aus ZAP Heft 24/2003, F 22 R, S. 307 ff.
(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "ZAP" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "ZAP" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)
IV. Revision/Begründung der Verfahrensrüge
Die Internetseite www.jurawelt.com hat am 1. 9. 2003 ihr dreijähriges Jubiläum gefeiert. Das Portal, dessen hoher Bekanntheitsgrad zu mittlerweile bis zu 500.000 Seitenabrufen monatlich führt, hat sich seit der Gründung zu einer der beliebtesten Informationsquellen ihrer Art im Internet entwickelt. Kontinuierlich wurden die drei "Welten" der Seite Studentenwelt, Referendarswelt, Anwaltswelt erweitert. Neu hinzugekommen sind nun beispielsweise eine Fachanwaltsrubrik mit umfangreichen Informationen. Es finden sich hier Tipps und das Wichtigste übersichtlich zusammengefasst. Die Rubrik ist nicht nur für bereits praktizierende Anwälte von Interesse, sondern auch für angehende Anwälte bzw. Rechtsreferendare! Ein Besuch dieses Portals lohnt sich immer.
Inzwischen liegt seit dem 5. 11. 2003 der Regierungsentwurf eines Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vor. Danach sollen zum 1. 7. 2004 die Regelungen für die Gerichtskosten ebenso wie die Entschädigung für Zeugen, Sachverständige und ehrenamtliche Richter grundlegend neu gestaltet werden. Zudem ist geplant, nun auch endlich die bisherige BRAGO durch das bereits schon seit langem angekündigte und im Sommer 2002 gescheiterte RVG zu ersetzen. Der Regelungsvorschlag soll auf einem breiten, überparteilichen Konsens beruhen und wurde unter Beteiligung der Anwaltschaft erarbeitet. Das lässt hoffen, dass das RVG nun endlich auch zum 1. 7. 2004 in Kraft treten wird.
Zum Entwurf ist hinsichtlich der Gebühren für den Strafverteidiger auf folgendes hinzuweisen. Die strafverfahrensrechtlichen Gebühren sind im Vergleich zum Entwurf aus 2002 im wesentlichen unverändert geblieben in den Bereichen der allgemeinen Gebühren (Nr. 4100 ff. VV), vorbereitendes Verfahren (Nr. 4105 f. VV), gerichtliche Verfahren (Nr. 4107 ff. VV) und Wiederaufnahmeverfahren (Nr. 4137 ff. VV). Gesenkt worden sind die Verfahrensgebühren bei den zusätzlichen Gebühren über vermögensrechtliche Ansprüche des Verletzten oder seines Erben. Sie betragen nun nur noch 2,0 im erstinstanzlichen Verfahren und 2,5 in Berufungs- und im Revisionsverfahren. Angehoben worden sind die Betragsrahmen für die Einigungsgebühr im Privatklageverfahren.
In der Praxis wird immer wieder beklagt, dass die (Amts-)Gerichte die Durchsuchungsbeschlüsse nicht oder nicht ausreichend begründen. Die damit zusammenhängenden Fragen sind in der Vergangenheit häufig auch schon Gegenstand von Entscheidungen des BVerfG gewesen (vgl. wegen der Einzelheiten und der Rspr.-Nachw. BURHOFF, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 3. Aufl., 2003, Rn. 536 ff. [im folgenden kurz: BURHOFF, EV]). Das gilt vor allem auch hinsichtlich der Bezeichnung der gesuchten Gegenstände. Insoweit reichen nur allgemeine Angaben nicht, sie müssen vielmehr soweit konkretisiert werden, dass weder beim Betroffenen noch bei den die Durchsuchung vollziehenden Beamten Zweifel über die zu suchenden und ggf. zu beschlagnahmenden Gegenstände entstehen können (vgl. zuletzt u. a. BVerfG NStZ-RR 2002, 177; BGH NStZ 2002, 215). Das gilt vor allem auch bei einer gem. § 103 StPO gegen einen Nichtverdächtigen gerichteten Durchsuchung (BVerfG, Beschl. v. 28. 4. 2003 2 BvR 358/03).
Dazu hat vor kurzem das BVerfG (a. a. O.) noch einmal Stellung genommen. Im Streitfall war die Durchsuchung zugleich gegen den Verdächtigen und einen Nichtverdächtigen angeordnet worden. Das BVerfG hat darauf hingewiesen, dass ein Eingriff in die Rechte eines Nichtverdächtigen gem. § 103 StPO nur unter engeren Voraussetzungen zulässig ist als eine Durchsuchung beim Verdächtigen nach § 102 StPO. Sei eine Person einer Straftat verdächtig, so sei es bereits nach der Lebenserfahrung in gewissem Grade wahrscheinlich, dass bei dieser Person Beweisgegenstände zu finden sind, die zur Prüfung der Verdachtsannahme beitragen können. Durch die Verknüpfung des personenbezogenen Tatverdachts mit einem eher abstrakten Auffindverdacht werde ein ausreichender Eingriffsanlass geschaffen. Fehle dagegen ein gegen den von der Durchsuchung Betroffenen selbst gerichteter Verdacht der Beteiligung an der Tat, dann müsse der Eingriffsanlass hinsichtlich des Durchsuchungsziels näher konkretisiert sein, um die staatliche Inanspruchnahme des Betroffenen zu rechtfertigen. Insoweit müssten konkrete Gründe dafür sprechen, dass ein Beweisgegenstand bei dem Unverdächtigen gefunden werden kann. Seien aber im Einzelfall ausreichende Gründe dafür gegeben, dass Beweisgegenstände einer bestimmten Kategorie auch bei einem Nichtverdächtigen zu finden seien, so sei es rechtlich nicht fehlerhaft, wenn aus demselben Grunde sowohl bei einem Nichtverdächtigen als auch bei dem Beschuldigten durchsucht werde. So lag es in dem vom BVerfG entschiedenen Fall. Dort bezog sich die Annahme des Verdachts des Verrats von Geschäftsgeheimnissen darauf, dass der Beschuldigte, ein Bilanzbuchhalter, mandatsbezogene Daten und Unterlagen seines früheren Arbeitsgebers zu seinem neuen Arbeitgeber transferiert hatte. Auf dieser Grundlage war dann, so das BVerfG, die Suche nach entsprechenden Beweisgegenständen bei dem neuen Arbeitgeber sachlich gerechtfertigt. Auch im Fall des § 103 StPO reiche dabei eine eingegrenzte, aber zumindest doch gattungsmäßige Bestimmung der gesuchten Gegenstände aus.
Tipp/Hinweis: Bedenken hat das BVerfG (a. a. O.) gegen die Durchsuchungsentscheidung des AG insofern geäußert, als dies, wie in der Praxis (leider) nicht selten, den Inhalt des Antrags der StA im wesentlichen wörtlich übernommen und keine eigenen Ausführungen zur Frage der Angemessenheit des Eingriffs gemacht hatte (vgl. dazu auch Beschl. v. 5. 12. 2002 2 BvR 1028/02 = http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20021205_2bvr102802.html). Da jedoch das LG in seiner Beschwerdeentscheidung die Verdachtslage eingehend geprüft und danach die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs bejaht hatte, waren im Ergebnis die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die richterliche Kontrolle des Eingriffs gegenüber der Beschwerdeführerin erfüllt. Das BVerfG hat daher die gegen die Durchsuchungsentscheidungen gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. |
2. Ablehnung der Bestellung eines bestimmten Pflichtverteidigers (§§ 140 ff. StPO)
Bei der Bestellung eines Pflichtverteidigers soll auf ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und dem Verteidiger hingewirkt werden; zudem sind dem Beschuldigten in einem fairen, rechtsstaatlich geordneten Verfahren aktive Mitwirkungsbefugnisse zuzubilligen. Deshalb ist nach § 142 Abs. 1 S. 2 und 3 StPO ein Wunsch des Beschuldigten auf Verteidigung durch einen bestimmten Rechtsanwalt durch Nachfrage zu fördern und diesem weitgehend Rechnung zu tragen ist (vgl. BGHSt 43, 153, 154 f.; BGHR StPO § 142 Abs. 1 Auswahl 7, 8; MEYER-GOßNER, StPO, 46. Aufl., § 142 Rn. 9 m. w. N. [im folgenden kurz: MEYER-GOßNER]; BURHOFF, EV, Rn. 1192 ff.). Die Praxis tut sich in diesem Bereich vor allem dann schwer, wenn der Wunsch eines Beschuldigten, von einem bestimmten Rechtsanwalt verteidigt zu werden, einen Konflikt bei diesem Rechtsanwalt in bezug auf die Interessen eines anderen auch früheren Mandanten herbeiführen könnte.
Tipp/Hinweis: Rspr. und Lit. sind sich darüber einig, dass das Fortbestehen des anderen Mandats für die Frage rechtlich relevanter Interessenkonflikte wegen fortwirkender Berufspflichten unmaßgeblich ist (vgl. nur BGHSt 34, 190, 191; CRAMER, in: SCHÖNKE/SCHRÖDER, StGB, 26. Aufl., § 356 Rn. 10, 17; EYLMANN, in: HENSSLER/PRÜTTING, BRAO, 1996, § 43a Rn. 41, 126 ff.; FEUERICH/BRAUN, BRAO, 5. Aufl., § 43a Rn. 20, 55 ff.). |
Zu den mit dieser Problematik zusammenhängenden Fragen hat der BGH jetzt in seinem Beschl. v. 15. 1. 2003 (5 StR 251/02, BGHSt 48, 170 = StV 2003, 210 = NJW 2003, 1331 = StraFo 2003, 168) Stellung genommen und folgende Grundsätze aufgestellt:
Ein absehbarer Interessenkonflikt in der Person eines als Pflichtverteidiger in Betracht gezogenen Rechtsanwalts kann, sofern deshalb eine mindere Effektivität seines Verteidigungseinsatzes zu befürchten ist, seiner Bestellung entgegenstehen (vgl. BVerfG NStZ 1998, 46; BGH NStZ 1992, 292; OLG Frankfurt NJW 1999, 1414, 1415). Hierin kann auch ein wichtiger Grund i. S. d. § 142 Abs. 1 S. 3 StPO liegen, von der Bestellung des vom Beschuldigten bezeichneten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger abzusehen.
Der Gefahr einer Interessenkollision durch die Verteidigung mehrerer derselben Tat Beschuldigter wie auch durch die Verteidigung mehrerer Beschuldigter im selben Verfahren begegnet die Regelung des § 146 StPO. Nachdem von dem noch bei Einführung der Regelung Ende 1974 aufgestellten strikten Verbot der Mehrfachverteidigung durch das zusätzliche Erfordernis der Gleichzeitigkeit die sukzessive Mehrfachverteidigung inzwischen ausgenommen worden ist, folgt: Die Bestellung eines vom Beschuldigten bezeichneten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger darf allein mit Rücksicht auf die abstrakte Gefahr einer Interessenkollision nicht abgelehnt werden, die sich für einen Verteidiger schon daraus ergeben kann, dass er die Verteidigung eines Beschuldigten übernimmt, obgleich er zuvor schon einen anderen derselben Tat Beschuldigten verteidigt hat. Dies hindert freilich auch in einem Fall sukzessiver Mehrfachverteidigung nicht etwa schlechthin die Ablehnung der Beiordnung des gewünschten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger aus dem wichtigen Grund der konkreten Gefahr eines Interessenkonflikts (vgl. LAUFHÜTTE, in: Karlsruher Kommentar, 5. Aufl., § 142 Rn. 7 und § 146 Rn. 1 [im folgenden kurz: KK-Bearbeiter]).
Tipp/Hinweis: Zu beachten ist, dass der Rechtsanwalt grundsätzlich allein für die Wahrung seiner Berufspflichten verantwortlich ist (vgl. BGH NStZ 1992, 292; OLG Düsseldorf NStZ 1991, 352; OLG Frankfurt NJW 1999, 1414, 1415), hier speziell bezogen auf das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen (§ 43a Abs. 4 BRAO). |
Nach Auffassung des BGH ist deshalb, wenn der Bestellung eines vom Beschuldigten gewünschten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger kein anderer wichtiger Grund als die konkrete Gefahr einer Interessenkollision entgegensteht, regelmäßig wie folgt zu verfahren: Der für die Verteidigerbestellung zuständige Gerichtsvorsitzende sollte vor einer Ablehnung der gewünschten Pflichtverteidigerbestellung den Rechtsanwalt gegebenenfalls daneben auch den Beschuldigten selbst zu dem Sachverhalt anhören, der die Gefahr der Interessenkollision begründen kann. Liegt ein derartiger Sachverhalt nach Lage des Einzelfalles auf der Hand, wird der Vorsitzende eine derartige Anhörung durchführen müssen und jedenfalls gehindert sein, den gewünschten Pflichtverteidiger ohne weiteres sofort zu bestellen.
Entsprechendes hat nach Auffassung des BGH in den Fällen zu gelten, in denen wegen nachträglich erkannter konkreter Gefahr eines Interessenkonflikts die Rücknahme der Pflichtverteidigerbestellung aus wichtigem Grund (vgl. KK-LAUFHÜTTE, § 143 Rn. 4 f.) zu erwägen oder aufgrund einer entsprechenden Gefahr der Interessenkollision in der Person eines Wahlverteidigers die zusätzliche Bestellung eines Pflichtverteidigers (vgl. KK-LAUFHÜTTE, § 141 Rn. 7) in Betracht zu ziehen ist (BGHSt 48, 170; zur Entpflichtung des Pflichtverteidigers s. auch BURHOFF, EV, Rn. 1249 ff.).
Der BGH (a. a. O.) billigt dem zuständigen Gerichtsvorsitzenden bei der Annahme des wichtigen Grundes der konkreten Gefahr einer Interessenkollision, welcher die Ablehnung der Bestellung des vom Beschuldigten bezeichneten Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger gem. § 142 Abs. 1 S. 3 StPO rechtfertigt, einen Beurteilungsspielraum zu. Der BGH weist ausdrücklich darauf hin, dass dieser nicht der umfassenden Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt, solange die Entscheidung vertretbar ist.
Nach Auffassung des BGH (a. a. O.) kommt die Verneinung der Gefahr eines Interessenkonflikts und die deshalb dem Wunsch des Beschuldigten entsprechende Pflichtverteidigerbestellung als vertretbar um so eher in Betracht, wenn Gegengründe, die sich im Einzelfall aufdrängen, mit dem benannten Verteidiger, ggf. auch mit dem Beschuldigten, erörtert werden. Das setzt natürlich voraus, dass der Rechtsanwalt, der die Pflichtverteidigerbestellung erstrebt, zu diesen Gründen auch (umfassend) Stellung nimmt.
Tipp/Hinweis: Besteht ein Interessenkonflikt, liegt in der Mitwirkung des dennoch zum Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwalts ein Verfahrensfehler, der mit der Verfahrensrüge geltend zu machen ist. Wird im Revisionsverfahren ein neuer Verteidiger beigeordnet und stellt dieser fest, dass die entsprechende Verfahrensrüge von seinem Vorgänger nicht erhoben worden ist, liegt ein Ausnahmefall vor, in welchem dem Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung einer Verfahrensrüge zu gewähren ist (vgl. BGH, a. a. O.; MEYER-GOßNER, § 44 Rn. 7a m. w. N.). Den entsprechenden Antrag muss der neu oder zusätzlich bestellte Verteidiger innerhalb einer Woche (s. § 45 Abs. 1 StPO) nach Zustellung des Urteils und seiner Bestellung unter formgerechter Nachholung der versäumten Verfahrensrüge stellen. |
Für die Verteidigung von Bedeutung sind die mit einer Vernehmung des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren zusammenhängenden Fragen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der (vernommene) Mandant später in der Hauptverhandlung sich nicht mehr zur Sache einlassen will und sich dann die Frage stellt, ob die "Vernehmung" aus dem Ermittlungsverfahren, z.B. durch Vernehmung der Vernehmungsbeamten, verwertet werden kann (vgl. dazu BURHOFF, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 4. Aufl., 2003, Rn. 1057 ff. [im folgenden kurz: BURHOFF, HV]).
In diesem Zusammenhang ist von besonderer Bedeutung die Abgrenzung der Vernehmung i. e. S. von der sog. informatorischen Befragung (zum Vernehmungsbegriff s. BURHOFF, EV, Rn. 1836). Denn nur, wenn es sich bereits um eine "Vernehmung" i. S. d. § 136 StPO gehandelt hat, musste der Beschuldigte zuvor belehrt werden und führt das Unterlassen der Belehrung zu einem Beweisverwertungsverbot (vgl. z. B. BGHSt 38, 214).
Mit dieser in der Praxis nicht seltenen Abgrenzung hatte sich das BayObLG zu beschäftigen (BayObLG, Beschl. v. 21. 5. 2003 2 ObOWi 219/03, NZV 2003, 435 = zfs 2003, 518 = PA 2003, 165). Nach dem Sachverhalt war der Betroffene, dem ein Verstoß gegen § 24a StVG zur Last gelegt wurde, bei einer Fahrt mit seinem Pkw anlässlich einer verdachtsunabhängigen Alkoholkontrolle angehalten worden. Während der Kontrolle stellte der Polizeibeamte im Fahrzeug des Betroffenen Alkoholgeruch fest. Er befragte diesen, wann und wo er alkoholhaltige Getränke konsumiert habe. Darauf gab der Betroffene an, zwei Bier getrunken zu haben. Es wurde daraufhin eine Atemalkoholmessung durchgeführt, die zu einer AAK von 0,35 mg/l führte. Das Amtsgericht hat bei der Verurteilung des Betroffenen, der sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache eingelassen hat, die gegenüber dem Polizeibeamten gemachten Angaben zugrunde gelegt.
Das hat das BayObLG (a. a. O.) nicht beanstandet. Nach seiner Auffassung lag nämlich keine zur Belehrung verpflichtende Beschuldigtenvernehmung, sondern lediglich eine informatorische Befragung vor. Eine "Vernehmung" setze voraus, dass der Fragestellende der Auskunftsperson in amtlicher Eigenschaft entgegentrete und in dieser Eigenschaft Auskunft verlange. Eine bloße informatorische Befragung sei hingegen dann gegeben, wenn das Strafverfolgungsorgan zwar als solches aktiv geworden ist, jedoch noch kein konkreter individualisierter Anfangsverdacht i. S. v. § 152 Abs. 2 StPO vorliege und der Befragte noch nicht die Stellung des "Beschuldigten" erlangt habe. Der Begriff des "Beschuldigten" bestimme sich u. a. nach der Stärke des Tatverdachts, der individualisiert und über die Schwelle bloßer Vermutungen hinaus konkretisiert sein müsse. Bei der Beurteilung, ob diese Schwelle bereits überschritten ist, stehe dem Polizeibeamten ein Beurteilungsspielraum zu, innerhalb dessen zu beachten sei, dass einerseits dem Grundsatz der Aussagefreiheit eines Beschuldigten möglichst weitgehend Geltung verschafft werden solle, andererseits aber ebenfalls zugunsten der Auskunftsperson auch gewährleistet werden müsse, dass möglichst frühzeitig Klarheit darüber erlangt wird, ob etwa im Raum stehende Zwangsmaßnahmen, wie körperliche Untersuchungen, in Betracht kommen. Bei einer verdachtsunabhängigen Verkehrskontrolle sei im Hinblick darauf, dass bei Feststellung konkreter Anhaltspunkte für eine den zulässigen Grenzwert überschreitenden Alkoholisierung des angehaltenen Fahrers die Anordnung einer körperlichen Untersuchung dieses Fahrers die Folge sei, dem angehaltenen Fahrer die "Beschuldigteneigenschaft" daher erst dann zuzuordnen, wenn die Anzeichen für eine den Grenzwert überschreitende Alkoholisierung so deutlich sind, dass diese dem Polizeibeamten für sich allein schon die Anordnung einer körperlichen Untersuchung als unverzichtbar erscheinen lassen. Die bloße Wahrnehmung von Alkoholgeruch im Auto reiche für die Bejahung konkreter Anhaltspunkte in diesem Sinne nicht aus.
Tipp/Hinweis: Das BayObLG fasst den Begriff des "Anfangsverdachts" unter den gegebenen Umständen zu eng (so auch BODE zfs 2003, 519). Es übersieht, dass die Überprüfung des Betroffenen gerade im Rahmen einer "verdachtsunabhängigen" Alkoholkontrolle stattfand. Wird dann "Alkoholgeruch im Fahrzeug festgestellt" und der Betroffene nach Alkoholkonsum vor Fahrtantritt befragt, hat der Tatverdacht die Schwelle der bloßen Vermutung bereits überschritten. Die Frage, ob eine körperliche Untersuchung anzuordnen ist, ist für diese Frage ohne Belang. Der Betroffene ist bereits zum Beschuldigten geworden. Das gilt vor allem dann, wenn sonst keine Umstände erkennbar sind, die den Alkoholgeruch verursacht haben könnten. Der Verteidiger muss im Hinblick auf die "Widerspruchslösung" des BGH (BGHSt 38, 214) der Verwertung der ohne Belehrung gemachten Angaben seines Mandanten in der Hauptverhandlung widersprechen (vgl. dazu eingehend BURHOFF VA 2003, 58; ders., HV, Rn. 1166a ff. sowie StraFo 2003, 267 und auch ZAP F. 22, S. 377, 385 ff.). |
Das ZSchG v. 30. 4. 1998 eröffnet in bestimmten Fällen in der Hauptverhandlung nach § 255a Abs. 2 StPO die Möglichkeit, anstelle einer Videovernehmung in der Hauptverhandlung eine Bild-Ton-Aufzeichnung von einer früheren Vernehmung vorzuführen. Diese tritt dann an die Stelle der Vernehmung in der Hauptverhandlung (wegen der Einzelheiten der Vorführung einer Bild-Ton-Aufzeichnung in der Hauptverhandlung vgl. BURHOFF, HV, Rn. 1158a ff.). Voraussetzung für die Vorführung ist, dass der Angeklagte und sein Verteidiger Gelegenheit hatten, an der Vernehmung mitzuwirken. Bisher war in der Rspr. noch nicht entschieden, ob eine ordnungsgemäße Mitwirkung des Verteidigers auch voraussetzt, dass dieser zuvor Akteneinsicht gehabt hat (dafür BEULKE, Sonderdruck ZStW 2001, 709; 736; BURHOFF, HV, Rn. 1158i).
Diese Frage hat nun der BGH entschieden (vgl. Beschl. v. 15. 4. 2003 1 StR 64/03, NJW 2003, 2761). Nach seiner Auffassung erfordert die vernehmungsersetzende Vorführung der Bild-Ton-Aufzeichnung einer früheren richterlichen Vernehmung in der Hauptverhandlung nach § 255a Abs. 2 S. 1 StPO nicht, dass der Verteidiger vor seiner Mitwirkung an jener früheren Vernehmung teilweise oder vollständige Akteneinsicht nehmen konnte. Die Zulässigkeit der Vorführung sei nach dem Gesetz nicht von einer vorherigen ganz oder teilweise gewährten Akteneinsicht abhängig. Diese sei anderweit näher geregelt und unterliege besonderen Voraussetzungen und ggf. auch nach § 147 StPO Einschränkungen. Für die "Gelegenheit zur Mitwirkung" sei es regelmäßig ausreichend, wenn der Verteidiger falls möglich Gelegenheit hatte, sich vor der Vernehmung mit dem Beschuldigten zu besprechen. Das Fragerecht aus Art. 6 Abs. 3 Buchst. d MRK werde auch selbst durch das etwaige Unterbleiben einer vorherigen Akteneinsicht nicht verletzt; es sei durch die Gelegenheit zur Teilnahme an der aufgezeichneten Vernehmung und zur Befragung der Beweisperson gewahrt.
Stellung genommen hat der BGH (a. a. O.) in dem Zusammenhang auch zu der Frage der Erforderlichkeit einer ergänzenden Vernehmung des Zeugen nach § 255 Abs. 2 S. 2 StPO (vgl. dazu BURHOFF, HV, Rn. 1158i). Maßgebend dafür sei die richterliche Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO). Die Beurteilung sei stets eine Frage des Einzelfalles. Die Aufklärungspflicht werde jedoch mittelbar in verfahrenspraktischer Hinsicht von dem Gesichtspunkt mitbestimmt, ob und inwieweit die Teilnahme- und Mitwirkungsmöglichkeiten der Verteidigung bei der ersetzenden Vernehmung eingeschränkt waren. Entscheidend sei insoweit allein, ob aus Sicht des erkennenden Richters in der Hauptverhandlung auf diesen Zeitpunkt komme es an bei der aufgezeichneten und vorgespielten Vernehmung Vorhalte und Fragen zu wesentlichen, aufklärungsbedürftigen Punkten unterblieben seien und sich deshalb auch im Blick auf die Beweislage im übrigen die ergänzende Vernehmung aufdränge. Werde der Zeuge zum Beweis einer neuen Behauptung benannt, zu der er bei der aufgezeichneten und vorgeführten Vernehmung noch nicht gehört werden konnte, so könne eine ergänzende Vernehmung unabweisbar geboten sein. Insofern gelte nichts anderes als für den in der Hauptverhandlung bereits vernommenen und entlassenen Zeugen, denn in solchen Fällen werde nicht nur die Wiederholung einer Beweiserhebung erstrebt. Bei dieser Fallgestaltung sei ein dahingehender Antrag deshalb nach den Grundsätzen des Beweisantragsrechts zu behandeln (vgl. dazu BURHOFF, HV, Rn. 302 ff. m. w. N.).
Tipp/Hinweis: Der BGH (a. a. O.) hat zur Frage der vorherigen Akteneinsicht darauf hingewiesen, dass es sich aus verfahrenspraktischen Erwägungen zumeist als sinnvoll erweisen wird, dem Verteidiger vor seiner Mitwirkung an der aufzuzeichnenden Vernehmung möglichst weitgehend Akteneinsicht zu gewähren. Denn er kann dazu beitragen, schon zu einem frühen Zeitpunkt auch den aus seiner Sicht klärungsbedürftigen Fragen nachzugehen, die sich in ihrer Bedeutung sonst möglicherweise erst in der Hauptverhandlung erhellen. Unterbleiben bei der aufgezeichneten Vernehmung Vorhalte und Fragen, die sich später für den Tatrichter als aufklärungspflichtig erweisen, wird die ergänzende Vernehmung oft zwingend sein und ihre Wahrscheinlichkeit im Hinblick auf die sich aus § 244 Abs. 2 StPO ergebende Aufklärungspflicht steigen. Darauf und auf die nicht gewährte Akteneinsicht muss der Verteidiger, der einen Antrag auf ergänzende Vernehmung nach § 255 Abs. 2 S. 1 StPO stellt, hinweisen. Und: Die Kopie der Videoaufzeichnung einer Zeugenvernehmung (§ 58a) ist Bestandteil der Akten und kein Beweismittel. Das Recht des Verteidigers, Akteneinsicht durch Übersendung in seine Kanzlei zu erhalten, erstreckt sich daher auch auf die Kopie der Videoaufzeichnung (so OLG Stuttgart, Beschl. v. 12. 11. 2002 4 Ws 267/02, StV 2003, 17; s. dazu MEYER-GOßNER, § 58a Rn. 11; BURHOFF, EV, Rn. 1972). |
Die Frage, ob ein Verteidiger, der nach Auffassung des Gerichts die Hauptverhandlung stört, gem. § 177 GVG aus dem Sitzungssaal entfernt oder gegen ihn sogar nach § 178 GVG ein Ordnungsmittel erlassen werden kann, ist (bislang) in Rspr. und Lit. umstritten. Die Lit. ist soweit ersichtlich (vgl. die Nachweise u. a. bei MEYER-GOßNER, § 177 GVG Rn. 2 f.; BURHOFF, HV, Rn. 809 m. w. N.) der Auffassung, dass Zwangsmaßnahmen gegen den Verteidiger in der Hauptverhandlung stets unzulässig sind. Dem hat sich in der Vergangenheit bereits das OLG Düsseldorf angeschlossen (vgl. wistra 1994, 79). Demgegenüber wurde in der Rspr. an anderer Stelle in der Vergangenheit darauf abgestellt, ob ein extremes Fehlverhalten des Verteidigers vorliegt, das zu einer nachhaltigen Störung der Hauptverhandlung bis hin zur Gefahr der Unmöglichkeit der weiteren ordnungsgemäßen Durchführung der Verhandlung führt. Für diesen Fall war die obergerichtliche Rechtsprechung der Auffassung, dass in solchen (Extrem-)Fällen der Vorsitzende befugt ist, den Verteidiger aus dem Sitzungssaal zu weisen, ggf. sogar mit Gewalt (BGH NJW 1977, 437; OLG Hamm JMBl. NW 1980, 215, MALMENDIER NJW 1997, 227, 232 ff.).
Das OLG Hamm hat sich nun vor kurzem in einem vielbeachteten Beschluss unter ausdrücklicher Aufgabe seiner früheren Rspr. der Auffassung der Rspr. angeschlossen (vgl. Beschl. v. 6. 6. 2003 2 Ws 122/03, StraFo 2003, 244 = wistra 2003, 358 = PA 2003, 118; s. dazu auch ZAP-Aktuell Nr. 17/2003, S. 895). Im entschiedenen Fall hatte der betroffene Rechtsanwalt als Verteidiger an der Hauptverhandlung teilgenommen. Nachdem das Gericht den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe verurteilt hatte, wurde dem Angeklagten die Rechtsmittelbelehrung erteilt. Während dieser versuchte der Verteidiger, noch einen Antrag zu stellen (wegen der Einzelheiten s. NOBIS StraFo 2003, 257). Der Vorsitzende des Gerichts forderte ihn auf zu schweigen. Als der Verteidiger dieser Aufforderung nicht nachkam, wurde die Sitzung unterbrochen und der Verteidiger, als er der nochmaligen Aufforderung des Vorsitzenden zu schweigen und den Sitzungssaal zu verlassen, nicht folgte, durch die Wachtmeister aus dem Sitzungssaal geführt. Dem Angeklagten wurde sodann die Rechtsmittelbelehrung erteilt. Danach wurde der Verteidiger vorgeführt und gegen ihn durch Beschluss ein Tag Ordnungshaft verhängt.
Das OLG hat ausgeführt, dass gegen die Anwendung der §§ 177, 178 GVG nicht nur die Stellung des Verteidigers als unabhängiges und neben Gericht und Staatsanwaltschaft gleichgeordnetes Organ der Rechtspflege spreche, sondern vor allem auch der eindeutige Wortlaut der §§ 177, 178 GVG, die den Verteidiger als eine der Personen, gegen die eine Maßnahme nach diesen Vorschriften erlassen werden könnte, nicht nennt. Eine analoge Anwendung der Vorschriften der §§ 177, 178 GVG auf den Verteidiger scheide aus. Im Bereich des tangierten Art. 104 GG sei weder eine Analogie noch eine Rechtsfortbildung zulässig (vgl. dazu u. a. BVerfGE 29, 183). Es sei vielmehr allein Aufgabe des Gesetzgebers, durch ein förmliches Gesetz Vorsorge dafür zu treffen, dass die Durchführung der Hauptverhandlung nicht an einem ungehörigen Verhalten des Verteidigers scheitert.
Tipp/Hinweis: Werden vom Vorsitzenden gegen den Verteidiger dennoch Maßnahmen nach den §§ 177, 178 GVG angeordnet, muss sich der Verteidiger dagegen mit der sofortigen Beschwerde zur Wehr setzen (§ 181 Abs. 1 GVG). Diese muss er bei dem Gericht einlegen, das die Maßnahme erlassen hat (OLG Hamburg NJW 1999, 2607; OLG Hamm, a. a. O.). Entschieden wird über das Rechtsmittel allerdings nach § 181 Abs. 3 GVG vom OLG. Es empfiehlt sich in entsprechenden Fällen, zur Beschleunigung des Verfahrens dem OLG eine Abschrift der Beschwerde zu schicken. |
Häufig wird in der Praxis unmittelbar nach der Urteilsverkündung ein Rechtsmittelverzicht erklärt. Diese Praxis birgt für den Angeklagten eine nicht unerhebliche Gefahr. Denn der Rechtsmittelverzicht ist nach st. Rspr. als Prozesserklärung grds. unwiderruflich und unanfechtbar (vgl. die Rspr.-Nachw. bei BURHOFF, HV, Rn. 751 ff.). Das gilt auch für eine auf Irrtum oder falschen Erwartungen beruhende Rechtsmittelverzichtserklärung (vgl. MEYER-GOßNER, § 302 Rn. 21, 9 m. w. N.). Ein Rechtsmittelverzicht kann allerdings dann ausnahmsweise wegen unzulässiger Willensbeeinflussung unwirksam sein, wenn schwerwiegende Willensmängel oder unzulässige Absprachen vorliegen oder sich die Unwirksamkeit aus der Art und Weise seines Zustandekommens ergibt (vgl. zu allem BURHOFF, HV, a. a. O.).
So ist z. B. die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts durch Umstände seines Zustandekommens in Frage gestellt, wenn auf den Angeklagten durch Beeinflussungsmittel in unzulässiger Weise eingewirkt wurde, selbst wenn diese Mittel nicht i. S. d. § 136a StPO verboten sind (vgl. BGH wistra 1994, 197; BGHSt 19, 101, 104; 45, 51 ff.). Eine solche unzulässige Einwirkung auf den Angeklagten kann sich ergeben aus der Verknüpfung der Entscheidung des Gerichts über die Aufrechterhaltung eines Haftbefehls und den Vollzug der Untersuchungshaft mit der Erklärung des Angeklagten und seines Verteidigers über die Frage der Einlegung eines Rechtsmittels gegen ein soeben verkündetes Urteil (OLG Hamm, Beschl. v. 3. 7. 2003 3 Ws 257/03, http://www.burhoff.de).
Tipp/Hinweis: Der Verteidiger sollte es sich zur Gewohnheit machen, seinem Mandanten von einem Rechtsmittelverzicht unmittelbar nach Urteilsverkündung abzuraten. Wenn schon die Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren in Nr. 142 Abs. 2 RiStBV dem Gerichts-vorsitzenden empfehlen, von der Frage nach einem Rechtsmittelverzicht abzusehen, sollte diese Frage erst recht nicht der Verteidiger stellen bzw. nicht darauf drängen, dass der Mandant eine entsprechende Frage des Vorsitzenden beantwortet. Ein Verstoß gegen den in Nr. 142 Abs. 2 RiStBV aufgestellten Grundsatz bewirkt allerdings allein nicht die Unwirksamkeit des Verzichts (vgl. MEYER-GOßNER, § 302 Rn. 24; BGH NStZ 1996, 297). Gibt es später Streit um die Wirksamkeit einer Erklärung, muss der Verteidiger sich zudem mit der Frage beschäftigen, ob der Verzicht überhaupt wirksam zustande gekommen bzw. erklärt worden ist. So ist z. B. bloßes Kopfnicken ggf. nicht ausreichend (OLG Hamm, Beschl. v. 22. 5. 2003 3 Ws 188/03, wistra 2003, 440; http://www.burhoff.de). Auch kann der Verzicht ggf. nicht formwirksam erklärt sein. Die erforderliche Form des Verzichts richtet sich nämlich nach der Form für die Rechtsmitteleinlegung (vgl. BGHSt 18, 257; 260). Gem. §§ 314 Abs. 1, 341 Abs. 1 StPO kann eine Berufung/Revision aber nur schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden. Wird der Verzicht daher in der Hauptverhandlung nach der Urteilsverkündung erklärt, muss dieser Vorgang nach Maßgabe des § 273 Abs. 3 StPO beurkundet werden: Der Richter muss also die vollständige Niederschreibung des Verzichts und die Verlesung anordnen. Ist das nicht geschehen, ist der Rechtsmittelverzicht formunwirksam. |
Zur Literatur: Hinzuweisen ist zunächst auf die Zusammenstellung der Rechtsprechung des BGH zur Zulässigkeit der Verfahrensrüge bei SANDER (NStZ-RR 2003, 34).
Tipp/Hinweis: Ich habe auch bereits wiederholt darauf hingewiesen (vgl. u. a. ZAP F. 22 R, S. 262), dass der Verteidiger an der Revisionsbegründungsschrift gestaltend mitgewirkt haben muss und dass er für das Revisionsgericht erkennbar die volle Verantwortung für den Inhalt der Begründung übernimmt. Das ist z. B. nicht der Fall, wenn die Revisionsbegründung mit dem einleitenden Satz "bin ich gehalten, entsprechend dem Wunsch des Angeklagten die Revision wie folgt zu begründen" begonnen wird, da darin eine deutliche Distanzierung von der nachfolgenden Begründung zu sehen ist (BGH, Beschl. v. 28. 10. 2002 3 StR 363/02, NStZ-RR 2003, 293 bei BECKER). |
Darüber hinaus ist aus der Rspr. der letzten Zeit zur ausreichenden Begründung der Verfahrensrüge auf folgende Entscheidungen hinzuweisen (vgl. zu früherer Rspr. BURHOFF ZAP F. 22 R, S. 211 f., 263 f. m. w. N.):
Tipp/Hinweis: Hat der Verteidiger versäumt, überhaupt die Verfahrensrüge zu erheben oder hat er einzelne Verfahrensrügen versäumt, kommt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung der Verfahrensrügen grds. nicht in Betracht, wenn die Revision in anderer Weise form- und fristgerecht begründet wurde (st.Rspr. des BGH, vgl. zuletzt Beschl. v. 9. 7. 2002 2 StR 146/03). Etwas anderes kann dann gelten, wenn Verfahrensrügen bei Ablauf der Revisionsbegründungsfrist vorgelegen haben, sie aber z. B. mangels wirksamer Unterschrift nicht formgültig erhoben waren. Dann werden der Sache nach keine Verfahrensrügen nachgeschoben, sondern lediglich ein Formfehler beseitigt. Das lässt es gerechtfertigt erscheinen, dem Interesse des Angeklagten, seine Beschwerden erschöpfend vorzubringen, gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der Rechtsmittelfristen größeres Gewicht beizumessen (BGH, a. a. O.; ähnlich BGHSt 31, 161, 163; zur Nachholung von Verfahrensrügen eingehend BERNDT StraFo 2003, 112). |
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