ZAP Heft 5/2002, Fach 22 R, S. 227
(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "ZAP" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "ZAP" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)
Inhalt
I. Unterschlagung (§ 246 StGB)
II. Betrug 1. Vorlage eines Schecks2.
Erschleichen von Sozialhilfe
III. Untreue
(§ 266 StGB)
1. Vorliegen einer
Treuepflicht2. Pflichtwidrigkeit i. S. d.
Untreuetatbestandes3. Besonders schwerer Fall der
UntreueIV. Vorteilsannahme (§§ 331 ff. StGB)
1. Unrechtsvereinbarung
2. Annahme von
DrittvorteilenV. Gebührenüberhebung
(§ 352 StGB)
VI. Steuerhinterziehung1. Strafbarkeit der Vermögenssteuerhinterziehung
2. Nochmals: Verjährungsfragen (§ 78a
StGB)
Inhaltsverzeichnis
I. Unterschlagung (§ 246 StGB)
In der Praxis sind die Fälle nicht selten, in denen ein zivilrechtlicher Rückgabeanspruch vom Verpflichteten nicht erfüllt wird, sei es, daß ein Leasinggegenstand bzw. eine gemietete Sache nach Kündigung des Leasing- bzw. Ablauf des Mietvertrages nicht zurückgegeben wird. Eine solche Fallgestaltung lag dem Beschluss des OLG Hamburg v. 27. 4. 2001 (1 Ss 21/01 = StV 2001, 577) zugrunde. Der Angeklagte hat als Liquidator einer Firma die Herausgabe der von dieser geleasten Sportgeräte verweigert. Nach Auffassung des OLG Hamburg war die deswegen erfolgte Verurteilung wegen Unterschlagung rechtsfehlerhaft.
Unterschlagung nach § 246 StGB setzt eine Zueignung der
Sache voraus. Erforderlich dafür ist neben dem subjektiven Element des
Zueignungswillens, daß sich dieser Wille durch ein nach außen
erkennbares Verhalten des Täters manifestiert hat. Das bloße
Unterlassen einer zivilrechtlich geschuldeten Rückgabe wird dabei
nach allgemeiner Meinung in Rspr. und Literatur nicht als
Manifestation des Zueignungswillens angesehen (BGHSt 34,
309, OLG Hamm ZAP EN-Nr. 69/99 =
StraFo 1999, 65 = wistra 1999, 112; OLG Koblenz
StV 1984, 287; TRÖNDLE/FISCHER, StGB, 50. Aufl., § 246
Rn. 14 [im folgenden kurz: TRÖNDLE/FISCHER]; SCHMIDT MDR 1981,
806). Erforderlich ist vielmehr, daß in dem Verhalten des Täters
zugleich der Wille zum Ausdruck kommt, dem berechtigten Eigentümer die
Sache auf Dauer entziehen zu wollen. Dazu muss der Tatrichter in seiner
Entscheidung tatsächliche Feststellungen treffen. Allein die
Feststellung, daß die Herausgabe verweigert worden ist, reicht insoweit
nicht aus (OLG Hamburg, a. a. O.). Das gilt insbesondere dann, wenn
dies geschieht, um dadurch die Fortsetzung des alten (Leasing-)Vertrages mit
einem neuen Vertragspartner zu erreichen. Denn derjenige, der das
Vertragsverhältnis über die Nutzung einer Sache mit dem
Eigentümer wenn auch mit einem anderen Vertragspartner
fortsetzen will, erkennt das Eigentum des anderen gerade an.
Inhaltsverzeichnis
Tipp/Hinweis: Besondere Schwierigkeiten ergeben sich, wenn die Unterschlagung in der Nichtrückgabe einer Mietsache nach Ablauf des Mietvertrages gesehen werden soll. Dabei handelt es sich meist um die Nichtrückgabe gemieteter Kraftfahrzeuge, die nach Ablauf des Mietvertrages weiterbenutzt werden (vgl. die Fallgestaltung bei OLG Hamm, a. a. O.). Die Umstände, die den Schluss auf einen Zueignungswillen ermöglichen, können dann z. B. darin gesehen werden,
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Inhaltsverzeichnis II. Betrug (§ 263 StGB)
Der BGH hatte in seinem
Beschluss v.
6. 9. 2001 (5 StR 318/01 =
http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/5/01/5-318-01.php3) über folgenden
Sachverhalt zu entscheiden: Der Angeklagte erhielt von einer
Versicherungsgesellschaft, mit der einen Abfindungsvergleich geschlossen hatte,
einen Verrechnungsscheck über 65.000 DM. Dieser Betrag wurde dem
Konto des Angeklagten gutgeschrieben. Infolge eines Versehens sandte die
Versicherungsgesellschaft dem Angeklagten sechs Tage später einen weiteren
Scheck über den Betrag von 65.000 DM zu. Auf Veranlassung des
Angeklagten wurde auch dieser Scheck bei der Bank eingereicht, die kurze Zeit
später nochmals den Betrag von 65.000 DM zur Einlösung
brachte.
In diesem Tatgeschehen hatte das Landgericht einen Betrug gesehen.
Der BGH hat jedoch die Strafbarkeit nach § 263 StGB
verneint. Nach seiner Auffassung fehlt es bereits an einer
Täuschungshandlung i. S. d. § 263 StGB. Dazu hat er
ausgeführt: Die Vorlage eines Schecks, mit der eine nicht
(mehr) bestehende Schuld eingefordert wird, kann eine
Täuschungshandlung nur begründen, wenn sich zumindest aus den
Umständen die konkludente Erklärung eines
tatsächlichen Geschehens ergibt (vgl.
BGHSt 46,
196, 198 = NJW 2001, 453 =
http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/5/00/5-433-00.php3; vgl. dazu
BURHOFF ZAP
F. 22 R, S. 193f.). Nur die Täuschung über
Tatsachen ist tatbestandsmäßig i. S. d. § 263
StGB (vgl. RANFT JuS 2001, 854, 855). Inwieweit eine Rechtsbehauptung
zugleich einen Tatsachenkern enthält, bestimmt sich nach der Eigenart der
jeweiligen Rechtsbeziehung. Maßgeblich ist hierfür, wie nach der
Verkehrsanschauung eine entsprechende Erklärung zu verstehen ist (BGH
NJW 1995, 539, 540). Dabei kommt der Pflichten- und Risikoverteilung
zwischen den Geschäftspartnern wesentliches Gewicht bei der Beantwortung
der Frage zu, wann der Verkehr bei einem bestimmten Geschäftstyp der
Behauptung eines Anspruchs schlüssig zugleich die Behauptung bestimmter
anspruchsbegründender Tatsachen beimisst. Eine Tatsachenbehauptung wird
deshalb immer dann vorliegen, wenn der Anspruch dem Grunde oder der Höhe
nach von tatsächlichen Umständen abhängt, deren Vorliegen dem
Erklärungsgegner jedenfalls nicht ohne weiteres erkennbar ist. Diesen
werden nämlich regelmäßig nur solche Gesichtspunkte
interessieren, die seine Vermögensinteressen berühren (BGH
StV 2000, 477, 478). Umgekehrt bedeutet dies, daß bei einem
Einfordern einer Leistung konkludent nur solche wahrheitswidrigen Umstände
schlüssig miterklärt werden, die eine Vermögensgefährdung
auf seiten des Geschäftsgegners herbeiführen könnten.
Für den zu entscheidenden Fall kam es demgemäss darauf an, ob im
Verhältnis zu der den Scheck einlösenden Bank der Umstand eine Rolle
gespielt haben konnte, daß die Schuld aus dem der Scheckbegebung zugrunde
liegenden Abfindungsvergleich mit Einlösung des früher bereits
versandten Schecks getilgt war. Das hat der BGH verneint. Für die
Bank sei nämlich nur von Relevanz, daß der
Scheck eine wirksame Anweisung des Ausstellers enthält, die
sie verpflichtet, den Scheck einzulösen. Deshalb wird der befasste
Bankmitarbeiter nur die Umstände prüfen, die hierfür in
rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht von Bedeutung sind.
Inhaltsverzeichnis
Tipp/Hinweis: Offengelassen hat der BGH die Frage, ob im Hinblick auf mögliche Regressforderungen im Falle eines abhanden gekommenen Schecks etwas anderes gilt (vgl. MARXEN, BayObLG EWiR § 263 StGB 1/99, 519 f.). Der vorgelegte Scheck war nämlich nicht i. S. d. Art. 21 ScheckG abhanden gekommen, da er nicht ohne wirksamen Begebungsvertrag erlangt war. Die aus dem Abfindungsvergleich verpflichtete Versicherung wollte den Scheck an den Angeklagten übersenden. Der Umstand, daß durch die bereits vorher erfolgte Einlösung des ersten Schecks die Verbindlichkeit bereits erfüllt war, bildete lediglich einen unbeachtlichen Motivirrtum, der von § 119 BGB nicht erfasst wird. |
2. Erschleichen von Sozialhilfe
Betrug in Form von Erschleichen von Sozialhilfe ist nicht selten.
Kommt es zur Verurteilung, reichen häufig die vom Tatgericht getroffenen
tatsächlichen Feststellungen nicht aus, um die Annahme eines Betruges zu
Lasten des Sozialhilfeträgers zu tragen. Nicht ausreichend ist es
in dem Zusammenhang z. B., wenn lediglich festgestellt wird, daß ein
Sozialhilfeempfänger entgegen der ihm obliegenden Mitteilungspflicht einen
Aufenthaltswechsel dem bisher Hilfe gewährenden
Sozialleistungsträger gegenüber verschwiegen hat, solange die
den Anspruch begründende Notlage fortbesteht (BayObLG, Beschl. v.
13. 6. 2001 5 St RR 140/01 = NStZ-RR 2001, 333). Vielmehr
muss auch festgestellt werden, ob die Leistungspflicht überhaupt nach
§§ 97 Abs. 1, 107 BSHG auf einen anderen Träger
übergegangen ist und ob ggf. Erstattungsansprüche gegen den
Sozialhilfeempfänger nach § 2 Abs. 3 S. 2 SGB X
bestehen. Von Bedeutung ist auch, ob wegen des Ortswechsels möglicherweise
niedrigere Wohn- und Lebenshaltungskosten bestehen und deshalb eine
Zuvielleistung an Sozialhilfe ggf. erschlichen worden sein könnte.
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Tipp/Hinweis: Wird der Betrug damit begründet, daß der Sozialhilfeempfänger Vermögen verschwiegen hat, daß er zu seinem Lebensunterhalt hätte einsetzen können, muss sich dem tatrichterlichen Urteil entnehmen lassen, was er bei einem Verkauf des Vermögens hätte erzielen können (BGH NStZ-RR 1997, 358; zum Umfang der Feststellungen bei einem durch Unterlassen begangenen Betrug gegenüber dem Sozialamt s. auch OLG Hamm StraFo 2000, 262 = /Rspr/texte/c_00005.htm). |
Inhaltsverzeichnis III. Untreue (§ 266 StGB)
1. Vorliegen einer Treuepflicht
Die Verurteilung wegen einer Untreue in Form des weit gefassten Treuebruchtatbestandes (§ 266 Abs. 1 2. Alt. StGB) setzt das Vorliegen eines Treueverhältnisses voraus. Das erfordert nach ständiger Rspr., daß der Täter innerhalb eines nicht unbedeutenden Pflichtenkreis bei Einräumung von Ermessensspielraum, Selbständigkeit und Bewegungsfreiheit zur fremdnützigen Vermögensfürsorge verpflichtet ist (zuletzt BGH, Beschl. v. 24. 10. 2001 1 StR 432/01 http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/1/01/1-432-01.php3). Das hat der BGH jetzt für einen Versicherungsvertreter, der von der Versicherung Schecks über fällige Lebensversicherungen mit dem Auftrag übersandt bekommen hatte, mit den jeweiligen Kunden möglichst einen Vertrag über die Wiederanlage des Geldes abzuschließen, die entsprechenden Gelder aber für sich verbraucht hatte, verneint (BGH, a. a. O.). Aus dem Auftrag einer Versicherungsgesellschaft, Berechtigte aus einer Lebensversicherung über Möglichkeiten der Wiederanlage freigewordener Gelder zu beraten und ihnen Gelder auszuhändigen, wenn es zu keinem neuen Vertrag kommt, oder neue Kunden für die Versicherungsgesellschaft zu gewinnen, ergibt sich nach Auffassung des BGH keine Treuepflicht i. S. d. § 266 StGB gegenüber den Kunden. Der Versicherungsvertreter habe keine Gestaltungsmöglichkeiten gehabt, seine Pflichten hätten im einzelnen festgestanden. Dass er die Kunden auf unterschiedliche Geldanlagemöglichkeiten hinzuweisen und insoweit einen gewissen Spielraum gehabt habe, ändere daran nichts. Dadurch habe der Angeklagte nicht die Möglichkeit erlangt, über das Vermögen der Kunden zu verfügen. Es blieb allein deren Entscheidung überlassen, ob und wie sie ihr Geld anlegen wollten.
Tipp/Hinweis: Etwas anderes kann dann gelten, wenn die Anweisung bestand, Gelder z. B. "gewinnbringend" oder "gut, aber nicht risikoreich" anzulegen, oder eine "lukrative" Geldanlage vereinbart war. Dann kann ggf. ein Treueverhältnis bestehen (so BGH, a. a. O.). Dazu müssen dann aber ausreichende Feststellungen getroffen sein. |
2. Pflichtwidrigkeit i. S. d. Untreuetatbestandes
Auch die Frage der Pflichtwidrigkeit des Handelns spielt beim Treubruchtatbestand in der Praxis immer wieder eine große Rolle. Denn nicht jede Pflichtwidrigkeit genügt zur Erfüllung des Treuebruchtatbestandes des § 266 StGB. Diese muss schon von einigem Gewicht sein. Das gilt insbesondere auch für die Verletzung einer gesellschaftsrechtlichen Pflichtverletzung. Dies hat vor kurzem der BGH in Zusammenhang mit der Verurteilung des Vorstandsvorsitzenden einer Verkehrs-AG, der aus dem Vermögen des Verkehrsunternehmens einem finanziell angeschlagenen Fußballverein Zuwendungen in erheblicher Höhe gemacht hatte, ohne die anderen Vorstandsmitglieder an der Vergabeentscheidung zu beteiligen, noch einmal bestätigt (BGH, Urt. v. 6. 12. 2001 1 StR 215/01 = http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/1/01/1-215-01.php3). Er hat dazu festgestellt: Vergibt der Vorstand einer AG aus deren Vermögen Zuwendungen zur Förderung von Kunst, Wissenschaft, Sozialwesen oder Sport, genügt für die Pflichtwidrigkeit i. S. d. Untreuetatbestandes nicht jede gesellschaftsrechtliche Pflichtverletzung; diese muss vielmehr gravierend sein. Ob das der Fall ist, bestimmt sich auf Grund einer Gesamtschau insbesondere der gesellschaftsrechtlichen Kriterien wie fehlende Nähe zum Unternehmensgegenstand, Unangemessenheit im Hinblick auf die Ertrags- und Vermögenslage, fehlende innerbetriebliche Transparenz sowie Vorliegen sachwidriger Motive, namentlich Verfolgung rein persönlicher Präferenzen.
Tipp/Hinweis: Jedenfalls dann, wenn bei der Vergabe sämtliche dieser Kriterien erfüllt sind, liegt nach Auffassung des BGH (a. a. O.) eine Pflichtverletzung i. S. d. § 266 StGB vor. Im entschiedenen Fall hat er wegen der Gesamtumstände eine Untreue bejaht. |
3. Besonders schwerer Fall der Untreue (§ 266 Abs. 2 StGB)
Schon in der Vergangenheit kannte das Gesetz in § 266 Abs. 2 StGB den "besonders schweren Fall" der Untreue, der bis zum 1. 4. 1998 als unbenannter Strafschärfungsgrund ausgebildet war. Ein wesentliches Kriterium für die Annahme eines besonders schweren Falles war die Höhe des eingetretenen Vermögensschadens bzw. der -gefährdung (vgl. dazu u. a. BGH, Urt. v. 24. 7. 2001 1 StR 192/01 = wistra 2001, 388 = http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/1/01/1-192-01.php3). Durch das 6. StrafrechtsänderungsG sind ab 1. 4. 1998 Regelbeispiele für den besonders schweren Fall des Betruges eingeführt worden, die gem. § 266 Abs. 2 StGB n. F. seitdem für die Untreue entsprechend gelten. Eines davon ist das Herbeiführen eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes. Wann ein "großer Vermögensverlust" vorliegt, ist bislang in der Rechtsprechung noch nicht entschieden. Der BGH hat nur einzelfallbezogen einen Geldbetrag von über 600.000 DM als Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StGB angesehen (vgl. Beschl. v. 9. 12. 1999 1 StR 543/99 = http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/1/99/1-543-99.php3). In seiner Entscheidung v. 10. 5. 2001 (3 StR 96/01 = wistra 2001, 388 = NStZ-RR 2002, 50 = http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/3/01/3-96-01.php3) hat er diese Frage zwar auch noch offen lassen können. Den Ausführungen des BGH lässt sich jedoch ziemlich deutlich entnehmen, daß die Grenze entgegen der Annahme des Landgerichts, das von einem Betrag von 50.000 DM ausgegangen war wohl bei 100.000 DM (50.000 ) zu ziehen sein dürfte. Er verweist dazu auf die Kommentierungen bei TRÖNDLE/FISCHER (§ 263 Rn. 49) bzw. von SCHÖNKE/SCHRÖDER/STREE/CRAMER (StGB, 26. Aufl., § 263 Rn. 188c), wonach erst Schäden ab dieser Größenordnung einschlägig sein sollen. Auf diese Kommentierungen habe auch der Regierungsentwurf verwiesen (vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 43). Deshalb spreche viel dafür, erst ab Schäden in dieser Höhe das Regelbeispiel zu bejahen.
Tipp/Hinweis: Der BGH weist allerdings darauf hin, daß es sich nicht um einen absoluten Wert handelt. Vielmehr müsse der Tatrichter wie bei anderen Regelbeispielen auch in einer Gesamtbetrachtung feststellen, ob tat- oder täterbezogene Umstände vorliegen, die die Indizwirkung des Regelbeispiels aufheben und trotz Verwirklichung des Regelbeispiels zur Verneinung eines besonders schweren Falles führen können (vgl. BGH, a. a. O.; dazu auch BGH, Urt. v. 24. 7. 2001 [s. o.]). |
IV. Vorteilsannahme (§§ 331 ff. StGB)
Eine Verurteilung des Amtsträgers wegen Vorteilsannahme nach § 331 StGB a. F. setzt voraus, daß zwischen ihm und demjenigen, dem der Vorteil von dem Amtsträger gewährt werden solle, entweder eine ausdrückliche oder eine konkludente "Unrechtsvereinbarung" besteht. Diese den Kern der früheren Bestechungstatbestände bildende Vereinbarung (vgl. LK-JESCHEK, StGB, 11. Aufl., vor § 331 Rn. 17 [im folgenden kurz: LK-JESCHEK]) erfordert, daß erkennbar der gewährte Vorteil oder die Gefälligkeit in einem Beziehungsverhältnis (Äquivalenzverhältnis) zu der Diensthandlung steht. Der Vorteil muss also der Amtsperson aufgrund einer "vertragsmäßigen" Willensübereinstimmung beider Teile "als Gegenleistung" für die Diensthandlung zufließen (OLG Hamm, Beschl. v. 24. 8. 2001 2 Ss 1238/00 = NStZ 2002, 38 = /rspr/texte/ac_00038.htm unter Hinweis auf die st.Rspr. der Obergerichte, vgl. z. B. BGHSt 15, 88, 97; 239, 242; 352, 355; BGHR StGB § 332 Abs. 1 S. 1 Unrechtsvereinbarung 3; BGH NStZ 1987, 326; 2000, 319).
Das hat das OLG Hamm in dem vom ihm entschiedenen Fall
abgelehnt. Dort hatte der Angeklagte, der Leiter des Bauamtes einer
Gemeinde war, für sich als Vorteil einen gemeinsamen Saunabesuch mit einer
Mitarbeiterin des Bauamtes mit anschließender Ausübung des
Geschlechtsverkehrs erstrebt. Das OLG hat ausgeführt, daß die
Gewährung des Geschlechtverkehrs für den Angeklagten zwar einen
"Vorteil" i. S. d. §§ 331, 332 StGB dargestellt habe
(so schon RGSt 64, 291, 292; BGH StV 1994, 527; LK-JESCHEK,
§ 331 Rn. 9). Diesen habe sich der Angeklagte mit seiner
Diensthandlung, nämlich der Gewährung von "dienstfreier Zeit",
verschaffen wollen, wobei die Mitarbeiterin die von ihm gewährte
"dienstfreie Zeit" ausschließlich für den Saunabesuch mit ihm und
für die anschließenden sexuellen Kontakte nutzen sollte. Dies habe
aber ersichtlich nicht im Interesse der Mitarbeiterin gelegen. Vielmehr habe es
sich um eine "aufgedrängte" Diensthandlung des Angeklagten
gehandelt. Die Mitarbeiterin habe nämlich die ständigen
Annäherungsversuche des Angeklagten als Belästigung empfunden,
sämtliche vorhergehenden Einladungen ausgeschlagen und den gemeinsamen
"Saunabesuch" damit abgewehrt, daß sie zu gesundheitlich begründeten
Ausflüchten gegriffen habe. Damit fehle es aber an einer wesentlichen
Voraussetzung für das Vorliegen der Vorteilsannahme, nämlich dem
Einvernehmen zwischen Vorteilsgeber und Vorteilsnehmer darüber, daß
der Vorteil um einer bestimmten zukünftigen oder vergangenen
Diensthandlung willen gewährt werde. Zwar setzt die Tathandlung des
Forderns nicht den Abschluss einer solchen Vereinbarung voraus, sie müsse
aber darauf gerichtet sein und in beiderseitigem Interesse liegen. Die
Diensthandlung muss für den Empfänger die Motivation sein, dem
Amtsträger den Vorteil zu gewähren.
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2. Annahme von Drittvorteilen
In diesem Zusammenhang ist hinzuweisen auf einen Beschluss des OLG Karlsruhe (Beschl. v. 19. 3. 2002 - 2 Ws 193/00 = wistra 2001, 434), das ähnlich wie das OLG Hamm (a. a. O.) argumentiert hat. Es hat ebenfalls das Vorliegen einer Unrechtsvereinbarung als wesentlich angesehen, darüber hinaus aber ausgeführt, daß die Vorteile für die Diensthandlung gefordert, vereinbart und angenommen werden müssen. Erst mittelbar aus der Diensthandlung folgende Vorteile, wie z. B. eine Steigerung des Ansehens, seien nicht ausreichend.
Tipp/Hinweis: Das OLG Karlsruhe hat zudem darauf hingewiesen, daß die Erweiterung der Strafbarkeit nach §§ 331 ff. StGB auf Drittvorteile durch das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption vom 13. 8. 1997 (BGBl. I, S. 2036) strafbegründender Natur ist. Deshalb bleibe der Täter nach § 2 Abs. 2 StGB straflos, wenn nur die Annahme des Vorteils nach §§ 331 ff. StGB in die Zeit der Geltung des neuen Rechts (Stichtag: 20. 8. 1997) falle, während die Unrechtsvereinbarung der Gesetzesänderung vorausgegangen sei. |
V. Gebührenüberhebung (§ 352 StGB)
Schon seit Anfang der 80er Jahre geht die allgemeine Meinung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. u. a. BGH wistra 1982, 66 f.; BayObLG NJW 1990, 1001 = wistra 1990, 111 = NStZ 1990, 129 m. w. N. zur Rspr.; TRÖNDLE/FISCHER, § 352 Rn. 7; SCHÖNKE-SCHRÖDER-CRAMER, a. a. O., § 352 Rn. 14) davon aus, daß die Strafbarkeit nach § 352 StGB neben der Erhebung von Vergütungen, die der Zahlende überhaupt nicht oder nur in geringerem Betrag schuldet, zusätzlich als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal voraussetzt, daß der Täter den Gebührenschuldner über seine ihm zustehenden Gebühren täuscht. Soweit ersichtlich ist diese Ansicht in der Rspr. bisher nicht aufgegeben worden. Bereits das BayObLG (a. a. O.) hat darauf hingewiesen, daß aus dem Umstand, daß der BGH sich in seinem Urteil v. 22. 10. 1981 (wistra 1982, 66, 67) nicht mit diesem ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal (erneut) auseinandergesetzt habe, nicht der Schluss gezogen werden könne, daß er seine bis dahin vertretene Rechtsansicht aufgegeben habe. Dem hat sich nun auch das OLG Hamm angeschlossen (Beschl. v. 11. 1. 2002 2 Ws 296/01) = /rspr /texte/af_00018.htm. Wenn § 352 StGB als Privilegierung des Amtsträgers gegenüber § 263 StGB anzusehen sei, dann müsse die diesem zur Last gelegte Gebührenüberhebung eine Täuschung über die tatsächlich angefallenen gesetzlichen Gebühren enthalten.
In dem von ihm entschiedenen Fall hat das OLG Hamm (a. a. O.) eine strafbare Gebührenüberhebung verneint. Diese lasse sich so das OLG auch nicht damit begründen, daß der beschuldigte Rechtsanwalt einen Anspruch geltend gemacht habe, der mangels eines wirksam begründeten Mandatsverhältnisses ggf. überhaupt nicht berechtigt gewesen sei. Denn insoweit habe der Rechtsanwalt weder getäuscht noch zu täuschen versucht. Vielmehr habe zwischen ihm und dem vermeintlichen Gebührenschuldner lediglich Streit über die Frage, ob zwischen ihnen überhaupt ein Mandatsverhältnis begründet worden sei, bestanden, wobei der Rechtsanwalt die Rechtsauffassung vertreten habe, daß dies der Fall sei. Das ist aber so das OLG keine Täuschung i. S. einer Gebührenüberhebung, sondern lediglich die Geltendmachung einer Rechtsposition bzw. der Hinweis auf die Rechtslage (ähnlich BayObLG, a. a. O.).
Tipp/Hinweis: Das OLG hat abschließend (zutreffend) darauf hingewiesen, daß die Rechtsansicht des Gebührenschuldners zu einer mit Sinn und Zweck des § 352 StGB nicht vereinbaren Ausweitung dieses Tatbestandes führen würde. Denn würde man das Verhalten des Rechtsanwalts als Gebührenüberhebung i. S. d. § 352 StGB ansehen, würde jeder Rechtsanwalt, der eine dem Grunde nach bestrittene Gebührenforderung gegen seinen Mandanten geltend macht, sich dem Vorwurf der strafbaren Gebührenüberhebung ausgesetzt sehen. |
1. Strafbarkeit der Vermögenssteuerhinterziehung
Das BVerfG hat in seinem Beschluss v. 22. 6. 1995 (BVerfGE 93, 121) das Vermögensteuergesetz partiell für mit der Verfassung unvereinbar erklärt und seine Geltung auf den Zeitraum bis zum 31. 12. 1996 beschränkt. Seitdem besteht in Rspr. und Lit. Streit in der Frage, ob diese Weitergeltung des VStG bis zum 31. 12. 1996 bewirkt, daß auch eine Hinterziehung der bis zu diesem Zeitraum entstandenen Vermögenssteuer weiterhin möglich ist. Dazu wird in der Rspr. überwiegend die Auffassung vertreten, daß die Vermögenssteuerhinterziehung für den Zeitraum bis zum 31. 12. 1996 weiterhin strafbar ist (vgl. u. a. BVerfG 3. Kammer des Ersten Senats NJW 1998, 1854; BFH NJW 1997, 2007; 1998, 3592; OLG Frankfurt wistra 2000, 154; OLG Hamburg wistra 2001, 112; LG Itzehoe wistra 2001, 31; im Hinblick auf die Festsetzung von Hinterziehungszinsen: BFH BStBl. 2000 II, S. 378; FG Baden-Württemberg EFG 2000, 297; FG Bremen wistra 1999, 199; FG Nürnberg EFG 2000, 602; zu § 169 Abs. 2 S. 2 AO: FG Düsseldorf EFG 2000, 906; FG Münster NJW 2000, 1136; a. A. soweit ersichtlich nur LG München II wistra 2000, 74; Nds. FG DStRE 2000, 940 und EFG 2000, 1227). In der Literatur ist die Frage umstritten (vgl. nur bejahend BRANDENSTEIN NJW 2000, 2326; FRANZEN/GAST/JOECKS, Steuerstrafrecht, 5. Aufl., § 370 AO Rn. 233b; MEINE DStR 1999, 2101; ROLLETSCHKE DStZ 2000, 211; SCHMIDT wistra 1999, 121; WULF wistra 2001, 41; verneinend BORNHEIM StuW 1998, 146; PStR 2000, 75; DEGENHARD DStR 2001, 1370; KOHLMANN/ HILGERS-KLAUTZSCH wistra 1998, 161; PLEWKA/HEERSPINK BB 1999, 2429; SALDITT StraFo 1997, 65; ULSAMER/MÜLLER wistra 1998, 1; URBAN DStR 1998, 1995).
In diesem Streit, in dem der BFH vor kurzem seine Auffassung noch einmal bestätigt hat (s. Beschl. v. 23. 7. 2001 II B 73/00 = BFH-NV 2001, 1532 = PStR 2002, 27) hat nun auch der BGH Stellung bezogen. Mit der (wohl) überwiegenden Meinung folgert er aus der Weitergeltung des VStG bis zum 31. 12. 1996, daß auch eine Hinterziehung der bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Vermögenssteuer möglich und strafbar bleibt (BGH, Beschl. v. 7. 11. 2001 5 StR 395/01 = wistra 2002, 64 = http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/5/01/5-395-01.php3; vgl. dazu inzwischen schon JÄGER in PStR 2002, 1). Etwas anderes folgt nach Auffassung des BGH insbesondere nicht daraus, daß das BVerfG die Weitergeltung des bisherigen Rechts nicht ausdrücklich auf das Strafrecht ausgedehnt habe. Auch sei die Strafbarkeit der Vermögenssteuerhinterziehung nicht gem. § 2 Abs. 3 StGB mit Ablauf des 31. 12. 1996 entfallen. § 2 Abs. 3 StGB greife hier deshalb nicht ein, weil die Normen des VStG für die Veranlagungszeiträume vor 1997 wie Zeitgesetze nach § 2 Abs. 4 StGB fortgelten würden.
Tipp/Hinweis: Damit dürfte der o. a. Meinungsstreit nun endgültig entschieden sein. Der Verteidiger wird in Zukunft kaum allein mit dem Hinweis auf die Straflosigkeit der VSt-Hinterziehung die Einstellung laufender Ermittlungsverfahren erreichen können (so auch JÄGER PStR 2002, 3). Auch schließt die befristete Fortgeltung des VStG eine auf die Verfassungswidrigkeit des VStG gestützte Wiederaufnahme abgeschlossener Strafverfahren nach § 79 Abs. 1 BVerfGG nun wohl endgültig aus (a. A. LG München II wistra 2000, 74). Im Hinblick auf die bei Unterlassungstaten sehr spät eintretende Verfolgungsverjährung erscheint es für den Verteidiger aber ebenso wie für den Steuerberater ratsam, auch jetzt noch für ggf. nicht entdeckte Taten die Möglichkeit einer Selbstanzeige des Mandanten nach § 371 AO zu prüfen (so auch JÄGER, a. a. O.; zur Verjährung s. ebenfalls den BGH-Beschl. v. 7. 11. 2001; s. dazu nachfolgend VI. 2). |
2. Nochmals: Verjährungsfragen (§ 78a StGB)
In der Rechtsprechungsübersicht I/2001 (F. 22 R, S. 193 ff., 199) hatte ich auf eine für die Beschuldigten günstige Entscheidung des OLG Hamm zum Beginn der Verjährungsfrist bei durch Unterlassen begangener Steuerhinterziehung hingewiesen (OLG Hamm, Beschl. v. 2. 8. 2001 2 Ws 156/01 = ZAP EN-Nr. 580/2001 = PStR 2001, 238 = wistra 2001, 474 = /rspr/texte/ab_00036.htm). Dieses hatte gefordert, daß der Anknüpfungspunkt für den Beginn der Verfolgungsverjährung zu Gunsten des Steuerpflichtigen soweit wie möglich vorgezogen werden müsse; demzufolge sei nicht auf das Ende der Veranlagungsarbeiten beim zuständigen Finanzamt, sondern auf den Beginn abzustellen. In dieser Frage hat nun auch der BGH Stellung genommen. Anders als das OLG Hamm stellt er in seinem zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmten Beschl. v. 7. 11. 2001 (a. a. O. [s. o.]) darauf ab, wann das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten für den maßgeblichen Zeitraum abgeschlossen hat. Eine Vorverlegung der Tatbeendigung auf einen früheren Zeitpunkt komme entgegen der Ansicht des OLG Hamm auch nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" nicht in Betracht. Entscheidend sei die endgültige Nichtfestsetzung der Steuern, nicht, wann die Steuer festgesetzt worden wäre, wenn der Steuerpflichtige rechtzeitig eine Steuererklärung abgegeben hätte (so auch OLG München, Beschl. v. 1. 10. 2001 - 2 Ws 1070/01 = wistra 2002, 34).
Tipp/Hinweis: Der Verteidiger muss sorgfältig für jede einzelne Tat untersuchen, ob die Verjährung ggf. noch rechtzeitig unterbrochen worden ist oder nicht. Das hängt auch vom Zeitpunkt des Verjährungsbeginns ab, der selbst wiederum abhängig ist von verschiedenen Faktoren, wie z. B. der Steuerart, der Begehensform usw. Das macht insbesondere bei durch Unterlassen begangener Steuerhinterziehung Schwierigkeiten (wegen der Einzelh. vgl. JÄGER PStR 2002, 4 m. w. N.). |
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