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aus Verkehrsrecht Aktuell 2003, 89

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "VA" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "VA" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Fahrverbot

Aktuelle Rechtsprechung zum Fahrverbot

von RiOLG Detlef Burhoff, Ascheberg/Hamm

Bei einem Verkehrsverstoß steht für den Mandanten häufig nicht die Höhe der zu verhängenden Geldbuße im Vordergrund. Größere Bedeutung hat für ihn in der Regel die Frage, ob er (auch) mit einem Fahrverbot rechnen muss. Mit dieser Frage muss sich der Verteidiger rechtzeitig beschäftigen. Dazu muss er die aktuelle Rechtsprechung kennen. Wir stellen Ihnen im Anschluss an unsere Schwerpunktbeiträge und den Beitrag in VA 02, 132, die neuere Rechtsprechung zum Fahrverbot vor und zeigen auf, wann der Mandant ggf. eine Chance hat, einem Fahrverbot zu entgehen.

1. Allgemeines

Umstände des Einzelfalls

Fahrverbot ja oder nein?

Fundstelle

Erstmalige Verhängung eines Fahrverbotes wegen beharrlicher Verletzung der Pflichten.

Ja, aber i.d.R. begrenzt auf einen Monat.

KG NZV 02, 473; ähnlich OLG Hamm DAR 02, 324.

Verkehrszentralregister weist mehrere Verstöße auf, darunter zwei einschlägige.

Nein, daraus allein kann nicht auf Beharrlichkeit geschlossen werden.

OLG Hamm VA 03, 13, Abruf-Nr. 021518 (zum beharrlichen Verstoß s. VA 02, 58 ff.).

2. Geschwindigkeitsüberschreitung

Umstände des Einzelfalls

Fahrverbot ja oder nein?

Fundstelle

Geschwindigkeitsmessung erfolgt 50 bis 60 m vor der das Ende der innerörtlichen Höchstgeschwindigkeit markierenden Ortstafel.

Nein, wenn das AG nicht darlegt, welche Umstände ein Unterschreiten des Mindestabstandes von 200 m rechtfertigen (zum Blitzen am Ortseingang s. VA 03, 14 ff.)

BayObLG NStZ-RR 02, 345.

Geschwindigkeitsüberschreitung wg. verbotenen Telefonierens.

Nicht allein deshalb eine Verlängerung des Fahrverbotes.

OLG Hamm VA 02, 170, AbrufNr. 021289.

3. Rotlichtverstoß

Gerade bei einem Rotlichtverstoß können die Tatumstände dazu führen, dass ein Fahrverbot schon tatbestandsmäßig ausgeschlossen ist (vgl. dazu VA 00, 46). Allerdings besteht in der Rspr. Streit, ob es (schon) ausreicht, wenn im konkreten Fall die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war oder ob auch eine bloß abstrakte Gefährdung ausgeschlossen sein muss (siehe die Rspr.-Nachweise in VA 00, 47).

Umstände des Einzelfalls

Fahrverbot ja oder nein?

Fundstelle

Einspurige Baustellenampel.

Nein.

OLG Dresden DAR 02, 522

Andere Verkehrsteilnehmer befinden sich verkehrswidrig im Kreuzungsbereich.

Ja.

BayObLG zfs 02, 202, 203; a.A. Deutscher NZV 03, 118.

Geradeaus-Grünlicht: Wechsel in der Kreuzung auf die durch Rotlicht gesperrte Abbiegespur.

Ggf. ja, bei unklarer Verkehrsführung "Augenblicksversagen".

OLG Dresden VA 02, 169, Abruf-Nr. 021367.

4. Augenblicksversagen

Ein Fahrverbot kommt nicht in Betracht, wenn die Ordnungswidrigkeit lediglich auf einem "Augenblicksversagen" (= leichter Fahrlässigkeit) beruht (vgl. dazu den grundlegenden Beschluss des BGH vom 11.9.97 in NZV 95, 525). Wegen der Einzelheiten wird auf den Schwerpunktbeitrag in VA 01, 169 ff., verwiesen.

Umstände des Einzelfalls

Augenblicksversagen
ja oder nein?

Fundstelle

Der Betroffene fährt in eine belebte innerstädtische Kreuzung mit mehreren Fahrspuren ein und übersieht bei dem Versuch, in die für seine Weiterfahrt vorgesehene Fahrspur zu gelangen, das Rotlicht.

Nein, da in solchen Fällen eine gesteigerte Aufmerksamkeit verlangt werden muss.

BayObLG NZV 02, 517.
Hinweis: Das OLG Hamm stellt geringere Anforderungen (vgl. u.a. VA 02, 170, Abruf-Nr. 021291).

Übersehen von Verkehrszeichen auf Grund Sonnenblendung.

Ja.

AG Potsdam NJW 02, 3342 a.A. Deutscher NZV 03, 118

Verfahren auf BAB und darauf zurückzuführende Geschwindigkeitsüberschreitung nach dreimaligem Übersehen der entsprechenden Begrenzungsschilder.

Nein.

OLG Hamm VA 02, 157
Abruf-Nr. 021138.

Fahren auf BAB / Übersehen der Geschwindigkeitsbegrenzungsschilder wegen eines Gesprächs über geschäftliche Angelegenheiten.

Nein.

NZV 02, 142, 143.

Übersehen von Verkehrsschildern innerorts durch einen Ortsfremden.

Nein, wenn dieser durch zu schnelles Fahren (Überschreiten der an sich innerorts zulässigen Geschwindigkeit um 9 km/h) selbst zur Unaufmerksamkeit beigetragen hat.

OLG Karlsruhe VA 03, 71, Abruf-Nr. 030443.

Auf Grund unklarer Verkehrsführung wechselt der Betroffene in einer Kreuzung in eine durch Rotlicht gesperrte Abbiegespur.

Ja.

OLG Dresden VA 02, 169, Abruf-Nr. 021367.

Praxishinweis: Wenn die gem. § 25 StVG erforderlichen Voraussetzungen für die Verhängung eines Fahrverbotes nicht vorliegen, kommt auch die Erhöhung der Geldbuße nicht in Betracht. Das gilt auch, wenn es sich um einen objektiv schwerwiegenden Verkehrsverstoß handelt (OLG Hamm VA 01, 114, Abruf-Nr. 010824).

5. Absehen vom Fahrverbot aus beruflichen Gründen?

Von einem Fahrverbot kann abgesehen werden, wenn es für den Betroffenen wegen der mit dem Fahrverbot verbundenen Folgen als besondere Härte unzumutbar ist. Das kann insbesondere der Fall sein, wenn der Arbeitsplatz oder die Existenz des Betroffenen gefährdet ist. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schwerpunktbeitrag in VA 01, 104 ff., verwiesen.

Umstände des Einzelfalls

Absehen ja oder nein?

Fundstelle

Die Betroffene ist im Betrieb allein für den Autohandel zuständig, der ohne eine Fahrerlaubnis zum Erliegen käme. Ehemann und sonstige Angestellte können nicht aushelfen.

Ja.

AG Bersenbrück NZV 03, 152 = zfs 03, 97.
Hinweis: Das AG ist zusätzlich vom Augenblickversagen ausgegangen, so dass es an sich auf die berufl. Umstände für die Fahrverbotsentscheidung nicht mehr ankam.

Fahrlehrer.

Ja, bei drohendem Schaden in außergewöhnlicher Höhe, ohne Voreintragungen, besonders hohe Fahrpraxis und Einsichtigkeit.

AG Seligenstadt NZV 02, 520.

RA, der regelmäßig Gerichtstermine im weiten Umkreis von seiner Kanzlei wahrnimmt

Ja.

AG Potsdam NJW 02, 3342; a.A. Deutscher NZV 03, 120.

Inhaber einer Versicherungsagentur, Ehefrau nicht berufstätig, 3 Kinder, täglich Termine an weit auseinander gelegenen Orten.

Ja.
Hinweis: Das AG hat ein dreimonatiges Regelfahrverbot auf einen Monat reduziert.

AG Linz DAR 02, 469.

Auswirkungen des Fahrverbots auf den Bundeswehrführerschein.

Ja, wenn Vorfall zudem auf gut ausgebauter Straße zu verkehrsarmer Zeit geschehen und der Betroffene unbelastet war.

OLG Oldenburg zfs 02, 359.

Betroffene macht die drohende Kündigung des Arbeitsverhältnisses geltend.

Ggf. ja.
Hinweis: Nähere Feststellungen im Urteil zur angedrohten Kündigung erforderlich. Ebenso: Hat der Betroffene noch Urlaub? Kann er ihn am Stück nehmen?

OLG Hamm zfs 02, 404.

Entfallen der Nebentätigkeit als Kraftfahrer.

Nein.

KG NZV 02, 281.

Betroffener hat Stelle als Berufskraftfahrer in Aussicht

Ggf. ja.

OLG Hamm VA 03, 13 AbrufNr. 021518.

Außendienstmitarbeiterin
vertreibt Finanzdienstleistungen, ist im ländlichen Bereich tätig und fährt jährlich 35.000 km.

Nein, die Betroffene kann/muss ggf. Urlaub nehmen.

OLG Karlsruhe VA 03, 71, Abruf-Nr. 030443.

Alleiniger Geschäftsführer einer Baufirma.

Nein.

OLG Hamm 22.8.02, 3 Ss OWi 620/02, Abruf-Nr. 021286.

Praxishinweis: Die Amtsgerichte sind in der Regel mit dem Absehen vom Fahrverbot wegen beruflicher Nachteile großzügiger als die OLG. Das BayObLG lässt dafür selbst "berufliche Nachteile auch schwerwiegender Art" nicht ausreichen (vgl. DAR 02, 324). Es sieht bei einem monatlichen Nettoeinkommen von ca. 2.700 EUR die Einstellung eines Fahrers und ggf. sogar die Aufnahme eines Kredits, um diesen bezahlen zu können, als zumutbar an.

6. Absehen vom Fahrverbot bei einem Verstoß gegen § 24a StVG

Bei einem Verstoß gegen § 24a StVG kommt das Absehen vom Fahrverbot grundsätzlich nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände in Betracht. Die besonderen Umstände müssen im amtsgerichtlichen Urteil erörtert werden. In der Regel wird ein Fahrverbot zu verhängen sein (OLG Saarbrücken VA 02, 169, Abruf-Nr. 021369).

Umstände des Einzelfalls

Absehen ja oder nein?

Fundstelle

Zeitraum von 25 Monaten seit dem Verkehrsverstoß.

Nein, genügt allein nicht.

OLG Saarbrücken VA 02, 169, Abruf-Nr. 021368.

 

7. Absehen vom Fahrverbot wegen langen Zeitablaufs zwischen Tat und Urteil?

Umstände des Einzelfalls

Absehen ja oder nein?

Fundstelle

Zeitraum von 2 Jahren.

In der Regel ja, wenn der Betroffene die zeitliche Verzögerung nicht zu vertreten hat und seit dem Verstoß nicht mehr straßenverkehrsrechtlich in Erscheinung getreten ist (zu allem siehe VA 00, 77).
Hinweis: Bei § 24a StVG genügen 25 Monate allein nicht (OLG Saarbrücken VA 02, 169, Abruf-Nr. 021369).

OLG Hamm VA 02, 158, Abruf-Nr. 021140;
OLG Naumburg DAR 03, 133 = zfs 03, 97;
OLG Schleswig DAR 02, 326.

Zeitraum weniger als 2 Jahre.

Nein, nur im Ausnahmefall.

BayObLG zfs 02, 202, 203.

Zeitraum von nur 13 Monaten.

Nein.

Vom KG in NZV 02, 281, allerdings offen gelassen.

Praxishinweis: Das OLG Naumburg (DAR 03, 133) hat im Übrigen die Frage offen gelassen, ob bei einem längeren als einem einmonatigen Fahrverbot die überlange Verfahrensdauer zum Wegfall des gesamten Fahrverbots oder vielmehr nur zu einer Abkürzung der Dauer des Fahrverbots um einen oder zwei Monate führt. Das OLG neigt aber offenbar, wie der Hinweis auf BGH StV 01, 89 ff., zeigt, zu einer bloßen Abkürzung.

8. Absehen vom Fahrverbot aus sonstigen Gründen

Umstände des Einzelfalls

Absehen ja oder nein?

Fundstelle

Vorfall auf gut ausgebauter Straße zu verkehrsarmer Zeit, unbelasteter Betroffener, Auswirkungen des Fahrverbots auf den Bundeswehrführerschein.

Ja.

OLG Oldenburg zfs 02, 359, a.A. OLG Hamm VA 03, 12, Abruf-Nr. 021642 = NZV 03, 103.

9. Anforderungen an das tatrichterliche Urteil/Prozessuales

Bei der Verhängung eines Fahrverbots bestehen besondere Anforderungen an die
Urteilsgründe insofern, als der Tatrichter zu erkennen geben muss, dass er sich der Möglichkeit bewusst gewesen ist, von einem Fahrverbot gegen Erhöhung der Geldbuße absehen zu können (vgl. zu den Anforderungen an die Urteilsgründe bei einem Fahrverbot VA 01, 131). Auf folgende neue Rechtsprechung dazu und zu prozessualen Fragen ist
hinzuweisen:

Umstände des Einzelfalls

 

Fundstelle

Dem Urteil ist nicht zu entnehmen, dass sich das AG der Möglichkeit bewusst war, trotz Annahme eines Regelfalls vom Fahrverbot unter Erhöhung der Geldbuße absehen zu können.

Die Urteilsgründe sind lückenhaft.

OLG Hamm 4.3.03, 2 Ss OWi 4/03, 4.2.03, 4 Ss OWi 74/03, Abruf-Nrn. 030963 + 030680.
Hinweis: Beim Fahrverbot wegen Verstoßes gegen § 24a StVG ist das allerdings entbehrlich (OLG Hamm NZV 02, 98).

Der Betroffene macht ein "Augenblicksversagen" geltend.

Das AG darf die Einlassung nicht ungeprüft übernehmen, sondern muss Feststellungen zu den Umständen des Übersehens des Verkehrszeichens treffen.

OLG Zweibrücken VA 03, xx = DAR 03, 134; ähnlich OLG Hamm VA 03, 57, Abruf-Nr. 030074.

Bei einem Ersttäter soll vom Regelfahrverbot nach oben abgewichen werden.

Die Entscheidung bedarf einer eingehenden Begründung im Urteil.

OLG Hamm VA 02, 170, Abruf-Nr. 021289.

Der Betroffene macht unzumutbare berufliche oder wirtschaftliche Folgen geltend.

Der Tatrichter darf diese nicht ungeprüft übernehmen.

u.a. OLG Rostock NZV 02, 381, 382; OLG Hamm 6.2.03, 4 Ss OWi 75/03; 4.3.03, 4 Ss OWi 164/03, rkr., Abruf-Nrn. 030678 + 031034.

Der Tatrichter will trotz gewichtiger Umstände nicht vom Fahrverbot absehen.

Die berufliche/wirtschaftliche Situation des Betroffenen muss im Urteil festgestellt/dargelegt werden.

OLG Hamm VA 03, 13, Abruf-Nr. 021518.

Literaturhinweis: Die Entwicklung des "Regelfahrverbotes" bei Geschwindigkeitsüberschreitungen und Rotlichtverstößen im Jahr 2002 hat Deutscher in NZV 03, 117, eingehend dargestellt.


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