aus "AnwaltsGebührenSpezial" AGS 2001, 266 ff.
(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "AGS" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "AGS" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen. Dem Beitrag lag mein Beitrag in "BRAGO professionell 2000, 146" zugrunde)
Inhalt
I. Einleitung
II. Antrag mit (eingehender) Begründung erforderlich
III. Musterantrag
IV. Vorheriger Antrag auf gesetzliche Gebühren keine Voraussetzung der Pauschvergütungsbewilligung
V. Zeitpunkt der Antragstellung
VI. Angabe des Betrages erforderlich?
VII. Zuständiges Gericht
VIII. Antrag nicht direkt an das OLG
IX. Ggf. Vorschussantrag stellen
XI. Beschluss des OLG unanfechtbar
XII. Anrechnung von bereits gezahlten gesetzlichen Gebühren
XIII. Keine Verzinsung der Pauschvergütung
Inhaltsverzeichnis
von Richter am OLG Detlef Burhoff, Ascheberg/ Hamm.
Die Bewilligung einer Pauschvergütung nach § 99 BRAGO hat für die Pflichtverteidigung in Strafverfahren praktische Relevanz. Das gilt insbesondere deshalb, weil die Pflichtverteidigung wegen der geringen Höhe der gesetzlichen Gebühren nicht gerade zu den lukrativsten Feldern anwaltlicher Tätigkeit gehört (siehe auch Hannover StV 1981, 487). Mit dem Antrag auf Bewilligung einer Pauschvergütung hat der Pflichtverteidiger aber eine Möglichkeit, für seine Verteidigertätigkeit wenigstens im Ansatz einigermaßen angemessen entlohnt zu werden (vgl. dazu Burhoff ZAP F. 24, S. 625, 626; StraFo 1999, 261 ff.). Deshalb hat die Kenntnis der mit der Pauschvergütung zusammenhängende Fragen für den Pflichtverteidiger erhebliche Bedeutung (siehe dazu auch meine Beiträge in ZAP und StraFo, jeweils aaO, mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Dieser Beitrag soll das Bewilligungsverfahren vorstellen.
Im einzelnen gilt:
II. Antrag mit (eingehender) Begründung erforderlich
Nach § 99 Abs. 2 BRAGO wird eine Pauschvergütung nur auf Antrag bewilligt. Den demgemäss erforderlichen Antrag sollte der Pflichtverteidigerverteidiger auf jeden Fall eingehend begründen (zum Erfordernis der Begründung siehe ausdrücklich auch OLG Hamm AGS 2001, 154 = ZAP EN-Nr. 160/2001 = NStZ-RR 2001, 158). Dabei muss er insbesondere seine sich nicht aus den Akten ergebende Tätigkeit für den Mandanten darlegen. Denn woher, wenn nicht vom Pflichtverteidiger selbst, soll das zur Entscheidung berufene OLG z. B. wissen, dass sich dieser zur Vorbereitung der Hauptverhandlung ein-gehend mit Familienangehörigen des Mandanten unterhalten hat (vgl. dazu OLG Hamm AGS 1998, 140 = StraFo 1998, 321 = http://www.burhoff.de), andere als juristische Fachliteratur hat studieren müssen oder die Befragung des gerichtlichen Sachverständigen durch Besprechungen mit einem anderen Sachverständigen vorbereitet hat (vgl. dazu OLG Hamm StraFo 2000, 286 = AnwBl 2001, 246 = http:/www.burhoff.de)? Insbesondere ergeben sich auch die in Zusammenhang mit der Inhaftierung des Mandanten erbrachten Tätigkeiten (in der Regel Besuche in der Justizvollzugsanstalt) nicht aus den Akten und bleiben daher häufig dem entscheidenden OLG verborgen, obwohl der Pflichtverteidiger unschwer anhand seiner Handakten Anzahl, Tage und vor allem Dauer seiner Besuche darlegen und damit dem Einwand der Üblichkeit« der Besuche entgegnen kann (siehe dazu OLG Hamm Rpfleger 2000, 295 = JurBüro 2000, 301 = StV 2000, 439). Allerdings sind an die Begründung des Antrags keine übermäßigen Anforderungen zu stellen. Er ist jedenfalls dann ausreichend begründet, wenn sich aufgrund der von dem Pflichtverteidiger gemachten Angaben der für den ehemaligen Angeklagten erbrachte Zeitaufwand, z. B. für Besuche in der Justizvollzugsanstalt, ermitteln bzw. ableiten lässt (OLG Hamm, Beschl. v. 28. 6. 20012 (s) Sbd. 6100/01).
III. Musterantrag
Es empfiehlt sich folgender (Form-)Antrag:
An das
Oberlandesgericht
über das Land-/Amtsgericht (Gericht einsetzen, bei dem die Pflichtverteidigung durchgeführt worden ist).
Betr.: Bewilligung einer Pauschvergütung nach § 99 BRAGO
in dem Strafverfahren gegen.........
Aktenzeichen:
In o.a. Strafsache bin ich am ...... gerichtlich als Pflichtverteidiger des Angeklagten bestellt worden. Vor der Bestellung zum Pflichtverteidiger bin ich für den Angeklagten nicht (ggf. streichen) tätig gewesen.
Die mir nach § 97 BRAGO zustehenden gesetzlichen Gebühren betragen ....... . Durch diese Gebühren ist meine Tätigkeit als Pflichtverteidiger nicht ausreichend vergütet, weil es sich um eine besonders umfangreiche oder besonders schwierige Strafsache im Sinn des § 99 Abs. 1 BRAGO gehandelt hat (die dem Verfahren entsprechende Begründung einsetzen).
Ich beantrage deshalb, mir gem. § 97 BRAGO eine Pauschvergütung von mindestens .... zu bewilligen.
Diesen Antrag begründe ich wie folgt: (hier die Umstände angeben, die das Strafverfahren zu einem besonders umfangreichen oder/und besonders schwierigen machen).
Ich bitte, mir die Stellungnahme des Bezirksrevisors zuzusenden, damit ich dazu ggf. meinerseits Stellung nehmen kann.
IV. Vorheriger Antrag auf gesetzliche Gebühren keine Voraussetzung der Pauschvergütungsbewilligung
Voraussetzung für den Antrag nach § 99 BRAGO ist nicht der vorherige Antrag auf Festsetzung der oder etwa die Auszahlung der gesetzlichen Pflichtverteidigergebühren (Herrmann in Becksches Formularbuch für den Strafverteidiger, 3. Aufl., S. 1095 Ziffer 7). Der Pauschvergütungsantrag kann im Übrigen auch noch nach Festsetzung der gesetzlichen Gebühren gestellt werden. Da diese in der Regel schneller bewilligt werden als eine Pauschvergütung, empfiehlt es sich aber, zunächst den Antrag auf Festsetzung der gesetzlichen Gebühren zu stellen und dann erst eine Pauschvergütung zu beantragen (siehe u. a. OLG Nürnberg JurBüro 1987, 245).
V. Zeitpunkt der Antragstellung
Das Gesetz nennt keinen Zeitpunkt für die Stellung des Antrags. Der Pauschvergütungsantrag kann grundsätzlich jedoch erst dann gestellt werden, wenn die zu vergütende Tätigkeit abgeschlossen und dafür die gesetzliche Gebühr gem. § 16 BRAGO fällig ist. In der Regel wird das dann sein, wenn zumindest die Instanz abgeschlossen ist (OLG Bamberg JurBüro 1990, 1282; OLG Düsseldorf JurBüro 1993, 538 = MDR 1993, 1133). In der Praxis wird die Pauschvergütung in der Regel aber erst nach (rechtkräftigem) Abschluss des Verfahrens beantragt und bewilligt, da erst die Gesamtschau aller Verfahrensabschnitte eine Beurteilung nach § 99 BRAGO ermöglicht (vgl. OLG Hamm zuletzt u. a. StraFo 1996, 158; StraFo 1997, 286 = AnwBl 1998, 220 = AGS 1999, 106; Beschl. v. 17.12.1999, 2 (s) Sbd.. 6178, 265 u. 266/99, ZAP EN-Nr. 330/2000).Unzulässig ist im Übrigen auch ein während des Verfahrens gestellter Feststellungsantrag dahin, dass eine Zusage der Bewilligung von Mindestbeträgen für eine demnächst zu bewilligende Pauschvergütung begehrt wird (OLG Hamm StraFo 1997, 286 [s.o.]).
VI. Angabe des Betrages erforderlich?
M.E. sollte der Pflichtverteidiger auch den Betrag angeben, der nach seiner Meinung als (angemessene) Pauschvergütung gezahlt werden soll (a.A. Herrmann, aaO, S. 1094 Ziffer 4). Mit der Angabe eines Betrages macht der Pflichtverteidiger nämlich deutlich, wie er selbst seine Tätigkeit finanziell bewertet. Es empfiehlt sich m.E. die Angabe eines Mindestbetrages. Das hat den Vorteil, dass, wenn das OLG eine höhere als die vom Pflichtverteidiger beantragte Pauschvergütung als angemessen ansehen sollte, dieses dann leichter über den Antrag des Pflichtverteidigers hinausgehen wird und kann. Das OLG ist zwar an den vom Pflichtverteidiger gestellten Pauschvergütungsantrag nicht gebunden (OLG Hamm wistra 2001, 7 = NStZ-RR 2001, 256), in der Regel werden aber zu niedrige Anträge von den Oberlandesgerichten nur ungern ohne weiteres überschritten (siehe die Grundsätze des OLG Celle StraFo 1995, 28). Ist der Verteidiger zur Angabe eines (Mindest-)Betrages nicht in der Lage, wird die Zahlung einer "angemessenen" Pauschvergütung beantragt. Im Antrag sollte schließlich auch um Übersendung der Stellungnahme des Bezirksrevisors gebeten werden (Marberth StraFo 1997, 229).
VII. Zuständiges Gericht
Über den Pauschvergütungsantrag entscheidet nach § 99 Abs. 2 S. 1 BRAGO grundsätzlich das Oberlandesgericht, zu dessen Bezirk das Gericht gehört, bei dem die Strafsache in erster Instanz anhängig war. Ist der Pflichtverteidiger gemäß §350 Abs. 3 StPO vom BGH für die Revisionshauptverhandlung bestellt worden, hat nach § 99 Abs. 2 S. 2 BRAGO dieser auch über die Gewährung der Pauschvergütung zu entscheiden, soweit es um die Tätigkeit vor dem BGH und deren Vorbereitung geht (BGHSt 23, 324 = NJW 1970, 2223). Für die Bewilligung einer Pauschvergütung für die Revisionsbegründung bleibt allerdings das OLG auch dann zuständig, wenn im Revisionsverfahren eine Hauptverhandlung vor dem BGH stattfindet (BGH aaO).
VIII. Antrag nicht direkt an das OLG
Über den Pauschvergütungsantrag entscheidet zwar das OLG, es ist jedoch zu empfehlen, den Antrag nicht direkt an dieses zu richten. Vielmehr sollte der Antrag über die (letzte) Tatsacheninstanz an das OLG geleitet werden, damit von dort aus die für die Entscheidung des OLG erforderlichen Sachakten und die Stellungnahme des Gerichtsvorsitzenden sofort beigefügt werden können (Herrmann, aaO, S. 1095 Ziffer 5 a.E.; Marberth StraFo 1997, 229).
IX. Ggf. Vorschussantrag stellen
Die Bearbeitung von Pauschvergütungsanträgen dauert häufig (zu?) lange, da nicht selten die Sachakten, z. B. wegen einer Rechtsmitteleinlegung, versandt sind und damit für die Pauschvergütungsentscheidung nicht zur Verfügung stehen. Faktisch führt das dann dazu, dass die Rechtskraft im Verfahren abgewartet werden muss. In diesen Fällen sollte der Verteidiger sich nicht scheuen, ggf. einen Vorschuss auf eine demnächst zu bewilligende Pauschvergütung unter Hinweis darauf zu beantragen, dass er sich für die Gewährung der Pauschvergütung nicht auf den Eintritt der Rechtskraft verweisen lassen müsse (vgl. OLG Hamm AGS 1998, 142 = StV 1998, 616 = Rpfleger 1998, 487 = AnwBl 1998, 613). Entsprechendes gilt, wenn in einem Verfahren, das sich zunächst gegen mehrere Beschuldigte richtete, das Verfahren gegen den Mandanten endgültig, z. B. durch Einstellung, erledigt ist, gegen Mitbeschuldigte aber noch fortgeführt wird (OLG Hamm aaO).
X. Stellungnahme zur Äußerung des Vertreters der Staatskasse abgeben
Das Verfahren auf Bewilligung der Pauschvergütung ist ein formales gerichtliches Verfahren, in dem den Beteiligten grundsätzlich das rechtliche Gehör gewährt werden muss. Nach § 99 Abs. 2 S. 3 BRAGO wird die Staatskasse zum Antrag des Pflichtverteidigers gehört. Deren Äußerung zu dem Antrag wird dem Pflichtverteidiger vor einer Entscheidung über diesen zur Kenntnis- und Stellungnahme zugeleitet, damit er, wenn die Staatskasse dem Antrag entgegengetreten ist, dazu Stellung nehmen kann (BVerfG Rpfleger 1964, 210 = AnwBl 1964, 254 m. Anm. Jünnemann ). Das sollte der Pflichtverteidiger dann aber auch tun. Insbesondere wenn der Vertreter der Staatskasse den vom Pflichtverteidiger geltend gemachten zeitlichen Aufwand bestritten hat, kann dem nur der Pflichtverteidiger entgegnen. Das gilt insbesondere für Tätigkeiten, die sich nicht unmittelbar aus den Akten ergeben. Hat z. B. der Pflichtverteidiger den "besonderen Umfang" des Verfahrens u. a. auch mit »mehreren Besuchen des Beschuldigten während der Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt« begründet und wird diesem Gesichtspunkt vom Vertreter der Staatskasse mit dem Hinweis auf die "Üblichkeit" solcher Besuche und die in Haftsachen ohnehin schon erhöhten Pflichtverteidigergebühren entgegengetreten, kann nur der Pflichtverteidiger dies im einzelnen widerlegen. Tut er das nicht, wird das OLG im Zweifel davon ausgehen, dass die Einwände des Vertreters der Staatskasse zutreffend sind.
XI. Beschluss des OLG unanfechtbar
Die Entscheidung des grds. zuständigen OLG ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Gegen die Entscheidung sind nach allgemeiner Meinung jedoch Gegenvorstellungen zulässig (OLG Nürnberg AnwBl 1974, 356 = JurBüro 1975, 201; OLG Schleswig SchlHA 1996, 247; OLG Hamm StraFo 1996, 94). Der Verteidiger sollte sich auch nicht scheuen, sie ggf. zu erheben (siehe einerseits OLG Hamm aaO, [Eintritt der Verjährung bejaht]; andererseits OLG Hamm StraFo 1996, 189 = JurBüro 1996, 642 = AnwBl 1996, 478 = NStZ 1997, 41 = zfs 1997, 32 m. Anm. Madert [Eintritt der Verjährung verneint und Pauschvergütung bewilligt]).
XII. Anrechnung von bereits gezahlten gesetzlichen Gebühren
Die bewilligte Pauschvergütung wird nicht neben den gesetzlichen Gebühren gewährt, sondern tritt an deren Stelle (OLG Hamm aaO; OLG Koblenz NStZ-RR 2000, 128). Bereits gezahlte allgemeine gesetzliche Pflichtverteidigergebühren werden angerechnet.
XIII. Keine Verzinsung der Pauschvergütung
Die Pauschvergütung wird nicht verzinst (OLG Frankfurt NJW 1972, 1481; OLG Koblenz Rpfleger 1974, 269). Das ist, insbesondere wenn die Entscheidung des OLG lange auf sich warten lässt, für den Verteidiger misslich. Dem hat das OLG Hamm vor kurzem dadurch Rechnung getragen, dass es die lange Dauer des Pauschvergütungsverfahrens bei der Bemessung der Pauschvergütung erhöhend berücksichtigt hat (Beschl. v. 9. 1. 2001, 2 (s) Sbd. 6 -231, 232 u. 233/2000, ZAP EN-Nr. 222/2001 = AGS 2001, 154 [allerdings nur bei Verfahrensdauer ab einem Jahr]).
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