aus ZAP Heft 14/2014, F 22 R, S. 843
(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "ZAP" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "ZAP" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)
von Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg
Inhaltsverzeichnis
Am 1. 5. 2014 ist das Fünfte Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze v. 28. 8. 2013 (BGBl. I S. 3313) in Kraft treten. Es hat die in den letzten Jahre lange und heftig unter dem Stichwort Punktereform diskutierte Änderung des geltenden Rechts des sog. Punktesystems/VZR mit einem (neu eingeführten) Fahreignungsregister und einem Fahreignungsbewertungssystem, das das alte Punktesystem und das Verkehrsregister ablöst, gebracht. Die Punktereform soll das System einfacher, gerechter und transparenter machen. Ob das erreicht wird, wird in Zukunft die Praxis zeigen. Einen ersten Überblick über das (neue) Fahreignungsregister (FAER) und das Fahreignungsbewertungssystem (FABS) geben meine Ausführungen in ZAP F. 9, S. 855 (vgl. auch schon Albrecht/Kehr DAR 2013, 437 ff.; Gübner VRR 2014, 53 ff. und 89 ff.; Burhoff VA 2014, 51 u. 69; Reisert zfs 2013, 249).
Entscheidungen zu Durchsuchung und Beschlagnahme haben vor einige Jahren die Rechtsprechung zum Ermittlungsverfahren beherrscht, inzwischen ist die Flut aber deutlich zurück gegangen. Das bedeutet allerdings nicht, dass wie das Verfahren Edathy beweist Durchsuchungen nicht immer noch von erheblicher Brisanz sind bzw. sein oder haben können. Das gilt sicherlich vor allem auch dann, wenn es um die Durchsuchung von Rechtsanwaltskanzleien und oder um Durchsuchungen bei unbeteiligten Dritten, wie z.B. einem Insolvenzverwalter geht. Da spielen die mit der Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung zusammenhängenden Fragen eine erhebliche Rolle (zur Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei s. Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 6. Aufl., 2013, Rn. 1064 ff. [im Folgenden kurz: Burhoff, EV]; zur Durchsuchung beim Insolvenzverwalter s. Burhoff, EV, Rn. 1066 ff.). Hinzuweisen ist dazu auf den LG Dresden, Beschl. v. 27. 11. 2013 (5 Qs 113/13), der die Durchsuchung bei einem Insolvenzverwalter betraf. Das LG betont den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Insolvenzverwalter hätte nämlich, was nicht geschehen war, habe nach § 95 StPO zur Herausgabe der gesuchten Unterlagen aufgefordert werden können. Eine Durchsuchung müsse im Hinblick auf den bei der Anordnung verfolgten gesetzlichen Zweck nicht nur erfolgversprechend, sondern zur Ermittlung und Verfolgung der vorgeworfenen Tat auch erforderlich sein; das sei nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stünden. Schließlich müsse der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Tat und der Stärke des Tatverdachts stehen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebiete in jedem Verfahrensstadium das jeweils mildeste Mittel anzuwenden. Könne ein Ermittlungserfolg auf unterschiedliche Art und Weise erreicht werden, so müsse dasjenige Mittel gewählt werden, welches den Betroffenen unter den Umständen des Einzelfalles bestmöglich schone. Vorliegend wäre ein auf § 95 StPO gestütztes Herausgabeverlangen ausreichend und gleich erfolgversprechend gewesen. Ein Vorgehen der Ermittlungsbehörden nach § 95 StPO biete sich so das LG - immer dann als strafprozessuales Instrument an, wenn anzunehmen sei, dass der Herausgabepflichtige die gesuchten Beweisgegenstände freiwillig herausgebe und weder das Gebot der Verfahrensbeschleunigung entgegenstehe noch ein das Ermittlungsverfahren bedrohender Verlust der begehrten Sache oder gar Verdunkelungsmaßnahmen zu besorgen seien. Ein Insolvenzverwalter als geschäftskundige, unabhängige Rechtsperson (§ 56 Abs. 1 InsO), die Amtspflichten treffe, sei verpflichtet, mit den Ermittlungsbehörden zu kooperieren. Es wären vorliegend weder ein Verlust der gesuchten Unterlagen noch Verdunkelungsmaßnahmen zu befürchten gewesen. Auch rechtfertige allein der Wunsch nach einem zeitgleichen Vorgehen gegen alle (vermeintlichen) Gewahrsamsinhaber von Beweismitteln es wegen des betroffenen Grundrechts aus Art. 13 Abs. 2 GG nicht, ohne vorheriges Herausgabeverlangen nach § 95 StPO die Durchsuchung der Geschäftsräume des betroffenen Insolvenzverwalters anzuordnen.
Hinweis: |
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Beim Insolvenzverwalter geht die landgerichtliche Rechtsprechung davon aus, dass die Durchsuchung quasi ultima ratio ist und ein Herausgabeverlangen vorgeht (vgl. LG Berlin, ZInsO 2008, 865; LN Neubrandenburg NJW 2010, 691; LG Potsdam ZInsO 2007, 1162). |
Ich hatte in ZAP F. 22 R, S. 759 ff. über aktuelle Rechtsprechung zu Pflichtverteidigungsfragen berichtet. An die Zusammenstellung schließen die nachfolgende Rechtsprechung-Übersicht an (vgl. i.Ü. eingehend zu den mit der Pflichtverteidigung zusammenhängenden Problemen Burhoff, EV, Rn. 2082 ff.)
In ZAP F 22 R, S. 832 ff. hatte ich über zwei Entscheidungen berichtet, die sich mit der Verletzung der Belehrungsvorschriften der §§ 136 Abs. 1, 163a Abs. 4 StPO befassen (vgl. OLG Nürnberg StRR 2014, 105 = VRR 2014, 107 bei einem unerlaubten Entfernen vom Unfallort bzw. LG Saarbrücken StRR 2014, 109 = VRR 2014, 108 bei einer Trunkenheitsfahrt). In dem Zusammenhang ist dann noch hinzuweisen auf den LG Gießen, Beschl. v. 9. 12. 2013 (7 Qs 196/13, VRR 2014, 189), dem folgender Sachverhalt zugrunde gelegen hat: Dem Beschuldigten wurde ein Verstoß gegen §§ 315c Abs. 1 Nr. 1 StGB vorgeworfen. Er soll infolge Übermüdung (Sekundenschlafs) einen Auffahrunfall mit erheblichem Sachschaden verursacht haben. Deswegen ist dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis vom AG gem. § 111a StPO vorläufig entzogen worden. Der dringende Verdacht eines kurzzeitigen Einschlafens des Beschuldigten hatte das AG u.a. auf Angaben des Beschuldigten gegenüber einem POK X. gestützt, wonach er wohl kurz eingeschlafen zu sein. Die Beschwerde des Beschuldigten, mit der u.a. die Unverwertbarkeit dieser Angaben geltend gemacht worden ist, hatte beim LG keinen Erfolg.
Das LG (a.a.O.) hat die Angaben des Beschuldigten gegenüber dem Polizeibeamten als verwertbar angesehen. Die Angaben seien nicht wegen eines Verstoßes gegen die Belehrungspflicht der §§ 136 Abs. 1, 163a Abs. 4 StPO über das Aussageverweigerungsrecht des Beschuldigten unverwertbar. Der Beschuldigte sei nämlich bei der Erstbefragung durch den Polizeibeamten. noch nicht in der Eigenschaft als Beschuldigter vernommen. Denn der zur Unfallaufnahme eingesetzte Beamte habe lediglich von einem Auffahrunfall gewusst, als er zur Unfallstelle gekommen sei und den Beschuldigten als ersten der beteiligten Kraftfahrer zum Hergang befragt habe. Es sei nicht zu beanstanden, dass sich der Polizeibeamte durch die Befragung Informationen verschaffen wollte, um einen möglichen Tatverdacht und die Person des Beschuldigten beurteilen zu können. Auch wenn bei einem Auffahrunfall bereits aufgrund der Tatsache des Auffahrens gegen den Hintermann der Verdacht einer Ordnungswidrigkeit gem. §§ 1 Abs. 2, 4, 49 Abs. 1 Nr. 1 und 4 StVO, 24 StVG bestehen könne, begründe dieser allgemeine Verdacht noch keine Verpflichtung des Vernehmungsbeamten zur Belehrung gem. §§ 136 Abs. 1, 163a Abs. 4 StPO schon vor der ersten Befragung des Auffahrenden. Angesichts des ansonsten noch völlig unklaren Unfallverlaufs diene die erste Befragung in einen solchen Fall vielmehr der notwendigen Klärung, ob sich der Verdacht bis zum Grad der naheliegenden Möglichkeit erhärten lasse. Die Beurteilung durch den Polizeibeamten, es gehe noch um Informationsgewinnung, sei jedenfalls nicht ermessenfehlerhaft oder missbräuchlich. Dies zeige sich auch darin, dass er den Beschuldigten sofort nach dessen Äußerung zum Einschlafen gemäß § 136 Abs. 1 StPO belehrt habe.
Hinweis: |
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Das LG übersieht, dass dem Beschuldigten nicht nur der Vorwurf des späteren Strafverfahrens mit einem Verstoß gegen § 315c StGB gemacht wurde, sondern ggf. auch der Vorwurfs einer Ordnungswidrigkeit nach §§ 1 Abs. 2, 4, 49 Abs. 1 Nr. 1 und 4 StVO, 24 StVG. Insoweit hätte er auf jeden Fall belehrt werden müssen. Die Entscheidung des LG legt daher die Belehrungsschwelle zu weit nach hinten. Die Entscheidung ist daher nicht richtig. Zutreffend und richtig haben es in der Vergangenheit das OLG Nürnberg (StRR 2014, 105 = VRR 2014, 107) bei einem unerlaubten Entfernen vom Unfallort bzw. das LG Saarbrücken (StRR 2014, 109 = VRR 2014, 108) bei einer Trunkenheitsfahrt gemacht. Auf die Anmerkungen zu den Entscheidungen wird verwiesen. |
An dieser Stelle ist länger nicht mehr über Beweisantragsfragen berichtet worden, obwohl diese in der Rechtsprechung des BGH eine doch recht große Rolle spielen. Daher jetzt der Hinweis auf zwei BGH-Entscheidungen, die die Abgrenzung von Beweis- und Beweisermittlungsantrag behandeln (BGH, Beschl. v. 15.1.2014 (1 StR 379/13, StV 2014, 257 = StRR 2014, 122 m. Anm. Grube) und zudem (noch einmal) zum Erfordernis der sog. Konnexität Stellung nehmen (vgl. BGH, Beschl. v. 15.1.2014 (1 StR 379/13, StV 2014, 257 m. Anm. Grube; BGH, Beschl. v. 24.3.2014 5 StR 2/14; dazu auch BGHSt 52, 284 = NJW 2008, 3446 = StRR 2008, 425)
Der BGH, Beschl. v. 15.1.2014 (1 StR 379/13, StV 2014, 257 = StRR 2014, 122 m. Anm. Grube) hat u.a. die Abgrenzung des Beweis- vom Beweisermittlungsantrag zum Gegenstand. In einem Verfahren wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt und Steuerhinterziehung spielten u.a. Scheinrechnungen eine Rolle, in denen unter dem Namen von Firmen, Subunternehmerleistungen abgerechnet worden waren, die tatsächlich nicht tätig geworden waren. In der Hauptverhandlung hatte der Verteidiger u.a. die zeugenschaftliche Einvernahme von Herrn H ( ) zum Beweis der Tatsache, dass die Firma F-GmbH als Subunternehmer für die J-GmbH auf den Baustellen Ha. und L. tätig war beantragt. Das LG hatte diesen als unzulässig abgelehnt. Der BGH (a.a.O.) hat das beanstandet, da es sich nicht nur um einen Beweisermittlungsantrag, sondern um einen Beweisantrag gehandelt habe. Der Antrag bezeichnete insbesondere keine Schlussfolgerung oder Wertung, sondern eine hinreichend bestimmte Beweistatsache. Für die Beweisbehauptung sei es ausreichend, wenn sie mit dem einfachen Rechtsbegriff der Subunternehmertätigkeit der auf bestimmten Baustellen eingesetzten Firmen umschrieben werde, da diese dem Beweis durch die Aussagen der namentlich bezeichneten Zeugen zugänglich sei (zum Inhalt des Beweisantrages Burhoff, HV, Rn. 876 ff. m.w.N.).
Hinweis: |
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Trotz der angeklagtenfreundlichen Tendenz des BGH sollte der Verteidiger bei der Formulierung des Beweisantrags von der Verwendung rechtlicher Begriff absehen und stattdessen oder zumindest auch die der Wertung zugrundeliegenden Tatsachen näher darlegen (s. auch Grube, a.a.O.; vgl. auch Burhoff, HV, Rn. 881). |
Der BGH äußert sich in dem BGH, Beschl. v. 15.1.2014 (1 StR 379/13, StV 2014, 257 = StRR 2014, 122 m. Anm. Grube) zudem auch zur Frage der sog. Konnexität zwischen Beweistatsache und Beweismittel. Das LG hatte die Ablehnung des Beweisantrages nämlich auch darauf gestützt, dass dem Antrag nicht zu entnehmen sei, weshalb die benannten Zeugen Bekundungen zu den genannten Tatsachen ( ) machen können bzw. welche konkreten Wahrnehmungen die benannten Zeugen bekunden sollen. Angesichts der fortgeschrittenen Beweisaufnahme sei die Wahrnehmungssituation der Zeugen unter Berücksichtigung der bisherigen Ergebnisse der Beweisaufnahme näher darzulegen. Der BGH hält das für rechtsfehlerhaft. Die nähere Begründung des verbindenden Zusammenhangs zwischen Beweisbehauptung und Beweismittel im Beweisantrag sei nur dann notwendig, wenn sich der Konnex nicht von selbst verstehe. Im konkreten Fall sei nach Aktenlage offenkundig und allen Verfahrensbeteiligten bekannt gewesen, dass es sich bei den benannten Zeugen um Geschäftsführer und/oder Gesellschafter der als Subunternehmer in Frage kommenden Firmen gehandelt habe. Da es auf der Hand liege, dass Verantwortliche eines Unternehmens aufgrund beruflicher Kenntnis Angaben darüber machen können, ob und in welchem Umfang das Unternehmen - ggf. auch als Subunternehmer - tätig sei, habe es keiner Konkretisierung der Wahrnehmungssituation der angegebenen Zeugen bedurft.
Hinweis: |
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Das Fazit aus dem BGH, Beschl. (a.a.O.): Der BGH hält grds. an seiner Rechtsprechung zur Konnexität fest (vgl. dazu und auch zur Kritik Burhoff, HV, Rn. 872 ff.). Allerdings will er sie offenbar auf Ausnahmefälle beschränken und sieht sie nicht als ein Instrument, um Beweisanträge mit einer in der StPO nicht vorgesehenen Begründung abzulehnen (s. dazu auch demnächst Deutscher in StRR 2014 in der Anm. zu BGH, Beschl. v. 24.3.2014 5 StR 2/14), was zu begrüßen ist (s. auch noch OLG Schleswig, Beschl. v. 6. 11. 2013 - 1 Ss 124/13 [198/13], www.burhoff.de). Dennoch wird ein vorsichtiger Verteidiger nach Möglichkeit in allen Fällen zur Konnexität vortragen (vgl. Burhoff, HV, Rn. 872 ff.; Grube, a.a.O.). |
Im der letzten Zeit mehren sich Entscheidungen (des BGH), die sich mit dem Verfahren der Entfernung des Angeklagten aus der Hauptverhandlung nach § 247 StPO befassen (vgl. dazu Burhoff, HV, Rn. 1355 ff.). Das zeigt, dass die Einschätzung, dass dieses Verfahren im Hinblick auf die Revision fehleranfällig ist und für die Gerichte dort Fallen lauern, die dann in der Revision zur Aufhebung führen. Allerdings: Es sind m.E. bekannte Fallen, die man in der Hauptverhandlung an sich ohne große Probleme aus dem Weg räumen können müsste. Warum das nicht passiert, leuchtet nicht ein. Das gilt gerade im Hinblick auf die Entlassung des Zeugen ohne den aus der Hauptverhandlung entfernten Angeklagten (vgl. dazu zuletzt BGH, Beschl. v. 11.03.2014 1 StR 711/13 ; dazu u.a. BGH, Beschl. v. 05.12.2013 2 StR 387/13 und BGH, Beschl. v. 19.11.2013 2 StR 379/13, NStZ-RR 2014, 53).
In dem dem BGH, Beschl. v. 11.03.2014 (1 StR 711/13) zugrundeliegenden Verfahren wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung war die Nebenklägerin zweimal als Zeugin vernommen worden. Während der Vernehmungen wurde der Angeklagte jeweils gem. § 247 StPO aus dem Sitzungssaal entfernt. Auch die Verhandlung über die Entlassung der Nebenklägerin als Zeugin erfolgte jeweils in Abwesenheit des Angeklagten. Nach der ersten Vernehmung der Nebenklägerin wurde sie im allseitigen Einverständnis entlassen. Erst dann wurde der Angeklagte wieder in den Sitzungssaal gelassen und vom Vorsitzenden über den Inhalt der Zeugenvernehmung der Nebenklägerin informiert. Nach der Vernehmung der Mutter der Nebenklägerin wurde die Nebenklägerin erneut vernommen. Auch bei dieser zweiten Vernehmung und der anschließenden Verhandlung über die Entlassung der Zeugin war der Angeklagte nach § 247 StPO ausgeschlossen.
Der Verteidiger hat den absoluten Revisionsgrund gem. § 338 Nr. 5 StPO i.V.m. § 247 StPO wegen Abwesenheit des Angeklagten bei der Verhandlung über die Entlassung der Nebenklägerin gerügt und hatte damit Erfolg. Der BGH weist nochmals darauf hin, dass über die Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen ist grds. ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung. Die währenddessen fortdauernde Abwesenheit des nach § 247 Satz 1 oder Satz 2 StPO entfernten Angeklagten sei deshalb regelmäßig geeignet, den absoluten Revisionsgrund zu begründen (BGHSt 55, 87, 92 = NJW 2010, 2450 = StRR 2010, 340). Ob ein Verfahrensteil als wesentlich einzuordnen sei, bestimme sich nach dem Zweck der jeweils betroffenen Vorschriften sowie danach, in welchem Umfang ihre sachliche Bedeutung betroffen sein kann. Nach dem Zweck des § 247 StPO sei aber die Entlassungsverhandlung in Anwesenheit des Angeklagten grds. als wesentlich anzusehen. Die das Anwesenheitsrecht und die Anwesenheitspflicht des Angeklagten betreffenden Vorschriften bezweckten auch, dem Angeklagten eine allseitige und uneingeschränkte Verteidigung zu ermöglichen, insbesondere durch Vornahme von Verfahrenshandlungen aufgrund des von ihm selbst wahrgenommenen Verlaufs der Hauptverhandlung. Das werde dem Angeklagten durch seinen Ausschluss von der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen erschwert, weil er in unmittelbarem Anschluss an die Zeugenvernehmung keine Fragen oder Anträge stellen kann, die den Ausgang des Verfahrens beeinflussen können (BGH, a.a.O.).
Etwas anderes hat der BGH (vgl. Beschl. v. 11.03.2014 - 1 StR 711/13) nicht ausnahmsweise deshalb angenommen, weil es sich bereits um die zweite Vernehmung der Zeugin handelte. Auch einer ergänzenden Vernehmung einer Opferzeugin komme grds. erhebliche Bedeutung für das Verfahren zu, sodass der Angeklagte auch nach einer solchen stets die Möglichkeit haben muss, ergänzende Fragen oder Anträge zu stellen, die das Verfahren beeinflussen können (BGHSt 55, 87, 92 = NJW 2010, 2450 = StRR 2010, 340). Beim Vorwurf von Sexualstraftaten liege es sogar nahe, dass Umstände zum Tatgeschehen selbst dann erörtert werden, wenn es nur deshalb zu einer erneuten Vernehmung der Opferzeugin komme, weil eine für sich genommen neutrale Frage zum Randgeschehen noch geklärt werden muss. Auch in einem solchen Fall sei kein Verfahrensbeteiligter rechtlich gehindert, bisher noch nicht gestellte, aber zur Sache gehörende also den gesamten Anklagevorwurf betreffende Fragen zu stellen (vgl. zu § 171b GVG: BGH, Beschl. v. 19. 12. 2006 1 StR 268/06 Rn. 9, in BGHSt 51, 180 nicht abgedruckt).
Hinweis: |
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Die Ausschließung eines Angeklagten von der Anwesenheit in der Hauptverhandlung rechtfertigt nur die Verhandlung in seiner Abwesenheit während der Zeugenvernehmung, nicht bei der Erhebung von Sachbeweisen (zuletzt BGH, Beschl. v. 19.11.2013 2 StR 379/13, NStZ-RR 2014, 53; s. auch BGH StV 2005, 6). Handelt es sich bei der Betrachtung eines Luftbildes vom Tatort um eine Beweiserhebung durch "Augenschein" und nicht lediglich um einen Vernehmungsbehelf bei der Befragung eines Zeugen, so stellt dies einen Fall des Augenscheinsbeweises dar, der in Anwesenheit des Angeklagten zu erheben ist (BGH, a.a.O.). Wird das nicht beachtet und erfolgt während der weiteren Hauptverhandlung keine Heilung dieses Verfahrensfehlers, so führt dies zwingend zur Urteilsaufhebung (BGH, a.a.O.) |
Manchmal naht, wenn Fristen versäumt sind, Hilfe an bzw. von einer Stelle, von der aus man sie nicht erwartet, ggf. sogar übersehen hat. Das zeigt anschaulich der BGH, Beschl. v. 6. 3. 2014 (4 StR 553/13, NJW 2014, 1686). Das LG hatte die Angeklagte am 13. 8. 2013 wegen Unterschlagung sowie wegen schweren Raubes in zwei Fällen verurteilt. Nachdem der Urteilstenor der Nebenklägerin am 21. 8. 2013 zugestellt worden war, legte sie mit am 2. 9. 2013 beim LG eingegangenem Schreiben gegen das Urteil Revision ein und beantragte zugleich Wiedereinsetzung in die Revisionseinlegungsfrist. Das LG hat die Revision der Nebenklägerin gemäß § 346 Abs. 1 StPO als verspätet und deshalb unzulässig verworfen und das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen. Dagegen hat die Nebenklägerin eine Entscheidung des Revisionsgerichts nach § 346 Abs. 2 StPO beantragt und hatte damit beim BGH Erfolg.
Der BGH (a.a.O.) verweist darauf, dass die für die Revisionseinlegung maßgebliche Wochenfrist (§ 341 Abs. 1 Satz 1 StPO) erst mit Zustellung des (vollständigen) Urteils an die Nebenklägerin am 3. 9. 2013 in Lauf gesetzt worden sei (vgl. Gericke in Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2014, § 341 Rn. 19, 20). Dem stehe nicht entgegen, dass ihr der Urteilstenor nebst Rechtsmittelbelehrung bereits am 21. 8. 2013 förmlich zugestellt worden sei (§ 401 Abs. 2 S. 2 StPO). Diese Zustellung sei nämlich unwirksam. Die Wirksamkeit einer förmlichen Zustellung setze voraus, dass sie auf einer (wirksamen) Zustellungsanordnung des Vorsitzenden beruhe (§ 36 Abs. 1 S. 1 StPO (vgl. BGH bei Holtz, MDR 1976, 814; NStZ 1986, 230 jeweils m.w.N.; NStZ 2011, 591, 592). Die Anordnung sei zwar nicht an eine besondere Form gebunden und könne folglich sowohl schriftlich als auch mündlich getroffen werden. In Anbetracht ihrer Bedeutung für die Wirksamkeit der Zustellung müsse sie aber im Zeitpunkt der Zustellung aktenkundig, im Falle einer mündlichen Anweisung daher jedenfalls in einem Vermerk der Geschäftsstelle festgehalten sein. Denn die Rechtssicherheit gebiete es, dass von vornherein auch für Dritte erkennbar sei, ob im Zeitpunkt der Zustellung eine dem § 36 Abs. 1 StPO entsprechende Anordnung vorlag. Anderenfalls ließe sich wenn überhaupt unter Umständen erst nach längeren Nachforschungen klären, ob der Zustellung eine wirksame Anordnung zugrunde gelegen habe, die Rechtsmittelfrist demnach in Lauf gesetzt worden sei. Die hiermit verbundene Rechtsunsicherheit kann aber nicht hin-genommen werden (OLG Zweibrücken MDR 1986, 1047; LG Zweibrücken NStZ-RR 2013, 49; vgl. LR-StPO/Graalmann-Scheerer, 26. Aufl., § 36 Rn. 7; SK-StPO/Weßlau, § 36 Rn. 4; KK-StPO/Maul, a.a.O., § 36 Rn. 2; Pollähne in HK-StPO, 5. Aufl., § 36 Rn. 5; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, § 36 Rn. 3: stets schriftlich; a.A. SSW-StPO/Mosbacher, § 36 Rn. 5, wonach die Dokumentation im Zeitpunkt der Zustellung keine Wirksamkeitsvoraussetzung darstellt). Daran fehlte es, da den Verfahrensakten eine den Urteilstenor betreffende Zustellungsanordnung des Vorsitzenden nicht zu entnehmen war. Der Zustellungsmangel sei so der BGH - auch nicht gem. § 37 Abs. 1 StPO i.V.m. § 189 ZPO durch den tatsächlichen Zugang geheilt worden. Dies würde voraussetzen, dass eine förmliche Zustellung von dem für das Verfahren zuständigen Organ im Fall des § 36 Abs. 1 StPO also vom Vorsitzenden beabsichtigt war (MüKo-ZPO/Häublein, 4. Aufl., § 189 Rn. 3; LR-StPO/Graalmann-Scheerer, a.a.O., § 37 Rn. 95). Sei ein solcher Zustellungswille des zuständigen Organs mangels Zustellungsanordnung nicht feststellbar, so trete keine Heilung gemäß § 37 Abs. 1 StPO i.V.m. § 189 ZPO ein (OLG Celle NStZ-RR 2011, 45 [Ls.]).
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Die Zitate in der o.a. Entscheidung zeigen, dass der BGH mit seinem Beschluss kein Neuland betreten hat, sondern sich auf den Pfaden der h.M. bewegt. Die Entscheidung zeigt aber sehr schön auf, auf welche Nebenkriegsschauplätze man als Verteidiger eben manchmal achten muss/sollte, wenn es um Fristversäumnisse geht. Dann ist zwar das Kind erst einmal in den Brunnen gefallen, aber Rettung kann dann an einer Stelle auftauchen, an der man mit ihr gar nicht rechnet. Nämlich bei allgemeinen formellen Fragen wie hier der (fehlenden) Zustellungsanordnung. Deshalb sollte man in solchen Fällen als Verteidiger bzw. wie hier als Nebenklägervertreter immer noch einmal Akteneinsicht nehmen, um solche Dinge zu prüfen und auf sie dann hinweisen zu können. Die Rettung ist dann häufig um vieles einfacher als der Weg über den Wiedereinsetzungsantrag. Den sollte man allerdings vorsorglich immer auch stellen. Das schadet nicht. Hat der Antrag nach § 346 Abs. 2 StPO Erfolg, ist der nämlich gegenstandslos. |
Schweigen ist Gold, Reden ist Silber, wer kennt als Strafverteidiger den Spruch nicht?. Und er beschäftigt ja auch immer wieder die Rechtsprechung. Dann geht es aber meistens um die Frage, dass der Beschuldigte zu früh oder zu viel "geredet" und er sich "um Kopf und Kragen geredet" hat. In dem OLG Hamm, Beschl. v. 08.04.2014 (1 RVs 104/13) geht es nun nicht um die Problematik, aber auch um ein zu Viel, und zwar um zu viel "Gerede" in der Revision zur Begründung der Sachrüge. Der Verteidiger hatte die von ihm erhobene Sachrüge zunächst mit der allgemeinen Rüge begründet, aber mitgeteilt, dass weitere Ausführungen folgen. Und die folgten dann. Aus ihnen ergab sich nach Auffassung des OLG Hamm (a.a.O.) jedoch, dass mit der als Sachrüge" bezeichneten Rüge tatsächlich nicht die fehlerhafte Anwendung sachlichen Rechts (§ 337 StPO) auf den festgestellten Sachverhalt behauptet werden sollte oder dass aus dem Urteil selbst hervorgehende Feststellungsmängel wie Widersprüche, Unklarheiten oder Verstöße gegen die Denkgesetze, die ebenfalls mit der Sachrüge hätten beanstandet werden können, geltend werden sollten, sondern dass das Beweisergebnis, zu dem die Strafkammer gelangt ist, sowie die darauf basierenden Urteilsfeststellungen selbst in Frage gestellt werden sollten. Denn das Vorbringen des Verteidigers erschöpfte sich ausschließlich in unzulässigen Angriffen gegen die Beweiswürdigung des LG in dem angefochtenen Urteil.
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Mit Ausführungen zur Beweiswürdigung muss der Verteidiger also auf jeden Fall vorsichtig sein bzw. deutlich machen, dass bei der Begründung der allgemeinen Sachrüge die zunächst allgemein erhobene Sachrüge durch die Ausführungen nicht eingeschränkt werden, sondern allgemein erhoben bleiben soll und die Ausführungen nur "erläuternd" oder "insbesondere" gemacht werden. |
Für manche Fehler in landgerichtlichen Entscheidungen hat man nur wenig Verständnis. Das gilt vor allem dann, wenn es sich um Anfängerfehler handelt. Ein solcher liegt m.E. der Aufhebung eines Urteils des LG Stralsund durch den BGH, Beschl. v. 20.03.2014 (3 StR 353/13) zugrunde. Das LG hatte seine Überzeugung von den getroffenen Feststellungen in erster Linie aufgrund der Angaben eines Zeugen W. gewonnen. Dieser machte zu allen vom LG abgeurteilten Fällen Angaben, die die schweigenden Angeklagten des Verfahrens belasteten. Zu einem Fall der Urteilgründe gab er u.a. an, einem Auftrag des Angeklagten L. entsprechend den Angeklagten B. am Tag der gefährlichen Körperverletzung, dem 6. 7. 2012, von D. nach S. in die Nähe des Tatorts gefahren zu haben. Die dem entgegenstehenden Angaben der Eltern des Angeklagten B., dieser habe sich zur Tatzeit auf dem elterlichen Grundstück aufgehalten, hat das LG als vorsätzliche Falschaussage gewertet. Diesen Schluss hat sie vor allem aus dem langen, von beiden elterlichen Zeugen nicht plausibel erklärten Schweigen zum Alibi ihres Sohnes gezogen. Es widerspräche jeglicher Lebenserfahrung, dass Eltern einen entlastenden Umstand gegenüber den Strafverfolgungsbehörden verschweigen und ihren Sohn über sechs Monate in Untersuchungshaft verbringen lassen. Auf Frage, warum sie diese Angaben nicht früher gemacht habe, habe die Mutter des Angeklagten B. mit der Gegenfrage geantwortet, warum man sie nicht früher gefragt habe.
Der BGH (a.a.O.) sieht diese Würdigung zutreffend als rechtsfehlerhaft an: Die Eltern eines Angeklagten seien zur Aussage nicht verpflichtet (§ 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO). Der unbefangene Gebrauch dieses Schweigerechts wäre nicht gewährleistet, wenn der verweigerungsberechtigte Zeuge die Prüfung und Bewertung der Gründe für sein Aussageverhalten befürchten müsste (s. schon BGHSt 22, 113, 114). Deshalb dürfen weder aus der durchgehenden noch aus der nur anfänglichen Zeugnisverweigerung dem Angeklagten nachteilige Schlüsse gezogen werden (BGH NStZ 1985, 87). Letzterem stehe es gleich, wenn es ein zur Zeugnisverweigerung Berechtigter zunächst unterlasse, von sich aus Angaben zu machen (BGH NStZ 1987, 182, 183). Einer Würdigung zugänglich sei allein das nur teilweise Schweigen des Zeugen zur Sache (BGHSt 34, 324, 327 ff.).
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Ergibt sich der Beweiswürdigungsfehler aus den Urteilsgründen selbst, ist der Fehler auf die Sachrüge hin zu beachten (vgl. zum Schweigen des Angeklagten BGH NStZ 1997, 147; KK-StPO/Gericke, a.a.O., § 337 Rn. 30). |
Auch im Bußgeldverfahren stellt sich immer wieder die Frage der Zulässigkeit einer Durchsuchung (§§ 98, 102, 106 StPO i.V.m. § 46 OWiG). Deshalb ist auf den LG Berlin (Beschl. v. 16. 4. 2014 - 510 Qs 49/14), hinzuweisen, der eine Durchsuchung im Bußgeldverfahren zumindest dann zur weiteren Aufklärung von Ordnungswidrigkeiten als zulässig ansieht, wenn es sich um den Verdacht eines wiederholten und hartnäckigen Gesetzesverstoßes handelt. Das entspricht im Wesentlichen der h.M. in der Rechtsprechung. Allerdings wird in der Rechtsprechung, vor allem der des BVerfG, bei Durchsuchung und Beschlagnahme in Bußgeldverfahren besonderer Wert auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit gelegt (vgl. dazu EGMR NJW 2006, 1495; BVerfG HRRS 2005, 313; vgl. auch oben II, 1)). Hinzuweisen ist auf BVerfG StraFo 1999, 192 betreffend einen geringfügigen Verstoß gegen das AuslG oder auf BVerfG NJW 2006, 3411 betreffend geringfügige Verkehrs-OWi (Parkverstöße) mit Geldbußen von je 15,00 (vgl. auch noch LG Erfurt zfs 2006, 349; LG Zweibrücken NZV 1999, 222 und AG Landau NStZ-RR 2002, 220 [keine Durchsuchung bei geringfügiger OWi]; VRS 102, 378 [geständiger Betroffener]); Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Aufl., 2012, Rn. 601 ff.). Auch stellt das BVerfG (wistra 2008, 339) erhöhte Anforderungen an die Stärke des Tatverdachts, wenn wegen einer OWi durchsucht werden soll, für die nur ein niedriges Ordnungsgeld von 10.000 in Betracht kommt.
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Inwieweit diese Vorgaben vom LG Berlin beachtet worden sind, lässt sich anhand der nur fragmentarisch mitgeteilten Sachverhaltes nicht beurteilen. Allerdings erscheint im entschiedenen eine Geldbuße in Höhe von 10.000 nicht sehr wahrscheinlich. Dem Betroffenen wurden lediglich (mehrfache) Verstöße gegen die Gewerbeordnung sowie das Berliner Straßengesetz zur Last gelegt. |
In der Rechtsprechung der OLG ist vor einiger Zeit die Frage diskutiert worden, ob im Bußgeldverfahren ein rechtlicher Hinweis (§ 265 StPO) erteilt werden muss, wenn die im Bußgeldbescheid festgesetzte Geldbuße erhöht werden soll. Das hatten das OLG Hamm (VRR 2010, 75 = DAR 2010, 99 m. abl. Anm. Sandherr = StRR 2010, 224 = DAR 2009, 99 ) und das OLG Jena (VRS 112, 330) bejaht. Anders haben das das OLG Stuttgart (DAR 2010, 590 = VA, 11 52) und das OLG Bamberg (DAR 2011, 214 = VRR 2011, 155 = zfs 2011, 232) gesehen. Vor kurzem hat jetzt das KG (vgl. Beschl. v. 10. 3. 2014 3 Ws (B) 78/14) (auch) darauf hingewiesen, dass es zweifelhaft sei, ob der Bußgeldrichter entsprechend § 265 StPO einen Hinweis erteilen muss, wenn er beabsichtigt, die im Bußgeldbescheid festgesetzte Geldbuße zu.
Das KG hat die Frage dann aber letztlich offen gelassen. Denn der Verteidiger hatte die behauptete Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht in zulässiger Weise über die Verfahrensrüge begründet (§§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Dazu verweist das KG auf OLG Stuttgart VRR 2013, 473, wonach die ordnungsgemäße Erhebung der Verfahrensrüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs auch der Darlegung der mit dem Bußgeldbescheid übermittelten Rechtsbehelfsbelehrung bedarf.
Hinweis: |
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Das ist m.E. zweifelhaft. Was soll die mit der Verfahrensrüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs in der Hauptverhandlung zu tun haben? Dafür bleibt das KG eine Begründung schuldig. Der Verweis auf die Entscheidung des OLG Stuttgart (a.a.O.) bringt nichts. Denn auch da ist dieser Begründungsaufwand nicht ausreichend begründet, sondern nur behauptet gewesen. Man sieht aber mal wieder, wie schnell sich solche Dinge verselbständigen. |
Für die Frage der wirksamen Zustellung des Bußgeldbescheides an den Verteidiger ist für die Unterbrechung der Verjährung nach § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG von Bedeutung. Hat der Verteidiger/Rechtsanwalt nämlich keine (Zustellungs)Vollmacht (§§ 145a StPO, 51 Abs. 3 OWiG), ist die an ihn bewirkte Zustellung nicht wirksam und hat die Verjährung nicht unterbrochen. Wenn dann Verfolgungsverjährung eingetreten ist, muss das Verfahren eingestellt werden (vgl. zu den Vollmachtsfragen Burhoff, EV, Rn. 3245; Burhoff, HV. 3402 ff. und Stephan in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Aufl., 2012, Rn. 2785 ff.; zu den Verjährungsfragen Gutt/Krenberger DAR 14, 187).
Hinweis: |
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Die Vorlage einer sog. "Blankovollmacht" eines Rechtsanwalts in einem Bußgeldverfahren, in der lediglich die Anschrift der Kanzlei im Kopf der Vollmacht angegeben, jedoch keine Rechtsangelegenheit benannt ist, für die die Vollmacht erteilt wurde, führt nicht zu einer wirksamen Zustellungsvollmacht i.S.d. §§ 145a StPO, 51 Abs. 3 OWiG (AG Diez, Beschl. v. 21. 3. 2014 - 11 Owi 69457/13; vgl. auch noch zuletzt auch AG Neuruppin VRR 2013, 397 = StRR 2013, 233 = VA 2013, 123). |
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