit vernommenen Zeugen nicht anwesend ist. Der BGH sieht es jetzt wohl als erforderlich an, dass die Verfügung des Vorsitzenden zum Gegenstand von Erörterungen und insbesondere eine Entscheidung nach § 238 Abs. 2 StPO beantragt wurde (BGH StV 2005, 7). Das muss der Verteidiger in Zukunft beachten.

Inhaltsverzeichnis

b) Verlesung von Protokollen (§ 251 StPO)

Neben rein sprachlichen Änderungen in § 251 Abs. 1, 2 StPO enthält die Vorschrift des § 251 StPO in Abs. 1 Nr. 3 auch eine inhaltliche neue Regelung. Danach kann z.B. eine Vernehmungsniederschrift über eine Zeugenvernehmung nun auch dann verlesen werden, wenn sie das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft (zum Begriff des "Vermögensschadens Knauer/Wolf NJW 2004, 2935). Verlesbar sind aber auch sonstige Äußerungen (vgl. dazu Hirtz/Sommer, S. 90). Gemeint sind damit nach der Gesetzesbegründung Massensachen (300 Betrugsfälle nach immer demselben Schema; vgl. BR-Dr. 378/03, S. 60). Damit sind solche Niederschriften nicht verlesbar, in denen es um komplizierte wirtschaftliche Zusammenhänge geht (König, a.a.O., S. 11). Die Abgrenzung wird man ähnlich vornehmen können wie bei der Abgrenzung Vorhalt/Urkundebeweis (vgl. dazu Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 4. Aufl., 2003, Rn. 884 m.w.N. [im Folgenden kurz: Burhoff, HV].

Tipp/Hinweis:

Von Bedeutung ist insoweit auch die Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO). Komplizierte wirtschaftliche Zusammenhänge werden sich kaum durch die Verlesung einer oder mehrerer Vernehmungsprotokolle klären lassen (so wohl auch König, a.a.O.; Knauer/Wolf NJW 2004, 2935; Neuhaus StV 2005, 52).

Der Verteidiger muss auch darauf achten, dass durch die Verlesung nur die Umstände in die Hauptverhandlung eingeführt werden, die sich auf den "Vermögensschaden" beziehen. Ggf. ist eine Urkunde nur teilweise zu verlesen (Hirtz/Sommer, S. 91). Insoweit muss der Verteidiger von der Möglichkeit der Beanstandung nach § 238 Abs. 2 StPO Gebrauch machen.

Inhaltsverzeichnis

c) Verlesbare Erklärungen (§ 256 StPO)

§ 256 StPO ist an drei Stellen geändert worden. Nach § 256 Abs. 1 Nr. 1 b StPO sind in Zukunft auch das Zeugnisse oder ein Gutachten enthaltende Erklärungen der Sachverständigen, die für die Erstellung von Gutachten der betreffenden Art allgemein vereidigt sind, verlesbar. Die Gesetzesbegründung führt dafür als Beispiel u.a. den Schriftsachverständigen an (BR-Dr. 378/03, S. 60; zur Kritik an der Neuregelung s. Neuhaus StV 2005, 52).

Tipp/Hinweis:

Auch hier muss der Verteidiger ggf. § 238 Abs. 2 StPO anwenden, wenn er die Verlesung des Gutachtens als nicht geeignet ansieht. Das wird vor allem in streitigen Fällen in Betracht kommen und wenn konkrete Anhaltspunkte für fachliche Fehler bestehen (Hirtz/Sommer, S. 93). Ggf. muss ein Beweisantrag gestellt werden (zur Kritik an der neuen Vorschrift eingehend Hirtz/Sommer, S. 94 f.) .

Von wesentlicher Bedeutung ist die Erweiterung in § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO. Danach können in einer Urkunde enthaltene Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden über Ermittlungshandlungen, soweit diese nicht eine Vernehmung zum Gegenstand haben, verlesen werden. Die Gesetzesbegründung meint damit Protokolle und Vermerke über Routinevorgänge (BR-Dr. 378/03, S. 61). Allerdings ist insoweit von Bedeutung, dass häufig ohne Vernehmung des Ermittlungsbeamten, der z.B. einen Vermerk verfasst hat, gar nicht entschieden werden kann, ob es sich um einen "Routinevorgang" handelt, der durch Verlesung "erledigt" werden kann. Auch könnten sich ggf. erst durch die Vernehmung des Beamten Umstände ergeben, die für das Verfahren von ausschlaggebender Bedeutung sind und daher nicht durch die Verlesung eingeführt werden dürfen (sehr kritisch auch Neuhaus StV 2005, 52)..

Tipp/Hinweis:

Der Verteidiger muss in solchen Fällen einen Beweisantrag stellen, der auch auf bloße Vermutungen gestützt werden kann (vgl. dazu Burhoff, HV, Rn. 300 f.).

Inhaltsverzeichnis

d) Dauer der Unterbrechung der Hauptverhandlung (§ 229 StPO)

§ 229 StPO ist völlig neu geregelt worden. Das soll den Gerichten das Verhandeln insbesondere in Umfangsverfahren erleichtern. In Zukunft kann die Hauptverhandlung immer bis zu drei Wochen unterbrochen werden. (§ 229 Abs. 1 StPO). Hat die Hauptverhandlung an 10 Sitzungstagen stattgefunden, ist eine Unterbrechung von 30 Tagen/1 Monat möglich (§ 229 Abs. 2 StPO). Entfallen sind die Beschränkungen in § 229 Abs. 2, die früher die 30 Tage-Unterbrechungen begrenzt haben. Das wird nicht unbedingt zur Beschleunigung der Verfahren beitragen.

Tipp/Hinweis:

Die Unterbrechungsfrist wird jetzt nach § 229 Abs. 3 StPO auch gehemmt, wenn eine "zur Urteilsfindung berufene Person" wegen Krankheit nicht erscheinen kann. Das sind die erkennenden Richter, nicht schon die Ergänzungsrichter und - schöffen.

Inhaltsverzeichnis

4. Änderungen bei den Rechtsmittel

a) Berufung

In § 314 Abs. 2 StPO war bislang bestimmt, dass die Frist für die Einlegung der Berufung gegen ein in Abwesenheit des Angeklagten verkündetes Urteil erst zu laufen begann, wenn das Urteil dem Angeklagten zugestellt wurde. § 314 Abs. 2 StPO ist jetzt dahin geändert worden, dass die Frist bereits mit Verkündung des Urteils in Gang gesetzt wird, wenn sich der Angeklagte durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten lassen hat und dieser bei der Verkündung des Urteils anwesend war (zur Vertretung des Angeklagten durch den Verteidiger s. Burhoff, HV, Rn. 1094 ff. m.w.N.). Die Formulierung der Änderung. "in den Fällen der §§ 234, 387 Abs. 1, 411 Abs. 2, 434 Abs. 1 S. 1" stellt m.E. klar, dass dieser geänderte Fristbeginn auf die angeführten Fälle der Vertretung des Angeklagten durch seinen Verteidiger beschränkt ist. Andere Fälle der Abwesenheit des Angeklagten, so z.B. nach § 231 StPO, werden m.E. nicht erfasst (a.A. offenbar Hirtz/Sommer, S. 98).

Tipp/Hinweis:

Der Verteidiger muss den geänderten Fristablauf bei der erforderlichen Fristenkontrolle beachten. Eine entsprechende Änderung gilt im Übrigen auch im Rechtsbeschwerdeverfahren, wenn der Betroffene in der Hauptverhandlung abwesend war und nach § 73 Abs. 3 OWiG von einem schriftlich bevollmächtigen Vertreter vertreten worden (§ 79 Abs. 4 OWiG n.F.).

Inhaltsverzeichnis

a) Revision

Tipp/Hinweis:

Im Revisionsverfahren ist ebenfalls - entsprechend der Änderung im Berufungsverfahren in § 314 Abs. 2 StPO - der Beginn der Revisionsfrist gegen in Abwesenheit des Angeklagten verkündete Urteile geändert worden. Auch sie beginnt nach § 341 Abs. 2 StPO n.F. jetzt mit der Verkündung des Urteils. Die Ausführungen bei II, 4 a gelten entsprechend.

Von erheblicher Bedeutung für die Praxis ist die Änderung/Ergänzung des § 354 StPO. Bislang konnten die Revisionsgerichte eine Sachentscheidung nur in den engen Fällen des § 354 Abs. 1 StPO treffen (vgl. zuletzt u.a. BVerfG NJW 2004, 1790 = StV 2004, 189 = StraFo 2004, 131). Das JuMoG hat die Befugnisse der Revisionsgerichte nun erweitert:

  • Neu eingefügt worden ist § 354 Abs. 1 a StPO. Danach kann das Revisionsgericht von einer Aufhebung des Urteils absehen, wenn nur Fehler bei der Strafzumessung unterlaufen sind und die verhängte Straf als angemessen anzusehen ist. Bejaht das Revisionsgericht also einen Fehler bei der Strafzumessung, hält aber dennoch die verhängte Strafe für angemessen, muss es das Urteil nicht mehr aufheben und die Sache zurückverweisen.
Tipp/Hinweis:

Das Revisionsgericht kann andere als die vom Tatrichter der Strafzumessung zugrundegelegten und festgestellten Tatsachen nicht heranziehen, da es an die tatrichterlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils gebunden ist. Auch kann es nach Urteilsverkündung entstandene neue Umstände nicht berücksichtigen(s. auch Hirtz/Sommer, S. 101). Liegen diese vor, muss der Verteidiger in der Revisionsbegründung darauf hinweisen und auf jeden Fall Zurückverweisung beantragen. Ggf. sollte er bei der Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Herabsetzung der Strafe (§ 354 Abs. 1 a S. 2 StPO) anregen.

  • Der neu eingefügte § 354 Abs. 1 b StPO ermöglicht es, bei fehlerhafter oder unterbliebener Gesamtstrafenbildung nach den §§ 53, 54, 55 StPO, dass das Revisionsgericht das Urteil nun nicht mehr insgesamt aufheben muss. Es bestimmt jetzt vielmehr, dass nachträglich im Beschlussverfahren gem. §§ 460, 462 StPO eine Entscheidung getroffen werden muss. Welches Gericht die Entscheidung trifft, folgt aus der Neuregelung nicht (s. dazu einerseits eingehend Hirtz/Sommer, S. 102; Breyer, PA 2004, 178 "das Tatgericht", andererseits BGH^NJW 2004, 3788: "das nach § 462 a Abs. 3 StPO zuständige Gericht").
Tipp/Hinweis:

Gegen den (neuen) Gesamtstrafenbeschluss ist nach § 462 Abs. 3 StPO die sofortige Beschwerde zulässig.

Auch die gebührenrechtlichen Fragen sind (noch) ungeklärt: Geht man davon aus, dass die nachträgliche Gesamtstrafenbildung noch zum Rechtszug Erkenntnisverfahren gehört, entsteht für den Verteidiger keine neue Gebühr. Sieht man hingegen den Rechtszug durch die erstinstanzliche Entscheidung als beendet an und geht davon aus, dass er durch die Entscheidung des Revisionsgerichts nach § 345 Abs. 1 b StPO nicht wieder auflebt, dann spricht viel dafür eine Gebühr nach Nr. 4204 VV RVG entstehen zu lassen. Das gilt vor allem dann, wenn man mit dem BGH nicht das Tatgericht, sondern das nach § 462 a Abs. 3 StPO zuständige Gericht als für die nachträgliche Entscheidung zuständig ansieht. Das hat zudem den Vorteil, dass der Verteidiger in diesem Fall über Vorbem. 4.2 VV RVG auch für eine ggf. eingelegte sofortige Beschwerde eine Vergütung erhält. Anderenfalls würde Vorbem. 4.1 Abs. 2 S. 1 VV RVG eingreifen.

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III. Opferrechtsreformgesetz

1. Allgemeine Änderungen

Mit dem Opferrechtsreformgesetz soll nach dem Willen des Gesetzgebers die Rechtsposition des Verletzten deutlich verbessert werden (vgl. die BR-Drucks. 829/03). Erstrebt wird dies über eine Stärkung der Verfahrensrechte, der Informationsrechte, einer Reduzierung der Belastung von Zeugen, eine verbesserte Schadenswiedergutmachung und eine verstärkte Einbindung in das Verfahren. Auf die zahlreichen Änderungen kann hier nicht im Einzelnen eingegangen werden (vgl. dazu Ferber NJW 2004, 2562; Neuhaus StV 2004, 620). An dieser Stelle muss ein Überblick genügen.

  • Der Katalog der Nebenklagedelikte ist in § 395 Abs. 1 Nr. 1a StPO um weitere Delikte aus dem Bereich des Sexualstrafrechts erweitert worden (§§ 180, 181 a StGB) und in § 395 Abs. 1 Nr. 1 e StPO auf rechtwidrige Taten nach § 4 des Gewaltschutzgesetzes erstreckt worden.
  • Nach § 397 Abs. 1 StPO ist nun auch auf Antrag den § 395 Abs. 2 Nr. 1 genannten nahen Angehörigen auf Antrag ein Rechtsanwalt als Verletztenbeistand zu bestellen.
  • Auf Antrag des Verletzten ist nach § 406 f Abs. 3 StPO künftig eine Person seines Vertrauens grds. berechtigt, an seiner Vernehmung teilzunehmen.
  • Nach § 406 h Abs. 1 muss jetzt der Verletzte auf seine dort genannten Rechte hingewiesen werden (vgl. wegen der Einzelh. insoweit Neuhaus StV 2004, 620 f., vor allem auch zur (verneinten) Frage der Revisibilität aus Sicht des Angeklagten.
  • Nach § 48 StPO muss der Zeugen nun nicht mehr nur über die Folgen des Ausbleibens belehrt werden, sondern es muss auch auf die verfahrensrechtlichen Bestimmungen, die dem Interesse des zeugen dienen, und auf die Möglichkeiten der Zeugenbetreuung hingewiesen werden (wegen der Einzelh. Neuhaus StV 2004, 620).
Tipp/Hinweis:

Das Fehlen der entsprechenden Belehrungen und Hinweise gibt dem Zeugen nicht das Recht, einer Ladung keine Folge zu leisten (Neuhaus StV 2004, 621).

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2. Behandlung von Videoaufzeichnungen (§ 58 a Abs. 2. 3 StPO

§ 58 a StPO regelt die Videovernehmung im Ermittlungsverfahren. Nach § 58 a Abs. 2 StPO dürfen Kopien der Aufzeichnung einer Videovernehmung durch den zur Akteneinsicht Berechtigten nicht (mehr) an Dritte weitergegeben werden. Das bedeutet, dass der Verteidiger diese Aufzeichnungen auch nicht an den Beschuldigten weitergeben darf. Es bleibt aber dabei, dass dem Verteidiger grds. Kopien der Vernehmung überlassen werden können. Neu ist jedoch, dass der Zeuge nach § 58 a Abs. 3 der Überlassung einer Kopie der Aufzeichnung seiner Vernehmung widersprechen kann. Dann erhält der Verteidiger außerhalb der Geschäftsstelle nur noch Einsicht in die schriftliche Übertragung der Aufzeichnung (zur Kritik an dieser Regelung eingehend Neuhaus StV 2004, 623).

Tipp/Hinweis:

Diese Regelung wird in der Praxis zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Der Verteidiger hat nämlich nach wie vor das Recht, die Videovernehmung zumindest auf der Geschäftsstelle einzusehen. Dazu kann er den Beschuldigten, ggf. Dolmetscher und Sachverständige mitbringen. Der Verteidiger hat auch das Recht, die Vernehmung ggf. mehrfach einzusehen. Die Frage, wie das zu organisieren ist, wird die Justiz vor erhebliche Schwierigkeiten stellen (zur Revisibilität s. Neuhaus StV 2004, 624).

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3. Videovernehmung in der Hauptverhandlung

Bisher war die Videovernehmung nach § 247 a StPO subsidiär zur Entfernung des Angeklagten nach § 247 S. 2 StPO und dem Ausschluss der Öffentlichkeit nach §§ 171 b, 172 Nr. 1 a und 4 GVG. Dies hat in der Praxis zu nicht unerheblichen Anwendungsschwierigkeiten geführt, die - so die Auffassung des Gesetzgebers - Grund für die nur geringe Zahl von Videovernehmungen in der Hauptverhandlung sein sollen. Im Gesetz ist deshalb nun in § 247 a StPO die Subsidiaritätsklausel gestrichen worden. Das bedeutet, dass sich das Gericht zukünftig, bevor es denn Angeklagten ausschließt, mit der Möglichkeit der Videovernehmung auseinandersetzen muss. Tut es das nicht, besteht ggf. ein absoluter Revisionsgrund.

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4. Adhäsionsverfahren

Völlig neu gestaltet hat das OpferRRG das Adhäsionsverfahren, das auf diese Weise gestärkt werden sollte. Das soll einerseits erreicht werden durch eine Einschränkung der Möglichkeiten des Gerichts, von einer Entscheidung im Adhäsionsverfahren abzusehen (§ 406 StPO), sowie andererseits durch eine Erweiterung der prozessualen Gestaltungsmöglichkeiten (vgl. wegen der Einzelheiten Ferber NJW 2004, 2564; Neuhaus StV 2004, 626). Dazu gehören insbesondere die erweiterte Möglichkeit des Abschlusses eines Vergleichs in $ 405 StPO.

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IV. Änderungen im StVG (§ 29 StVG)

Für die Verteidigung in Bußgeldsachen von erhebliche Bedeutung ist die Änderung des § 29 StVG, der u.a. die Fristen über die Tilgung von Voreintragungen im Verkehrszentralregister regelt. Die Vorschrift ist um einen S. 6 ergänzt worden, wonach die Ablaufhemmung nun auch eintritt, wenn eine neue Tat vor dem Ablauf der Tilgungsfrist nach § 29 Abs. 1 StVG begangen wird und bis zum Ablauf der Überliegefrist zu einer weiteren Eintragung führt. Bisher kam es für die Ablaufhemmung nicht auf den Zeitpunkt der Tat, sondern auf den der rechtskräftigen Ahndung der innerhalb der Tilgungsfrist begangenen Tat an. Geändert worden ist zudem in § 29 Abs. 7 StVG die sogenannte Überliegefrist von drei Monaten auf ein Jahr.

Tipp/Hinweis:

Für die Ablaufhemmung entscheidend ist nun also:

* Tat innerhalb der Tilgungsfrist?

* rechtskräftige Entscheidung innerhalb eines Monats?

Zweifelhaft ist, ob der mit dieser Änderung erwünschte Effekt, nämlich Einsprüche, die früher insbesondere zum Ende der Tilgungsfrist eingelegt wurden, um die Rechtskraft einer Entscheidung vermeiden und damit den Ablauf der Tilgungsfrist zu erreichen, vermindert werden. M.E. wird sich an der Zahl der Einsprüche nichts ändern und die gewünschte Entlastung nicht eintreten. Vielmehr wird es zu einer Verlängerung der Verfahren kommen, da die Verteidiger in den entsprechenden Verfahren bestrebt sein werden/müssen, die Überliegefrist zu überschreiten (ähnlich Hirtz/Sommer, S. 147).

Tipp/Hinweis:

Für die Änderungen in § 29 StVG sind keine Übergangsvorschriften vorgesehen. Das bedeutet, dass sich in allen Sachen, in denen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Neuregelung am 1. 2. 2005 (s.o. I) die alte Überliegefrist von drei Monaten noch nicht abgelaufen ist, sich die Überliegefrist auf ein Jahr verlängert. Kommt es innerhalb dieses Jahres zu einer weiteren Eintragung, wird die alte Eintragung nicht getilgt.

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