Richter am OLG Detlef Burhoff, Ascheberg
aus StraFo 2001, 119 ff. - Stand etwa Ende 2000/Anfang 2001
Ich bedanke mich bei der Schriftleitung des StraFo für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus dem "StraFo" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.
Hinweise:
Zur besseren Lesbarkeit im Internet sind die
Fußnoten des Originalbeitrags in Klammerzusätze umgewandelt worden;
der darin enthaltene Text ist hier in roter Schrift gesetzt.
Im
Originalbeitrag im "StraFo" sind die Rechtsprechungsnachweise jeweils nur beim
ersten Zitat mit allen maßgeblichen Fundstellen zitiert, bei
späteren Zitaten wird dann auf diese Fußnote verwiesen. Diese
Verweise sind hier durch "[s.o.]" ersetzt; die Konkordanz kann aber ohne
Schwierigkeiten mit der Suchenfunktion des Browsers [Strg F] gesucht
werden.
Soweit Rechtsprechung des OLG Hamm auf
meiner Homepage im Volltext eingestellt ist, kann die jeweilige
Entscheidung durch Anklicken der Fundstelle aufgerufen werden.
I. Allgemeines
II.
Anspruchsberechtigte
III.
Allgemeine Voraussetzungen für
die Bewilligung einer Pauschvergütung
1. Grundsätze
2. Besonders umfangreiche
Strafsachen
a) Allgemeines
b) Maßgeblicher Zeitraum
3. Besonders schwierige
Strafsache
IV. Höhe der
Pauschvergütung
V. Bewilligungsverfahren
1. Antrag
2. Verzinsung des
Pauschvergütungsanspruchs
3. Bewilligungszeitpunkt
a) Abschluss des Verfahrens
b)
Vorschuss/Abschlagszahlung
c) Verjährung
VI.
ABC der
Pauschvergütung
Abkürzung
des Verfahrens
Aktenumfang
Anreise zum Termin
Ausländischer Mandant
Besprechungen
Einarbeitungszeit, kurze
Fahrzeiten
Hauptverhandlungsdauer (Anzahl der
Tage)
Hauptverhandlungsdauer (Dauer je
Tag)
Höchstgebühr
Inhaftierter
Angeklagter/Mandant
Persönlichkeit, schwierige, des
Angeklagten/Mandanten
Psychiatrische(s) Gutachten
Reisezeiten
Revisionsverfahren
Schwurgerichtsverfahren
Termine außerhalb der
Hauptverhandlung
Terminsdauer
Untersuchungshaft
Vorläufige Festnahme
Wiederaufnahmeverfahren
Wirtschaftsstrafverfahren
Zeugenbeistand
I. Allgemeines
1999 habe ich
umfangreich über die Pauschvergütung nach § 99 BRAGO und die
damit in der Praxis zusammenhängenden Fragen berichtet
(Burhoff, Die
Pauschvergütung nach § 99 BRAGO -- ein Rechtsprechungsüberblick
mit praktischen Hinweisen, StraFo 1999,
261 ff. [im folgenden zitiert: Burhoff
StraFo
1999, Seite]). Die nachfolgenden Ausführungen sollen diesen
Rechtsprechungsüberblick nun aktualisieren, indem die seitdem ergangene --
veröffentlichte und unveröffentlichte Rechtsprechung der OLG
dargestellt wird (Die angeführten neuen
Entscheidungen des OLG Hamm sind im übrigen auch weitgehend alle auf
meiner Homepage www.burhoff.de eingestellt). Aus Gründen der
Übersichtlichkeit und besseren Vergleichbarkeit habe ich mich mit dem
Aufbau dieses Beitrags im wesentlich an die Gliederung des früheren
Beitrags gehalten. Deshalb ist auch wieder ein ,,ABC der Pauschvergütung"
angefügt. Seine Stichworte gleichen den in dem früheren Beitrag
(Siehe Burhoff (s.o.)
StraFo
1999, 268 ff.). Stand des Beitrags ist Anfang/Mitte November 2000, auf
einige danach ergangene Entscheidungen konnte nur noch in den Fußnoten
hingewiesen werden.
Inzwischen liegen -- soweit ersichtlich -- die ersten Entscheidungen zur Anwendbarkeit des § 99 BRAGO auf den in einem Strafverfahren gerichtlich nach § 68b StPO beigeordneten Zeugenbeistand vor. Das OLG Hamburg (OLG Hamburg StraFo 2000, 142), das OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf AGS 2001, 16) und das OLG Hamm (OLG Hamm AGS 2000, 177 = Rpfleger 2000, 471 = AnwBl 2000, 699 = JurBüro 2000, 532 = ZAP EN-Nr. 494/2000 = BRAGO professionell 2000, 120; siehe im übrigen auch OLG Bremen StV 1983, 513; SchlHOLG JurBüro 1994, 673; so auch Seitz, Das Zeugenschutzgesetz -- ZSchG, JR 1998, 309, 310; Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 2. Aufl. 1999, Rn. 880 i; Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 3. Aufl. 1999, Rn. 1175 ff., m. w. N.) haben dazu entschieden, dass § 99 BRAGO auf diesen grundsätzlich anwendbar ist. Nach Auffassung des OLG Hamm ist im übrigen auch nach Einfügung des § 68b StPO die gesetzliche Gebühr für die Tätigkeit des einem Zeugen beigeordneten anwaltlichen Zeugenbeistandes im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt, die Gebühren bestimmen sich vielmehr weiterhin in analoger Anwendung des § 95 Hs. 2 BRAGO ( So schon OLG Hamm in 2 Ws 377/93 und in 1 Ws 288/96; siehe auch OLG Stuttgart StV 1993, 143; a. A. Meyer JurBüro 2000, 69).
III. Allgemeine Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschvergütung
1. Grundsätze
Das OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf AGS 1999, 71) vertritt unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG (Vgl. u.a. BVerfGE 68, 237, 255 f.) und auf ältere OLG-Rechtsprechung (OLG Koblenz Rpfleger 1976, 331; OLG Hamburg MDR 1988, 254; OLG Hamm AnwBl 1987, 339) die Auffassung, dass eine Pauschvergütung dann nicht zu bewilligen sei, wenn die gesetzliche Gebühr ein angemessener und ausreichender Ausgleich für die anwaltliche Mühewaltung des beigeordneten Rechtsanwalts darstelle. Wenn bereits die gesetzlichen Gebühren eine angemessene Vergütung für die anwaltliche Tätigkeit des beigeordneten Rechtsanwalts darstellen, sei ein Antrag auf Bewilligung von Pauschvergütung unbegründet und könne daher eine Pauschvergütung nicht bewilligt werden. M. E. kann man sich dieser Auffassung nicht anschließen. Nach dem Wortlaut des § 99 Abs. 1 BRAGO ,,ist" nämlich in ,,besonders umfangreichen" oder ,,besonders schwierigen" Verfahren eine Pauschvergütung zu bewilligen. Der beigeordnete Rechtsanwalt hat dann Anspruch auf die Gewährung einer Pauschvergütung. Die vom OLG Düsseldorf angestellten Überlegungen haben m. E. nicht bei der Frage, ob dem Verteidiger eine Pauschvergütung zu bewilligen ist, Bedeutung, sondern erst bei der anschließenden nach der Höhe der zu gewährenden Pauschvergütung. Nach Auffassung des OLG Bremen soll im übrigen eine kostendeckende Vergütung des Pflichtverteidigers nicht erforderlich sein (OLG Bremen StraFo 2000, 323; siehe im übrigen dazu auch StraFo 1999, 262; Abschnitt III., 1).
2. Besonders umfangreiche Strafsachen
a) Allgemeines
Für die Frage, ob es sich um eine besonders umfangreiche Sache i. S. d. § 99 Abs. 1 BRAGO handelt, wird allgemein auf den zeitlichen Aufwand abgestellt, den der Pflichtverteidiger auf die Sache verwenden muß (Wegen der Einzelheiten und weiterer Beispiele zur Frage der Anwendbarkeit des § 99 Abs. 1 BRAGO siehe das ,,ABC" bei VI; dort auch zu weiteren Entscheidungen zum ,,besonderen Umfang"). Dabei werden in der Rechtsprechung zunehmend zwei Umstände als Kriterien für die Bewilligung einer Pauschvergütung (mit)herausgestellt:
Einmal handelt es sich dabei um den Aspekt, dass der Pflichtverteidiger erst kurz vor der Hauptverhandlung beigeordnet worden ist und er sich daher kurzfristig in ggf. umfangreiches Akten- und Beiaktenmaterial hat einarbeiten müssen (OLG Hamm StraFo 2000, 251 = JurBüro 2000, 250 = ZAP EN-Nr. 431/2000 = AGS 2000, 110). Das gilt natürlich besonders, wenn die Beiakten einen Umfang von rund 600.000 Seiten hatten (OLG Hamm StraFo 2000, 285 = ZAP EN-Nr. 461 = 2000 = StV 2000, 443 (Ls.) = NStZ 2000, 555 = wistra 2000, 398 = AGS 2001, 13 = JurBüro 2000, 586).
Ein weiteres Kriterium sind die Tätigkeiten, die der Pflichtverteidiger ggf. aufgebracht hat, um das Verfahren abzukürzen. Auch diese sind bei der Bewilligung einer Pauschvergütung zu berücksichtigen (OLG Hamm StraFo 2000, 214 = StV 2000, 442). Das kann dann dazu führen, dass in einem amtsgerichtlichen Verfahren, in dem die Hauptverhandlung nur (noch) 1 Stunde und 5 Minuten gedauert hat, wegen zahlreicher im Vorfeld geführter Besprechungen des Pflichtverteidigers mit Verfahrensbeteiligten eine Pauschvergütung bewilligt wird (OLG Hamm, aaO, für insgesamt sieben Besprechungen mit dem Angeklagten, einem Vertreter der Jugendgerichtshilfe und mit dem sachbearbeitenden Staatsanwalt, die dann zu einem Geständnis des Angeklagten in der Hauptverhandlung geführt haben).
Bei weniger komplexen und schwierigen Verfahren wird von den OLG in der Regel bei der Beurteilung des Verfahrens noch auf die Dauer der Hauptverhandlungstermine abgestellt, während bei komplexen und umfangreichen Verfahren im Rahmen einer Gesamtbetrachtung das gesamte Verfahren und der notwendige Arbeitsaufwand des Verteidigers beurteilt wird (OLG Jena StraFo 1999, 323). In diese Beurteilung fließt dann auch ggf. der Schwierigkeitsgrad des Verfahrens ein (OLG Jena, aaO). Bei der (Gesamt-)Beurteilung ist nach Auffassung des OLG Hamm z. B. die Anzahl der Hauptverhandlungstage nur ein Kriterium für die Gewährung einer Pauschvergütung (OLG Hamm ZAP EN-Nr. 588/2000 = BRAGO professionell 2000, 128 = http://www.burhoff.de.). A. A. scheint insoweit das OLG Brandenburg zu sein (OLG Brandenburg StV 1998, 92 = AGS 1998, 87). Danach sollen zwar einerseits (allein [?]) schon fünf Hauptverhandlungstage den ,,besonderen Umfang" des Verfahrens begründen, andererseits nimmt aber auch das OLG Brandenburg eine Gesamtabwägung vor (Vgl. dazu auch OLG Hamm, aaO [s.o.]).
Im Berichtszeitraum haben sich nun auch das OLG Jena (OLG Jena StV 2000, 94) und das OLG Oldenburg (OLG Oldenburg StV 2000, 443 [Ls.]) der in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht angeschlossen, die bei der Beurteilung des besonderen Umfangs unter Hinweis auf § 97 Abs. 3 BRAGO auch die Tätigkeiten des Pflichtverteidigers berücksichtigt, die dieser vor seiner Bestellung zum Pflichtverteidiger noch als Wahlverteidiger für den Mandanten erbracht hat (Bislang u. a. schon KG StV 1997, 425 (Ls.); OLG Saarbrücken NStZ-RR 1997, 256 = JurBüro 1997, 361). Diese Auffassung vertritt für die 1. Instanz auch wohl das OLG Stuttgart (OLG Stuttgart JurBüro 1999, 415 = Rpfleger 1999, 412 = AGS 2000, 109), das allerdings eine analoge Anwendung des § 97 Abs. 3 BRAGO auf den erst im Lauf des Berufungsverfahrens bestellten Pflichtverteidiger ablehnt. Andere Stimmen in der Rechtsprechung der OLG beziehen die in § 97 Abs. 3 BRAGO vorgesehene Rückwirkung hingegen nur auf die eigentliche Pflichtverteidigergebühr und nicht auch auf die Pauschvergütung nach § 99 BRAGO; die Vorschrift des § 97 Abs. 3 gewähre -- auch nach den Änderungen durch das KostÄndG 1994 -- keine Zusatzgebühr (So zuletzt unter Bestätigung seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. dazu StraFo 1999, 263 [Fn. 39]) OLG Hamm AGS 2000, 131 = ZAP EN-Nr. 524/2000 = JurBüro 2000, 585; für die Berufungsinstanz so auch OLG Stuttgart, aaO.). Nach dieser Auffassung bleiben die noch als Wahlverteidiger erbrachten Tätigkeiten bei der Bewilligung der Pauschvergütung also außer Betracht.
Wegen dieser überwiegenden Meinung in Rspr. und Literatur ist es m. E. nach wie vor dringend zu empfehlen, dass der (Wahl-) Verteidiger seine Pflichtverteidigerbestellung so früh wie möglich beantragt. Tut er das, kann er sich bei der Beantragung einer Pauschvergütung darauf berufen, dass in der Rechtsprechung die Möglichkeit einer fiktiven Beiordnung des Pflichtverteidigers für den (frühen) Zeitpunkt der Antragstellung anerkannt ist, die dazu führt, dass der Pflichtverteidiger so gestellt wird, als wäre er früher, nämlich zeitnah zum Zeitpunkt der Antragstellung, beigeordnet worden (Siehe die Fallgestaltung bei OLG Hamm BRAGO professionell 2000, 127; Beschl. v. 6. 10. 2000, 2 (s) Sbd. 6-168/00).
3. Besonders schwierige Strafsache
Eine besonders schwierige Strafsache ist gegeben, wenn die Sache aus besonderen Gründen -- sei es aus rechtlichen, sei es aus tatsächlichen -- über das Normalmaß hinaus verwickelt ist. Auch hier muß die Schwierigkeit erheblich sein, so dass es nicht ausreicht, dass die Sache etwas verwickelter als üblich ist (Vgl. die Nachweise in StraFo 1999 264 [Fn. 49]). Die ,,besondere Schwierigkeit" kann sich aus den Feststellungen zur Tat und zur Persönlichkeit des Angeklagten ergeben, so z. B. bei widersprechenden Gutachten bezüglich der Schuldfähigkeit und der möglichen Wiederholungsgefahr (OLG Nürnberg StV 2000, 441). Wenn tatsächlich und rechtlich schwierige Fragen der Abfallbeseitigung zu behandeln sind, kann es sich ebenfalls um ein ,,besonders schwieriges" Verfahren handeln (OLG Hamm StV 2000, 442 = StraFo 2000, 35 = JurBüro 2000, 250). Auch kann eine erforderliche hohe Anzahl an notwendigen Besuchen bei einem inhaftierten Mandanten für die Bejahung der Schwierigkeit der Sache Bedeutung haben (OLG Nürnberg, aaO.). Wenn der Pflichtverteidiger einem Zeugen als Zeugenbeistand beigeordnet ist (OLG Hamm, Beschl. v. 28. 9. 2000, 2 (s) Sbd. 6-135/2000 = http://www.burhoff.de = StraFo 2001, 107 = JurBüro 2001, 134 = AGS 2001, 81), kann sich die besondere Schwierigkeit schließlich aus der gesamten, für den Zeugen bedrohlichen Verfahrenssituation ergeben sowie ggf. aus einer starken Sicherung des Zeugen, wenn dieser sich z. B. in einem sog. Zeugenschutzprogramm befindet. Das OLG Dresden (OLG Dresden AGS 2000, 109) hat endlich in einem amtsgerichtlichen Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs, in dem der Rechtsanwalt dem minderjährigen Tatopfer beigeordnet worden war, die ,,besondere Schwierigkeit" damit bejaht, dass der Rechtsanwalt eine Minderjährige zu vertreten hatte, auf deren Aussage es im Hinblick auf den vom Angeklagten bestrittenen Tatvorwurf ankam.
Einer besonderen Erwähnung bedürfen m. E. Schwurgerichtsverfahren. Gerade in diesen wird von Pflichtverteidigern häufig unter Hinweis auf die ,,besondere Schwierigkeit" eine Pauschvergütung beantragt. Das wird dann meist damit begründet, dass verschiedene Sachverständigengutachten vorgelegen hätten, die der Verteidiger habe auswerten müssen usw. So ,,leicht" wird in Schwurgerichtsverfahren eine Beurteilung des Verfahrens als ,,besonders schwierig" nicht zu erreichen sein. Denn in diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, dass der Gesetzgeber dem zugegebenermaßen in der Regel höheren Schwierigkeitsgrad von Schwurgerichtssachen bereits durch erheblich höhere gesetzliche Gebühren gegenüber sonstigen Strafsachen, die vor einer großen Strafkammer verhandelt werden, Rechnung getragen hat. Würde man das unberücksichtigt lassen, wäre jedes vor dem Schwurgericht verhandelte Verfahren ,,besonders schwierig" mit der Folge, dass in allen Schwurgerichtsverfahren eine Pauschvergütung nach § 99 BRAGO zu gewähren wäre (OLG Hamm StraFo 2000, 286 = ZAP EN-Nr. 557/2000).
Liegen die Voraussetzungen des § 99 Abs. 1 BRAGO vor, erhält der Pflichtverteidiger nicht erhöhte Gebühren für einzelne Tätigkeiten oder Verfahrensteile. Vielmehr wird ein Pauschbetrag festgesetzt, der an die Stelle der gesetzlichen Gebühren tritt (OLG Koblenz JurBüro 2000, 251 = NStZ-RR 2000, 128) und durch den die gesamte Tätigkeit des Verteidigers abgegolten werden soll, wobei Zeitaufwand und Schwierigkeit der Tätigkeit des Pflichtverteidigers angemessen zu berücksichtigen sind. Die Bemessung der Pauschvergütung erfolgt in einer Gesamtbetrachtung aller Umstände (OLG Jena StraFo 1999, 323).
1. Antrag
Die Pauschvergütung wird nach § 99 Abs. 2 BRAGO nur auf Antrag (Zum Muster eines Antrags siehe StraFo 1999, 266 und Burhoff, Antrag und Verfahren zur Bewilligung einer Pauschvergütung nach § 99 BRAGO, BRAGO professionell 2000, 146, 148) bewilligt. Es muß noch einmal betont werden, dass der Pflichtverteidiger seinen Antrag eingehend begründen sollte. Das gilt insbesondere hinsichtlich der sich nicht aus den Akten ergebenden Tätigkeiten für den Mandanten. Denn woher, wenn nicht vom Pflichtverteidiger selbst, soll das OLG diese Tätigkeit kennen? Das gilt insbesondere für die im Zusammenhang mit der Inhaftierung des Mandanten erbrachten Tätigkeiten (in der Regel Besuche in der Justizvollzugsanstalt). Diese ergeben sich meist nicht, und wenn, dann allenfalls fragmentarisch aus den Akten, so dass der wirkliche Umfang dieser Tätigkeit daher dem entscheidenden OLG häufig verborgen bleibt, obwohl der Pflichtverteidiger unschwer anhand seiner Handakten Anzahl, Tage und vor allem Dauer seiner Besuche darlegen und damit dem Einwand der ,,Üblichkeit" entgegnen kann (Zur Bedeutung dieser Umstände siehe unten bei VI. im ,,ABC" unter ,,Untersuchungshaft"; dazu jetzt eindeutig OLG Hamm, Beschl. v. 22. 12. 2000, 2 (5) Sbd. 6 -- 205/2000 = http://www.burhoff.de).
2. Verzinsung des Pauschvergütungsanspruchs
Die Pauschvergütung wird nicht verzinst (Vgl. aus der früheren Rechtsprechung OLG Frankfurt NJW 1972, 1481; OLG Koblenz Rpfleger 1974, 269). Das ist, insbesondere wenn die Entscheidung des OLG lange auf sich warten lässt, für den Verteidiger misslich. Deshalb ist es zu begrüßen, dass nun das OLG Hamm in einem Verfahren, in dem die Pflichtverteidiger mehr als 12 Monate auf die Bewilligung ihrer Pauschvergütung hatten warten müssen, diesen Umstand und den dadurch eingetretenen Zinsverlust bei der Bemessung der Pauschvergütung erhöhend berücksichtigt hat (OLG Hamm, Beschl. v. 9. 1. 2001, 2 (5) Sbd. 6 -- 231, 232 u. 233/2000 = http://www.burhoff.de).
Allgemein wird davon ausgegangen, dass die Bewilligung einer Pauschvergütung erst nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens erfolgen kann, da sich erst dann in einer Gesamtschau ermitteln lässt, ob die Voraussetzungen für die Gewährung einer Pauschvergütung gegeben sind (OLG Hamm ZAP EN-Nr. 330/220 m. w. N.; a. A. wohl OLG Braunschweig JurBüro 2000, 475 = Nds.Rpfl. 2000, 175, m. w. N.). Ggf. kommt aber vor Rechtskraft des Verfahrens die Gewährung eines Vorschusses in Betracht (Siehe IV 3, b und StraFo 1999, 267).
Nach Zubilligung eines ersten Vorschusses kann die Gewährung eines weiteren Vorschusses in Betracht kommen (Siehe die Nachweise in StraFo 1999, 267 [Fn. 109]). Dies ist auch noch nach Rechtskraft des Verfahrens möglich, jedenfalls dann, wenn der Pflichtverteidiger nach Gewährung eines ersten Vorschusses danach an weiteren 52 Hauptverhandlungstagen teilgenommen hat, das Verfahren zwar zwischenzeitlich beendet ist, der Abschluss des Revisionsverfahrens beim BGH aber nicht absehbar ist (OLG Hamm wistra 2000, 319 = BRAGO professionell 2000, 129 = ZAP EN-Nr. 686/2000 = JurBüro 2000, 586). Begründet hat das OLG Hamm diese Vorschussgewährung damit, dass das dem Pflichtverteidiger zugemutete Sonderopfer aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu groß werden dürfe.
Eine Pauschvergütung kann auch dann bewilligt werden, wenn das Verfahren zunächst nach § 205 StPO eingestellt worden ist ((Siehe die Nachweise in StraFo 1999, 267 [Fn. 112]). Allerdings kommt die Bewilligung einer Pauschvergütung in diesen Fällen -- wenn überhaupt -- nur dann in Betracht, wenn das Verfahren zu dem Zeitpunkt schon als ,,besonders schwierig" und/oder als ,,besonders umfangreich" anzusehen ist (OLG Hamm ZAP EN-Nr. 587/2000 = AGS 2000, 178). Wird der Vorschussantrag -- zunächst -- abgelehnt, kann der Verteidiger den Antrag auf Bewilligung einer Pauschvergütung nach endgültigem Abschluss des Verfahrens jedoch ggf. wiederholen (so der ausdrückliche Hinweis bei OLG Hamm, aaO.).
Einen Vorschussantrag sollte der Pflichtverteidiger auf jeden Fall begründen. Dazu gehört insbesondere, dass er in hinreichender Weise darlegt, dass die Versagung von Teilzahlungen auf eine voraussichtliche spätere Pauschvergütung als eine unzumutbare Härte erscheinen müsste, die sogar existentielle Konsequenzen haben kann (OLG Hamm AGS 2000, 202; zu den Voraussetzungen eines Vorschusses im Übrigen siehe die Nachweise in StraFo 1999, 267 [Fn. 104 ff.]).
c) Verjährung
Zur Verjährung vertritt jetzt auch das OLG Braunschweig (OLG Braunschweig JurBüro 2000, 475 [s.o.]); ebenso bereits früher OLG Hamburg JurBüro 1991, 233; KG JurBüro 1999, 26) -- entgegen der wohl überwiegenden Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung -- die Auffassung, dass der Beginn der Verjährungsfrist für den Pauschvergütungsanspruch nicht vom rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens abhängig sein soll (A. A. OLG Hamm StraFo 1996, 189 = ZAP EN-Nr. 331/96 = JurBüro 1996, 642 = AnwBl. 1996, 478 = NStZ 1997, 41 m. Anm. Madert zfs 1997, 32; aaO; OLG Jena StraFo 1997, 253 = AGS 1998, 87). Diese Auffassung, die für den Pflichtverteidiger ungünstiger ist, weil sie zu einem früheren Beginn der Verjährungsfrist führt (Vgl. dazu das Beispiel bei Burhoff, Verfahrenstipps und Hinweise für Strafverteidiger zu neuerer Rechtsprechung in Strafsachen (II/2000), in ZAP F. 22 R, S. 129, 135 f. = http://www.burhoff.de.; ders., BRAGO professionell 2000, 130), ist m. E. abzulehnen. Der Lauf der Verjährungsfrist kann nämlich nicht eher als mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens beginnen, weil erst ab diesem Zeitpunkt aufgrund einer Gesamtschau beurteilt werden kann, ob überhaupt die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschvergütung gegeben sind. Erst dann wird also ein etwaiger Pauschvergütungsanspruch fällig, so dass auch erst dann der Lauf der Verjährungsfrist beginnen kann (siehe dazu die o.a. Hinweise). Mit dem Abstellen auf den -- allgemeinen -- Abschluss der Instanz wird man m. E. auch dem Wesen des Pauschvergütungsanspruchs nicht gerecht. Der Pauschvergütungsanspruch tritt zwar an die Stelle des Anspruchs auf die gesetzlichen Gebühren (OLG Braunschweig, aaO.) -- ob das aber tatsächlich der Fall ist, entscheidet sich erst, wenn abschließend darüber entschieden werden kann, ob dem Pflichtverteidiger überhaupt eine Pauschvergütung zusteht. Das ist aber noch nicht nach Abschluss der Instanz der Fall, sondern erst nach endgültigem Abschluss des Verfahrens, da erst dann die erforderliche Gesamtschau aller für die Bewilligung einer Pauschvergütung maßgeblichen Kriterien angestellt werden kann. In der Regel wird zudem über einen Pauschvergütungsanspruch des Pflichtverteidigers -- entgegen der Ansicht z. B. des OLG Braunschweig ((OLG Braunschweig, aaO.) -- auch erst nach endgültigem Abschluss des Verfahrens entschieden (Vgl. dazu u. a. OLG Hamm StV 1998, 616 = AnwBl 1998, 613). Für einzelne Verfahrensteile wird hingegen in der Regel keine Pauschvergütung gewährt.
Wegen der unterschiedlichen Auffassung der OLG empfiehlt es sich dringend, mit einem Pauschvergütungsantrag nicht (zu lange) zu warten, sondern ihn möglichst frühzeitig, also ggf. schon nach Abschluss der ersten Instanz, zu stellen. Dann kann die zweijährige Verjährungsfrist der §§ 196 Nr. 15, 198, 201 BGB nicht versäumt werden, sondern wird vielmehr durch den Antrag unterbrochen. Der Lauf der Verjährungsfrist ist nämlich im übrigen auch nicht während des Festsetzungsverfahrens für die allgemeinen Pflichtverteidigergebühren gehemmt (So schon OLG Hamm Rpfleger 1998, 38 = StraFo 1998, 35 = AnwBl 1998, 220).
Das nachfolgende ABC schließt an das ABC aus dem früheren Beitrag an bzw. ergänzt dieses (Siehe StraFo 1999, 268 ff.). Angeführt sind allerdings nur noch die Punkte, zu denen im Berichtszeitraum neue Rechtsprechung ergangen ist. Im übrigen ist nach wie vor im Auge zu behalten, dass sich die Gewährung einer Pauschvergütung nicht nur aus einem Gesichtspunkt ergibt, sondern in der Regel erst eine Gesamtschau aller zu berücksichtigenden Umstände dazu führt, dass ein Verfahren als ,,besonders schwierig" oder ,,besonders umfangreich" anzusehen ist (Siehe die Nachweise in StraFo 1999, 268 ff. [Fn. 128] und oben Fn. 15). Dazu muß der Pflichtverteidiger ggf. vortragen (Zur Bedeutung der Antragsbegründung siehe oben V. 1. und StraFo 1999, 265). Im einzelnen:
Nach Auffassung des OLG Hamm sind Tätigkeiten, die zu einer erheblichen Abkürzung des Verfahrens geführt haben, z. B. eine besonders intensive Vorbereitung der Hauptverhandlung, bei der Bewilligung einer Pauschvergütung zu berücksichtigen (OLG Hamm StraFo 2000, 214 [s.o.)]).
Der Aktenumfang ist ein Indiz dafür, ob eine Sache besonders umfangreich ist oder nicht. Allein der Aktenumfang wird allerdings nur in Ausnahmefällen die Gewährung einer Pauschvergütung rechtfertigen. Verlässliche Grundsätze der OLG dazu, ab wann eine Pauschvergütung (allein) aufgrund des Aktenumfangs gerechtfertigt ist, gibt es im Übrigen nicht. Aus der neueren Rechtsprechung ist hinzuweisen auf (Siehe zu den Nachweisen zur früheren Rechtsprechung StraFo 1999, 268 [Fn. 133 ff.]).:
-- OLG Dresden (OLG Dresden AGS 2000, 109): mehr als 200 Blatt Akten bis zur Hauptverhandlung bedeuten im amtsgerichtlichen Verfahren einen besonderen Umfang,
-- OLG Hamm (OLG Hamm StV 2000, 442; ebenso OLG Hamm StV 1998, 619 = StraFo 1998, 321, 356 = NStZ-RR 1998, 254 = AGS 1998, 140): 500 Seiten Aktenumfang beim AG (mit) zu berücksichtigen,
-- OLG Hamm (OLG Hamm StraFo 2000, 285 [s.o.]): eine über die Wahlverteidigerhöchstgebühr hinausgehende Pauschvergütung ist dann zuzuerkennen, wenn sich der Pflichtverteidiger u. a. innerhalb von 6 Wochen in einen äußerst umfangreichen Verfahrensstoff eines Wirtschaftsstrafverfahrens einarbeiten musste (1.000 Blatt Hauptakten, zahlreiche Beweismittelordner und 600.000 Blatt Beiakten),
-- OLG Hamm (OLG Hamm StraFo 2000, 251 [s.o.]): kurzfristige Einarbeitung in 10 Bände Hauptakten, 5 Ordner Fallakten, je 1 Ordner Vernehmungen, Durchsuchungen/Asservate, 9 Ordner Telefonüberwachung führt zum besonderen Umfang,
-- OLG Hamm (OLG Hamm JurBüro 1999, 639 = AGS 2000, 9): allein 75 Hauptverhandlungstage in nur knapp 16 Monaten führen nicht zum besonderen Umfang, Pauschvergütung aber dann, wenn zusätzlich noch umfangreiches Aktenmaterial (25 Bände Hauptakten, 8 Sonderbände, 28 Sonderordner, 72 Beweismittelordner, 11 Zusatzordner und 3 Beiakten) und eine umfangreiche Beweisaufnahme mit 113 Zeugen, was erhebliche Vor- und Nachbereitungszeit erforderlich machte, festzustellen sind
-- OLG Jena: bis zur Hauptverhandlung bereits ein Umfang von 8 Bänden mit über 1.000 Seiten ist (mit) zu berücksichtigen (OLG Jena StraFo 1999, 323),
-- OLG Köln (OLG Köln StV 2000, 440) und OLG Hamm (OLG Hamm aaO.): der besondere Umfang kann sich auch daraus ergeben, dass es sich bei dem Verfahren, in dem der Pflichtverteidiger tätig geworden ist, um ein aus einem anderen umfangreichen Verfahren abgetrenntes Verfahren gehandelt hat, jedoch die Kenntnis des Ursprungsverfahrens und damit ein umfangreiches Aktenstudium erforderlich waren. In dem vom OLG Hamm (OLG Hamm aaO.) entschiedenen Fall handelte es sich um ein aus dem Umfangsverfahren ,,Balsam" hervorgegangenes Verfahren, in dem der Pflichtverteidiger die rund 600.000 Seiten der Balsam-Akten durchsehen musste,
-- OLG Nürnberg (OLG Nürnberg AnwBl 2000, 56):1.450 Blatt Akten bis zur Verfahrenseinstellung führen neben einer besonderen Beanspruchung des Pflichtverteidigers durch Haftprüfungsverfahren zu einer Verdoppelung der gesetzlichen Gebühren.
-- sie bei ,,Fahrzeiten".
Wenn es sich bei dem Mandanten um einen Ausländer handelt und dieser Umstand die Zuziehung eines Dolmetschers erforderlich gemacht hat, kann das in Zusammenhang mit anderen Umständen zur Gewährung einer Pauschvergütung führen (OLG Hamm StraFo 2000, 251 [s.o.]).
-- OLG Hamm (OLG Hamm StraFo 2000, 285 [s.o.); ähnlich OLG Hamm, Beschl. v. 7. 6. 2000, 2 (s) Sbd. 6-52/2000 = http://www.burhoff.de): zahlreiche zeitintensive Besprechungen mit dem Mandanten und Mitverteidigern während der Dauer der 22tägigen Hauptverhandlung sind (mit) zu berücksichtigen,
-- OLG Hamm (OLG Hamm AGS 2000, 131 [s.o.]): die Teilnahme des Pflichtverteidigers an einer polizeilichen und an einer richterlichen Vernehmung sowie an sechs Besprechungen mit dem unter Zeugenschutz stehenden Mandanten führt in Zusammenhang mit fünf dicht terminierten Hauptverhandlungstagen bei der Strafkammer mit einer durchschnittlichen Hauptverhandlungsdauer von 5 Stunden 19 Minuten zur Bewilligung einer Pauschvergütung.
Der besondere Umfang kann sich daraus ergeben, dass der Verteidiger erst kurz vor der Hauptverhandlung beigeordnet wurde und sich während der bis zum Beginn verbleibenden knappen Frist von 12 Tagen in 10 Bände Hauptakten, 5 Ordner Fallakten, je 1 Ordner Vernehmungen, Durchsuchungen/Asservate, 9 Ordner Telefonüberwachung usw. einarbeiten musste (OLG Hamm StraFo 2000, 251 [s.o.]). Entsprechendes gilt bei einer Einarbeitung in 10.000 Seiten Aktenmaterial in nur rund 9 Wochen (OLG Hamm, Beschl. v. 7. 6. 2000, 2 (s) Sbd. 6-52/2000 = http://www.burhoff.de).
Das OLG Nürnberg hält an einer ständigen Rechtsprechung fest, dass Fahrzeiten des Pflichtverteidigers nicht zur Begründung einer Pauschvergütung herangezogen werden können (OLG Nürnberg StV 2000, 441). Diese seien nämlich kein verfahrensbezogener Umstand (Ebenso OLG Hamm NStZ-RR 1999, 31 = Rpfleger 1999, 95; zum Sach- und Streitstand im übrigenStraFo 1999, 270 (Fn. 169 ff.); siehe auch OLG Hamm StraFo 1999, 143 = wistra 1999, 156 = StV 2000, 441 (bei der Bemessung einer aus anderen Gründen bereits zu bewilligenden Pauschvergütung sind die Fahrzeiten auswärtiger Verteidiger hingegen zu berücksichtigen).
Die Zahl der Hauptverhandlungstage ist nach Auffassung des OLG Hamm grundsätzlich nur ein Kriterium bei der Bewilligung einer Pauschvergütung wegen ,,besonderen Umfangs" des Verfahrens (OLG Hamm ZAP EN-Nr. 588/2000 [s.o.]). A. A. scheint insoweit das OLG Brandenburg zu sein (OLG Brandenburg StV 1998, 92 [s.o.]), wonach offenbar allein schon fünf Hauptverhandlungstage den ,,besonderen Umfang" des Verfahrens begründen sollen.
Im übrigen gilt im einzelnen:
-- OLG Hamm (OLG Hamm JurBüro 1999, 639 [s.o.]): allein 75 Hauptverhandlungstage in nur knapp 16 Monaten führen nicht zum besonderen Umfang, Pauschvergütung aber dann, wenn zusätzlich noch umfangreiches Aktenmaterial (25 Bände Hauptakten, 8 Sonderbände, 28 Sonderordner, 72 Beweismittelordner, 11 Zusatzordner und 3 Beiakten) auszuwerten war und eine umfangreiche Beweisaufnahme mit 113 Zeugen durchgeführt worden ist, was erhebliche Vor- und Nachbereitungszeit erforderlich machte,
-- OLG Hamm (OLG Hamm StraFo 2000, 251 [s.o.]): 24 locker terminierte, unterschiedlich lange Hauptverhandlungstage (bei der Strafkammer durchschnittliche Dauer nur 4 Stunden 45 Minuten, an sieben Tagen weniger als 3 Stunden, an drei Tagen aber mehr als 7 Stunden und an sechs Tagen mehr als 6 Stunden), aber ausländischer Mandant, was die Zuziehung eines Dolmetschers erforderlich machte, führten zu einer Pauschvergütung im Bereich der Mittelgebühr.
-- OLG Dresden (OLG Dresden AGS 2000, 109): mehr als 5 Stunden Hauptverhandlung führen im amtsgerichtlichen Verfahren zum besonderen Umfang,
-- OLG Hamm (OLG Hamm StraFo 2000, 35 = StV 2000, 93 = AGS 2000, 26 = AnwBl 2000, 378 = ZAP EN-Nr. 558/2000): die Tätigkeit in einer 4 Stunden 15 Minuten dauernden Hauptverhandlung beim Jugendschöffengericht und zwei jeweils drei Stunden dauernde Besuche des Verteidigers in der Justizvollzugsanstalt werden durch eine wegen Inhaftierung des Mandanten um 100 DM erhöhte gesetzliche Gebühr nicht abgegolten,
-- OLG Hamm (OLG Hamm StraFo 2000, 251 [s.o.]): durchschnittliche Dauer der Hauptverhandlung bei der Strafkammer von 3 Stunden und 20 Minuten erheblich unterdurchschnittlich,
-- OLG Hamm (OLG Hamm BRAGO professionell 2000, 127): eine durchschnittliche Dauer der Hauptverhandlung von 5 Stunden 38 Minuten bei der Strafkammer führt jedenfalls dann zu einer Pauschvergütung, wenn im Vorverfahren noch weitere Besprechungen mit dem Mandanten geführt worden sind,
-- OLG Hamm (OLG Hamm, Beschl. v. 7. 6. 2000, 2 (s) Sbd. 6-52/2000 = http://www.burhoff.de): durchschnittliche Hauptverhandlungsdauer von 3 Stunden in einem Wirtschaftsstrafverfahren vor der Strafkammer nur unterdurchschnittlich, Pauschvergütung aber aus anderen Gründen bewilligt,
-- OLG Hamm (OLG Hamm AGS 2000, 131 (s.o.)]: fünf dicht terminierte Hauptverhandlungstage bei der Strafkammer mit einer durchschnittlichen Dauer von 5 Stunden 19 Minuten bringen dem Pflichtverteidiger jedenfalls dann eine Pauschvergütung, wenn er zusätzlich noch an einer polizeilichen und an einer gerichtlichen Vernehmung sowie an sechs Besprechungen mit dem unter Zeugenschutz stehenden Mandanten teilgenommen hat.
-- OLG Hamm (OLG Hamm ZAP EN-Nr. 142/2000 = AGS 2000, 7): Die Gewährung der Wahlverteidigerhöchstgebühr kommt als Pauschvergütung nach § 99 Abs. 1 BRAGO nur in Ausnahmefällen in Betracht. Ihre Zubilligung ist aber dann gerechtfertigt, wenn es sich um ein außergewöhnlich schwieriges und umfangreiches Verfahren handelt (hier: sog. Balsam-Verfahren), und zwar auch dann, wenn der Rechtsanwalt sich gelegentlich noch anderen Verfahren widmen konnte,
-- OLG Hamm (OLG Hamm StraFo 2000, 285 [s.o.]): Eine über die Wahlverteidigerhöchstgebühr hinausgehende Pauschvergütung ist auch dann zuzuerkennen, wenn sich der Pflichtverteidiger innerhalb von 6 Wochen in einen äußerst umfangreichen Verfahrensstoff eines Wirtschaftsstrafverfahrens einarbeiten musste (1.000 Bl. Hauptakten, zahlreiche Beweismittelordner und 600.000 Bl. Beiakten) und während der 22 Tage dauernden Hauptverhandlung zahlreiche zeitintensive Besprechungen mit dem Mandanten und dem Mitverteidigern geführt worden sind,
-- OLG Hamm (OLG Hamm StraFo 1999, 431): zur Festsetzung einer Pauschvergütung etwa in Höhe der Wahlverteidigerhöchstgebühr bei zwar anderweitig möglicher Tätigkeit während der lange laufenden Hauptverhandlung, aber äußerst umfangreichem Aktenmaterial (Balsam-Verfahren),
-- OLG Hamm (OLG Hamm, Beschl. v. 28. 9. 2000, 2 (s) Sbd. 6-157 u. 158/2000 = http://www.burhoff.de): Pauschvergütung über der Wahlverteidigergebühr in einem äußerst umfangreichen Verfahren, insbesondere aufgrund der enormen Fülle des Aktenmaterials (600.000 Seiten), des Umfangs der Vorbereitung der Hauptverhandlung und der auch außerhalb der Hauptverhandlung erforderlichen Zeit für die Bearbeitung des Verfahrens.
siehe unten ,,Untersuchungshaft".
Der besondere Umfang eines Verfahrens kann sich auch aus der problematischen Persönlichkeit des Angeklagten ergeben, wenn deshalb der Pflichtverteidiger mit hohem und überdurchschnittlichem Aufwand erst Kontakt zu dem verschlossenen Mandanten herstellen musste (OLG Nürnberg StV 2000, 441). Bei Schwurgerichtsverfahren wird in der Regel aber die Auseinandersetzung mit Sachverständigengutachten zu den üblichen Aufgaben des Pflichtverteidigers gehören (OLG Hamm StraFo 2000, 286 [s.o.]).
Die ,,besondere Schwierigkeit" kann sich aus widersprechenden Gutachten bezüglich der Schuldfähigkeit des Angeklagten und einer möglichen Wiederholungsgefahr ergeben (OLG Nürnberg StV 2000, 441).
siehe oben ,,Fahrtzeiten".
OLG Hamm (OLG Hamm StraFo 200, 286 [s.o. ]) zur Zuerkennung und Bemessung einer Pauschvergütung bei erheblich überdurchschnittlichem Zeitaufwand des Pflichtverteidigers auch im Revisionsverfahren.
In Schwurgerichtsverfahren ist bei der Frage der ,,besonderen Schwierigkeit" grundsätzlich zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber dem in der Regel höheren Schwierigkeitsgrad (und dem größeren Umfang) dieser Verfahren bereits durch erheblich höhere gesetzliche Gebühren gegenüber sonstigen Strafsachen, die vor einer großen Strafkammer verhandelt werden, Rechnung getragen hat (OLG Hamm aaO.).
siehe oben ,,Besprechungen".
siehe oben ,,Hauptverhandlungsdauer (Dauer je Tag)".
Das OLG Hamm hat inzwischen die bislang -- von ihm -- noch offengelassene Frage, wie viel Besuche des Pflichtverteidigers bei dem in der JVA inhaftierten Mandanten durch die erhöhte gesetzliche Gebühr des § 97 Abs. 1 S. 3 BRAGO abgegolten sind (Ausdrücklich offengelassen von OLG Hamm StV 1998, 619 = StraFo 1998, 321, 356 = NStZ-RR 1998, 254 = AGS 1998, 140), entschieden. Nach Auffassung des OLG Hamm gehören Besuche des Mandanten in der Justizvollzugsanstalt grundsätzlich zu den Aufgaben eines Pflichtverteidigers und sind, soweit dadurch der übliche Aufwand nicht erheblich überschritten wird, durch die gem. §§ 97 Abs. 1, 84 Abs. 1, 83 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO um 25% erhöhten gesetzlichen Gebühren abgegolten. Dem daraus resultierenden zeitlichen Mehraufwand für den Pflichtverteidiger wird nach Ansicht des OLG in aller Regel aber durch die gesetzlichen Gebühren nur dann noch ausreichend Rechnung getragen, wenn auf jeweils eine erhöhte Gebühr nicht mehr als ein Anstaltsbesuch entfällt, wobei je nach den Umständen des Einzelfalles, die der Pflichtverteidiger ggf. vorzutragen hat, Abweichungen nach oben oder unten denkbar erscheinen. Anderenfalls kann die Gewährung einer Pauschvergütung nach § 99 BRAGO in Betracht kommen (OLG Hamm ZAP EN-Nr. 327/2000 = Rpfleger 2000, 295 = JurBüro 2000, 301 = StV 2000, 439 = AGS 2000, 90 = NStZ-RR 2000, 318). Im Übrigen werden durch eine wegen Inhaftierung des Mandanten um 100 DM erhöhte gesetzliche Gebühr nicht zwei jeweils drei Stunden dauernde Besuche des Verteidigers in der Justizvollzugsanstalt und zusätzlich noch die Tätigkeit in einer 4 Stunden 15 Minuten dauernden Hauptverhandlung beim Jugendschöffengericht abgegolten, so dass in einem solchen Fall die Gewährung einer Pauschvergütung nach § 99 BRAGO in Betracht kommen kann (OLG Hamm StraFo 2000, 35 [s.o.]; zu allem auch die neueren Beschlüsse des OLG Hamm v. 14. und 28. 11. 2000, die nicht mehr im einzelnen ausgewertet werden konnten, und zwar 2 (s) Sbd. 6 -- 213/2000 und 2 (s) Sbd. 6 -- 202/2000, beide auf http://www.burhoff.de).
Eine erforderliche hohe Anzahl der notwendigen Besuche bei einem inhaftierten Mandanten (im entschiedenen Fall: 17) hat nach Auffassung des OLG Nürnberg sowohl Bedeutung für die Bejahung der Schwierigkeit der Sache als auch für die Höhe der zu gewährenden Pauschvergütung (OLG Nürnberg StV 2000, 441). Das OLG hat daher einen 100% -- Aufschlag auf die Vorverfahrensgebühr und einen 50% -- Aufschlag auf die Hauptverhandlungsgebühr gewährt (OLG Nürnberg, aaO.).
Eine vorläufige Festnahme kann, auch wenn sie nicht zur Anordnung der Untersuchungshaft geführt hat, bei der Bewilligung einer Pauschvergütung zu berücksichtigen sein, wenn durch die Teilnahme des Verteidigers am Vorführungstermin erheblicher Zeitaufwand entstanden ist (OLG Köln StV 2000, 440 für fünfstündige Anwesenheit des Verteidigers auf der Vorführstelle an einem Feiertag; siehe im übrigen auch die Nachweise in StraFo 1999, 275 [Fn. 273 ff.]).
Die Tätigkeit des Pflichtverteidigers im Wiederaufnahmeverfahren ist bei der Gewährung einer Pauschvergütung zu berücksichtigen (OLG Hamm StraFo 2000, 286 [s.o.]).
In einem Wirtschaftsstrafverfahren kann, auch wenn die durchschnittliche Dauer der Hauptverhandlung nur 3 Stunden betragen hat, die Gewährung einer Pauschvergütung dann in Betracht kommen, wenn sich der Pflichtverteidiger innerhalb kurzer Zeit in umfangreiches Aktenmaterial hat einarbeiten müssen und er außerdem neben seiner Tätigkeit in der Hauptverhandlung noch zahlreiche Besprechungen mit dem Mandanten hat führen müssen (OLG Hamm, Beschl. v. 7. 6. 2000, 2 (s) Sbd. 6-52/2000 = http://www.burhoff.de).
Dem gerichtlich nach § 68b StPO beigeordneten Zeugenbeistand kann grundsätzlich eine Pauschvergütung bewilligt werden (OLG Hamburg StraFo 2000, 142; OLG Hamm AGS 2000, 177 [s.o.]; OLG Düsseldorf AGS 2001, 16; zur besonderen Schwierigkeit und zum besonderen Umfang des Verfahrens in diesen Fällen siehe OLG Hamm, Beschl. v. 28. 9. 2000, 2 (s) Sbd. 6-135/2000 = http://www.burhoff.de).
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