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aus RVGreport 2004, 380

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "RVGreport" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "PStR" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Die Neuerungen durch das RVG
für die anwaltliche Vergütung in Bußgeldsachen

von Detlef Burhoff, Richter am OLG,, Münster/Hamm

Die Vergütung der anwaltlichen Tätigkeit in Bußgeldsachen hat ebenso deutliche Änderungen erfahren wie die Vergütung des Rechtsanwalts in Strafsachen in Teil 4 VV RVG. Auch hier ist es das Anliegen der Neuregelung gewesen, zu leistungsorientierteren Vergütungsregelungen für die anwaltliche Tätigkeit zu gelangen (vgl. dazu auch Burhoff RVGreport 2004, 16; vgl. dazu BT-Dr. 15/1971, S. 230; zu den Neuerungen im OWi-Verfahren s. auch Burhoff StraFo 2004, 259; ders. DAR 2004, 361; N.Schneider, in: Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, Teil 15).

1. Allgemeines

Das Bußgeldverfahren ist in Teil 5 VV RVG jetzt eigenständig geregelt. Das Bußgeldverfahren ist nämlich nicht mehr wie früher über § 105 OWiG an das Strafverfahren angebunden Die in Teil 5 VV RVG vom RVG vorgenommenen Änderungen entsprechen im Wesentlichen aber denen für das Strafverfahren.

Hinweis

Die gegenüber den Gebühren in Strafsachen weitgehend ähnliche Gestaltung der Gebühren in Bußgeldsachen in Teil 5 VV RVG lässt den Verweis auf die Beiträge zu den Gebühren im Strafverfahren verwiesen werden kann (vgl. zur Grundgebühr Burhoff RVGreport 2004, 53, zur Verfahrensgebühr RVGreport 2004, 127; zur Terminsgebühr RVGreport 2004, 177; s. auch Burhoff StraFo 2004, 184; Burhoff, DAR 2004, 361).

2. Strafrechtliches Ermittlungsverfahren und OWi-Verfahren

Ausdrücklich geregelt ist in § 17 Nr. 10 RVG die zur BRAGO bestehende Streitfrage, ob das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und ein nach dessen Einstellung sich ggf. anschließende Bußgeldverfahren eine oder verschiedene Angelegenheiten sind, nun dahin, dass es sich um verschiedene Angelegenheiten handelt (vgl. wegen der Lit. und Rspr.-Nachw. zum alten Recht AnwKomm N.Schneider, BRAGO, § 105 Rn. 91 ff.).

Beispiel:

Der Beschuldigte B hat infolge falschen Überholens einen Verkehrsunfall verursacht. Nach dem Unfall hat er sich vom Unfallort entfernt. Das Verfahren wird zunächst auch wegen des Vorwurfs des unerlaubten Entfernens vom Unfallort nach § 142 StGB geführt. Die Ermittlungen ergeben jedoch, dass dem Beschuldigten ein Schuldvorwurf insoweit nicht gemacht werden kann. Die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren ein und gibt es wegen des Verstoßes gegen § 5 StVO an die Verwaltungsbehörde ab. Die Verwaltungsbehörde setzt gegen den Betroffenen im OWi-Verfahren eine Geldbuße von 100 € fest. Rechtsanwalt R legt Einspruch ein, das Verfahren wird dem AG vorgelegt. Dort findet eine Hauptverhandlung statt. B wird verurteilt. Er lässt das Urteil rechtskräftig werden. B ist von Anfang an von Rechtsanwalt R vertreten worden.



Hinweis

Rechtsanwalt R erhält wegen der neuen Regelung in § 17 Nr. 10 RVG sowohl für das OWi-Verfahren als auch für das Strafverfahren Gebühren. Da das Strafverfahren endgültig eingestellt ist, fällt dort die Gebühr nach Nr. 4141 Ziff. 1 VV RVG an (vgl. Burhoff, RVG, Nr 4141 VV Rn. 1 ff.). Im OWi-Verfahren entsteht, da bereits im Strafverfahren eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG entstanden ist, nach Nr. 5100 Anm. 2 VV RVG keine Grundgebühr mehr, da beide Verfahren "dieselbe Tat" i.S. des § 264 StPO zum Gegenstand haben. Die Gebühren des OWi-Verfahrens richten sich nach der Stufe 2.



Kostenberechnung

  Wahlanwalt Pflichtverteidiger
Tätigkeit im Strafverfahren    
Grundgebühr, Nr. 4100 VV 165 € 132 €
Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV 140 € 112 €
Befriedungsgebühr, Nr. 4141 Abs. 1 Ziff 1 VV RVG i.V.m. Nr. 4104 VV RVG 140 € 112 €
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20 € 20 €
Tätigkeit im Bußgeldverfahren nach Abgabe an die Verwaltungsbehörde    
Verfahrensgebühr, Nr. 5103 VV RVG (Verfahren vor der Verwaltungsbehörde) 135 € 108 €
Verfahrensgebühr, Nr. 5109 VV RVG (Gerichtliches Verfahren) 135 €

108 €

Terminsgebühr, Nr. 5110 VV RVG (Gerichtliches Verfahren) 215 € 172 €
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG 20 € 20 €
Summe 970 € 784 €
zzgl. Umsatzsteuer    

Vom RVG nicht geregelt wird der Fall, dass der Rechtsanwalt zunächst im OWi-Verfahren und dann im sich anschließendes Strafverfahren tätig ist. Dieser Fall ist aber mit der zur BRAGO insoweit wohl schon h.M. ebenso zu behandeln (Burhoff, a.a.O., Vorbem. 5.1 VV Rn. 27; Schneider/Mock, Das neue Gebührenrecht für Anwälte, 2004, § 26 Rn. 13).

3. Allgemeiner Überblick über die Neuerungen/Änderungen

  • Gliederung von Teil 5 VV RVG: Teil 5 VV RVG enthält zwei Abschnitte. Abschnitt 1 ist unterteilt in vier Unterabschnitte, die die allgemeinen Gebühren des Verteidigers, die im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde, die im gerichtlichen Verfahren vor dem Amtsgericht und im Verfahren über die Rechtsbeschwerde sowie schließlich sog. zusätzliche Gebühren des Verteidigers enthalten.: In Abschnitt 2 sind die Einzeltätigkeiten des Rechtsanwalts, der nicht Verteidiger oder Vertreter ist, geregelt.

  • Veränderungen der Gebührenstruktur: Das RVG kennt - wie im Strafverfahren - auch im OWi-Verfahren grds. nur noch die Verfahrens- und die Terminsgebühr. Daneben ist in Nr. 5100 VV RVG ebenfalls eine Grundgebühr eingeführt worden.

    Hinweis

    In Bußgeldsachen sind für (Vernehmungs)Termine außerhalb der Hauptverhandlung ebenfalls Terminsgebühren vorgesehen. Entstehen können diese für (gerichtliche) (Vernehmungs)Termine im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde nicht nur für gerichtliche Vernehmungstermine (vgl. die Nr. 5102, 5104, 5106 VV RVG i.V.m. Vorbem. 5 Abs. 3 VV RVG), sondern nach Vorbem. 5.1.2 Abs. 2 VV RVG auch für Vernehmungen vor der Polizei oder der Verwaltungsbehörde. Im gerichtlichen Verfahren entstehen die Gebühren für Teilnahme an gerichtlichen Terminen, und zwar nach Vorbem. 5.1.3 VV RVG auch für solche außerhalb der Hauptverhandlung (vgl. Burhoff, a.a.O., Vorbem. 5 VV Rn. 39; Vorbem. 4 VV Rn. 70 ff.; N.Schneider, in Hansens/Braun/Schneider, a.a.O., Teil 15, Rn. 142 ff. ).

  • Persönlicher Geltungsbereich des Teil 5 VV RVG: Die Gebühren des Teil 5 VV RVG entstehen nach Vorbem. 5 Abs. 1 VV RVG für Wahlanwalt, Pflichtverteidiger und sonstige Vertreter und Beistände von Verfahrensbeteiligten. Sie entstehen nach der ausdrücklichen Regelung auch für einen Zeugenbeistand. Die Regelung entspricht damit der für Strafsachen in Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG.

  • Rahmen/-Festbetragsgebühren: Der Wahlanwalt erhält - wie bisher - Rahmengebühren, der Pflichtverteidiger erhält Festbetragsgebühren. Das sind - wie im Strafverfahren - jetzt jeweils 80 % der Mittelgebühr des Wahlanwalts

    Hinweis

    Die Bußgeldsachen sind nicht mehr - wie in § 105 BRAGO - an die Strafverfahren angebunden. Es sind vielmehr völlig eigenständige Gebühren und auch Gebührenrahmen geregelt, die von der Höhe der Geldbuße abhängig sind (vgl. dazu    ) . Das bedeutet nicht nur, dass auch in Bußgeldverfahren jetzt auf jeden Fall grundsätzlich immer die Mittelgebühr angemessen ist (s. auch Burhoff, a.a.O., Vorbem. 5 VV Rn. 21; Leipold, Anwaltsvergütung in Strafsachen, Rn. 495; Schneider/Mock, a.a.O., § 26 Rn. 19; N.Schneider, in: Hansens/Braun/Schneider, a.a.O., Teil 15, Rn. 27 ff. m. Bsp. aus der Rechtsprechung) , sondern auch, dass die Höhe der Geldbuße kein Kriterium mehr für die Bemessung der konkreten Gebühr sein kann. Sonst würde, da ja schon der allgemein anwendbare Gebührenrahmen von der Höhe der Geldbuße abhängig ist, gegen ein "gebührenrechtliches Doppelverwertungsverbot" verstoßen (Burhoff, a.a.O., Vorbem. 5 VV Rn. 19). Dass jetzt immer die Mittelgebühr angemessen ist, gilt insbesondere auch für Verkehrsordnungswidrigkeiten (s. auch Burhoff, a.a.o., Vorbem. 5 VV Rn. 21; Leipold, a.a.O.).

  • Gebühren mit Zuschlag: Vorbem. 5 VV RVG enthält – anders als Vorbem. 4 Abs. 4 VV RVG für das Strafverfahren – keine Regelung für Gebühren mit Zuschlag, für den Fall, dass sich der Mandant nicht auf freiem Fuß befindet. Der Rechtsanwalt erhält also im OWi-Verfahren anders als nach der BRAGO über §§ 105, 83 Abs. 3 BRAGO keine erhöhten Gebühren mehr, wenn der Mandant inhaftiert ist (N.Schneider, in: Hansens/Braun/Schneider, a.a.O., Teil 15, Rn. 59). Eine entsprechende Anwendung der strafverfahrensrechtlichen Zuschlagsregelungen auf das Bußgeldverfahren scheidet wegen der eigenständigen Regelung in Teil 5 VV RVG aus. Der Umstand der Inhaftierung muss daher nun bei der Bemessung der konkreten Gebühr nach § 14 Abs. 1 RVG berücksichtigt werden (zur Bemessung der Rahmengebühr allgemein s. Burhoff, a.a.O., ABC-Teil: Rahmengebühren [§ 14]). Entfallen ist auch der in §§ 105, 88 Satz 3 BRAGO enthaltene 25-%tige-Zuschlag, wenn der Rechtsanwalt eine Tätigkeit ausgeübt hat, die sich auf das Fahrverbot erstreckt. Die entsprechenden Tätigkeiten können ebenfalls nur innerhalb des Gebührenrahmens bei der Bestimmung der konkreten Gebühr (§ 14 Abs. 1 RVG) berücksichtigt werden.

4. Dreiteilung der Gebühren in Bußgeldsachen

Sicherlich die wesentlichste Änderung durch das RVG ist die für Bußgeldsachen eingeführte Abhängigkeit der Höhe der anwaltlichen Vergütung von der Höhe der Geldbuße des Bußgeldverfahrens. Hintergrund dieser Neuregelung ist die Überlegung des Gesetzgebers, dass insbesondere die anwaltlichen Gebühren bei Bagatellgeldbußen als zu hoch angesehen worden sind (vgl. dazu BT-Dr. 15/1971, S. 230). Deshalb hat das RVG eine Dreiteilung der Gebühren vorgenommen.

a) Stufeneinteilung

Der Gesetzgeber folgende Stufen eingeführt worden:

  • Stufe 1: Geldbuße weniger als 40 €,
  • Stufe 2: Geldbuße von 40 € bis 5.000 €,
  • Stufe 3: Geldbuße von mehr als 5.000 €.

Diese Stufen finden Anwendung sowohl im "Verfahren vor der Verwaltungsbehörde" (Nrn. 5101 ff. VV RVG) als auch im "Verfahren vor dem Amtsgericht" (Nrn. 5107 ff. VV RVG). Sie gelten für alle dort ggf. anfallenden Verfahrens- und Terminsgebühren.

Hinweis

Die Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG und die Vergütung im "Verfahren über die Rechtsbeschwerde" (Nr. 5113 VV RVG) sind jedoch von der Höhe der Geldbuße unabhängig.

b) Anknüpfungspunkt: Zuletzt festgesetzte Geldbuße

In Vorbem. 5.1 Abs. 2 VV RVG ist regelt, welche Geldbuße für die Bemessung der Gebühren maßgebend ist. Der Grundsatz ist in Satz 1 enthalten. Danach ist die zum Zeitpunkt des Entstehens der anwaltlichen Gebühr zuletzt festgesetzte Geldbuße ausschlaggebend. Anknüpfungspunkt ist also nicht etwa die später oder sogar bei Abschluss des Verfahrens letztlich rechtskräftig festgesetzte Geldbuße. Spätere Änderungen hinsichtlich der Gebührenhöhe in einem Verfahrensabschnitt sind also für die Höhe der anwaltlichen Vergütung ohne Belang. Wird der Rechtsanwalt mit der Verteidigung beauftragt, nachdem ein Bußgeldbescheid erlassen wurde, ist die darin festgesetzte Geldbuße zugrunde zu legen.

Vorbem. 5 Abs. 1 Satz 2 und 3 VV RVG regelt den Fall, dass eine Geldbuße noch nicht festgesetzt ist. Das ist immer dann der Fall, wenn der Rechtsanwalt mit der Verteidigung des Betroffenen bereits im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde beauftragt worden ist. Dann richtet sich die Höhe der anwaltlichen Gebühren nach der in der konkreten Bußgeldvorschrift angedrohten Geldbuße. Ist die Geldbuße als Mindest- und Höchstbetrag angedroht, ist der mittlere Betrag maßgebend. Sind in einer Rechtsvorschrift Regelsätze bestimmt, sind diese maßgebend. Das gilt also z.B. in den Fällen der Geldbuße nach der straßenverkehrsrechtlichen BußgeldkatalogVO (wegen der Einzelheiten Burhoff, a.a.O., Vorbem. 5. 1 VV Rn. 20).

Beispiel (wegen weiterer Beispiele s. Burhoff/Burhoff, a.a.O., Vorbem. 5. 1. VV Rn. 21 ff.)

Dem Betroffenen wird ein Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen. Er soll die Geschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaft um 21 km/h überschritten haben. Es wird gegen ihn nach der lfd. Nr. 11.3.4 der Tabelle 1 zur BußgeldkatalogVO eine Geldbuße in Höhe von 50 € festgesetzt. Der Betroffene legt Einspruch ein. Die Akten werden dem AG vorgelegt. Dort wird Hauptverhandlung anberaumt. Der Betroffene beauftragt nun Rechtsanwalt R mit seiner Verteidigung. In der Hauptverhandlung stellt sich heraus, dass das Messgerät, mit dem die vom Betroffenen gefahrene Geschwindigkeit gemessen worden ist, zum Vorfallszeitpunkt nicht mehr gültig geeicht war. Der Amtsrichter nimmt daher einen höheren Sicherheitsabschlag vor. Es ergibt sich für den Betroffenen nun nur noch eine vorwerfbare Geschwindigkeit von 20 km/h. Demgemäss verhängt das Amtsgericht nach der lfd. Nr. 11.3.3 der Tabelle 1 zur BußgeldkatalogVO nur eine Geldbuße von 35 €. Der Betroffene lässt das amtsgerichtliche Urteil rechtskräftig werden.

Die Gebühren von Rechtsanwalt R, der erst nach Eingang der Akten, also nur im gerichtlichen Verfahren tätig geworden ist (vgl. Vorbem. 5.1.2 VV RVG), richten sich nach folgender Stufe:

  • Die Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG ist unabhängig von der Höhe der Geldbuße.
  • Maßgebend für die Höhe der Verfahrens- und Terminsgebühr im gerichtlichen Verfahren ist die Stufe 2 (von 40 € bis 5.000 €), obwohl letztlich nur eine Geldbuße von 35 € verhängt worden ist. Das hat jedoch auf die maßgebliche Stufe keinen Einfluss. Es kommt auf die "zum Zeitpunkt des Entstehens der Gebühr zuletzt festgesetzte Geldbuße" und nicht auf die rechtskräftig festgesetzte Geldbuße an. Zum Zeitpunkt des Entstehens der gerichtlichen Verfahrensgebühr bzw. der gerichtlichen Terminsgebühr, die mit Aufruf der Sache entsteht, betrug die "zuletzt festgesetzte Geldbuße" aber noch 50 €. Die 35 € sind erst im Urteil festgesetzt worden. Zu dem Zeitpunkt waren Verfahrens- und Terminsgebühr bereits entstanden waren.


Hinweis

Eine während des Abgeltungsbereichs der Gebühr eingetretene Erhöhung der Geldbuße, die zum Überschreiten der Grenze zur nächsten Stufe führt, wird von der Regelung in Vorbem. 5.1 Abs. 2 VV RVG nicht erfasst. Hier bleibt nur die Möglichkeit, diesen Umstand beim Wahlanwalt über § 14 Abs. 1 RVG im Rahmen der Bemessung der konkreten Gebühren zu berücksichtigen. Deshalb ist für die gerichtlichen Gebühren in diesen Fällen i.d.R. dann mehr als nur die Mittelgebühr angemessen. Angemessen dürfte es sein, die Mittelgebühr um mindestens 30 % zu überschreiten. Beim Pflichtverteidiger besteht diese Möglichkeit allerdings nicht.

5. Gebührentatbestände

a) Grundgebühr und Vernehmungsterminsgebühr

Entsprechend der Regelung für das Strafverfahren erhält der Verteidiger auch im Bußgeldverfahren zunächst eine Grundgebühr (Nr. 5100 VV RVG), unabhängig davon, in welchem Verfahrensabschnitt er tätig geworden ist. Insoweit gilt dasselbe wie für das Strafverfahren (Burhoff, a.a.O., Nr. 4100 VV Rn. 1 ff.; ; N.Schneider, in: Hansens/Braun/Schneider, a.a.O., Teil 15, Rn. 107 ff.; Burhoff, RVGreport 2004, 53). Ist in einem vorangegangen Strafverfahren für dieselbe Handlung oder Tat die Gebühr der Nr. 4100 VV RVG entstanden, entsteht die Grundgebühr nach Nr. 5100 Anm. 2 VV RVG allerdings nicht.

Anders als im Strafverfahren in Nr. 4102 VV RVG (vgl. dazu Burhoff, RVGreport 2004, 245 und die Kommentierung zur Nr. 4102 VV bei Burhoff, a.a.O.) ist im OWi-Verfahren keine besondere Vernehmungsterminsgebühr vorgesehen. Der Rechtsanwalt bekommt seine Teilnahme an Vernehmungsterminen aber dennoch vergütet. Im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde entstehen nämlich für die Teilnahme an gerichtlichen Vernehmungsterminen die Gebühren nach Nrn. 5102, 5104 und 5106 VV RVG. Nimmt der Rechtsanwalt an Vernehmungen vor der Polizei oder der Verwaltungsbehörde teil, entstehen die Gebühren nach den Nr. 5102, 5104, 5106 VV RVG i.V.m. Vorbem. 5.1.2 VV RVG.

Hinweis

Im OWi-Verfahren sieht das RVG allerdings kein besondere Beschränkung für die Terminsgebühren wie in Nr. 4102 Anm. Satz 1 und 2 VV RVG vor (vgl. Burhoff RVGreport 2004, 245). Die Gebühren entstehen für jeden Tag, an dem ein Termin stattfindet. Das bedeutet, dass für mehrere Vernehmungstermine an einem Tag eine Terminsgebühr entsteht. Darüber hinaus ist die Terminsgebühr aber nicht begrenzt. Für zwei Termine an unterschiedlichen Tagen entstehen als zwei Vernehmungsterminsgebühren. Es können auch nicht die Beschränkungen der Nr. 4102 VV RVG auf die Vernehmungsterminsgebühren des Teil 5 VV RVG übertragen werden. Das verbietet die Systematik und die eigenständige Regelung der Gebühren in Bußgeldsachen in Teil 5 VV RVG.

b) Termins- und Verfahrensgebühren

Im "Verfahren vor der Verwaltungsbehörde" (Nrn. 5101 ff. VV RVG) erhält der Verteidiger eine Verfahrens- und ggf. eine Terminsgebühr für die Teilnahme an gerichtlichen Vernehmungen und auch an Vernehmungen vor der Polizei oder der Verwaltungsbehörde (Vorbem. 5.1.2. Abs. VV RVG und Nr. 5102, 5104, 5106 VV RVG). Diese sind der Höhe nach dreigeteilt. Auch im OWi-Verfahren entsteht bei einem "geplatzten Termin eine Terminsgebühr (s. Vorbem. 5 Abs. 3 Satz 2 VV RVG).

Im "Verfahren vor dem Amtsgericht" können ebenfalls Verfahrens- und Terminsgebühr für jeden Hauptverhandlungstag entstehen (Nr. 5107 ff. VV RVG). Auch diese sind der nach Höhe dreigeteilt. Ein Längenzuschlag wie im Strafverfahren für besonders lange Hauptverhandlungen ist für die Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts nicht vorgesehen. Nach Vorbem. 5. 1. 3 Abs. 1 VV RVG erhält der Rechtsanwalt aber in Zukunft für die Teilnahme an gerichtlichen Terminen außerhalb der Hauptverhandlung aber eine Terminsgebühr. Die Teilnahme an einer kommissarische Vernehmung wird jetzt also extra vergütet und wird nicht mehr durch die Pauschgebührenregelung der §§ 105, 87 Satz 2 BRAGO mit der Hauptverhandlungsgebühr mitabgegolten. Auch diese unterliegt - anders als die Vernehmungsterminsgebühr nach Nr. 4102 VV RVG - keinen Beschränkungen.

Im "Verfahren über die Rechtsbeschwerde" entstehen ebenfalls Verfahrens- und Terminsgebühr für jeden Hauptverhandlungstag (Nr. 5113 ff. VV RVG).

c) Zusätzliche Gebühren

Auch im OWi-Verfahren kann der Rechtsanwalt zusätzliche Gebühren verdienen:

  • Das ist einmal die Verfahrensgebühr nach Nr. 5116 VV RVG bei Einziehung und verwandten Maßnahmen. Die Regelung ist wortgleich mit der Vorschrift Nr. 4142 VV RVG, die für das Strafverfahren gilt. Auf die entsprechenden Ausführungen für das Strafverfahren kann daher verwiesen werden (vgl. Burhoff, StraFo 2004, 185 ff. und die Kommentierung zu Nr. 4142 VV bei Burhoff, a.a.O.).
  • Als weitere zusätzliche Gebühr kann die Befriedungsgebühr nach Nr. 5115 VV RVG entstehen. Das RVG hat hier die für das Strafverfahren geltende Regelung der Nr. 4141 VV RVG und damit die Regelungen aus § 84 Abs. 2 BRAGO weitgehend übernommen. Damit kann auch insoweit auf die entsprechenden Ausführungen für das Strafverfahren verwiesen werden (vgl. Burhoff StraFo 2004, 185 ff. und die Kommentierung zu Nr. 4141 VV bei Burhoff, a.a.O.; N.Schneider, in Hansens/Braun/Schneider, a.a.O.; Teil 15, Rn. 218 ff.). Die Regelung in Nr. 5115 VV RVG ist aber über die Regelungen der Nr. 4141 VV RVG hinaus um zwei Fälle erweitert worden. Der Verteidiger erhält nach Nr. 5115 Anm. 1 Ziff. 3 VV RVG im Bußgeldverfahren eine zusätzliche Gebühr auch dann, wenn der Bußgeldbescheid nach Einspruch von der Verwaltungsbehörde zurückgenommen und gegen einen neuen Bußgeldbescheid vom Betroffenen/Verteidiger nicht erneut Einspruch eingelegt wird. Die zusätzliche Gebühr entsteht nach Nr. 5115 Anm. 1 Ziff. 5 VV RVG jetzt außerdem ausdrücklich auch dann, wenn das Gericht nach § 72 Abs. 1 S. 1 OWiG durch Beschluss entscheidet. Auch in diesem Fall wird ja eine Hauptverhandlung entbehrlich.
    Hinweis

    Auch für das Bußgeldverfahren ist i.Ü. von Bedeutung, dass diese Gebühr nach Nr. 5115 Anm. 1 Ziff. 4 VV RVG ebenfalls anfällt, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen wird. Es kommt nicht darauf an, ob im Rechtsbeschwerdeverfahren ein Hauptverhandlungstermin anberaumt war. Ist allerdings Hauptverhandlung anberaumt, gilt die 2-Wochen-Grenze wie bei der Rücknahme des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid.

6. Berechnungsbeispiele

Beispiel 1: Verteidigung im OWi-Verfahren mit Hauptverhandlung

Gegen den Betroffenen B ist ein OWi-Verfahren anhängig. Rechtsanwalt R vertritt ihn, nachdem von der Verwaltungsbehörde ein Bußgeldbescheid mit einer Geldbuße von 30 € festgesetzt worden ist. Er legt Einspruch ein. Beim AG findet ein Hauptverhandlungstermin statt. Alle Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG sind durchschnittlich.



Hinweis

Nach Vorbem. 5.1.2 VV-RVG gehört die Einlegung des Einspruchs noch zum Verfahren vor der Verwaltungsbehörde. Die Gebühren fallen nach der Gebührenstufe 1 an (s.o. 4).



Kostenberechnung der Gebühren

  Wahlanwalt Pflichtverteidiger
Grundgebühr, Nr. 5100 VV-RVG 85 € 68 €
I. Verfahren vor der Verwaltungsbehörde    
Verfahrensgebühr, Nr. 5101 VV-RVG 55 € 44 €
II. Verfahren vor dem AG    
Verfahrensgebühr, Nr. 5107 VV-RVG 55 € 44 €
Terminsgebühr, Nr. 5108 VV-RVG 110 € 88 €
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV-RVG 20 € 20 €
Summe 325 € 264 €
zzgl. Umsatzsteuer    


Beispiel 2: Abwandlung von Fall 1: Einstellung des OWi-Verfahrens

Im Beispiel 1 gelingt es Rechtsanwalt R, das Gericht zur Einstellung nach § 47 Abs. 2 OWiG zu bewegen, so dass eine Hauptverhandlung nicht mehr stattfinden muss.

Lösung

Rechtsanwalt R erhält die Gebühren wie im Beispiel 1. Allerdings fällt eine Terminsgebühr nicht an, da eine Hauptverhandlung beim AG nicht stattgefunden hat. Rechtsanwalt R erhält jedoch, da das OWi-Verfahren endgültig eingestellt worden ist, eine Befriedungsgebühr nach Nr. 5115 Anm. 1 Ziff. 1 VV-RVG. Deren Höhe richtet sich nach dem Rechtszug, in dem die Hauptverhandlung vermieden wurde, hier also nach dem amtsgerichtlichen Verfahren. Für den Wahlanwalt bemisst sie sich (immer) nach der Rahmenmitte (Nr. 5115 Anm. 3 Satz 2 VV-RVG).



Kostenberechnung:

  Wahlanwalt Pflichtverteidiger
Grundgebühr, Nr. 5100 VV-RVG 85 € 68 €
I. Verfahren vor der Verwaltungsbehörde    
Verfahrensgebühr, Nr. 5101 VV-RVG 55 € 44 €
II. Verfahren vor dem AG    
Verfahrensgebühr, Nr. 5107 VV-RVG 55 € 44 €
Befriedungsgebühr, Nr. 5115 Anm. 1 Ziff. 1 VV-RVG i.V.m. Nr. 5107 VV-RVG 55 € 44 €
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV-RVG 20 € 20 €
Summe 270 € 220 €
zzgl. Umsatzsteuer    

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