aus ZAP Heft 4/2002 - Fach 22 R. S. 213 ff. -
(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "ZAP" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "ZAP" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)
Verfahrenstipps und Hinweise für Strafverteidiger zu neuerer Rechtsprechung in Strafsachen (I/2002)
Von RiOLG Detlef Burhoff, Ascheberg
Inhaltsverzeichnis
II. Ermittlungsverfahren
a) Verkündung eines geänderten Haftbefehls
Das in § 115 StPO enthaltene Gebot, den Beschuldigten nach Ergreifung auf Grund eines Haftbefehls von dem zuständigen Richter vor der Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Haftbefehls vernehmen zu lassen, gehört zu den bedeutsamen Verfahrensgarantien, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht. Seinem Wortlaut nach ist § 115 StPO zwar nur auf den gerade erst ergriffenen und nicht auf den schon in Untersuchungshaft befindlichen Beschuldigten anwendbar. In Rechtsprechung und Literatur (OLG Hamm StV 1995, 200; StV 1998, 273; StV 1998, 555; LÖWE/ROSENBERG-HILGER, StPO, 25. Aufl., 1997, § 115 Rn. 3 [im folgenden kurz: LR-Bearbeiter]; BOUJONG in: Karlsruher Kommentar, StPO, 4. Aufl., 1999, § 115 Rn. 15 [im folgenden kurz: KK-Bearbeiter]; KLEINKNECHT/MEYER-GOßNER, StPO, 45. Aufl., 2001, § 115 Rn. 11 [im folgenden kurz: KLEINKNECHT/MEYER-GOßNER], Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 2. Aufl., Rn. 454 [im folgenden kurz: BURHOFF, EV]; ders., StraFo 2000, 109, 110, jeweils m. w. N.) besteht aber Einigkeit, dass auf den erweiterten Haftbefehl § 115 StPO entsprechende Anwendung findet. Bei dem erweiterten Haftbefehl handelt es sich in der Sache nämlich jedenfalls im Umfang der Erweiterung um einen neuen Haftbefehl, zu dem sich der Beschuldigte gegenüber dem für die Vernehmung nach § 115 StPO zuständigen Richter äußern können muss. Die persönliche Vernehmung gem. § 115 Abs. 2 und 3 StPO, die es dem Richter ermöglicht, sich einen unmittelbaren Eindruck vom Beschuldigten zu verschaffen, ist der Äußerungsmöglichkeit nach der Zustellung der Anklage gem. § 201 StPO schon deshalb nicht gleichzustellen, weil es für die Aufhebung des Haftbefehls bereits genügen würde, wenn der Beschuldigte zwar nicht einen hinreichenden, wohl aber einen dringenden Tatverdacht oder das Vorliegen der übrigen Haftvoraussetzungen entkräften könnte. Dieser Auffassung hat sich nun auch das BVerfG angeschlossen (BVerfG, Beschl. v. 20. 9. 2001 2 BvR 1144/01, StV 2001, 691 = http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/frames/rk20010920_2bvr114401 mit teilweise zustimmender Anm. HAGMANN StV 2001, 693).
Tipp/Hinweis: Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Verkündung des Haftbefehls gem. § 115 StPO, so darf dieser Haftbefehl in einem Haftfortdauerbeschluss gem. §§ 121, 122 StPO nicht berücksichtigt werden (BVerfG, a. a. O.; OLG Hamm StV 1998, 273; StV 1998, 555). Das kann Auswirkungen auf die Frage der Haftfortdauer haben, und zwar einmal beim "dringenden Tatverdacht" und außerdem bei der Frage der Verhältnismäßigkeit der weiteren Untersuchungshaft. Zugrunde gelegt werden darf bei beiden Voraussetzungen nur der ursprüngliche, i. d. R. geringere Vorwurf. Das kann insbesondere bei der Verhältnismäßigkeit erhebliche, ggf. zur Unverhältnismäßigkeit der weiteren U-Haft führende Auswirkungen haben. Es ist zwar nicht Aufgabe des Verteidigers, auf die fehlende ordnungsgemäße Verkündung des Haftbefehls im Haftprüfungsverfahren hinzuweisen (BVerfG, a. a. O.) . Der Verteidiger sollte das aber dennoch schon deshalb tun, damit das OLG diese Frage nicht "übersieht". |
Inhaltsverzeichnis
b) Wichtige Gründe für die Haftfortdauer
Nach § 121 StPO darf die U-Haft grundsätzlich nur dann länger als sechs Monate dauern, wenn die "besondere Schwierigkeit" oder der "besondere Umfang" der Ermittlungen oder ein "sonstiger wichtiger Grund" ein Urteil noch nicht zugelassen haben und die Fortdauer der U-Haft rechtfertigen (wegen der Einzelh. vgl. KLEINKNECHT/MEYER-GOßNER, § 121 Rn. 17; BURHOFF, EV, Rn. 447; BURHOFF StraFo 2000, 109 ff., jeweils m. w. N.). Dazu ist aus der Rspr. der letzten Zeit auf folgende Entscheidungen hinzuweisen:
Tipp/Hinweis: An das Vorliegen eines die Haftfortdauer rechtfertigenden "wichtigen Grundes" werden um so strengere Anforderungen gestellt, je länger die Untersuchungshaft dauert (OLG Düsseldorf StV 1990, 503; NJW 1996, 2587; SCHLOTHAUER/WEIDER, Untersuchungshaft, 3. Aufl., Rn. 896). Das hat Bedeutung insbesondere in den Fällen, in denen die bereits begonnene Hauptverhandlung ausgesetzt wird (vgl. z. B. OLG Karlsruhe StV 2000, 91, 92). Gerade in diesen Fällen muss der Verteidiger die zur Aussetzung führenden Umstände sorgfältig prüfen, ob sie die Aussetzung der Hauptverhandlung rechtfertigen. Das wird i. d. R. nur dann der Fall sein, wenn die Aussetzung aus sachlichen Gründen zwingend geboten war (OLG Karlsruhe, a. a. O.; BURHOFF StraFo 2000, 109, 118). |
Inhaltsverzeichnis
2. Pflichtverteidigung
a) Beiordnung des Anwalts des Vertrauens
In der Praxis gibt es immer wieder Schwierigkeiten mit der Beiordnung des Anwalts des Vertrauens. Nachdem dazu im vergangenen Jahr der BGH (noch einmal) eindeutig Stellung genommen hat (vgl. BGH NJW 2001, 237 = StV 2001, 3 m. w. N.; s. dazu ZAP F. 22 R, S. 171), müsste die Diskussion zu der Frage, ob dem Beschuldigten der Anwalts des Vertrauens beigeordnet werden muss, nun durch eine neuere Entscheidung des BVerfG endgültig erledigt sein (BVerfG, Beschl. v. 25. 9. 2001 2 BVR 1152/01 = NJW 2001, 3695 = StV 2001, 601 = ZAP EN-Nr. 30/2002 = http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/frames/ rk20010925_2bvr115201). Das BVerfG hat nämlich noch einmal ausdrücklich klargestellt, dass dem Beschuldigten der Anwalt seines Vertrauens beizuordnen ist, wenn dem nicht gewichtige Gründe entgegenstehen. Das gebiete das Recht auf ein faires Verfahren. Durch die Beiordnung eines Verteidigers solle der Beschuldigte nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich gleichen Rechtsschutz erhalten wie ein Beschuldigter, der sich auf eigene Kosten einen Verteidiger gewählt hat. Der verfassungsrechtliche Rang der Verteidigung durch den Anwalt des Vertrauens des Beschuldigten sei der entscheidende Maßstab für die Auswahl eines Pflichtverteidigers, dem sich das Auswahlrecht des Gerichtsvorsitzenden, das seine Berechtigung aus einer Vorschrift einfachen Gesetzesrechts herleitet (§§ 141 Abs. 4, 142 Abs. 1 S. 1 StPO), unterzuordnen habe. Mangelndes Vertrauen des Beschuldigten zu dem in Aussicht genommenen Pflichtverteidiger gebe grds. für den Vorsitzenden Veranlassung, von der Bestellung abzusehen. Dabei macht es nach Auffassung des BVerfG keinen Unterschied, ob es sich um die Bestellung des Erst- oder Zweitverteidigers handelt (so auch BayObLG StV 1988, 97, 98; OLG Düsseldorf NStZ 1994, 599, 600; StV 2000, 412 , 413; OLG Stuttgart StV 1990, 55; OLG Hamm StV 1989, 242; OLG Frankfurt StV 1989, 384). Denn die Aufgabe des zweiten Pflichtverteidigers könne von Ausnahmefällen etwa zu befürchtenden Missbrauchs der Stellung des Erstverteidigers durch diesen oder den Beschuldigten abgesehen (vgl. BGHSt 15, 306, 309; BGH NJW 1973, 1985) nicht allein auf die Verfahrenssicherung beschränkt werden. Sie muss in gleicher Weise die sachgerechte Verteidigung des Beschuldigten gewährleisten. Ausgehend von diesen Grundsätzen kommt der Vorschrift des § 142 Abs. 1 S. 2 StPO, die dem Wortlaut nach nur eine Sollvorschrift ist, besondere Bedeutung zu. Nach Auffassung des BVerfG erstarkt sie wegen des Fairneßgrundsatzes und des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu einer Anhörungspflicht, von der nur in seltenen Ausnahmefällen abgewichen werden kann (vgl. BVerfG, a. a. O.; s. auch BGH NJW 2001, 237 f. [s. o.]).
Dies hat folgende Auswirkungen:
Tipp/Hinweis: Die Auswahlentscheidung des Vorsitzenden nach § 142 Abs. 1 S. 1 StPO ist nach überwiegender Meinung trotz des isoliert zulässigen Beschwerderechtszuges mit der Revision angreifbar (KLEINKNECHT/MEYER-GOßNER, § 141 Rn. 11; § 142 Rn. 20, jeweils m. w. N.; zu Rechtsmitteln in Zusammenhang mit der Pflichtverteidigerbestellung s. BURHOFF, EV, Rn. 631 ff. m. w. N.). Das bedeutet, dass die Entscheidung grds. nicht unmittelbar mit der Verfassungsbeschwerde angefochten werden kann. Etwas anderes gilt, wenn dem Beschuldigten durch die Verweisung auf den fachgerichtlichen Rechtschutz schwere und unabwendbare Nachteile entstehen würden (BVerfG, a. a. O., m. w. N.). Dies hat das BVerfG z. B. dann bejaht, wenn der Beschuldigte sich bereits seit zweieinhalb Jahren in U-Haft befindet, ohne dass das Verfahren aus von ihm nicht zu vertretenden Umständen abgeschlossen worden sei, so dass ihm die Verweisung auf das Revisionsverfahren nicht gemutet werden könne. |
aa) Prüfung der Erfolgsaussichten des Einspruchs gegen einen Strafbefehl
In Rspr. und Lit. ist die Frage, ob der Rechtsanwalt/Pflichtverteidiger, der sowohl im vorbereitenden Verfahren als auch anschließend außerhalb der Hauptverhandlung im gerichtlichen Verfahren tätig wird, für diese Tätigkeit (nur) eine oder zwei Gebühren aus § 84 Abs. 1 BRAGO erhält, wenn sich seine Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren darauf beschränkt, einen Strafbefehl und die Frage zu prüfen, ob dagegen ggf. Einspruch eingelegt werden soll, umstritten (für zwei Gebühren vgl. GEROLD/SCHMIDT/VAN EICKEN/MADERT, BRAGO, 14. Aufl., § 84 BRAGO Rn. 16 m. w. N. auch zur a. A. in der amtsgerichtlichen Rechtsprechung [im folgenden kurz: GEROLD u. a.]; bejahend auch ENDERS JurBüro 2000, 281 gegen AG Frankfurt JurBüro 2000, 304 und HARTMANN, Kostengesetze, 30. Aufl., § 84 BRAGO Rn. 13). Das OLG Hamm hat sich nun vor kurzem der insoweit wohl überwiegenden Literaturmeinung angeschlossen (OLG Hamm, Beschl. v. 9. 11. 2001 2 (s) Sbd. 6-163/01 = / rspr/texte/ad_00055.htm; s. auch AG Meinerzhagen, Urt. v. 9. 8. 2000 4 C 196/00, wistra 2001, 480). Sinn und Zweck der Neufassung des § 84 BRAGO durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 sei eine Verselbständigung des vorbereitenden Verfahrens mit dem Ziel, dem Verteidiger eine zusätzliche Gebühr zu gewähren, wenn er nicht nur im gerichtlichen Verfahren sondern auch bereits im vorbereitenden Verfahren tätig geworden ist (vgl. BT-Drucks. 7/3243 Nr. 44; GEROLD u. a., a. a. O.; ENDERS JurBüro 2000, 282). Dem würde es widersprechen, wenn bei dieser Fallgestaltung der Verteidiger nur eine Gebühr aus § 84 Abs. 1 BRAGO erhalten würde. Das gelte auch, wenn sich die Tätigkeit des Verteidigers (nur) auf die Prüfung der Frage beschränkt, ob gegen den Strafbefehl Einspruch eingelegt werden soll (so auch ENDERS, a. a. O.; GEROLD u. a., a. a. O.). Das vorbereitende Verfahren sei nach § 84 Abs. 1 Hs. 1 BRAGO mit dem Eingang des Antrags auf Erlass des Strafbefehls beendet. Durch die insoweit angefallene Gebühr seien/können nachträglich erbrachte Tätigkeiten nicht mit abgegolten werden. Es könne auch nicht etwa erst nach Einlegung des Einspruchs von gerichtlicher Tätigkeit des Verteidigers gesprochen werden (s. auch AG Meinerzhagen; a. A. aber AG Frankfurt JurBüro 2000, 304, 305).
Inhaltsverzeichnis
Tipp/Hinweis: In dem bereits erwähnten Beschluss v. 9. 11. 2001 (a. a. O.) hat das OLG zugleich auch noch einmal zur Frage der Bewilligung einer die Wahlverteidigerhöchstgebühr übersteigenden Pauschvergütung nach § 99 BRAGO Stellung genommen (vgl. dazu aus st.Rspr. des OLG Hamm insbesondere ZAP EN-Nr. 461/2000 = StV 2000, 443 (Ls.) = StraFo 2000, 285 = NStZ 2000, 555 = wistra 2000, 398 = AGS 2001, 13 m. w. N.). Das OLG hat ausgeführt, dass in den Fällen, in denen die gesetzliche Gebühr völlig unzulänglich und unbillig niedrig sei, diesem Mangel zur Vermeidung eines ansonsten verfassungswidrigen Sonderopfers des Pflichtverteidigers (vgl. dazu zuletzt BVerfG StV 2001, 241) nur dadurch begegnet werden kann, dass dann ggf. auch die Wahlverteidigerhöchstgebühr deutlich überschritten werden müsse (vgl. dazu zuletzt OLG Hamm in ZAP EN-Nr. 417/2001 = AGS 2001, 201 m. w. N.). Das dem Pflichtverteidiger ggf. von Verfassungs wegen auferlegte Sonderopfer dürfe nicht so groß werden, dass die finanziellen Einbußen des Rechtsanwalts unter Berücksichtigung der von ihm erbrachten Tätigkeiten unverhältnismäßig werden (vgl. grundlegend OLG Hamm in AGS 1998, 142 = Rpfleger 1998, 487 = StV 1998, 616 = AnwBl. 1998, 613 und OLG Hamm wistra 2000, 319 = BRAGO professionell 2000, 129 = ZAP EN-Nr. 686/2000). Demgemäss hat das OLG in dem entschiedenen Fall die Wahlverteidigerhöchstgebühr um das etwa 2-3fache überschritten. |
bb) Vorverfahrensgebühr bei Verfahrensverbindung vor Beiordnung?
Soweit ersichtlich war in der (obergerichtlichen) Rechtsprechung bislang die Frage, ob einem Rechtsanwalt, der vor der Verbindung mehrerer Verfahren als Pflichtverteidiger beigeordnet worden ist, für jedes der verbundenen Verfahren, in dem er als (Wahl-)Verteidiger vor der Verbindung tätig gewesen ist, eine gesetzliche Gebühr nach §§ 97, 84 Abs. 1 BRAGO zusteht, noch nicht entschieden. Beschäftigt haben die Rechtsprechung bisher nur die Fälle, in denen der Rechtsanwalt nach der Verbindung der Verfahren als Pflichtverteidiger beigeordnet worden ist. Für diese Konstellation wird offenbar einhellig die Auffassung vertreten, dass dem Pflichtverteidiger für jedes Vorverfahren, in dem er tätig war, eine Vorverfahrensgebühr zusteht (vgl. dazu u. a. OLG Hamm StV 1993, 142 [Ls.]; OLG Düsseldorf JurBüro 1985, 413; AG Tiergarten StV 1994, 498; GEROLD u. a., § 83 Rn. 21 m. w. N. aus der Rspr.). Nach Auffassung des OLG Hamm gilt das jedoch auch für den Fall, dass der Rechtsanwalt vor der Verbindung mehrerer Verfahren dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet worden ist. Zwar sei bei einer nach § 4 StPO erfolgten Verbindung mehrerer Verfahren nur noch ein einheitliches Verfahren gegeben. Das ändere aber nichts daran, dass die bis dahin entstandenen Gebühren erhalten bleiben (so schon OLG Hamm StV 1993, 142 [Ls.]). Die Vorverfahren können, nachdem die Verfahren untrennbar miteinander verschmolzen worden seien, nicht mehr getrennt beurteilt werden (a. A. OLG Köln, Beschl. v. 21. 8. 2001 Ars 183/01 = Rpfleger 2001, 615).
Tipp/Hinweis: Sind die Verfahren vor Beginn der Hauptverhandlung miteinander verbunden worden, erhält der Pflichtverteidiger die Hauptverhandlungsgebühr des § 83 BRAGO aber nur einmal (OLG Hamm, a. a. O.; GEROLD u. a., § 97 Rn. 17 m. w. N.). |
Inhaltsverzeichnis
cc) Erstattung von Fotokopiekosten
Es ist allgemein anerkannt, dass Ablichtungen aus den Strafakten heute im Strafverfahren als notwendige Maßnahme einer sachgerechten Verteidigung anzusehen sind. Daher ist ein Pflichtverteidiger berechtigt, die Kosten für die Kopien als Schreibauslagen zu berechnen (GEROLD u. a., § 27 BRAGO Rn. 16 m. w. N.; zuletzt u. a. AG Duisburg, Beschl. v. 28. 2. 2001 38 Ls 153 Js 498/00 (III 255/00) = zfs 2001, 327). Dabei wird dem Verteidiger zugebilligt, grds. jede Seite der Ermittlungsakte zu kopieren und nicht nur die dem ersten Anschein nach bedeutend erscheinenden Akten.
Inhaltsverzeichnis
Tipp/Hinweis: Das gilt m. E. auch für interne Verfügungen und oder Zustellungsurkunden, da der Verteidiger nur anhand dieser prüfen kann, ob Einlassungs- und Ladungsfristen eingehalten sind (AG Duisburg, a. a. O.). Im übrigen trifft die Entscheidung, welche Ablichtungen des Akteninhalts im Interesse des Angeklagten geboten sind, allein der Verteidiger. Es liegt grds. in seinem Ermessen, wenn er die gesamte Strafakte ablichtet. Die Nachprüfung dieser Entscheidung durch das Gericht beschränkt sich darauf, ob der Verteidiger das ihm eingeräumte Ermessen offensichtlich fehlerhaft gebraucht hat (AG Duisburg; ähnlich OLG Hamm ZAP EN-Nr. 63/2001 = JurBüro 2001, 194 = /rspr/texte/u_00036.htm zur Frage der Überprüfbarkeit der Berechtigung von Besuchen des Mandanten in der Justizvollzugsanstalt durch den Pflichtverteidiger; s. dazu auch ZAP F. 22 R S. 176 und BURHOFF ZAP F. 24, S. 625 ff.). M. E. dürfte der Pflichtverteidiger auch einen Anspruch auf Erstattung der Fotokopiekosten haben, die dadurch entstanden sind, dass er Ablichtungen zur Unterrichtung des Angeklagten gefertigt hat (a. A. insoweit AG Duisburg, a. a. O.). Das dürfte zumindest dann gelten, wenn es erforderlich ist, dass der Angeklagte/Beschuldigte diese ständig zur Hand hat (s. auch OLG Saarbrücken StV 1998, 91; GEROLD u. a., § 27 BRAGO Rn. 16; BURHOFF, EV, Rn. 38). |
Inhaltsverzeichnis
III. Hauptverhandlung
a) Gründe für Terminsverlegung
Die mit einer Terminsverlegung zusammenhängenden Fragen führen in der Praxis häufig zu Schwierigkeiten, weil die Gerichte meist nur ungern bereit sind, einmal anberaumte Termine zu verlegen (zu Terminsverlegungsfragen s. auch ZAP F. 22 R, S. 180). Streit gibt es dabei häufig insbesondere um die für eine Terminsverlegung zu berücksichtigenden Gründe. Insoweit ist inzwischen aber wohl anerkannt, dass Urlaub des Verteidigers zu den anzuerkennenden Gründen für seine Verhinderung gehört (vgl. die Nachw. bei BURHOFF, HV, Rn. 856). Aber auch dann, wenn ein Terminsverlegungsantrag unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit der Erkrankung des Verteidigers rechtzeitig vor der Hauptverhandlung gestellt wird, muss das Gericht diesem i. d. R. stattgeben, insbesondere dann, wenn der Verlegungsantrag zu einer erstmaligen und kurzfristigen Verlegung der Hauptverhandlung führt (BayObLG, Beschl. v. 24. 7. 2001 1 St RR 97/01).
Tipp/Hinweis: Wird die Hauptverhandlung trotzdem durchgeführt, muss, wenn z. B. der Einspruch des Betroffenen gegen einen Bußgeldbescheid oder der Einspruch gegen einen Strafbefehl wegen unentschuldigten Ausbleibens des Angeklagten verworfen worden ist, dagegen mit der Verfahrensrüge vorgegangen werden. Diese unterliegt hinsichtlich der Anforderungen an die Begründung den strengen Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO (zur Ablehnung des Richters wegen Befangenheit s. unten III. 3. a). |
Inhaltsverzeichnis
b) Rechtsmittel
Von Bedeutung ist in Zusammenhang mit der Terminsverlegung insbesondere immer auch, welches Rechtsmittel dem Angeklagten/seinem Verteidiger ggf. gegen eine nicht erfolgte Terminsverlegung zusteht. Dazu wird man mit der h. M. davon ausgehen müssen, dass die Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrags auf Terminsverlegung i. d. R. nach § 305 S. 1 StPO ausgeschlossen sein wird (vgl. wegen der Nachw. aus der Rspr. BURHOFF, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 3. Aufl., Rn. 855 [im folgenden kurz BURHOFF, HV]). Zulässig ist sie aber dann, wenn die Entscheidung des Vorsitzenden rechtswidrig ist und dadurch eine selbständige Beschwer des Angeklagten eintritt (OLG Hamm, Beschl. v. 9. 10. 2001 3 Ws 458/01 = /rspr/texte/ad_00019.htm; BURHOFF, a. a. O.). Das ist u. a. der Fall bei einer durch die Sachaufklärung nicht zu rechtfertigenden und damit das Beschleunigungsverbot verletzenden Verfahrensverzögerung (LR-GOLLWITZER, § 213 Rn. 16) oder wenn sonstige nicht verfahrensbezogene Belange des Angeklagten berührt sind (s. z. B. OLG Karlsruhe StV 1993, 509 [Hochzeit des Bruders]; LG Hamburg, StV 1996, 659 [drohende wirtschaftliche Nachteile]). Die obergerichtliche Rechtsprechung lässt darüber hinaus die Beschwerde auch dann zu, wenn das Recht des Angeklagten auf Vertretung durch den Verteidiger seines Vertrauens durch die Terminierung untergraben und dadurch letztlich sein Recht auf ein faires Verfahren verletzt wird. Dies soll jedoch nur dann gelten, wenn das Gericht sich von vornherein nicht bemüht hatte, eine Terminsabstimmung mit dem Wahlverteidiger herbeizuführen, wenn also die Beeinträchtigung der Möglichkeit der Verteidigung durch den Anwalt des Vertrauens "unschwer vermeidbar" war (so OLG München NStZ 1994, 451; OLG Frankfurt StV 1995, 9, 10; StV 1997, 402, 403 [für ausdrückliche Ablehnung jeder Rücksichtnahme auf die Terminslage des Verteidigers durch den Kammervorsitzenden]; OLG Hamburg StV 1995, 11).
Inhaltsverzeichnis
Tipp/Hinweis: Eine solche Fallgestaltung ist indes nicht gegeben, wenn sich der Vorsitzende umfangreich bemüht hat, die anzuberaumenden Hauptverhandlungstermine mit insgesamt sechs Verteidigern abzustimmen, dieses Bemühen auch zum Erfolg geführt hat und die Terminierung weitgehend die Terminswünsche der Verteidiger berücksichtigt. Der Verteidiger hat so das OLG Hamm (a. a. O.) kein Recht, dass jeder seiner Terminswünsche berücksichtigt wird. |
Inhaltsverzeichnis
2. Einhalten einer Zusage
Der BGH hat in seinem Beschl. v. 9. 1. 2001 (2 StR 528/00 StV 2001, 387) zur Bindungswirkung einer Zusage bzw. eines Hinweises des Gerichts Stellung genommen. Danach ist das Gericht zwar nicht gehalten, vor Urteilsberatung einen Hinweis zu Inhalt und Ergebnis einzelner Beweiserhebungen zu erteilen, es muss aber gleichwohl eine Zusage, bestimmte in der Hauptverhandlung erörterte Vorkommnisse bei der Beweiswürdigung nicht zum Nachteil des Angeklagten zu verwerten, einhalten (vgl. zur Frage der Erforderlichkeit einer Zwischenberatung BGHSt 43, 212 ff. = StV 1997, 561 m. abl. Anm. KÖNIG; s. zu dieser Problematik auch BURHOFF, HV, Rn. 468). Dem hat sich jetzt das OLG Hamm angeschlossen (Beschl. v. 31. 10. 01 2 Ss 940/01 = /rspr/texte/ad_00036.htm). Nach der der Entscheidung zugrundeliegenden Fallgestaltung hatte das Landgericht auf die Berufungsbegründung des Angeklagten hin, in der Zeugenbeweis angeboten worden war, mitgeteilt, dass man von dem in der Berufungsbegründung angeführten Sachverhalt ausgehen werde. An diese Zusage hat sich das Landgericht dann aber nicht gehalten. Das ist vom OLG Hamm unter Hinweis auf den Gesichtspunkt des fairen Verfahrens beanstandet worden.
Tipp/Hinweis: Offengelassen hat das OLG Hamm (a.a.O.) die Frage, ob das Landgericht ggf. einen (rechtlichen) Hinweis nach § 265 StPO hätte geben müssen. M. E. wird man das fordern müssen, zumindest muss der Tatrichter "kenntlich machen" (so das OLG Hamm, a. a. O.), wenn er sich an die einmal gegebene Zusage nicht mehr halten will (s. dazu auch BGH StV 2001, 287 [s. o.]). |
Inhaltsverzeichnis
3. Ablehnung wegen Befangenheit
In der Praxis sind für den Angeklagten in der Hauptverhandlung immer wieder auch die Fragen einer ggf. vorliegenden Befangenheit von Bedeutung. Dazu ist auf folgende neue(re) Entscheidungen hinzuweisen:
Folgende Fallgestaltungen waren Gegenstand obergerichtlicher Entscheidungen (zu weiteren Ablehnungsgründen BURHOFF, HV, Rn. 32 ff. m. w. N.)
Tipp/Hinweis: Die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs muss in der Revision mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden. Dazu müssen alle Einzelheiten, die mit dem geltend gemachten Ablehnungsgrund zusammenhängen, konkret vorgetragen werden (so wohl BGH NStZ 2000, 325 [s. o.]; letztlich jedoch offengelassen). |
Inhaltsverzeichnis
b) Befangenheit eines Sachverständigen
Von entscheidender Bedeutung für den Angeklagten kann es sein, dass am Verfahren der "richtige" Sachverständige teilnimmt. In dem Zusammenhang kann die Frage der Befangenheit des Sachverständigen von erheblichem Belang sein. Diese hat der BGH jetzt für den Fall bejaht, dass der Sachverständige für zwei Seiten tätig war (BGH, Beschl. v. 30. 11. 2001 3 StR 216/01 = ZAP EN-Nr. 98/2002 = StV 2002, 4 = http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/2/01/ 2-216-01.php3 für den Fall des Tätigwerdens des Sachverständigen für eine Brandversicherung und für die Polizei; zu weiteren Befangenheitsgründen s. BURHOFF, HV, Rn. 6 ff.).
Tipp/Hinweis: Die erfolgreiche Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit hindert allerdings nicht, den Sachverständigen als Zeugen oder sachverständigen Zeugen über Tatsachen zu vernehmen, die ihm bei Durchführung des erteilten Auftrags bekannt geworden sind (BGHSt 20, 222, 224; BGH, Beschl. v. 15. 8. 2001 3 StR 225/01; KK-SENGE; § 74 Rn. 15; KLEINKNECHT/MEYER-GOßNER, § 74 Rn. 19; BURHOFF, HV, Rn. 17). |
Inhaltsverzeichnis
4. Haftfragen/Saalentlassung
Nach § 268b StPO muss das Gericht bei der Urteilsfällung von Amts wegen über die Fortdauer von vollstreckter U-Haft oder einstweiliger Unterbringung entscheiden. In der Praxis gibt es immer wieder Schwierigkeiten, wenn ein Haftbefehl aufgehoben wird. Nicht selten soll der Angeklagte dann zunächst wieder in die JVA gebracht werden, um erst von dort entlassen zu werden. Dieses Vorgehen ist nicht zulässig. Vielmehr ist nach Aufhebung des Haftbefehls während der oder im Anschluss an die Hauptverhandlung der Angeklagte noch im Saal zu entlassen, wenn nicht Überhaft notiert ist. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass es vielfach zweckmäßig ist, dass der Angeklagte/Gefangene noch einmal in die Justizvollzugsanstalt zurückkehrt, um dort notwendige Entlassungsformalitäten zu erledigen. Dies rechtfertigt nur einen in Nr. 55 Abs. 2 S. 2 RiStBV ausdrücklich erwähnten entsprechenden Hinweis des Gerichts (LG Berlin, Beschl. v. 10. 10. 2001 512 Qs 100/01 = StV 2001, 690 = http://www.strafverteidiger-berlin.de/rechtsprechung/LGBerlin512Qs100-01.htm; BURHOFF, HV, Rn. 540).
Tipp/Hinweis: Auch ein Festhalten des (ausländischen) Angeklagten zu dem Zweck, den zuständigen Behörden die Prüfung zu ermöglichen, ob ausländerrechtliche Maßnahmen gegen ihn einzuleiten seien, ist unzulässig. Eine solche Prüfung kann und muss vor Aufhebung des Haftbefehls durch die zuständige Stelle erfolgen. Denn gegen einen Ausländer kann bei Vorliegen der dazu erforderlichen Voraussetzungen Abschiebehaft nach § 57 Abs. 2 AuslG angeordnet werden noch während er sich in Untersuchungshaft befindet (LG Berlin, a. a. O.). |
Inhaltsverzeichnis
IV. Revision
Wird der Angeklagte verurteilt, sind für ihn insbesondere (auch) Strafzumessungsfragen von Bedeutung, insbesondere, ob das Gericht von zutreffenden und zulässigen Strafzumessungserwägungen ausgegangen ist.
Tipp/Hinweis: Der Verteidiger muss das tatrichterliche Urteil daraufhin überprüfen. Auf die damit zusammenhängenden Fragen soll in Zukunft an dieser Stelle verstärkt eingegangen werden. |
Hilfestellung kann dabei folgende Tabelle geben:
Sachverhalt | Begründung |
In einem "BtM-Urteil" wegen Handeltreibens wird auch darauf abgestellt, der Angeklagte habe bedenkenlos mit Gewinnerzielungsabsicht Heroin verkauft, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten | grundsätzlich unzulässig, da Verstoß gegen Doppelverwertungsverbot (BGH NStZ-RR 1997, 50; bei MÖSL NStZ 1984, 495) |
Der Angeklagte bestreitet die Tat. Im Urteil wird straferschwerend berücksichtigt, er zeige keine Schuldeinsicht und Reue | unzulässig (BGH wistra 1988, 303; 1997, 226) |
Straferschwerend wird berücksichtigt, dass die Tat während des Ermittlungsverfahrens wegen einer anderen Tat begangen worden ist | zulässig, denn von der Durchführung eines Strafverfahrens geht unabhängig von dem Ausgang des Verfahrens eine Warnfunktion aus, die bei Nichtberücksichtigung strafschärfend berücksichtigt werden kann |
Es wird straferschwerend berücksichtigt, dass der Angeklagte sich nach der Tat der Strafverfolgung zu entziehen versucht, indem er Spuren verwischt und ein falsches Alibi aufgebaut hat | Grundsätzlich unzulässig; etwas anderes kann gelten, wenn das Verhalten bereits Gegenstand des Tatplans gewesen ist und deshalb Zeichen einer besonderen kriminellen Energie des Täters ist |
Bei einer Verurteilung wegen eines Banküberfalls wird erschwerend berücksichtigt, dass der Täter maskiert war | wohl zulässig, ist allerdings streitig. Nach richtiger Ansicht erhöht die Maskierung des Täters regelmäßig die impressive Wirkung gegen das Opfer und prägt damit die Art der Ausführung der Tat i. S. d. § 46 Abs. 2 StGB. Überdies kennzeichnet die Maskierung auch die bei der Tat aufgewendete kriminelle Energie |
Es wird ausgeführt, dass angesichts der Beweislage Leugnen aussichtslos war und deshalb dem Geständnis des Angeklagten keine Bedeutung zugekommen ist | unzulässig, wenn das Leugnen nicht ganz aussichtslos ist (BGH StV 1991, 108) |
Dem Geständnis des Angeklagten wird deshalb weniger Bedeutung zugemessen, weil es sich nicht auch auf Angaben zum Verbleib der Beute erstreckt | zulässig (BGH MDR 1991, 105 bei HOLTZ) |
Es wird berücksichtigt, dass der Angeklagte nicht durch ein Geständnis dem Tatopfer die Zeugenaussage vor Gericht erspart hat | unzulässig (BGH StV 1987, 108) |
Verurteilung von Mittätern zu unterschiedlichen Strafen, obschon in den Urteilsgründen nichts erörtert wird | unzulässig |
Erwägung bei der Verurteilung eines Ausländers: Hätte der Ausländer die Tat im Heimatland begangen, wäre er härter bestraft worden | unzulässig, da der Angeklagte allein deshalb härter bestraft wird, weil er Ausländer ist |
Es wird dem Angeklagten straferschwerend vorgehalten, dass er seine Hintermänner nicht benannt habe | unzulässig, da der Angeklagte damit von seinem Recht zum Schweigen Gebrauch macht |
Strafschärfend wird berücksichtigt, dass der Angeklagte eine Vielzahl von weiteren gleichartigen Straftaten begangen hat | unzulässig, wenn die Taten nicht hinreichend bestimmt sind |
Verjährte Taten werden berücksichtigt | zulässig, wenn sie hinreichend bestimmt sind |
Bei einer Verurteilung wegen eines Bestechungsdelikts wird strafschärfend die Erschütterung des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Amtsführung berücksichtigt | unzulässig, Verbot der Doppelverwertung nach § 46 Abs. 3 StGB |
Berufs- und standesrechtliche Folgen werden berücksichtigt | zulässig, wenn strafmildernd berücksichtigt, wie etwa Ausscheiden eines Beamten bei Verurteilung zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe |
Bei einem Tötungsdelikt wird das Alter des Getöteten berücksichtigt | unzulässig, weil der strafrechtliche Schutz des Lebens keine Wertabstufungen zulässt |
Bei einem Sexualdelikt werden strafschärfend die psychischen Folgen berücksichtigt, die durch das Bestreiten des Angeklagten beim Opfer entstanden sind | grundsätzlich wohl zulässig, vor allem dann, wenn durch das Bestreiten des Angeklagten das Opfer in eine familiäre und soziale Isolierung geraten ist (BGH NJW 2001, 2983). |
Bei einem Tötungsdelikt wird der große Vernichtungswille berücksichtigt | unzulässig (BGH NStE § 46 Nr. 41; Doppelverwertungsverbot) |
Bei einem Körperverletzungsdelikt wird berücksichtigt, dass das Opfer schwerbehindert war | wohl zulässig (OLG Karlsruhe Die Justiz 1972, 287) |
Bei der Verurteilung wegen einer Steuerhinterziehung wird auf die Sozialschädlichkeit des Verhaltens abgestellt | unzulässig (BGH NStZ-RR 1996, 316) |
Es wird berücksichtigt, dass der Angeklagte sich von vorangegangenen Fehlschlägen nicht davon habe abhalten lassen, weitere Straftaten zu begehen | unzulässig, da zu Lasten des Angeklagten verwertet wird, dass er die Tat überhaupt begangen hat; damit Verstoß gegen Doppelverwertungsverbot (BGH NStZ-RR 2001, 295); ggf. sogar eher mildernd bei engem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang |
Bei einer Verurteilung wegen eines BtM-Delikts wird berücksichtigt, dass die nicht geringe Menge um ein Vielfaches überschritten worden ist | zulässig (BGH NStZ 1990, 84 f.) |
Bei einer Verurteilung wegen Meineids wird berücksichtigt, dass die Gerichte auf wahre Aussagen angewiesen sind | unzulässig (OLG Düsseldorf NJW 1985, 276) |
Bei einer Verurteilung nach § 172 StGB (Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht [früher § 170d StGB]) wird die grundlegende Verletzung der Mutter- bzw. Vaterpflichten berücksichtigt | unzulässig (BGH NStZ-RR 1998, 102) |
Bei der Verurteilung nach § 249 StGB wird das Handeln ohne Vorliegen einer finanziellen Notsituation ausschließlich in Bereicherungsabsicht berücksichtigt | unzulässig (BGHSt 34, 345) |
Bei § 142 StGB wird die Schadenshöhe berücksichtigt | zulässig (BayObLG DAR 248), da die Schadenshöhe nicht zum Tatbestand gehört |
Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.
Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".