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aus DAR 2001, 433 ff.

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung vom "DAR" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "DAR" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm in Verkehrsstrafsachen und Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten

Von Richter am Oberlandesgericht Detlef Burhoff, Ascheberg

In Kürze

Die nachfolgende Rechtsprechungsübersicht wertet die veröffentlichten und darüber hinaus auch teilweise die nichtveröffentlichten Entscheidungen des Oberlandesgerichts Hamm aus, die in der Zeit von etwa Juni 1996 bis etwa Juli 2001 in Verkehrsstrafsachen und Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten ergangen sind. Sie schließt an die Rechtsprechungsübersicht in DAR 1996, 381 an.

Hinweisen möchte ich bei dieser Gelegenheit noch einmal auf meine Homepage www.burhoff.de. Auf dieser sind inzwischen rund 1.400 Beschlüsse des OLG, vornehmlich aus der Zeit ab 1997, eingestellt und können dort im Volltext nachgelesen werden. Darunter befinden sich etwa 400 Beschlüsse aus Verkehrsstrafsachen und Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren, u.a. auch ein der Teil der dieser Übersicht zugrunde liegenden Beschlüsse. Die Homepage wird fortlaufend aktualisiert. Es besteht die Möglichkeit, sich durch einen Newsletter über die Aktualisierungen und Ergänzungen informieren zu lassen.

A. Materielles Recht

I. Straßenverkehrsordnung

1. Grundregel (§ 1 StVO)

Der Parkplatz eines Supermarktes ist eine öffentliche Verkehrsfläche i. S. v. § 1 Abs. 1 StVO. Allerdings gelten die Bestimmungen der §§ 8-10 StVO dort nicht unmittelbar. Sie sind jedoch bei der Beurteilung der gegenseitigen Rücksichtspflichten (hier: Ein- und Ausparken) zu berücksichtigen (Beschl. v. 12. 10. 1999 – 3 Ss OWi 990/99VRS 99, 70).

2. Straßenbenutzung durch Fahrzeuge (§ 2 StVO)

Für die Erfüllung des Tatbestandes des § 2 Abs. 3 a StVO, der das Fahren mit gefährlichen Gütern bei Schneeglätte und Glatteis verbietet, ist es beim Fahren auf einer mehrspurigen Straße erforderlich, dass die vom Betroffenen befahrene Fahrspur die erforderliche Beschaffenheit und Glättebildung aufweist. Es reicht nicht aus, dass ggf. auf anderen Fahrspuren eine geschlossene Schneedecke oder zumindest Schneeglätte vorgelegen haben (Beschl. v. 9. 10. 1997 – 2 Ss OWi 1195/97 – DAR 1998, 151 = NStZ-RR 1998, 150 = MDR 1998, 531 = NZV 1998, 213 = VM 1998, 42 [Nr. 53] = VRS 95, 49).

3. Geschwindigkeitsüberschreitung (§ 3 StVO)

a) Umfang der tatsächlichen Feststellungen

Das tatrichterliche Urteil muss bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung nur dann nähere Feststellungen zu der Messung mit einem Radarmessgerät enthalten, wenn vom Betroffenen konkrete Messfehler gerügt werden >(Beschl. v. 28. 10. 1998 – 4 Ss OWi 98/99; v. 30. 11. 1999 – 2 Ss OWi 1196/99 DAR 2000, 129 = NZV 2000, 264).

Im tatrichterlichen Urteil wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung muss in den Urteilsgründen die zur Feststellung der eingehaltenen Geschwindigkeit angewandte Messmethode mitgeteilt und darüber hinaus dargelegt werden, dass möglich Fehlerquellen ausreichend berücksichtigt worden sind (Beschl. v. 21. 4. 1998 – 2 Ss OWi 375/98DAR 1998, 281 = MDR 1998, 901 = VRS 95, 293 = VM 1998, 84 [Nr. 104]; >v. 30. 4. 1999 – 3 Ss OWi 297/99 = zfs 2000, 270; Beschl. v. 12. 5. 2000 – 2 Ss OWi 408/2000 – Verkehrsrecht Aktuell 2000, 25 = ZAP EN-Nr. 490/200 = MDR 2000, 881 = zfs 2000, 416).

Im tatrichterlichen Urteil muss das angewandte Messverfahren und der in Abzug gebrachte Toleranzwert angegeben werden (Beschl. v. 13. 10. 1998 – 4 Ss OWi 1119/98; v. 22. 4. 1999 – 4 Ss 259/99; v. 4. 10. 2000 – 4 Ss OWi 754/00). Es ist rechtlich jedoch nicht zu beanstanden, wenn der bei der Geschwindigkeitsüberschreitung berücksichtigte Toleranzwert zwar nicht ausdrücklich angegeben, aber das Gerät, mit dem die Messung durchgeführt worden ist, benannt wird. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Besonderheiten bei der Messung einen höheren Toleranzabzug erforderlich machen (Beschl. v. 25. 11. 1999 – 1 Ss OWi 1224/99VRS 98, 297 = NZV 2000, 264).

Die Äußerung des Betroffenen, "er ziehe das Messergebnis nicht in Zweifel", bedeutet nicht ein Geständnis hinsichtlich der gefahrenen Geschwindigkeit, sondern beinhaltet allein, dass der Betroffene die Zuverlässigkeit des Messgeräts und das Ergebnis der Messung nicht bezweifelt, so dass die Angabe des sog. Toleranzwertes in den Urteilsgründen nicht entbehrlich ist (Beschl. v. 25. 2. 1999 – 2 Ss OWi 105/99 = DAR 1999, 566 [Ls.] = ZAP EN-Nr. 323/99 = MDR 1999, 804 = VRS 97, 144 = VM 1999, 86 [Nr. 86]). Entsprechendes gilt, wenn der Betroffene "die Messung nicht weiter angegriffen hat" (Beschl. v. 6. 5. 1999 – 4 Ss OWi 465/99; ähnlich Beschl. v. 15. 9. 1998 – 1 Ss OWi 901/98).

Auch bei einer mittels eines sog. standardisierten Messverfahrens festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung kann der Tatrichter die Verurteilung auf eine geständige Einlassung nur stützen, wenn er erkennbar von deren Richtigkeit überzeugt ist (Beschl. v. 29. 2. 2000 – 1 Ss OWi 144/2000).

b) Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren, insbesondere zur Nachtzeit

Bei einer Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren zur Nachtzeit sind über die allgemein erforderlichen Feststellungen bei einer Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren hinaus grundsätzlich Feststellungen zu den Beleuchtungsverhältnissen und dazu zu treffen, ob bei den zur Nachtzeit regelmäßig gegebenen schlechten Sichtverhältnissen der Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzug durch Scheinwerfer des nachfahrenden Fahrzeugs oder durch andere Lichtquellen aufgehellt war und damit ausreichend sicher erfasst und geschätzt werden konnte (st. Rspr. aller Senate, vgl. u.a. Beschl. v. 11. 3. 1999 – 3 Ss OWi 101/99; v. 17. 2. 1998 – 4 Ss OWi 29/98; v. 5. 4. 2001 – 5 Ss OWi 246/01).

Von den Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen bei Messung einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch Nachfahren zur Nachtzeit (vgl. dazu u.a. OLG Hamm VRS 94, 467; DAR 1998, 75) kann aber dann abgesehen werden, wenn der Betroffene die Geschwindigkeitsüberschreitung einräumt; die Grundsätze der Rspr. des BGH (vgl. NJW 1993, 3081), wonach die Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung auch auf ein uneingeschränktes und glaubhaftes Geständnis des Betroffenen gestützt werden kann, gelten auch für die Messung der Geschwindigkeitsüberschreitung durch Nachfahren (Beschl. v. 14. 1. 1999 – 2 Ss OWi 1377/98VRS 96, 458 = NZV 1999, 391). Es bedarf aber einer Auseinandersetzung damit, ob und aufgrund welcher Umstände der Betroffene in der Lage war, insoweit objektiv zutreffende Angaben zu machen (Beschl. v. 22. 9. 1998 – 4 Ss OWi 1038/98 – zfs 1999, 84).

Die tatsächlichen Feststellungen sind nicht ausreichend, wenn bei einem Abstand von 100 m ohne Angaben zu besonderen Lichtquellen lediglich mitgeteilt wird, dass der die Messung durchführende Polizeibeamte bekundet habe, dass "das vor ihm fahrende Fahrzeug des Betroffenen – trotz der späten Uhrzeit – den Konturen nach problemlos erkennbar gewesen" sei (Beschl. v. 11. 7. 00 – 4 Ss OWi 676/00). Nicht ausreichend ist die bloße Feststellung, dass der Abstand "von 80 Metern zu dem vorausfahrenden Fahrzeug annähernd eingehalten worden sei (Beschl. v. 22. 10. 97 – 2 Ss OWi 1216/97DAR 1998, 75 = MDR 1998, 155). Bei einem Abstand von 150 m zu dem vorausfahrenden Fahrzeug reicht – auch unter Berücksichtigung des § 50 StVZO – die alleinige Feststellung, die Polizeibeamten hätten sich bei der Abstandsfeststellung bzw. -schätzung an den Leitpfosten orientiert, nicht (Beschl. v. 30. 10. 1997 – 2 Ss OWi 1295/97MDR 1998, 156 = zfs 1998, 193 = VRS 94, 467).

Es ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar, wie ein in etwa gleich bleibender Abstand des Polizeifahrzeugs zum vorausfahrenden Fahrzeug festgestellt werden kann, wenn die Sichtweite infolge Nebels weniger als 50 m beträgt und nur die Rücklichter des vorausfahrenden Fahrzeugs erkennbar sind (Beschl. v. 22. 9. 1998 – 4 Ss OWi 1038/98 – zfs 1999, 84). Die unter solchen Umständen auf der Hand liegenden Ungenauigkeiten können nur durch einen 15 % erheblich übersteigenden Sicherheitsabschlag ausgeglichen werden.

Die tatsächlichen Feststellungen können ausreichend sein, wenn neben der Mitteilung, dass der gleichbleibende Abstand anhand der Nebenpfähle festgestellt worden ist, mitgeteilt wird, dass die Messung auf einer BAB um 20.00 Uhr erfolgte, da dort dann von einer gewissen Grundhelligkeit ausgegangen werden kann (Beschl. v. 31. 1. 1997 – 2 Ss OWi 1565/96VRS 93, 380). Ausreichend ist es auch, wenn starker Verkehr auf einer Autobahn und festgestellt wird, dass das Kennzeichen des vorausfahrenden Fahrzeugs aufgrund der Angaben der Zeugen eindeutig identifizierbar gewesen sei (Beschl. v. 18. 2. 1997 – 2 Ss OWi 37/97DAR 1997, 285 = VRS 93, 372).

c) Standardisierte Messverfahren

Bei der Ermittlung der Geschwindigkeit mit einem Lasermessgerät der Firma Rieghl handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren im Sinn der Rechtsprechung des BGH (st.Rspr. aller Senate, vgl. u.a., Beschl. v. 12. 11. 1996 – 1 Ss OWi 1037/96NZV 1997, 187; v. 17. 2. 1998 – 1 Ss OWi 178/98), so dass grds. nähere tatsächliche Feststellungen zum Messverfahren usw. nicht zu treffen sind. Etwas anderes gilt, wenn Besonderheiten gegeben sind (OLG Hamm DAR 1996, 153; VRS 91, 70 und 148). Das ist z. B. auch dann der Fall, wenn der Betroffene einwendet, die Messung aus dem geschlossenen Polizeifahrzeug durch die Windschutzscheibe können zu Fehlmessungen geführt haben (Beschl. v. 17. 2. 1998 – 2 Ss OWi 103/98DAR 1998, 244 = ZAP EN-Nr. 241/98 = MDR 1998, 836 = StraFo 1998, 273 = VRS 95, 141).

Die Verwertung von Geschwindigkeitsmessungen mit dem LAVEG-Lasergerät ohne fotografische Dokumentation des Messvorgangs ist nicht aus Rechtsgründen grundsätzlich unzulässig; allerdings muss der Tatrichter, wenn der Betroffene das Messergebnis bestreitet, darlegen, dass denkbare Fehlerquellen für das Messergebnis nicht kausal geworden sind (Beschl. v. 25. 4. 1996 – 3 Ss OWi 194/96).

Ist eine Geschwindigkeitsüberschreitung mittels des sog. "Police-Pilot-System" (PPS) festgestellt worden, ist es in der Regel ausreichend, wenn das tatrichterliche Urteil nur die Art des Messverfahrens und die nach Abzug der Messtoleranz ermittelte Geschwindigkeit mitteilt (Beschl. v. 15. 11. 2000 – 2 Ss OWi 1057/2000DAR 2001, 85 = NZV 2001, 90 = VRS 100, 61).

d) Vorsatz/Fahrlässigkeit

Eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 29 km/h lässt allein einen Rückschluss auf eine vorsätzliche Begehungsweise noch nicht zu (Beschl. v. 24. 9. 1998 – 3 Ss OWi 978/98).

Bei einer vorwerfbaren Geschwindigkeitsüberschreitung von 77 km/h ist die Annahme von Vorsatz nicht zu beanstanden (Beschl. v. 20.3.2001 – 4 Ss OWi 180/01).

Allein daraus, dass ein Betroffener eine Geschwindigkeitsbeschränkung gekannt hat, kann nicht geschlossen werden, dass er die zulässige Höchstgeschwindigkeit zum Tatzeitpunkt bewusst und gewollt überschritten und somit vorsätzlich gehandelt hat (Beschl. v. 20. 11. 1997 – 2 Ss OWi 1294/97zfs 1998, 75 = NZV 1998, 124 = VRS 94, 466).

Weiß der Betroffene nach den tatrichterlichen Feststellungen, dass er sich in einem Baustellenbereich mit einer auf 60 km/h beschränkten Höchstgeschwindigkeit befindet und hat er dort die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 50 % überschritten, bedarf die Feststellung des Tatrichters, der Betroffene habe lediglich gewusst, dass er "etwas zu schnell fuhr" ohne allerdings seine "tatsächliche Geschwindigkeit zu kennen" und die Annahme von Fahrlässigkeit näherer Begründung (Beschl. v. 10. 3. 1998 – 3 Ss OWi 149/98).

Für die Feststellung einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung ist es nicht ausreichend, wenn im tatrichterlichen Urteil zur inneren Tatseite lediglich ausgeführt wird, der Betroffene sei sich bewusst gewesen, das die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten war. Entscheidend ist nämlich auch, dass der Betroffene die erhebliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auch bemerkt hat (Beschl. v. 21. 4. 1998 – 2 Ss OWi 375/98DAR 1998, 281 = MDR 1998, 901 = VRS 95, 293; ähnlich Beschl. v. 18. 6. 01 – 2 Ss OWi 473/01). Es müssen Feststellungen dazu getroffen werden, welches konkrete Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung noch von dem zumindest bedingten Vorsatz des Betroffenen umfaßt war (Beschl. v. 3. 3. 1998 – 3 Ss OWi 43/98).

Allein die geständige Einlassung des Betroffenen lässt nicht den Schluss zu, dass er die zulässige Höchstgeschwindigkeit bewusst und gewollt überschritten hat. Es kann jedoch die geständige Einlassung in einer Gesamtschau mit dem Maß der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 82 %, der Ortskenntnis des Betroffenen und dem Umstand, dass dieser vor einer Messstelle abgebremst hat, insgesamt ein derartiges Gewicht gewinnen, dass die Annahme von Vorsatz berechtigt ist. Der Vorsatz muss auch das Maß der Überschreitung ziffernmäßig nicht genau erfassen (Abgrenzung zu Senat DAR 1998, 281 [s.o.]; Beschl. v. 26. 1. 1999 – 2 Ss OWi 1449/99 – DAR 1999, 178 = MDR 1999, 419 = VRS 96, 291 = NZV 1999, 301).

Zur Annahme von Vorsatz bei einer außerorts begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung (Beschl. v. 5. 1. 1999 – 4 Ss OWi 1484/98).

e) Absehen vom Fahrverbot bei Geschwindigkeitsüberschreitung im Ausnahmefall

Hinzuweisen ist auch auf die unter II. 3. "Fahrverbot (§ 25 StVG) zusammengestellten Entscheidungen.

Die bei einer Geschwindigkeitsmessung grundsätzlich einzuhaltende Mindestentfernung von 200 m zu dem Beginn und dem Ende einer Geschwindigkeitsbeschränkung (Runderlass des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 22. 5. 1996 (Ministerialblatt 1996, 956) kann unterschritten werden, wenn ein sachlicher Grund vorliegt (hier: Abstand zum Ortsausgang nur 71 m). Ist das der Fall, kann sich der Betroffene nicht auf ein Augenblicksversagen berufen, wenn er die Geschwindigkeitsbeschränkung übersehen hat (>Beschl. v. 18. 5. 2000 – 5 Ss OWi 1166/99> – DAR 2000, 580; zum Augenblicksversagen siehe auch unten bei A.II.3.b).

Eine erhebliche zeitliche Differenz zwischen dem Einfahren in eine durch Zeichen 274 gekennzeichnete Tempo-30-Zone durch einen ortsfremden Kraftfahrer und der späteren Weiterfahrt kann, sofern entsprechende Feststellungen getroffen werden, im Einzelfall zu einer Minderung des Grades der Fahrlässigkeit führen mit der Folge, dass es u. U. zu verkehrserzieherischen Einwirkung auf den Betroffenen der Verhängung eines Fahrverbotes nicht bedarf (Beschl. v. 17. 12. 1996 – 2 Ss OWi 1422/96DAR 1997, 161 = zfs 1997, 276 [Ls.] = VRS 93, 144 = NZV 1997, 489 [Ls.]).

Zur Festsetzung eines Fahrverbotes wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 34 km/h bei zulässigen 30 km/h (Beschl. v. 19. 4. 1999 – 2 Ss OWi 37/99 – DAR 1999, 416 = MDR 1999, 1019 = VRS 97, 185 = NZV 2000, 95).

4. (Sicherheits-)Abstand (§ 4 StVO)

Die Bestimmung des Abstandes zweier Pkw durch Messung im Rahmen einer Rekonstruktion anhand der Erinnerung an die beim seitlich versetzten Nachfahren aus etwa 100 m Entfernung beobachteten Position der Fahrzeuge ist nicht genügend zuverlässig für eine Verurteilung wegen Abstandsunterschreitung (Beschl. v. 21. 8. 1997 – 4 Ss OWi 800/97VRS 94, 303 = NStZ-RR 1997, 397).

Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung ist es grundsätzlich möglich, dass geübte und erfahrene Polizeibeamte durch Beobachtung der beteiligten Fahrzeuge über eine hinreichend lange Strecke den Abstand zwischen ihnen in gerichtsverwertbarer Weise einschätzen können, wenn sie in einer nicht zu großen Entfernung schräg versetzt hinter den vorausfahrenden Fahrzeugen fahren. Das gilt insbesondere, wenn Schätzungshilfen wie etwa Länge der Leitlinienmarkierungen oder dergleichen vorhanden sind. Dazu muss das tatrichterliche Urteil ausreichende Angaben enthalten (Beschl. v. 4. 2. 1999 – 4 Ss OWi 49/99).

Ein Abstandsmessverfahren, das gerichtlichen Schuldfeststellungen zugrunde gelegt werden kann, muss grundsätzlich nach festen Regeln oder Richtlinien durchgeführt werden. Die mit der Anwendung betrauten Personen müssen geschult und ausreichend erfahren sein. Zur Feststellung des zu geringen Abstandes kann das Beobachten durch die Heckscheibe mittels des Innenspiegels oder das Umschauen ausreichen. Allerdings sind besondere Anforderungen an die verhältnismäßig unsichere Messmethoden zu stellen (Beschl. v. 24. 10. 00, 3 Ss OWi 968/00 – Verkehrsrecht Aktuell 2001, 58).

5. Überholen (§ 5 StVO)

Zum falschen Überholen mit nicht angepaßter Geschwindigkeit und bei unklarer Verkehrslage i. S. v. § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO sowie zur Verhängung eines Fahrverbotes (Beschl. v. 14. 1. 1999 – 3 Ss OWi 1439/98).

6. Halten und Parken (§ 12 StVO)

Derjenige, der sein Fahrzeug nicht auf der Fahrbahn einer Feuerwehrzufahrt sondern neben der eigentlichen Durchgangsfahrbahn zwischen zwei Bäumen abstellt, parkt nicht in einer Feuerwehrzufahrt (§ 12 Abs. 1 Nr. 8 StVO; Beschl. v. 15. 9. 1997 – 2 Ss OWi 1064/97 – ZAP EN-Nr. 814/97 = MDR 1998, 281 = VRS 94, 306).

7. Autobahnen und Kraftstraßen (§ 18 StVO)

Das Verbot des Wendens auf einer Autobahn nach § 18 Abs. 7 StVO gilt auch, wenn ein Teilstück in beiden Fahrtrichtungen vollständig gesperrt ist (Beschl. v. 28. 8. 1997 – 2 Ss OWi 1000/97DAR 1998, 26 = NZV 1998, 40 = MDR 1998, 157 = NStZ-RR 1998, 85 = VRS 94, 307).

8. Sicherheitsgurte (§ 21 a StVO)

Den tatsächlichen Feststellungen muss zu entnehmen sein, ob für das benutzte Fahrzeug Sicherheitsgurte vorgeschrieben sind. Darüber hinaus muss sich aus den Feststellungen ergeben, ob ggf. die Voraussetzungen der Ausnahme des § 21 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StVO vorliegen, ob nämlich ggf. der Betroffene, der als Zeitungszusteller tätig ist, sich als Lieferant im Haus-zu-Haus-Verkehr befunden hat (Beschl. v. 18. 3. 1999 – 3 Ss OWi 232/99).

9. Ladung (§ 22 StVO)

Zu den Anforderungen an die Feststellungen hinsichtlich eines vorsätzlichen Verstoßes gegen § 22 StVO (falsche Beladung). Die Verletzung der Bestimmungen über die Verantwortlichkeit als Fahrzeugführer geht der Verletzung der Bestimmungen über die Verantwortlichkeit als Halter vor (Beschl. v. 25. 11. 1997 – 3 Ss OWi 1297/97).

10. Rennen (§ 29 StVO)

Die Teilnahme an einem Rennen i.S.d. § 29 Abs. 1 StVO setzt keine ausdrückliche vorherige Absprache aller Beteiligten voraus, sondern kann auch dadurch erfolgen, dass sich ein weiterer Kfz-Führer aus eigenem Entschluss an einer von anderen Fahrzeugführern durchgeführten Wettfahrt zur Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten beteiligt (hier: Verfolgung von zwei vor dem betroffenen Kfz-Führer unter maximaler Ausnutzung der Motorkraft fahrenden Pkw mit einem Abstand von ca. 5 Metern; Beschl. v. 7. 4. 1997 – 2 Ss OWi 260/97NZV 1997, 367 = MDR 1997, 735 = NStZ-RR 1997, 280 = NJW 1997, 2533 [Ls.] = VRS 93, 470).

Wird dem Betroffenen die Teilnahme an einem verbotenen "Rennen" im Straßenverkehr zur Last gelegt, ist es nicht ausreichend, wenn der Tatrichter lediglich feststellt, der Betroffene habe sich mit einem anderen Kraftfahrer "ein Rennen geliefert" (Beschl. v. 16. 5. 2000 – 5 Ss OWi 61/00 – Verkehrsrecht Aktuell 2000, 88).

11. Sonntagsfahrverbot (§ 30 StVO)

Zum Begriff des "Lastkraftwagens" im Sinn des Sonntagsfahrverbots (Beschl. v. 25. 2. 1997 – 2 Ss OWi 10/97MDR 1997, 585 = NZV 1997, 323 = VRS 93, 376).

12. Rotlichtverstoß (§ 37 StVO)

a) Allgemeines

Von einem qualifizierten Rotlichtverstoß gem. Nr. 34.2 BKat ist bei einer Missachtung des Rotlichts eines Wechsellichtzeichens nicht nur zu Beginn, sondern grundsätzlich während der gesamten Dauer der länger als eine Sekunde andauernden Rotlichtphase auszugehen (Beschl. v. 14. 11. 1996 – 3 Ss OWi 1178/96DAR 1997, 117 [Ls.] = NZV 1997, 406 [Ls.] = VRS 93, 130; v. 6. 3. 01 – 3 Ss 998/00; a.A. OLG Hamm [2. Strafsenat] DAR 1995, 501).

Nur derjenige verstößt gegen das Gebot "Halt vor der Kreuzung" (§ 37 Abs. 2 Nr. 1 S.7 StVO), der in den eigentlichen, durch die Lichtzeichenanlage geschützten Kreuzungsbereich einfährt, während in den Fällen, in denen der Betroffene zwar die Haltelinie überfährt, aber vor dem eigentlichen Kreuzungsbereich anhält, lediglich ein Verstoß gegen § 41 Abs. 3 Nr. 2 (Zeichen 294) vorliegt. Zu diesem geschützten Kreuzungsbereich gehört jedoch in den Fällen, in denen den sich kreuzenden Fahrbahnen eine Fußgängerfurt vorgelagert ist, auch diese Fußgängerfurt mit dem Fußgängerüberweg, so dass der Rotlichtverstoß bereits beim Einfahren in die Fußgängerfurt vollendet ist (Beschl. v. 6. 2. 1997 – 3 Ss OWi 15/97).

Steht zur Überzeugung des Tatgerichts fest, dass der Betroffene die für seine Fahrtrichtung geltende Haltelinie zu einem Zeitpunkt passierte, in dem die Lichtzeichenanlage für den Querverkehr bereits Grünlicht anzeigte, kann aus dem Schaltprogramm der ordnungsgemäß funktionierenden Lichtzeichenanlage auf den Rotlichtverstoß geschlossen werden. Diese Schlussfolgerung ist für das Rechtsbeschwerdegericht aber nur dann überprüfbar, wenn in den Urteilsfeststellungen der Programmablauf der Lichtzeichenanlage mitgeteilt wird (Beschl. v. 4. 12. 1997 – 3 Ss OWi 1424/97).

Einen Rotlichtverstoß begeht auch derjenige, der auf einer mit einem Linksabbiegerpfeil versehenen Fahrspur bei Grün in eine Kreuzung eingefahren ist, diese dann aber geradeausfahrend passiert hat, obwohl das für Geradeausfahrer geltende Lichtzeichen beim Erreichen der Haltelinie Rotlicht zeigte (Beschl. v. 17. 2. 1998, 2 Ss OWi 11/97 – ZAP EN-Nr. 285/98 = MDR 1998, 650 = VRS 95, 134).

b) Umfang der tatsächlichen Feststellungen

Es sind Feststellungen zum exakten Ablauf des Rotlichtverstoßes sowie zu dessen Messung zu treffen. Das ist nicht deshalb entbehrlich, weil der Betroffene eine "geständige Einlassung" abgegeben hat. Das bloße Geständnis des Betroffenen, bei Rot über die Ampel gefahren zu sein, da er das rote Licht zu spät gesehen habe, erlaubt nämlich keine Feststellung zur Zeit, die seit Umspringen der Ampel auf Rot vergangen ist (Beschl. v. 3. 8. 1999 – 4 Ss OWi 790/99).

Bei der irrigen Annahme des Betroffenen, eine Lichtzeichenanlage zeige Dauerrot und sei daher defekt, handelt es sich um einen Tatbestands- und nicht um einen Verbotsirrtum (§ 11 OWiG), so dass in diesen Fällen nur ein Fahrlässigkeitsvorwurf erhoben werden kann (Beschl. v. 10. 6. 1999 – 2 Ss OWi 486/99 = DAR 1999, 515 = VRS 97, 384 = NZV 2000, 52 = NStZ 1999, 518 = MDR 1999, 1264).

Bei einer Verurteilung wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes nach BKatV Nr. 34. 2. – länger als 1 Sekunde Rotlichtzeit – muss den amtsgerichtlichen Feststellungen entweder der Zeitpunkt des Einfahrens in den von der Lichtzeichenanlage gesicherten Kreuzungsbereich oder das Passieren der Haltelinie, soweit eine solche vorhanden ist, entnommen werden können (Beschl. v. 23. 1. 1997 – 2 Ss OWi 1038/96 – DAR 1997, 454 = MDR 1998, 102 = VRS 94, 309). Nicht ausreichend ist es, wenn im Urteil lediglich auf das Passieren der Lichtzeichenanlage abgestellt wird (Beschl. v. 21. 11. 2000 – 4 Ss OWi 1100/00). Die Feststellung, dass zum Zeitpunkt des Überfahrens der Haltelinie die Ampel Rotlicht gezeigt hat, muss vom Tatrichter nachvollziehbar aus dem Beweisergebnis hergeleitet werden. Dazu ist i.d.R. erforderlich, dass die Schaltphasen der Ampelanlage mitgeteilt werden. Allein aus dem Umstand, dass für den Querverkehr Grünlicht angezeigt worden ist, als der Betroffene in den Kreuzungsbereich hineingefahren ist, kann nicht auf einen Rotlichtverstoß eines Betroffenen geschlossen werden (Beschl. v. 18. 6. 1998 – 3 Ss OWi 503/98; v. 20. 5. 1999 – 3 Ss OWi 436/99 – DAR 1999, 417 [Ls.]). Etwas anderes kann gelten, wenn er die Ordnungswidrigkeit nach den Urteilsfeststellungen innerhalb einer geschlossenen Ortschaft begangen hat (vgl. dazu schon OLG Hamm VRS 85, 464, 465; VRS 91, 67, 68; >Beschl. v. 7. 9. 1999 – 4 Ss OWi 909/99>; v. 7. 9. 1999 – 4 Ss OWi 457/99).

Allein aus dem Umstand, dass der Betroffene zunächst vor der Rotlicht zeigenden Ampel gewartet hat, dann aber plötzlich losgefahren ist, lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass er einen ihm zur Last gelegten Rotlichtverstoß vorsätzlich begangen hat (Beschl. v. 5. 7. 2000 – 3 Ss OWi 578/00).

c) Feststellung der Rotlichtzeit

Eine Zeitmessung durch Zählen "21, 22" der zufällig einen Rotlichtverstoß beobachtenden Polizeibeamten genügt in der Regel nicht, um einen qualifizierten Rotlichtverstoß i. S. d. laufenden Nr. 34.2 BKatVO festzustellen (Beschl. v. 9. 7.1996 – 2 Ss OWi 786/96 – DAR 1996, 415 = NStZ-RR 1996, 347 = zfs 1996, 395 = VRS 92, 281 = ZAP EN-Nr. 659/96).

Bei einem Rotlichtverstoß kann für die Feststellung der Rotlichtzeit die Schätzung "21-22" eines die Lichtzeichenanlage gezielt überwachenden Polizeibeamten ausreichen, insbesondere wenn andere Umstände, die Richtigkeit der Schätzung erhärten (Hier: Entfernungsangaben; Beschl. v. 27. 9. 1996 – 2 Ss OWi 1070/96 – DAR 1997, 77 = NZV 1997, 130 = VRS 92, 441 = VM 1997 Nr. 101 = ZAP EN-Nr. 950/96).

Wegen der erheblichen Auswirkungen im Rechtsfolgenausspruch muss die Feststellung, dass das Rotlicht mehr als eine Sekunde angedauert hat, vom Tatrichter nachvollziehbar aus dem Beweisergebnis hergeleitet werden. Bei einer Schätzung der Rotlichtzeit durch den den Rotlichtverstoß zufällig beobachtenden Polizeibeamten muss angegeben werden, auf welcher Grundlage die Schätzung beruht (Beschl. v. 16. 1. 1997 – 3 Ss OWi 1540/96).

Zur Feststellung eins qualifizierten Rotlichtverstoßes bis zu zwei Sekunden genügt das bloße Zählen (21, 22) nicht (Beschl. v. 10. 2. 2000 – 5 Ss OWi 1342/99 – zfs 2000, 513 = Verkehrsrecht Aktuell 2001, 29).

Zur Ermittlung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes aufgrund von Zeit- und Entfernungsschätzungen von Polizeibeamten (Beschl. v. 20. 11. 1997 – 4 Ss OWi 1135/97 = VRS 94, 361).

Zu den Anforderungen an die Beweiswürdigung, wenn die Feststellungen zu einem Rotlichtverstoß auf den Beobachtungen eines Polizeibeamten beruhen (>Beschl. v. 10. 2. 1998, 1 Ss OWi 1591/97>).

d) Regelfall und Absehen von einem Fahrverbot

Neben den allgemeinen Gründen für ein Absehen von einem Fahrverbot (vgl. dazu unten A.II.3) können bei einem Rotlichtverstoß besondere Umstände zur Verneinung eines Regelfalls i.S.d. BußgeldkatalogVO und damit zu einem Absehen vom (Regel-)Fahrverbot führen.

aa) Allgemeines

In den Urteilsgründen bei Verhängung eines Regelfahrverbotes wegen fahrlässig begangenem Rotlichtverstoß mit Gefährdung oder Sachbeschädigung entsprechend Nr. 34.1 BKatV müssen Feststellungen zu persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen getroffen und dargelegt werden, weshalb ein Abweichen von einem Fahrverbot nicht in Betracht kommt (Beschl. v. 20. 5. 1999 – 3 Ss OWi 436/99 = DAR 1999, 417 [Ls.]).

Auch bei einem Rotlichtverstoß ist die Rechtsprechung des BGH zum Augenblicksversagen (NJW 1997, 3252 = NZV 1997, 525) zu berücksichtigen (für einen auf einem sog. Wahrnehmungsfehler bzw. auf dem sog. Mitzieheffekt beruhenden Rotlichtverstoß; Beschl. v. 11. 8. 1998 – 2 Ss OWi 727/98MDR 1999, 93 = VRS 96, 64 = NZV 1999, 176, v. 18. 6. 1998 – 1 Ss OWi 703/98).

bb) Absehen vom Regelfahrverbot

(1) Absehen nicht gerechtfertigt

Ein qualifizierter Rotlichtverstoß ist auch bei einem Wahrnehmungsfehler des Betroffenen jedenfalls dann gegeben, wenn er aus einer Ablenkung heraus die für ihn geltende Lichtzeichenanlage gänzlich unbeachtet lässt und sich allein an einer weiteren entfernteren Lichtzeichenanlage orientiert. Allerdings liegt bei derartigen Fallgestaltungen die Anwendung des § 2 Abs. 4 BKatV nahe (Beschl. v. 16. 7. 1996 – 3 Ss OWi 834/96 = VRS 92, 443).

Wer so unaufmerksam fährt, dass er ein von ihm zu beachtendes Wechsellichtzeichen überhaupt nicht wahrnimmt, verletzt seine Pflichten als Kraftfahrzeugführer in der Regel in so besonders grober Weise, dass es regelmäßig geboten ist, gegen ihn das Regelfahrverbot als Besinnungsmaßnahme zu verhängen (Beschl. v. 21. 2. 1997 – 2 Ss OWi 1545/96 = VM 1997, Nr. 99 = NZV 1997, 446 = VRS 93, 377).

Die Einstrahlung von Sonnenlicht auf eine LZA begründet wegen der damit häufig verbundenen schwierigen oder mißverständlichen Erkennung der jeweiligen Farbphase eine besondere Sorgfaltspflicht des Kraftfahrzeugführers. Die falsche Wahrnehmung der Farbphase angesichts solcher Lichtverhältnisse führt dann zu einer groben Pflichtverletzung auch in subjektiver Hinsicht, wenn der Kraftfahrzeugführer trotz solcher Lichtverhältnisse ohne weitere Vorsichtsmaßnahmen in einen Kreuzungsbereich einfährt und dort einen Unfall verursacht. (>Beschl. v. 11. 3. 1999 – 1 Ss OWi 203/99> = DAR 1999, 326 = NZV 1999, 302).

(2) Absehen gerechtfertigt

Von einem Regelfall i.S.d. laufenden Nr. 34.2 BußgeldkatalogVO ist dann nicht auszugehen und von einem (Regel-)Fahrverbot kann abgesehen werden, wenn der Betroffene irrig Umstände angenommen hat, bei deren Vorliegen die Voraussetzungen des § 16 OWiG gegeben wären. In Betracht kommt dann ggf. nur ein Fahrlässigkeitsvorwurf. Im entschiedenen Fall hat die Betroffene die aus einem neben ihr haltenden Pkw mit einer Anhaltekelle winkenden (Zivil-) Polizeibeamten nicht als solche erkannt, sondern sich von ihnen bedroht gefühlt und hatte Angst, dass die beiden sie überfallen wollten (Beschl. v. 28. 6. 1996, 2 Ss OWi 640/96 = DAR 1996, 416 = VM 1996 Nr. 123 [Ls.] = ZAP EN-Nr. 999/96 = NZV 1996, 503 = zfs 1996, 474 = VRS 92, 230).

Die Umstände des Einzelfalls (hier: ca. 3-minütiges Warten bei irriger Annahme von (Dauer-)"Rot" und Animation zur Weiterfahrt können es durchaus rechtfertigen, von einem deutlich unterdurchschnittlichen Handlungsunwert auszugehen, infolgedessen eine erheblich geringere, als die Regelbuße festzusetzen und von einem Fahrverbot abzusehen ist (Beschl. v. 10. 6. 1999 – 2 Ss OWi 486/99; insoweit nur in DAR 1999, 515).

Beruht ein Rotlichtverstoß auf einem sog. Mitzieheffekt, kann die Verhängung des an sich verwirkten Regelfahrverbots ausscheiden. Das gilt auch, wenn es aufgrund des Rotlichtverstoßes des Betroffenen zu einem Schaden gekommen ist. Das hindert nämlich nicht in jedem Fall die Annahme, dass es sich bei dem Verhalten des Betroffenen nicht um den Regelfall eines groben Pflichtverstoßes gehandelt hat (Beschl. v. 9. 11. 1999 – 2 Ss OWi 1065/99 = DAR 2000, 418 = ZAP EN-Nr.156/2000 = MDR 2000, 519 = VRS 98, 392).

13. Verkehrszeichen/Zusatzschilder (§ 39 StVO)

Verkehrszeichen sind nur ausnahmsweise unwirksam (Beschl. v. 9. 10. 1997 – 3 Ss OWi 684/97).

Die Verkehrsschilder, mit denen Geschwindigkeitsbeschränkungen angeordnet werden (Zeichen 274 zu § 41 Abs. 2 Nr. 7 StVO; sog. Streckenverbote) enthielten früher nicht nur die Ziffern, die die zulässige Höchstgeschwindigkeit angeben, sondern zusätzlich auch noch die Angabe "km". Diese ist dann durch eine Änderung der StVO Ende der 80-ziger Jahre an sich weggefallen. Nach § 53 Abs. 4 StVO behielten die Verkehrsschilder, die auch danach noch den Zusatz "km" führten, ihre alte – geschwindigkeitsbeschränkende – Bedeutung bis längstens zum 31. 12. 98. Diese gesetzliche Frist hat allerdings nicht die Folge, dass mit Ablauf dieses Datums eine zuvor angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung nun entfallen ist. (Beschl. v. 17. 8. 2000 – 1 Ss OWi 772/2000 = Verkehrsrecht Aktuell 2001, 30).

"Nässe" im Sinn der Zusatzschildes 1052-36 der StVO ist gegeben, wenn die gesamte Fahrbahn mit einem Wasserfilm überzogen ist (Beschl. v. 15. 11. 2000 – 2 Ss OWi 1057/2000 = ZAP EN-Nr. 784/2000 = DAR 2001, 85 = NZV 2001, 90).

Der Samstag ist auch heute noch als Werktag im Sinn des Zusatzschildes Zeichen 1042-31 gemäß § 39 Abs. 4 StVO anzusehen (Beschl. v. 7. 3. 01, 2 Ss OWi 127/01 = VRS 100, 468 = NZV 2001, 355 = DAR 2001, 376).

14. Vorschriftzeichen (§ 41 StVO)

Bei der Feststellung der Gewichte eines Sattelkraftfahrzeugs ist nicht von einer bloßen Addition der einzelnen Gewichte von Zugmaschine und Auflieger auszugehen, vielmehr ist zwischen der Sattelzugmaschine einschließlich Sattellast einerseits und den tatsächlich vorhandenen Achslasten des Sattelanhängers andererseits zu unterscheiden (§ 41 Abs. 2 Nr. 6 [Zeichen 262]; Beschl. v. 20. 1. 1998 – 3 Ss OWi 1544/97).

Zwar verlangt der für Verkehrszeichen geltende Sichtbarkeitsgrundsatz die Wiederholung aller Streckenvorschriftszeichen, wie z.B. Zeichen 274 StVO, hinter jeder Kreuzung oder Einmündung auf der Straßenseite, für die das Gebot oder Verbot besteht; dies gilt jedoch nur für den Einbiegevorgang (Beschl. v. 5. 7. 2001, 2 Ss OWi 524/01).

II. Straßenverkehrsgesetz

1. Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 StVG)

a) Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG)

Zur Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit und zu den erforderlichen Feststellungen unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 25 Abs. 2 a StVG bei einer Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (Beschl. v. 9. 1. 2001 – 2 Ss 1244/2000DAR 2001, 176 = VRS 100, 93 = NZV 2001, 224).

b) Zulassen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 2 StVG)

Die Annahme, der Fahrzeughalter müsse ganz allgemein verhindern, dass Personen, die nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis sind, Zugang zu Fahrzeugschlüssel erhalten können, ist verfehlt. Erforderlich ist vielmehr die Feststellung konkreter Umstände, die die Befürchtung eines Missbrauchs begründen; das lässt sich auch nicht allein aus dem Alter und dem Umstand, dass der Betreffende nicht (mehr) über eine Fahrerlaubnis verfügt, ableiten (Beschl. v. 2. 7. 1998 – 3 Ss 758/98; v. 29. 7. 1999 – 4 Ss 791/99).

2. Führen eines Kfz nach Alkoholgenuss – 0,8 Promillegrenze (§ 24 a StVG)

a) Allgemeines/Feststellungen

Ein Mofa ist, auch wenn es im Pedalbetrieb geführt wird, ein Kraftfahrzeug i.S.d. § 24 a StVG. Zur Vermeidbarkeit eines Verbotsirrtums über die Frage der Einordnung eines Mofa als Kraftfahrzeug (Beschl. v. 6. 3. 1997 – 3 Ss OWi 210/97).

Bei der Bestimmung der Blutalkoholkonzentration kommt der dritten Dezimalen hinter dem Komma ein signifikanter Aussagewert nicht zu; sie ist außer Betracht zu lassen und zwar sowohl für die Errechnung des Mittelwertes wie für die der Einzelwerte (Beschl. v. 11. 1. 2000 – 3 Ss OWi 1219/99NZV 2000, 340 = NJW 2000, 2832 [Ls.] = BA 2000, 251).

Die tatsächlichen Feststellungen müssen die Art und die Umstände der Alkoholaufnahme durch den Betroffenen erkennen lassen (Beschl. v. 27. 7. 1999 – 4 Ss OWi 706/99) bzw. ggf. auch die Umstände des Anhaltens durch die Polizei (Beschl. v. 25. 5. 2000 – 4 Ss OWi 62/00).

Ist bei der Bestimmung der Atemalkoholkonzentration i.S.v. § 24 a Abs. 1 StVG unter Verwendung des Messgerätes Dräger Alcotest 7110 Evidential MK III von dem gewonnenen Messwert ein Sicherheitsabschlag in Höhe der jeweiligen Verkehrsfehlergrenze nach der Eichordnung zuzüglich eines weiteren Abschlages von 4  % vom Messwert für die Hysterese geboten? (Vorlagebeschluss gegen Beschl. des BayObLG v. 12. 5. 2000 – 2 ObOWi 598/99v. 4. 7. 2000 – 3 Ss OWi 179/00DAR 2000, 534 = Verkehrsrecht Aktuell 2000, 45 = NZV 2000, 427 = BA 2000, 385 = zfs 2000, 459).

Bei einer Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen § 24 a StVG muss dem tatrichterlichen Urteil nicht nur die Messmethode zu entnehmen sein, sondern auch, mit welchem Bauart zugelassenen Messgerät die Messergebnisse gewonnen sind, dass dieses Messgerät zum Zeitpunkt der Messung gültig geeicht war und dass die Bedingungen für das Messverfahren gewahrt sind (>Beschl. v. 18. 6. 2001 – 2 Ss OWi 455/01; 5. 7. 2001 – 2 Ss OWi 23/01).

Zum Umfang der erforderlichen Feststellungen bei einer Atemalkoholmessung; in NRW ist ggf. die Mitteilung der verwendeten Software erforderlich (Beschl. v. 13. 12. 2000 – 4 Ss OWi 1154/00).

Ein objektiver Verstoß gegen § 24 a Abs. 2 Satz 2 StVG setzt voraus, dass eine der in der Anlage zu § 24 a StVG aufgeführten Substanzen im Blut des Kraftfahrzeugführers nachgewiesen wird. Umgekehrt scheidet eine Verkehrsordnungswidrigkeit gemäss § 24 a Abs. 2 StVG aus, wenn eine solche Substanz nicht im Blut nachgewiesen wird (Beschl. v. 9.5.2001 – 5 Ss OWi 137/00 – BA 2001, 285).

Ist die Alkoholisierung eines Kraftfahrzeugsführers mittels einer Atemalkoholanalyse in einem standardisierten Messverfahren ermittelt worden, so erfordert eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung in den Urteilsgründen Angaben über das Messverfahren, das Messergebnis und die Einhaltung der Wartezeit von 10 Minuten zwischen Trinkende und Beginn der Messung sowie der Kontrollzeit von 10 Minuten vor Beginn der Messung während der Proband keinerlei Substanzen zu sich nehmen darf (Beschl. v. 26.10.2000 – 4 Ss OWi 729/00 – BA 2001,188).

b) (Absehen vom) Regelfahrverbot

Eine das Absehen vom Regelfahrverbot wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24 a StVG rechtfertigende außergewöhnliche Härte kann darin gefunden werden, dass der Betroffene bei Verhängung des Fahrverbots seine Arbeitsstelle verliert und bei ihm besondere Umstände vorliegen, die ihn eine neue Arbeitsstelle nur schwer finden lassen. Das gilt besonders, wenn er für Familienangehörige zu sorgen hat (Beschl. v. 7. 5. 1996 – 1 Ss OWi 383/96 – zfs 1996, 316).

Zur Verhängung eines Fahrverbots bei einer Ordnungswidrigkeit nach § 24 a StVG bei einem als freien Mitarbeiter bei einer Unternehmensberatung tätigen Betroffenen (Beschl. v. 3. 11. 1998 – 2 Ss OWi 1181/98 – DAR 1999, 84 = MDR 1999, 92 = VRS 96, 231 = NZV 1999, 214).

In den Fällen des § 24 a StVG rechtfertigen nur Härten ganz außergewöhnlicher Art oder sonstige das äußere und innere Tatbild beherrschende außergewöhnliche Umstände das Absehen von der Verhängung des Regelfahrverbots (st. Rspr. aller Senate, vgl. u.a. Beschl. v. 17. 11. 1998 – 4 Ss OWi 1295/98; v. 20. 4. 1999 – 1 Ss OWi 235/99; v. 16. 5. 2000 – 1 Ss OWi 336/2000). Das gilt erst recht, wenn der Betroffene bereits einmal wegen eines Verstoßes gegen § 24 a StVG in Erscheinung getreten ist. Auch der Umstand, dass der Betroffene als Berufskraftfahrer tätig ist, ändert daran nichts. Ggf. eintretende wirtschaftliche und berufliche Folgen muss der Betroffene als selbstverschuldet hinnehmen. Hat das Amtsgericht dann das dreimonatige Fahrverbot auf einen Monat reduziert, ist es nicht zu beanstanden, wenn es dieses dann nicht auch noch auf den Privat-Pkw des Betroffenen beschränkt (Beschl. v. 17. 2. 2000 – 2 Ss OWi 1175/99 – ZAP EN-Nr. 269/2000 = VRS 98, 381 = VM 2000, 52 [Nr. 61]) = BA 2000, 513 = NZV 2001, 89).

Das Rechtsbeschwerdegericht hat auch die Entscheidung des Tatrichters von einem an sich nach §§ 25 Abs. 1 Satz 2, 24 a StVG verwirkten Regelfahrverbot abzusehen, bis zur "Grenze des Vertretbaren" hinzunehmen. Ein Absehen von einem Fahrverbot ist in diesem Fall nicht nur gerechtfertigt, wenn ein Existenzverlust sicher feststeht, sondern bereits dann, wenn dieser aufgrund konkreter Umstände nachprüfbar droht (Beschl. v. 2. 3. 2000 – 1 Ss OWi 211/00).

Zu den Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen bei einem (vorsätzlichen) Verstoß gegen § 24 a StVG infolge Genusses von Haschisch (Beschl. v. 9. 5. 2000 – 5 Ss OWi 137/2000 – BA 2001, 286).

3. Fahrverbot (§ 25 StVG)
Hinzuweisen ist auch auf die unter A.I.3.e "Geschwindigkeitsüberschreitung" und auf A.II.12.d. "Rotlichtverstoß" zusammengestellten Entscheidungen.

a) Allgemeines

Um dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung zu ermöglichen, ob die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Satz 2 BKatV gegeben sind, hat der Tatrichter in den Entscheidungsgründen nicht nur die Höhe der Geldbuße und den Zeitpunkt der Rechtskraft der Vorentscheidung darzulegen, sondern muss auch das konkrete Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung mitteilen (Beschl. v. 27. 11. 1998 – 4 Ss OWi 1146/98).

Es besteht keine Veranlassung, Führer von Leichtkrafträdern von der Verhängung eines Fahrverbots grds. auszunehmen (Beschl. v. 17. 2. 1998 – 2 Ss OWi 11/97 – ZAP EN-Nr. 285/98 = MDR 1998, 650 = VRS 95, 134).

Die Auswirkungen des Fahrverbots hat das Amtsgericht ggf. näher zu ermitteln, es darf sie nicht ungeprüft aus der Einlassung des Betroffenen übernehmen (Beschl. v. 20. 4. 1999 – 1 Ss OWi 235/99).

Jedenfalls bei der Verhängung erheblicher Rechtsfolgen sind auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Betroffenen sowie zu ihren Vorbelastungen geboten (Beschl. v. 30. 4. 1999 – 3 Ss OWi 297/99 – zfs 2000, 270).

Zu den Voraussetzungen der Verhängung eines Fahrverbotes und deren Begründung, insbesondere bei nicht in der BKatVO normierten Fällen (Beschl. v. 5. 8. 1999 – 4 Ss OWi 794/99VRS 98, 44 = NZV 2000, 53).

Zum erforderlichen Umfang der tatrichterlichen Ausführungen, wenn ein höheres als das Regelfahrverbot festgesetzt werden soll (Beschl. v. 11. 1. 2001 – 2 Ss OWi 1163/2000DAR 2001, 283 = NVZ 2001, 178 = NJW 2001, 1876).

b) "Augenblicksversagen"

aa) Allgemeines

Nach der neuen Rspr. des BGH (vgl. Beschl. v. 11. 9. 1997 – 4 StR 557/96 – u.a. in NJW 1997, 3252) kommt bei einer i. S. d. Regeltatbestände der BKatVO "qualifizierten" Überschreitung der durch Zeichen 274 der StVO (beschränkten) Geschwindigkeit die indizielle Wirkung der Verwirklichung des Regelbeispiels für die Verhängung eines Fahrverbots nur mit Einschränkung zum Tragen. Dem Kfz-Fahrer kann danach das für ein Fahrverbot erforderliche grob pflichtwidrige Verhalten nicht vorgeworfen werden, wenn der Grund für die von ihm begangene Geschwindigkeitsüberschreitung darin liegt, dass er das die Geschwindigkeit begrenzende Zeichen nicht wahrgenommen hat, es sei denn, gerade diese Fehlleistung beruht ihrerseits auf einer groben Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit. Daher bedarf es, wenn der Betroffene sich gegenüber dem Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung dahin einlässt, er habe das die Geschwindigkeit begrenzende Verkehrszeichen übersehen, näherer tatrichterlicher Feststellungen zu den äußeren Umständen der Geschwindigkeitsbeschränkung (Beschl. v. 15. 12. 1997 – 2 Ss OWi 1375/97 – DAR 1998, 150 = VRS 95, 59 = ZAP EN-Nr. 90/98; v. 5. 8. 1999 – 4 Ss OWi 714/99).

Registriert der Betroffene über einen längeren Zeitraum nicht, dass er sich nicht mehr auf der BAB befindet, sondern bereits auf einer Landstraße, dann beruht die dort begangene Geschwindigkeitsüberschreitung auf grober Nachlässigkeit, ein Augenblicksversagen infolge eines "Blackouts" scheidet dann aus (Beschl. v. 18. 12. 1997 – 3 Ss OWi 1524/97).

Lässt der Betroffene sich gegenüber dem Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung nach § 41 StVO i.V.m. Zeichen 274 StVO dahin ein, er habe die Straße, auf der die Geschwindigkeit innerorts auf 30 km/h beschränkt war, erstmals befahren und das die Geschwindigkeit beschränkende Verkehrsschild aus Fahrlässigkeit übersehen, kann im Hinblick auf die Rechtsprechung des BGH v. 11. 9. 1997 (4 StR 557/96 – vgl. u.a. NJW 1997, 3252) ein Entfallen des ggf. verwirkten Regelfahrverbots in Betracht kommen (Beschl. v. 25. 2. 1998 – 2 Ss OWi 179/98 – DAR 1998, 323 = NStZ-RR 1998, 248 = NZV 1998, 334 = MDR 1998, 965 = zfs 1998, 354 = VRS 95, 230). Es ist dann auch keine Erhöhung der Regelgeldbuße möglich (Beschl. v. 25. 2. 1999 [wie vor]; v. 13. 8. 1998 – 1 Ss OWi 754/98 – NZV 1999, 92, Beschl. v. 8. 5. 2001 – 1 Ss OWi 362/01).

Auch bei einem Rotlichtverstoß ist die Rechtsprechung des BGH zum Augenblicksversagen (NJW 1997, 3252) zu berücksichtigen (für einem auf einem sog. Wahrnehmungsfehler bzw. auf dem sog. Mitzieheffekts beruhenden Rotlichtverstoß; Beschl. v. 11. 8. 1998 – 2 Ss OWi 727/98MDR 1999, 93 = VRS 96, 64 = NZV 1999, 176).

Wer auf einer BAB an einer Stelle, an der die Geschwindigkeit durch Zeichen 274 zu § 41 StVO auf 60 km/h beschränkt ist, die zulässige Geschwindigkeit um rund 76 % (= gemessen 106 km/h) überschreitet, handelt auch dann grob nachlässig oder gleichgültig, wenn entgegen der Verwaltungs-VO zu den Zeichen 274, 276 und 277 ein sog. Geschwindigkeitstrichter nicht eingerichtet ist. Damit ist die Verhängung eines Fahrverbots wegen einer auch subjektiv groben Pflichtwidrigkeit angemessen (Beschl. v. 8. 12. 1998 – 2 Ss OWi 1385/98VRS 96, 388 = NZV 1999, 341).

Die Grundsätze der Rechtsprechung des BGH zum Augenblicksversagen gelten entsprechend für die Fälle der "Beharrlichkeit" i. S. d. § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG, so dass also "Beharrlichkeit" i. S. v. § 25 Abs. 1 S. 1 StVG dann nicht gegeben ist, wenn der dem Kraftfahrzeugführer vorgeworfene Verstoß, der die "Beharrlichkeit" begründen soll, auf ein sog. "Augenblicksversagen" zurückgeht (Beschl. v. 24. 6. 1999 – 2 Ss OWi 509/99 – ZAP EN-Nr. 615/99 = MDR 1999, 1322 = NStZ-RR 1999, 374 = VRS 97, 449 = NZV 2000, 92; v. 3. 12. 1999 – 2 Ss OWi 1144/99).

Die bei einer Geschwindigkeitsmessung grundsätzlich einzuhaltende Mindestentfernung von 200 m zu dem Beginn und dem Ende einer Geschwindigkeitsbeschränkung (Runderlass des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 22. 5. 1996 (Ministerialblatt 1996, 956) kann unterschritten werden, wenn ein sachlicher Grund vorliegt. Ist das der Fall, kann sich der Betroffene nicht auf ein Augenblicksversagen berufen, wenn er die Geschwindigkeitsbeschränkung übersehen hat (Beschl. v. 18. 5. 2000 – 5 Ss 1106/99 – DAR 2000, 580).

Befinden sich das Ortseingangsschild und das die Geschwindigkeit auf 30 km/h begrenzende (Zonen-)Zeichen 274.1 jeweils nur einmal auf gleicher Höhe oder in unmittelbarem räumlichen Abstand hintereinander, lässt sich ein sog. Augenblicksversagen im Sinn der Rechtsprechung des BGH in der Regel nur schwerlich widerlegen (Beschl. v. 30. 4. 1999 – 2 Ss OWi 386/99 – DAR 1999, 417 [Ls.] = MDR 1999, 1064 = NStZ-RR 1999, 313 = VRS 97, 272 = NZV 2000, 96).

Die Einstrahlung von Sonnenlicht auf eine LZA begründet wegen der damit häufig verbundenen schwierigen oder mißverständlichen Erkennung der jeweiligen Farbphase eine besondere Sorgfaltspflicht des Kraftfahrzeugführers. Die falsche Wahrnehmung der Farbphase angesichts solcher Lichtverhältnisse führt dann zu einer groben Pflichtverletzung auch in subjektiver Hinsicht, wenn der Kraftfahrzeugführer trotz solcher Lichtverhältnisse ohne weitere Vorsichtsmaßnahmen in einen Kreuzungsbereich einfährt und dort einen Unfall verursacht. (Beschl. v. 11. 3. 1999 – 1 Ss OWi 203/99 – DAR 1999, 326 = NZV 1999, 302).

Es spricht einiges für ein "Augenblicksversagen", wenn von den in gleicher Höhe an einer Gemeindegrenze aufgestellten Schildern das Ortseingangsschild durch einen belaubten Zweig verdeckt, während das Ortsausgangsschild gut sichtbar ist (Beschl. v. 14. 9. 1999 – 2 Ss OWi 475/99).

Zum Augenblicksversagen, wenn der Betroffene sich nach dem Verlassen der BAB nicht auf die nunmehr für ihn geltenden geschwindigkeitsregelnden Maßnahmen einstellt (Beschl. v. 17. 8. 2000 – 1 Ss OWi 772/2000).

Ist dem Betroffenen die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h "bewusst", berechtigt ihn allein eine Verbreiterung der Straße nicht zu der Annahme, dass nun die Geschwindigkeitsbeschränkung aufgehoben ist. Das gilt auch, wenn der Betroffene aufgrund eines Streites seiner Kinder, die sich im Pkw befinden, abgelenkt war (Beschl. v. 19. 2. 2001 – 2 Ss OWi 43/01 – DAR 2001, 322).

bb) Tatsächliche Feststellungen

Lässt sich der Betroffene gegenüber dem Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung dahin ein, er habe das die Geschwindigkeit begrenzende Verkehrszeichen übersehen, bedarf es im Hinblick auf die Entscheidung des BGH vom 11.09.1997 (NJW 1997, 3252) näherer tatrichterlicher Feststellungen zu den äußeren Umständen der Geschwindigkeitsbeschränkung (Beschl. v. 15. 12. 1997 – 2 Ss OWi 1365/97 – DAR 1998, 150 = NZV 1998, 164 = zfs 1998, 232 = VRS 95, 58; v. 15. 12. 1998 – 1 Ss OWi 1152/98; v. 11. 8. 1998 – 3 Ss OWi 906/98; v. 6. 5. 1999 – 4 Ss OWi 465/99).

Zu den erforderlichen Feststellungen hinsichtlich der Verhängung eines Fahrverbots, wenn sich der Betroffene einlässt, er habe das die Geschwindigkeit regelnde Verkehrszeichen übersehen, weil er ortsfremd gewesen sei und sich verfahren habe (Beschl. v. 12. 3. 1998 – 3 Ss OWi 268/98).

Ist der Tatrichter zu der Überzeugung gelangt, der Betroffene habe ein Verkehrszeichen nicht nur aus einfacher Unachtsamkeit übersehen, sondern deshalb mißachtet, weil er schneller habe vorankommen wollen, weshalb seine Fehlleistung auf einer grob pflichtwidrigen Außerachtlassung der gebotenen Aufmerksamkeit beruhe, muss den Feststellungen in einer für das Rechtsbeschwerdegericht nachprüfbaren Weise zu entnehmen sein, aufgrund welcher äußeren Umstände das Gericht zu dieser Überzeugung gekommen ist (Beschl. v. 11. 8. 1998 – 3 Ss OWi 906/98).

Lässt sich der Betroffene gegenüber dem Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung dahin ein, er habe nicht gesehen, dass er sich in einer Tempo-30-Zone befunden habe, muss das amtsgerichtliche Urteil im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des BGH zur subjektiven Vorwerfbarkeit (NJW 1997, 3252) nähere Feststellungen zur Einrichtung der Tempo-30-Zone (Geschwindigkeitstrichter, nur ein Schild oder weitere Beschilderung) enthalten (Beschl. v. 30. 04. 1999 – 2 Ss OWi 382/99 – DAR 1999, 327 = VRS 97, 207 v. 12. 4. 1999 – 2 Ss OWi 25/99 – DAR 1999, 327 = ZAP EN-Nr. 402/99 = VRS 97, 210; v. 15. 4. 1999 – 2 Ss OWi 196/99VRS 97, 212 = MDR 1999, 931).

Zu den Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen im Hinblick auf ein "Augenblicksversagen" bei der Verhängung eines Fahrverbots wegen einer in einer Tempo-30-Zone begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung (Beschl. v. 24. 3. 2000 – 2 Ss OWi 267/2000 – DAR 2000, 325 = MDR 2000, 765 = Verkehrsrecht Aktuell 2000, 7 = StraFo 2000, 234 = zfs 2000, 319 = VRS 98, 452 = NZV 2000, 341).

Zum Absehen vom Fahrverbot bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung infolge bloßem Übersehens des Ortseingangsschildes (Beschl. v. 8. 6. 2000 – 4 Ss OWi 396/00; v. 23. 1. 01 – 4 Ss OWi 1234/00).

Beruft sich ein Kraftfahrer darauf, dass er fälschlicherweise davon ausgegangen sei, dass eine Verkehrsbeschränkung aufgehoben worden sei und kann ihm diese Einlassung nicht widerlegt werden, so scheidet zwar die Verhängung eines Fahrverbots nicht notwendig aus, der Tatrichter hat sich jedoch unter Berücksichtigung aller übrigen Tatumstände mit der entsprechenden Einlassung des Betroffenen in den Urteilsgründen auseinander zu setzen (Beschl. v. 29. 6. 2000 – 4 Ss OWi 651/2000).

c) Absehen vom (Regel-)Fahrverbot

aa) Allgemeines

In den Fällen des § 2 Abs. 1 BußgeldkatalogVO reichen grds. schon erhebliche Härten oder eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände aus, um eine Ausnahme von einem sonst an sich zu verhängenden Regelfahrverbot zu begründen (Beschl. v. 27. 8. 1996 – 2 Ss OWi 926/96 – NZV 1997, 240 = VRS 92, 369).

Die eigenen Angaben des Betroffenen sind nicht ungeprüft hinzunehmen (Beschl. v. 11. 3. 1997 – 3 Ss OWi 100/97).

Die Notwendigkeit, Feststellungen zu den persönlichen, insbesondere beruflichen Verhältnissen, des Betroffenen zu treffen, entfällt nicht deshalb, weil ein Regelfahrverbot vorliegt. In solchen Fällen ist allein der notwendige Begründungsaufwand für den Tatrichter gemindert (Beschl. v. 9. 11. 1999 – 4 Ss OWi 1061/99 – DAR 2000, 130).

Das Absehen vom Regelfahrverbot muss der Tatrichter begründen und ausreichend mit Tatsachen belegen (Beschl. v. 9. 1. 2001 – 2 Ss OWi 1127/2000 = DAR 2001, 229).

Der Tatrichter muss sich auch mit persönlichen Umständen, die ein Absehen vom Fahrverbot ggf. rechtfertigen, erkennbar auseinandersetzen, da anderenfalls das Rechtsbeschwerdegericht nicht überprüfen kann, ob das Amtsgericht das Vorbringen des Betroffenen ggf. zu Recht als unerheblich und zur Begründung eines Ausnahmefalles, der ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigt, nicht geeignet angesehen hat (Beschl. v. 31. 8. 2000 – 5 Ss OWi 837/00).

bb) Begründung der Entscheidung

Rechtsfehlerhaft ist es bei der Erörterung etwaiger wirtschaftlicher oder beruflicher Auswirkungen eines zu verhängenden Fahrverbotes auszuführen, der Grundsatz "im Zweifel für den Betroffenen" gelte insoweit nicht, deshalb seien Umstände, die zu einer Unzumutbarkeit des Fahrverbots führten, von dem Betroffenen nachzuweisen, was aber nicht geschehen sei (Beschl. v. 28. 11. 1996 – 3 Ss OWi 1268/96).

Der Tatrichter muss für seine Überzeugung, dass die Verhängung eines Fahrverbots unangemessen ist und der notwendige Warneffekt schon unter angemessener Erhöhung der Regelgeldbuße erreicht werden kann, eine auf Tatsachen gestützte eingehende Begründung geben. Dafür reicht der Hinweis, der Betroffenen sei es wegen der "ungünstigen Zeiten" der öffentlichen Verkehrsmittel nicht möglich, ihr Kleinkind, das während ihrer beruflichen Abwesenheit von ihrer Schwester beaufsichtigt wird, mit öffentlichen Verkehrsmitteln abzuholen, weshalb sie auf die Fahrerlaubnis angewiesen sei. Vielmehr bedarf es einer eingehenden Darstellung der "ungünstigen Zeiten" (Beschl. v. 26. 9. 1996 – 2 Ss OWi 1075/96 = ZAP EN-Nr. 902/96 = VRS 92, 367). Ebenfalls nicht ausreichend ist der bloße Hinweis auf die Tätigkeit des Betroffenen als Fußballreporter im ganzen Bundesgebiet (Beschl. v. 15. 4. 1998 – 4 Ss OWi 415/98).

Will das Amtsgericht von der Verhängung eines Fahrverbots ausnahmsweise absehen, muss es seine Entscheidung nachvollziehbar begründen und darf sich nicht nur in einer unkritischen Wiedergabe der Einlassung des Betroffenen erschöpfen (Beschl. v. 1. 10.1996 – 2 Ss OWi 1102/96 – VRS 93, 215; v. 24. 5. 1998 – 3 Ss OWi 160/98; v. 11. 8. 1998 – 3 Ss OWi 697/98; v. 28. 5. 1998 – 1 Ss OWi 434/98).

Wenn bei einem bislang nicht verkehrsrechtlich in Erscheinung getretenen Betroffenen durch ein Fahrverbot unverhältnismäßig hohe, zu einer realen Existenzgefährdung führende Aufwendungen entstehen, bedarf es ausnahmsweise näherer Erörterung, warum nicht mit einer erhöhten Geldbuße der Denkzettel- und Besinnungsfunktion genügt werden kann (Beschl. v. 20.11.1997 – 2 Ss OWi 1294/97zfs 1998, 75).

Will der Tatrichter von einem nach der BKatVO verwirkten Regelfahrverbot gem. § 2 Abs. 4 BKatVO absehen, muss er für seine Entscheidung eine auf Tatsachen gestützte Begründung geben. Dazu gehört z.B., dass, wenn wegen der hohen Kosten die Verweisung auf öffentliche Verkehrsmittel oder Taxen als nicht zumutbar angesehen wird, die ggf. entstehenden Kosten dargelegt werden. Auch müssen nähere Feststellungen dazu getroffen werden, wenn das Absehen vom Fahrverbot u. a. damit begründet wird, dass es dem Betroffenen nicht möglich sein soll, nach seiner regelmäßigen Arbeitszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu einer beruflichen Fortbildungsmaßnahme zu kommen (hier: Meisterschule; Beschl. v. 29. 1. 1998 – 2 Ss OWi 1527/97 – ZAP EN-Nr. 200/98 = MDR 1998, 593 = VRS 95, 138).

Der Tatrichter kann seine Entscheidung, bei einem in schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen lebenden Arbeitslosen von einem Regelfahrverbot nicht gegen Erhöhung der Geldbuße absehen zu wollen/können, nicht damit begründen, dass "auch eine fühlbare Erhöhung der Geldbuße bei diesem Betroffenen nicht den vom Gesetzgeber beabsichtigten Denkzettel haben würde". Das lässt nämlich befürchten, dass das Amtsgericht der Ansicht gewesen ist, dass wegen der wirtschaftlich bedrängten Verhältnisse des Betroffenen bei ihm eine Erhöhung der Geldbuße überhaupt nicht in Betracht kommt (Beschl. v. 12. 9. 2000 – 2 Ss OWi 888/00 – Verkehrsrecht Aktuell 2000, 88 = VRS 100, 56 = zfs 2001, 40).

Bei einem wirtschaftlich schwachen Betroffenen, der als Taxifahrer tätig und noch nicht verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten ist, kann, wenn zwischen der Begehung der Tat und der Verurteilung ein längerer Zeitraum verstrichen ist, das Absehen von einem Regelfahrverbot gegen Erhöhung der Geldbuße in Betracht kommen. Bei der Abwägung hat der Tatrichter zu berücksichtigen, dass durch die Erhöhung der Höchstgrenzen für Geldbußen in § 17 OWiG zum 1. März 1998 dem Tatrichter für die Erhöhung seitdem ein höherer Bußgeldrahmen zur Verfügung steht (Beschl. v. 2. 7. 2001 – 2 Ss OWi 543/01).

Der Tatrichter muss für seine Entscheidung, von einem Regelfahrverbot absehen zu wollen, eine eingehende auf Tatsachen gestützte Begründung geben (Beschl. v. 28. 11. 2000 – 4 Ss OWi 969/00; v. 18. 1. 2001 – 4 Ss OWi 1210/00).

cc) Gründe für Absehen/Nichtabsehen

Zu verweisen ist zunächst (auch) auf die Entscheidungen bei "Augenblicksversagen" unter A. II 3 b und bei "Rotlichtverstoß" unter A. I. 11. d.

Von der Verhängung eines Fahrverbotes ist nicht deshalb abzusehen, weil zwischen Tat und Urteil ein Zeitraum von 11 Monaten liegt (Beschl. v. 16. 5. 2000 – 5 Ss OWi 19/00).

Ein erheblicher Zeitablauf seit der Tat kann dazu führen, dass es ausnahmsweise der Warn- und Denkzettelfunktion eines (Regel-)Fahrverbotes nicht mehr bedarf. Ein Zeitraum von 1 Jahr und 5 Monaten seit Begehung der Tat bis zur Verurteilung ist hierfür jedoch nicht ausreichend (Beschl. v. 18. 5. 2000 – 5 Ss OWi 1106/99 – DAR 2000, 580) .

(1) Tatumstände

Die Umstände, dass eine außerhalb geschlossener Ortschaft begangene Geschwindigkeitsüberschreitung auf einer autobahnähnlich ausgebauten Straße erfolgt ist, dass der Betroffene unbelastet war, sowie dass der Verkehrsverstoß zu verkehrsarmer Zeit geschehen ist und dass der Betroffene ein sogenannter Vielfahrer ist, rechtfertigen weder allein noch zusammen das Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots (Beschl. v. 29. 4. 1999 – 2 Ss OWi 1533/98 – DAR 1999, 415 [Ls.] = NZV 1999, 394 = VRS 97, 261).

(2) Persönliche Umstände

Die tatrichterliche Entscheidung des Amtsgerichts, das unter Würdigung folgender Umstände: straßenverkehrsrechtlich seit fast 30 Jahren nicht in Erscheinung getreten, berufliche Tätigkeit als Inhaber einer Firma mit 30 Mitarbeitern, gravierender Verkehrsverstoß (Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 42%), dennoch nicht von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (Beschl. v. 27. 8. 1996 – 2 Ss OWi 926/96 – NZV 1997, 240 = VRS 92, 369).

Ist der Betroffene nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils zu seinen persönlichen Verhältnissen nicht nur beruflich, sondern aufgrund der Erkrankung von Familienangehörigen (hier: zwei Kinder) auch privat weitgehend auf die Nutzung seines Kraftfahrzeuges angewiesen und wird außerdem festgestellt, dass er im Falle der Verhängung eines Fahrverbotes mit der Kündigung durch seinen Arbeitgeber zu rechnen hat, kann ein Absehen vom Fahrverbot gegen Erhöhung der Geldbuße in Betracht kommen (Beschl. v. 30. 9. 1996 – 3 Ss OWi 972/96 – VRS 92, 432).

Die vom Amtsgericht erörterten Umstände – weite Entfernung vom Wohnort zur Arbeitsstätte, ggf. finanzielle Nachteile durch das zu verhängende Fahrverbot – sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats grundsätzlich nicht geeignet, eine Ausnahme von der Verhängung eines Regelfahrverbots rechtfertigen zu können (Beschl. v. 31. 1. 1997 – 2 Ss OWi 1565/96VRS 93, 380).

Einem Betroffenen, der geltend macht, aus gesundheitlichen Gründen auf die Fahrerlaubnis angewiesen zu sein, kann zugemutet werden, für den verhältnismäßig kurzen Zeitraum von einem Monat, in dem er wegen des angeordneten Fahrverbots sein Kfz entbehren muss, für seine Arztbesuche auf öffentliche Verkehrsmittel auszuweichen. Dies kann ihm ebenso zugemutet werden, wie dies von der Rechtsprechung von Arbeitnehmern für Fahrten zur Arbeitsstätte verlangt wird (Beschl. v. 12. 4. 1999 – 2 Ss OWi 246/99 – DAR 1999, 325 = MDR 1999, 803 = VRS 97, 69 = NStZ-RR 1999, 282 = NZV 1999, 522 [Ls.] = ZAP EN-Nr. 514/99).

(3) Berufliche Nachteile

Zur Verhängung eines Fahrverbots bei einem Taxifahrer (Beschl. v. 21. 2 . 1997 – 2 Ss OWi 1545/96 – VM 1997, Nr. 99 = NZV 1997, 446 = VRS 93, 377).

Berufliche Nachteile sind als gewöhnliche Folge eines Fahrverbots hinzunehmen. Nicht jeder berufliche Nachteil rechtfertigt aber eine Ausnahme vom Fahrverbot. Dies gilt grundsätzlich auch für den drohenden Arbeitsplatzverlust, der schon deshalb nicht stets ein Absehen von der Anordnung des Fahrverbots zu rechtfertigen vermag, weil anderenfalls die Verhängung eines Fahrverbots gegen Berufskraftfahrer – auch gegen solche, die sich frühere Verurteilungen nicht zur Warnung haben dienen lassen – praktisch ausgeschlossen wäre (Beschl. v. 29. 11.1996 – 2 Ss OWi 1314/96DAR 1997, 117 = VRS 93, 217 = ZAP EN-Nr. 17/97; v. 10. 3. 1998 – 3 Ss OWi 150/98)).

Ist eine Existenzgefährdung durch die Verhängung eines Fahrverbots nichts ausgeschlossen, will das Gericht aber von einem Fahrverbot nicht absehen, muss es die berufliche Situation des Betroffenen und die Folgen eines Fahrverbots für seine wirtschaftliche Existenz und die seiner Familie in tatsächlicher Hinsicht näher darlegen (Beschl. v. 17. 12. 1996 – 3 Ss OWi 1275/96).

Das Vorliegen einer beruflichen Härte kann nicht allein aus der Bereitschaft des Betroffenen, eine erhöhte Geldbuße akzeptieren zu wollen, geschlossen werden (Beschl. v. 9. 12. 1997 – 3 Ss OWi 1374/97).

Der Tatrichter darf sich im Rahmen seiner Entscheidung, von einem Fahrverbot absehen zu wollen, nicht einfach mit der auf der Einlassung des Betroffenen beruhenden Feststellung zufrieden geben, der Betroffene sei als selbständiger Kaufmann berufsbedingt dringend auf die Befugnis zum Führen von Kraftfahrzeugen angewiesen (Beschl. v. 7. 5. 1998 – 4 Ss OWi 426/98).

Zum existenzgefährdenden Fahrverbot (Baufirma, 2 Mitarbeiter / 2 Lkw, der Betroffene muss selbst fahren; Beschl. v. 4. 1. 1999 – 2 Ss OWi 1449/98DAR 1999, 178 = ZAP EN-Nr. 172/99 – MDR 1999, 419VRS 96, 291NZV 1999, 301).

Dem Betroffenen ist nicht zuzumuten, in dem Moment, in dem er arbeitslos wird, seinen Einspruch zurückzunehmen, damit ein Fahrverbot während der Zeit der Arbeitslosigkeit vollstreckt werden kann (Beschl. v. 13. 4. 1999 – 1 Ss OWi 283/99).

Zum (verneinten) Absehen vom Fahrverbot bei einem Betroffenen, der beruflich auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist (Beschl. v. 9. 5. 2000 – 3 Ss OWi 115/00).

dd) Absehen vom Fahrverbot bei gleichzeitiger Erhöhung der (Regel-)Geldbuße (§ 2 Abs. 4 BKatV)

(1) Allgemeines

Es ist nicht mehr daran festzuhalten, dass die Urteilsgründe erkennen lassen müssen, dass sich der Amtsrichter der Möglichkeit bewusst war, allein gegen eine Erhöhung der Geldbuße von einem an sich verwirkten Fahrverbot absehen zu können (Beschl. v. 18. 6. 1996 – 3 Ss OWi 218/96 – ZAP EN-Nr. 817/96; v. 19. 2. 1998 – 3 Ss OWi 1285/97) .

Entgegen der Auffassung des 3. Senats für Bußgeldsachen (s. JMBl. NW 1996, 248) ist nach Auffassung des 2. und des 5. Senats für Bußgeldsachen daran festzuhalten, dass den Gründen der amtsgerichtlichen Entscheidung zu entnehmen sein muss, dass der Tatrichter sich der Möglichkeit, von einem Regelfahrverbot bei gleichzeitiger Erhöhung der Geldbuße absehen zu können, bewusst gewesen sein muss (st. Rspr., vgl. u.a. Beschl. v. 4. 11. 1996 – 2 Ss OWi 1221/96 – ZAP EN-Nr. 16/97 = zfs 1997, 74 = NZV 1997, 129 = VRS 93, 219; v. 3. 6. 1998 – 2 Ss OWi 541/98VRS 95, 263; v. 30. 11. 1999 – 2 Ss OWi 1196/99 – DAR 2000, 129 = ZAP EN-Nr. 12/2000 = MDR 2000, 269 = NZV 2000, 264; v. 15. 5. 2000 – 2 Ss OWi 409/2000 – Verkehrsrecht Aktuell 2000, 66; v. 31. 8. 2000 – 5 Ss OWi 837/00).

Den Gründen der amtsgerichtlichen Entscheidung muss zu entnehmen sein, dass der Tatrichter sich der Möglichkeit, von einem Regelfahrverbot bei gleichzeitiger Erhöhung der Geldbuße absehen zu können, bewusst gewesen ist (vgl. u. a. Beschluss vom 04.11.1996 2. Ss OWi 1221/96). Dies muss das Amtsgericht aber nicht ausdrücklich ansprechen, es ist ausreichend, wenn dies dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnommen werden kann (Beschl. v. 29. 11. 1996 – 2 Ss OWi 1314/96 – DAR 1997, 117 = VRS 93, 217).

Es ist daran festzuhalten, dass sich der Entscheidung des Tatrichters entnehmen lassen muss, dass dieser sich der Möglichkeit, von einem Fahrverbot gegen Erhöhung der Geldbuße absehen zu können, bewusst gewesen ist. Ein Eingehen darauf liegt bei einem 65 Jahre alten, zu 70 % schwerbehinderten Betroffenen, der seit 1951 im Besitz der Fahrerlaubnis ist, ohne dass er straßenverkehrsrechtlich in Erscheinung getreten ist, nahe (Beschl. v. 26. 1. 1999 – 2 Ss OWi 1/99 – NZV 1999, 215 = VRS 96, 382 = zfs 1999, 311).

Ist der Betroffene nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils zu seinen persönlichen Verhältnissen nicht nur beruflich, sondern aufgrund der Erkrankung von Familienangehörigen (hier: zwei Kinder) auch privat weitgehend auf die Nutzung seines Kraftfahrzeuges angewiesen und wird außerdem festgestellt, dass er im Falle der Verhängung eines Fahrverbotes mit der Kündigung durch seinen Arbeitgeber zu rechnen hat, kann ein Absehen vom Fahrverbot gegen Erhöhung der Geldbuße in Betracht kommen (Beschl. v. 30. 9. 1996 – 3 Ss OWi 972/96 – VRS 92, 432).

Der Tatrichter kann seine Entscheidung, bei einem in schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen lebenden Arbeitslosen von einem Regelfahrverbot nicht gegen Erhöhung der Geldbuße absehen zu wollen/können, nicht damit begründen, dass "auch eine fühlbare Erhöhung der Geldbuße bei diesem Betroffenen nicht den vom Gesetzgeber beabsichtigten Denkzettel haben würde". Das lässt nämlich befürchten, dass das Amtsgericht der Ansicht gewesen ist, dass wegen der wirtschaftlich bedrängten Verhältnisse des Betroffenen bei ihm eine Erhöhung der Geldbuße überhaupt nicht in Betracht kommt (Beschl. v. 12. 9. 2000 – 2 Ss OWi 888/00 – Verkehrsrecht Aktuell 2000, 88 = ZAP EN-Nr. 748/2000 = zfs 2001, 40).

Bei einem wirtschaftlich schwachen Betroffenen, der als Taxifahrer tätig und noch nicht verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten ist, kann, wenn zwischen der Begehung der Tat und der Verurteilung ein längerer Zeitraum verstrichen ist, das Absehen von einem Regelfahrverbot gegen Erhöhung der Geldbuße in Betracht kommen. Bei der Abwägung hat der Tatrichter zu berücksichtigen, dass durch die Erhöhung der Höchstgrenzen für Geldbußen in § 17 OWiG zum 1. März 1998 dem Tatrichter für die Erhöhung seitdem ein höherer Bußgeldrahmen zur Verfügung steht (Beschl. v. 2. 7. 2001 - 2 Ss OWi 543/01).

(2) Ansprechen/Formulierung der Möglichkeit des Absehens vom Regelfahrverbot im Urteil

Mit der Formulierung: "Gesichtspunkte für ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots seien nicht ersichtlich, insbesondere auch nicht vor dem Hintergrund der beruflichen Situation des Betroffenen" kommt nicht eindeutig zum Ausdruck, dass sich der Tatrichter darüber bewusst war, dass er gegen Erhöhung der Geldbuße trotz Annahme eines Regelfalls von der Verhängung eines Fahrverbots absehen kann. Vielmehr deutet die Formulierung darauf hin, dass ein Absehen von der Verhängung des Fahrverbots nur unter dem Gesichtspunkt des beruflichen Nachteils geprüft wurde (Beschl. v. 20. 11. 1997 – 2 Ss OWi 1307/97 – ZAP EN-Nr. 123/98 = MDR 1998, 404 = NStZ-RR 1998, 188 = NZV 1998, 293 [Ls.] = StVE § 25 StVG Nr. 74 = VRS 95, 52).

Der Formulierung "Im Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des Betroffenen kam somit weder ein Abweichen von der Regelgeldbuße als auch ein Abweichen vom Regelfahrverbot in Betracht, lässt sich nicht entnehmen, dass der Tatrichter sich der Möglichkeit bewusst gewesen ist, trotz Annahme eines Regelfalls nach der BußgeldkatalogVO unter Erhöhung der Geldbuße von der Verhängung eines Fahrverbots absehen zu können (Beschl. v. 22. 12. 1998 – 2 Ss OWi 1362/98MDR 1999, 480 = VRS 96, 466).

Mit der Formulierung: "Das Gericht konnte auch nicht von der Verhängung eines Fahrverbotes absehen. Der Betroffene hat sowohl objektiv als auch subjektiv einen erheblichen straßenverkehrsrechtlichen Verstoß begangen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Betroffene dringend auf eine Fahrerlaubnis angewiesen ist." kommt nicht eindeutig zum Ausdruck, dass sich der Tatrichter darüber bewusst war, dass er gegen Erhöhung der Geldbuße trotz Annahme eines Regelfalls von der Verhängung eines Fahrverbotes absehen kann (Beschl. v. 15. 12. 2000 – 2 Ss OWi 1041/2000DAR 2001, 177 = VRS 100, 96 = NZV 2001, 222).

(3) Entbehrlichkeit des ausdrücklichen Ansprechens der Möglichkeit des Absehens von der Verhängung des Fahrverbots

Das Amtsgericht muss auch dann nicht mehr ausdrücklich darlegen, dass ein Absehen vom Fahrverbot bei gleichzeitiger (nochmaliger) Erhöhung der Geldbuße nicht (mehr) in Betracht kam, wenn nach bereits einmal erfolgter Erhöhung der Geldbuße die Festsetzung eines Fahrverbots von zwei Monaten damit begründet wird, dass ein bereits zuvor verhängtes Fahrverbot offenbar zur Warnung nicht ausgereicht hat (Beschl. v. 13. 2. 1997 – 2 Ss OWi 1189/96 – ZAP EN-Nr. 324/97.

Eines ausdrücklichen Ansprechens der Möglichkeit des Absehens bedarf es dann nicht, wenn der Begründung eindeutig zu entnehmen ist, dass der durch das Fahrverbot angestrebte Erfolg durch eine Erhöhung der Geldbuße bei gleichzeitigem Wegfall des Fahrverbots nicht (mehr) erreicht werden kann (hier: zwei einschlägige Voreintragungen der Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb kurzer Zeit; Beschl. v. 29. 11. 1996 – 2 Ss OWi 1314/96 – ZAP EN-Nr. 17/97 = DAR 1997, 117 = VRS 93, 217).

Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Tatrichter bei einem Betroffenen, der in der Vergangenheit bereits einmal wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung mit einer erhöhten Geldbuße belegt worden ist, nicht ausdrücklich zu erkennen gibt, dass er sich der Möglichkeit, von einem Fahrverbot gegen Erhöhung der Geldbuße absehen zu können, bewusst gewesen ist (Beschl. v. 14. 1. 1999 – 2 Ss OWi 1377/98 – ZAP EN-Nr. 135/99 = VRS 96, 458 = NZV 1999, 391).

Eines ausdrücklichen Ansprechens der Möglichkeit des Absehens vom Fahrverbot bedarf es dann nicht, wenn der Begründung des amtsrichterlichen Urteils im Übrigen eindeutig zu entnehmen ist, dass der durch das Fahrverbot angestrebte Erfolg durch eine Erhöhung der Geldbuße bei gleichzeitigem Wegfall des Fahrverbots nicht mehr erreicht werden kann (Beschl. v. 9. 11. 1998 – 2 Ss OWi 1078/99 – DAR 2000, 177 = NZV 2000, 136 = MDR 2000, 269 = VRS 98, 222).

Das Rechtsbeschwerdegericht kann nur dann davon ausgehen, dass das ausdrückliche Ansprechen der Möglichkeit des Absehens von der Verhängung des Fahrverbots aufgrund von Voreintragungen entbehrlich ist, wenn der Tatrichter ausreichende Feststellungen für diese Annahme getroffen hat (Beschl. v. 15. 12. 2000 – 2 Ss OWi 1041/00 – DAR 2001, 177 = VRS 100, 96 = NZV 2001, 222)

d) Wirksamwerden der Maßnahme (§ 25 Abs. 2 a StVG)

Der am 1. 3. 1998 neu in das StVG aufgenommene § 25 a Abs. 2 a StVG ist vom Gesetzgeber gerade auch geschaffen worden, um wirtschaftliche Nachteile, die einem Betroffenen durch die Verhängung eines Fahrverbots entstehen können, abzumildern, indem nämlich der Betroffene den Zeitraum, in dem das Fahrverbot wirksam sein soll, in gewissen Grenzen frei wählen kann. Das führt dazu, dass bei der Frage, ob und inwieweit wirtschaftliche Nachteile bei der Prüfung der Angemessenheit und Vertretbarkeit eines Fahrverbots überhaupt (noch) von Belang sind, ein noch strengerer Maßstab als in der Vergangenheit anzulegen ist (Beschl. v. 3.11.1998 – 2 Ss OWi 1181/98 – DAR 1999, 84 = MDR 1999, 92 = VRS 96, 231 = NZV 1999, 214).

Wird der Betroffene (Außendienstmitarbeiterin einer Kosmetikfirma mit einer jährlichen Fahrleistung von 50.000 km) wegen der Auswirkungen des Fahrverbots darauf verwiesen, er könne dieses in seinen Jahresurlaub verlegen, wird das in der Regel ausreichen, wenn feststeht, dass der Betroffene tatsächlich über einen ausreichend langen Jahresurlaub verfügt, den er innerhalb der Frist des § 25 Abs. 2 a StVG auch "an einem Stück" abwickeln kann (Beschl. v. 30. 4. 1999 – 2 Ss OWi 386/99 – DAR 1999, 417 [Ls.] = NStZ-RR 1999, 313 = ZAP EN-Nr. 439/99 = MDR 1999, 1064 = VRS 97, 272 = VM 1999, 93 [Nr. 96] = NZV 2000, 96).

Die frühere Anordnung der Fahrerlaubnissperre steht der Gewährung des Vollstreckungsaufschubs nach § 25 Abs. 2 a StVG nicht entgegen (Anschluss an OLG Dresden DAR 1999, 222; Beschl. v. 5. 7. 2001 – 2 Ss OWi 23/01).

4. Tilgungsreife (§ 29 StVG)

Wenn Eintragungen im Verkehrszentralregister bei der Rechtsfolgenbemessung verschärfend verwertet werden, ist es notwendig im Urteil diesbezüglich die Einzelheiten wie Tag der Rechtskraft der Entscheidung, die Art der Verfehlung und die verhängten Rechtsfolgen anzugeben (Beschl. v. 11. 7. 2000 – 4 Ss OWi 676/00).

III. Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO)

1. Erlöschen der Betriebserlaubnis (§ 19 StVZO)

Zum Erlöschen der Betriebserlaubnis infolge bauartlicher Veränderungen (>Beschl. v. 17. 2. 1998 – 3 Ss OWi 1625/97).

2. Verantwortung für den Betrieb eines Fahrzeugs (§ 31 StVZO)

Die Verletzung der Bestimmungen über die Verantwortlichkeit als Fahrzeugführer geht der Verletzung der Bestimmungen über die Verantwortlichkeit als Halter vor (Beschl. v. 25. 11. 1997 – 3 Ss OWi 1297/97).

Zur Frage der Verantwortung für den Betrieb eines Lastzuges, wenn Halter eine GmbH ist (§ 31 Abs. 2 StVZO; Beschl. v. 6. 6. 1999 – 2 Ss OWi 472/99DAR 1999, 415 = VRS 97, 387 = VM 2000, 4 [Nr. 4]).

3. Achslast und Gesamtgewicht (§ 34 StVZO)

Auch bei der Feststellung der Überschreitung des zulässigen Gesamtgewichts eines Kraftfahrzeugs müssen die Messgenauigkeit der Waage, die Beachtung des Vorschriften zur Durchführung des Wiegevorgangs und die Zuverlässigkeit des wiegenden Personals oder Umstände, die im Einzelfall als Fehlerquellen in Betracht kommen, nicht ohne besonderen Anlass im Urteil mitgeteilt werden. Mitgeteilt werden muss aber, ob es sich um eine geeichte Waage gehandelt hat, sowie der berücksichtigte Toleranzwert (Beschl. v. 2. 2. 1999 – 1 Ss OWi 27/99).

Wird die Richtigkeit der Wägung angezweifelt, ist eine an den konkreten Umständen des Einzelfalles ausgerichtete Auseinandersetzung mit der Frage der Zuverlässigkeit des Wiegeergebnisses erforderlich (Beschl. v. 20. 5. 1999 – 4 Ss OWi 495/99).

Wegen der großen Gefahr, die die Führung überladener Fahrzeuge für die Sicherheit des Straßenverkehrs darstellt, sind an die den Fahrzeugführer treffenden Sorgfaltspflichten strenge Anforderungen zu stellen (Beschl. v. 2. 2. 1999 – 1 Ss OWi 27/99; v. 24. 1. 2001 – 1 Ss OWi 1281/2000; zur Sorgfaltspflicht siehe auch Beschl. v. 5. 12. 1997 – 3 Ss OWi 1415/97).

IV. Strafgesetzbuch (StGB)

1. Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB)

Eine Blutalkoholkonzentration von 2,21 ‰ macht im Rahmen der Strafzumessung die Erörterung der §§ 21, 49 StGB erforderlich (Beschl. v. 3. 2. 1998 – 4 Ss 87/98; v. 13. 10. 1998 – 1 Ss 1198/98).

Eine Blutalkoholkonzentration von 2,5‰ macht im Rahmen der Strafzumessung die Erörterung der §§ 21, 49 StGB auf jeden Fall erforderlich (Beschl. v. 8. 4. 1998 – 2 Ss 344/98NZV 1998, 334 = zfs 1998, 313 = MDR 1998, 1027 = VM 1998, 68 [Nr. 85] = VRS 95, 255).

Eine Blutalkoholkonzentration unter 2,0 ‰ begründet für sich genommen keine Notwendigkeit, eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit in Betracht zu ziehen. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn weitere Auffälligkeiten hinzutreten, die auf eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit hindeuten (Beschl. v. 16. 4. 1998 – 3 Ss 256/98).

Ab Blutalkoholkonzentrationswerten von 2 ‰ ist in den Urteilsgründen die Frage der verminderten Schuldfähigkeit stets zu erörtern. Will das Gericht hingegen – auch schon bei einer an der Grenze zu dem Wert von 2 ‰ liegenden Blutalkoholkonzentration – volle Schuldfähigkeit annehmen, bedarf es einer eingehenden Würdigung des Gesamtverhaltens des Angeklagten (>Beschl. v. 14. 5. 1998 – 3 Ss 242/98>).

Die Feststellung einer Blutalkoholkonzentration von 1,96 ‰ in einer 52 Minuten nach der Tatzeit entnommenen Blutprobe gibt dem Tatrichter Anlass, die Frage einer verminderten Schuldfähigkeit zu erörtern und die BAK zur Tatzeit durch Rückrechnung – ggf. nach sachverständiger Beratung – festzustellen (Beschl. v. 15. 7. 1998 – 2 Ss 568/98 – NZV 1998, 510 = VRS 96, 19 = zfs 1999, 172 = StraFo 1998, 387).

Kommt bei einer Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) das Vorliegen von § 21 StGB in Betracht, muss das tatrichterliche Urteil Feststellungen zum Tatzeitpunkt, zum Trinkende und zur Frage der Rückrechnung der Blutalkoholkonzentration enthalten, damit die Tatzeitblutalkoholkonzentration bestimmt werden kann (Beschl. v. 21. 6. 1999 – 2 Ss 553/99DAR 1999, 466 = MDR 1999, 1264 = VRS 97, 351 = BA 2000, 188).

Bei einer Verurteilung nach § 316 StGB und einer BAK des Angeklagten von 2,4 ‰ müssen die Urteilsgründe Feststellungen zur Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit und zu den in Betracht kommenden Schuldformen enthalten (Beschl. v. 24. 10. 2000 – 4 Ss 869/00 – BA 2001, 187).

2. Strafzumessung (§ 46 StGB)

Zu den Anforderungen an die Strafzumessungserwägungen, wenn auf eine ungewöhnlich hohe Strafe oder gar auf eine nicht unbedeutende Höchststrafe erkannt wird (hier: Verurteilung nach § 21 StVG; Beschl. v. 14. 12. 2000 – 4 Ss 1137/00).

3. Kurzfristige Freiheitsstrafe (§ 47 Abs. 1 StGB)

Zu den Anforderungen an die Begründung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe – den Urteilsgründen muss entnommen werden können, dass der Tatrichter sich den besonderen Anforderungen des § 47 StGB bewusst gewesen ist – das ist, wenn er die Ahndung mit einer Freiheitsstrafe nur für geboten hält, nicht der Fall (Beschl. v. 2. 6. 1999 – 2 Ss 566/99).

4. Entziehung der Fahrerlaubnis und Sperre für die Neuerteilung (§§ 69, 69 a StGB)

Ist im amtsgerichtlichen Urteil die Fahrerlaubnis nicht entzogen worden, darf weder das Beschwerdegericht noch das Berufungsgericht bis zum Berufungsurteil den erstinstanzlich festgestellten Sachverhalt anders würdigen als der frühere Richter und etwa im Gegensatz zu dem angefochtenen Urteil nach Aktenlage die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen bejahen (>Beschl. v. 15. 8. 2000 – 4 Ws 341/00 = Verkehrsrecht Aktuell 2000, 81).

Die Beschränkung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis auf bestimmte Klassen kommt nur dann in Betracht, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, dass dadurch der Zweck der Maßregel nicht gefährdet wird (Beschl. v. 11. 1. 01 – 5 Ws 2/01VA 2001, 57).

5. Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB)

Eventualvorsatz setzt bei § 142 StGB u.a. voraus, dass der Angeklagte sich einen nicht ganz belanglosen Schaden zumindest als möglich vorgestellt hat (Beschl. v. 22. 10. 1996 – 2 Ss 1172/96 – DAR 1997, 78 = StraFo 1997, 25 = NZV 1997, 125 = NStZ-RR 1997, 90 = VRS 93, 166).

6. Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr (§ 315 b StGB)

Auch wenn ein Gegenstand gegen die Windschutzscheibe eines Busses geworfen wird, wodurch in dieser ein Riss entsteht, sind konkrete Feststellungen dazu zu treffen, dass dadurch Leib oder Leben des Fahrers oder fremde Sachen von bedeutendem Wert konkret gefährdet waren. An die Feststellung der konkreten Gefahr i.S.d. § 315 b Abs. 1 Nr. 1 StGB sind zudem aufgrund der inzwischen geänderten Rspr. des BGH (vgl. dazu a. BGH NJW 1996, 329) strenge Anforderungen zu stellen (Beschl. v. 5. 1. 1998 – 2 Ss 1190/97 – NZV 1998, 212 = VRS 95, 28 = zfs 1998, 314).

Im Fall des langsamen Zufahrens auf einen Fußgänger liegt eine grobe Einwirkung von einigem Gewicht dann nicht vor, wenn der Fußgänger ohne Schwierigkeit und ohne Gefahr ausweichen kann (Beschl. v. 6. 8. 1998 – 3 Ss 895/98).

Zieht ein Beifahrer für den Kraftfahrzeugführer überraschend bei hoher Geschwindigkeit die Handbremse so stark an, dass das Fahrzeug außer Kontrolle gerät, so kann darin ein gefährlicher Eingriff i.S.d. § 315 b Abs. 1 Nr. 1 StGB nur dann liegen, wenn der Täter in der Absicht handelt, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff zu "pervertieren". Eine solche bewusste Zweckentfremdung des Kfz liegt nicht vor, wenn durch Anziehen der Handbremse die Geschwindigkeit des Fahrzeugs verringert und das Verhalten des Fahrers in Richtung einer den Verkehrsvorschriften angepassten Fahrweise beeinflusst werden soll (Beschl. v. 21. 3. 2000 – 4 Ss 121/2000NJW 2000, 2686 = Verkehrsrecht Aktuell 2000, 67 [Ls.] = DAR 2000, 417 = VRS 99, 197).

Zum gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr zur Ermöglichung einer Straftat (Beschl. v. 28. 11. 2000 – 3 Ss 1118/00).

Zum Vorliegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr beim Zufahren auf eine Polizeisperre (Beschl. v. 27. 10. 2000 – 2 Ss 1030/2000DAR 2001, 135 = VRS 100, 22).

7. Straßenverkehrsgefährdung (§ 315 c StGB)

Zur Annahme einer Straßenverkehrsgefährdung infolge des Genusses alkoholischer Getränke bedarf es der Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen tatbestandsmäßigem Handeln und der Gefahr. Dafür reicht allein eine BAK von 0,91 ‰ nicht aus (Beschl. v. 29. 10. 1998 – 1 Ss 1250/98).

8. Trunkenheit im Verkehr (316 StGB)

Eine Bestrafung wegen vorsätzlichen Vergehens nach § 316 StGB setzt voraus, dass der Fahrzeugführer seine rauschbedingte Fahrunsicherheit kennt oder zumindest mit ihr rechnet und sie billigend in Kauf nimmt. Für diese Annahme muss der Tatrichter ausreichende tatsächliche Feststellungen treffen; allein die Höhe der BAK reicht nicht aus (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. Beschl. v. 11. 8. 1998 – 4 Ss 922/98NZV 1998, 471; v. 3. 2. 1998 – 4 Ss 87/98; v. 4. 2. 1999 – 4 Ss 7/99 – BA 2000, 116; v. 13. 10. 1998 – 1 Ss 1190/98; v. 13. 10. 1998 – 1 Ss 1198/98; v. 17. 12. 1998 – 3 Ss 1229/98; v. 14. 7. 2000 – 3 Ss 537/2000).

Zu den (verneinten) Voraussetzungen des Vorsatzes bezüglich der alkoholbedingten Fahrunsicherheit (Beschl. v. 3. 2. 1998 – 4 Ss 87/98NZV 1998, 291).

Es besteht kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass sich ein Autofahrer bei dem Konsum der zu einer BAK von 2,15 ‰ führenden "riesigen" Trinkmenge der Möglichkeit seiner Fahrunsicherheit bei Fahrtantritt bewußt sei und er dies in Kauf nehme. Die Schlußfolgerung, der Autofahrer habe seine Fahrunsicherheit wegen der Auffälligkeiten bei seiner Fahrweise in Schlangenlinien erkannt, begegnet Bedenken, weil die Wahrnehmungsfähigkeit gerade erheblich alkoholisierter Fahrzeugführer regelmäßig deutlich gestört ist (Beschl. v. 6. 10. 1998 – 4 Ss 1174/98 – zfs 1998, 482).

Wer ein abgeschlepptes, im Sinne des § 18 Abs. 1 StVZO betriebsunfähiges Kraftfahrzeug im Straßenverkehr lenkt, bedarf keiner Fahrerlaubnis, kann sich aber, wenn die Voraussetzungen vorliegen, nach § 316 StGB strafbar machen. Für den Fahrer eines solchen Fahrzeugs gilt der Alkoholgrenzwert von 1,1 ‰ (Beschl. v. 7. 1. 1999 – 4 Ss 1081/98VRS 96, 373 = BA 2000, 193 = VM 2000, 20 [Nr. 21]).

Die Merkmale der inneren Tatseite bei einer Trunkenheitsfahrt müssen – sofern sie sich nicht von selbst aus den Sachverhaltsschilderungen ergeben – durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Grundsätzlich bedarf die Annahme vorsätzlichen Handelns näherer Begründung. Beruht die Feststellung des inneren Tatbestandes bei Fahrtantritt auf Schlussfolgerungen, so muss der Tatrichter nachprüfbar darlegen, dass seine Überzeugung nicht nur auf bloßen Vermutungen, sondern auf tragfähigen Erwägungen beruht (Beschl. v. 11. 4. 2000 – 4 Ss 936/99 – zfs 2000, 363).

9. Vollrausch (§ 323 a StGB)

Allein aus der Aufnahme einer beträchtlichen Alkoholmenge, die zum Erreichen einer festgestellten BAK von 3 ‰ erforderlich gewesen ist, können zuverlässige Schlüsse zur inneren Tatseite des Rauschtatbestandes (§ 323 a StGB) nicht gezogen werden. Es gibt keinen Erfahrungssatz, dass bei Alkoholgenuss in einer Menge, die zu einer BAK von mehr als 3 ‰ führt, stets auf die vorsätzliche Herbeiführung eines Rauschzustandes durch den Täter geschlossen werden kann, sofern dieser alkoholgewohnt ist und die Wirkung von Alkohol kennt. Hierzu bedarf es weiterer Feststellungen zum Trinkverlauf, zur Art der genossenen Getränke sowie zu deren Alkoholgehalt (Beschl. v. 22. 8. 2000 – 4 Ss 615/00 – BA 2001, 51).

Zum erforderlichen Umfang der tatsächlichen Feststellungen bei Verurteilung wegen Vollrausches (Beschl. v. 26. 9. 2000 – 2 Ss 979/00 – BA 2001, 52 = VRS 100, 26).

V. Fahrpersonalverordnung

Die Vorschriften über das Mitführen von Schaublättern nach § 4 FPersV sind auch dann anzuwenden, wenn es sich um eine Fahrt mit einer nicht im Arbeitseinsatz befindlichen Arbeitsmaschine handelt (Beschl. v. 25. 9. 1997 – 2 Ss OWi 1123/97NZV 1998, 79 = VM 1998, 23, 43 = VRS 94, 474).

Der Verstoß gegen § 4 Abs. 1 FPersV bildet mit einer gleichfalls abgeurteilten Geschwindigkeitsüberschreitung keine einheitliche Tat im verfahrensrechtlichen Sinne. Tathandlung des Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 FPersV ist nicht etwa das Nicht-Mit-Sich-Führen der Bestätigung über arbeitsfreie Tage, sondern vielmehr allein die Nichtvorlage dieser Bestätigung gegenüber den zuständigen Kontrollbeamten. Die Nichtvorlage der genannten Bestätigung steht aber zu den zuvor während des Führens des Kraftfahrzeugs begangenen Geschwindigkeitsüberschreitungen weder im Verhältnis der Tateinheit noch bildet sie hiermit einen einheitlichen historischen Vorgang im Sinne der Tat im prozessualen Sinne (Beschl. v. 15. 12. 1998 – 3 Ss OWi 713/98).

Bei den Bußgeldkatalogen F (Fahrpersonal) und U (Unternehmer) VO (EWG) Nr. 3820/85 und Nr. 3821/85, ABTR, Fahrpersonalverordnung und Fahrpersonalgesetz handelt es sich lediglich um Richtlinien, die für das Gericht nicht bindend sind, jedoch dürfen die dort vorgesehenen Regelsätze aus Gründen einer möglichst gleichmäßigen Behandlung gleichgelagerter Sachverhalte nicht unbeachtet bleiben (Beschl. v. 14. 12. 2000 – 3 Ss OWi 1012/00).

VI. FahrerlaubnisVO

Zur Anordnung der Fahrgastbeförderung ohne Nachweis der Ortskenntnis des Fahrers (Beschl. v. 15. 1. 2001 – 3 Ss OWi 1027/00).

VII. Ordnungswidrigkeitengesetz

1. Handeln für einen anderen (§ 9 OWiG)

Zur Frage der Verantwortung für den Betrieb eines Lastzuges, wenn Halter eine GmbH ist (§ 31 Abs. 2 StVZO; Beschl. v. 6. 6. 1999 – 2 Ss OWi 472/99DAR 1999, 415 = VRS 97, 387 = VM 2000, 4 [Nr. 4]).

2. Höhe der Geldbuße (§ 17 OWiG)

Die Erwägung, die fehlende Einsicht des Betroffenen strafschärfend zu werten und deshalb nicht auf die ansonsten für angemessen gehaltene Geldbuße zu erkennen, ist auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren rechtsfehlerhaft (Beschl. v. 14. 2. 1997 – 2 Ss OWi 131/97 – zfs 1997, 236 = NZV 1997, 324 = VRS 93, 383 = VM 1998, 4 [Nr. 6]).

Auch bei einer Geldbuße von über 200,– DM sind im Falle der Verhängung einer Regelgeldbuße nach der BKatVO Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen nicht zu treffen, sofern keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass diese Verhältnisse außerordentlich gut oder schlecht sind (Beschl. v. 18. 2. 1997 – 2 Ss OWi 37/97NZV 1997, 325 [Ls.] = DAR 1997, 285 = VRS 93, 372).

Grundlage für die Zumessung einer Geldbuße sind gemäß § 17 Abs. 3 S. 2 OWiG auch die wirtschaftlichen Verhältnisse. Erhält der Betroffene eine monatliche Lehrlingsvergütung in Höhe von 250,– DM, von der er ein Kostgeld in Höhe von 100,– DM monatlich seinen Eltern abzugeben hat, ist bei Berücksichtigung dieser wirtschaftlichen Verhältnisse die Festsetzung einer Geldbuße von 300,– DM unangemessen (Beschl. v. 8. 12. 1997 – 2 Ss OWi 1363/97 = DAR 1998, 151 = MDR 1998, 466 = NZV 1998, 214 = zfs 1998, 276 = VRS 95, 38 = ZAP EN-Nr. 146/98).

Jedenfalls bei der Verhängung erheblicher Rechtsfolgen auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren sind Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Betroffenen sowie zu ihren Vorbelastungen geboten (>Beschl. v. 30.04.1999 – 3 Ss OWi 297/99 – zfs 2000, 270).

Bei Verhängung einer Geldbuße von 250 DM unter gleichzeitiger Festsetzung einer Fahrverbotes von einem Monat kann die zugrunde liegende Verkehrsordnungswidrigkeit nicht mehr als geringfügig im Sinn von § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 OWiG eingestuft werden; deshalb sind im tatrichterlichen Urteil Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen erforderlich (Beschl. v. 10. 2. 2000 = 5 Ss OWi 1342/99 = zfs 2000, 513).

3. Unterbrechung der Verfolgungsverjährung (§ 33 OWiG)

Der Senat hat sich der neuen Rspr. des BGH zur Frage der Unterbrechung der Verjährung durch Anordnung einer Ermittlungshandlung bei noch unbekanntem Betroffenen (BGH NJW 1997, 598) angeschlossen und dann die Frage verneint, ob die Verjährung schon durch die Anordnung einer auf die Feststellung der Personalien gerichteten Ermittlungshandlung unterbrochen wird, wenn sich in der Akte ein zur Identifizierung des Betroffenen geeignetes Lichtbild vom Verkehrsverstoß befindet (Beschl. v. 13. 2. 1997 – 2 Ss OWi 1148/96 – ZAP EN-Nr. 305/97 = VM 1997, 90 = VRS 93, 368; v. 21.02.1997 – 2 Ss OWi 1503/96DAR 1997, 250 = zfs 1997, 195 = VRS 94, 121).

Zur Unterbrechung der Verjährung durch Anordnung der richterlichen Vernehmung bei noch unbekanntem Betroffenen, von dem sich aber ein Lichtbild in der Akte befindet (Beschl. v. 25. 2. 1997 – 3 Ss OWi 169/97).

Die Anordnung einer Vernehmung muss sich, wenn sie die Verjährung nach § 33 Nr. 2 OWiG unterbrechen soll, gem. § 33 Abs. 4 OWiG auf eine konkrete Person beziehen. Die Ermittlung in einem Verfahren gegen Unbekannt wirkt nicht gegen den späteren Betroffenen. Damit kann die in einem Verfahren gegen Unbekannt angeordnete Vernehmung des (späteren) Betroffenen als Geschäftsführer der Firma, die Kfz-Halter des in einen Verkehrsverstoß verwickelten Pkw war, die gegen den Betroffenen laufende Verfolgungsverjährung nicht unterbrechen. Das gilt auch, wenn zunächst schon ein Verfahren gegen den (späteren) Betroffenen anhängig war, dieses aber eingestellt worden ist (Beschl. v. 27. 10. 1998 – 2 Ss OWi 1124/98 – DAR 1999, 85 = ZAP EN-Nr. 116/99 = MDR 1999, 314 = VRS 96, 225 = NZV 1999, 261 = zfs 1999, 265).

Die Anordnung der Bußgeldstelle, dem lediglich anhand des Kennzeichens ermittelten Halter eines Kraftfahrzeugs einen Anhörungsbogen zu übersenden, unterbricht diesem gegenüber die Verjährung nur dann, wenn sich aus dem Anhörungsbogen eindeutig ergibt, dass er als Fahrer der Ordnungswidrigkeit beschuldigt wird (hier: Verjährungsunterbrechung verneint; Beschl. v. 4. 7. 1998 – 4 Ss OWi 365/98 – NZV 1998, 340 = VRS 95, 272; v. 9. 11. 1999 – 2 Ss OWi 1105/99DAR 2000, 81 = MDR 2000, 210 = NZV 2000, 179 = VRS 98, 443; v. 13. 4. 2000 – 4 Ss OWi 228/00).

Die Anordnung der Übersendung des Anhörungsbogens an den Betroffenen unterbricht diesem gegenüber die Verjährung nur, wenn er der Ordnungswidrigkeit als Fahrer beschuldigt wird (hier: Verjährungsunterbrechung bejaht; Beschl. v. 16. 11. 1999 – 2 Ss OWi 1034/99DAR 2000, 83 = VRS 98, 209 = ZAP EN-Nr. 67/2000; v. 15. 12. 1998 – 3 Ss OWi 1371/98; v. 29. 6. 2000 – 4 Ss OWi 568/00).

Bei sog. Kennzeichenanzeigen ist die Verjährung durch Übersendung eines Anhörungsbogens gemäß § 33 Nr. 1 OWiG nur dann unterbrochen, wenn für den Adressaten aus dem Anhörungsbogen unmissverständlich hervorgeht, dass die Ermittlungen gegen ihn als Betroffenen geführt werden (Beschl. v. 4. 2. 2000 – 2 Ss OWi 38/2000DAR 2000, 325 = zfs 2000, 269 = MDR 2000, 697 = VRS 98, 441 = NZV 2001, 48).

Zur – verneinten – Unterbrechung der Verjährung, wenn nur der Kraftfahrzeughalter angehört wird, der Betroffene aber noch unbekannt ist (Beschl. v. 10. 10. 2000 – 4 Ss OWi 840/00).

Die Verfolgungsverjährung wird durch eine Unterbrechungshandlung gegen einen unbekannten Täter nicht unterbrochen (Beschl. v. 12. 9. 2000 – 4 Ss OWi 823/2000 – Verkehrsrecht Aktuell 2001, 29).

Die Bekanntgabe an den Betroffenen, dass gegen ihn das Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet worden ist, kann auch durch die Übersendung der Akten an den bevollmächtigten Verteidiger zur Einsichtnahme für den Betroffenen stattfinden (Beschl. v. 16. 4. 01 - 2 Ss OWi 196/01 = VRS 100, 458 = DAR 2001, 375 = VA 2001, 116).

B. Verfahrensrecht

I. Strafprozeßordnung

1. Zustellung (§ 37 StPO)

Eine entgegen der Anordnung des Richters an den Betroffenen und nicht an seinen Verteidiger veranlasste Urteilszustellung ist unwirksam und setzt die Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde nicht in Lauf (Beschl. v. 11. 11. 1997 – 4 Ss OWi 1053/97NZV 1998, 475 = VRS 94, 345).

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 44 StPO)

Der Senat hält an seiner Auffassung, einem Angeklagten könne auch dann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn seine Revision als unzulässig verworfen worden ist, jedenfalls für den Fall, dass die Begründung der Sachrüge nicht den Anforderungen des § 344 StPO entsprochen hat, nicht mehr fest (Aufgabe von OLG Hamm MDR 1978, 507; Beschl. v. 27. 6. 2001 – 2 Ss 921/00).

Wird ein Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung einer Rechtsmittelfrist damit begründet, dass nach der Urteilsverkündung ein Merkblatt über die zulässigen Rechtsmittel nicht ausgehändigt worden ist, ist im Hinblick auf ein eigenes Verschulden des Antragstellers an der Fristversäumung immer auch noch zu prüfen, ob der Antragsteller gegebenenfalls Anlass hatte, den Verfahrensfehler durch eine Rückfrage bei Gericht oder die Einholung anwaltlichen Rates innerhalb der Rechtsmittelfrist aufzufangen. (Beschl. v. 28. 6. 2001 – 2 Ss OWi 550/01DAR 2001, 468 = ZAP EN-Nr. 475/2001 = VA 2001, 130).

3. Notveräußerung (§ 111 StPO)

Zur Wertermittlung bei einer Notveräußerung eines Pkws (Beschl. v. 23. 7. 1999 – 2 Ws 232/99).

4. Vernehmung/verbotene Vernehmungsmethoden (§§ 136, 136 a StPO)

Zur (bejahten) Vernehmungsfähigkeit des Beschuldigten nach einem Verkehrsunfall, wenn der Beschuldigte zum Zeitpunkt der Vernehmung eine BAK von 2,87 ‰ aufweist (Beschl. v. 14. 1. 1999 – 3 Ss 1404/98).

5. Notwendige Verteidigung (§ 140 StPO)

Zur Beiordnung eines Pflichtverteidigers wegen "Schwere der Tat" bei einem wegen zahlreicher Trunkenheitsdelikte verurteilten Beschuldigten, dem in mehreren Verfahren der Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung droht (Beschl. v. 5. 11. 1998 – 3 Ss 1216/98).

6. Termin(sverlegung) (§ 213 StPO)

Zur ausreichenden Berücksichtigung der Interessen des Angeklagten und/oder des Verteidigers bei der Bescheidung eines Terminsverlegungsantrags wegen Urlaubs des Verteidigers (Beschl. v. 14. 11. 2000 – 2 Ss 1013/2000 = DAR 2001, 321 = VRS 100, 38 = zfs 2001, 86).

7. Beweisantrag vor der Hauptverhandlung (§ 219 StPO)

Hat der Vorsitzende auf einen vor der Hauptverhandlung gestellten Antrag des Verteidigers gem. § 219 StPO die Ladung eines Zeugen verfügt, der dann aber in der Hauptverhandlung nicht erschienen ist, ist das Gericht grds. verpflichtet, dessen Vernehmung in der Hauptverhandlung herbeizuführen oder zu klären, ob ggf. auf die Vernehmung des nicht erschienenen Zeugen verzichtet wird. Zur Frage, wann von einem (konkludenten) Verzicht auf den nicht erschienen Zeugen ausgegangen werden kann (Beschl. v. 18. 6. 1998 – 2 Ss OWi 588/98NZV 1998, 425 = NStZ-RR 1998, 340 = VRS 95, 259 = zfs 1998, 443 = NJW 1999, 1416 [Ls.]).

8. Aussetzung/Unterbrechung der Hauptverhandlung

Zum Umfang der Wartepflicht des Tatrichters im Bußgeldverfahren bei nicht angekündigtem Ausbleiben des Verteidigers in der Hauptverhandlung (Beschl. v. 30. 9. 1996 – 3 Ss OWi 1054/96NZV 1997, 408).

9. Verlesung des Anklagesatzes (§ 243 StPO)

Das Beruhen des Schuldspruchs auf der unterbliebenen Verlesung des Anklagesatzes kann in einfach gelagerten Fällen ausgeschlossen sein (für Trunkenheitsfahrt; Beschl. v. 8. 4. 1999 – 2 Ss 1425/98DAR 1999, 566 [Ls.] = NStZ-RR 1999, 276 = VRS 97, 176).

10. Beweisaufnahme (§ 244 StPO)

Zu den Anforderungen an die Begründung eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens und an die Begründung der Ablehnung (Beschl. v. 18. 6. 1998 – 2 Ss OWi 588/98 – ZAP EN-Nr. 568/98 = NZV 1998, 425 = NStZ-RR 1998, 340 = VRS 95, 259 = zfs 1998, 443 = NJW 1999, 1416 [Ls.]).

Die Ablehnung eines Beweisantrages wegen Bedeutungslosigkeit darf nicht lediglich aus dem bisherigen Beweisergebnis hergeleitet werden. Auch ist eine Beweisantizipation in der Weise, dass die Beweiserheblichkeit mit der Begründung verneint wird, das Gegenteil sei bereits erwiesen, nicht zulässig (Beschl. v. 19. 8. 1997 – 2 Ss 951/97 – ZAP EN-Nr. 886/97 = StraFo 1998, 190).

Auch wenn ein Polizeibeamter zu einem früheren Zeitpunkt anhand von vorgelegten Lichtbildern des Angeklagten sowie dessen Bruder keinen der beiden als Fahrzeugführer zur Tatzeit wiedererkannt hat, ist der Polizeibeamte nicht ein "völlig ungeeignetes" Beweismittel dafür, dass der Angeklagte zur Tatzeit nicht der Fahrzeugführer war (Beschl. v. 24. 2. 1998 – 4 Ss 163/98).

11. Urteilstenor (§ 260 StPO)

Zur Frage, wann die unzutreffende Angabe des Ordnungswidrigkeitentatbestandes zur Unwirksamkeit des Urteils führt (Beschl. v. 19. 4. 1999 – 2 Ss OWi 37/99 – DAR 1999, 416 = MDR 1999, 1019 = VRS 97, 185 = NZV 2000, 95).

Die fehlende Angabe der Schuldform im Urteilstenor ist nur dann unschädlich, wenn sich die Schuldform aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe einwandfrei entnehmen lässt (Beschl. v. 14. 2. 2000 – 2 Ss OWi 1258/99VRS 98, 440).

12. Freie Beweiswürdigung (§ 261 StPO)

Ein Verstoß gegen § 2 b Abs. 2 PersAuswG in Zusammenhang mit der Identifizierung des Betroffenen führt nicht zu einem Verwertungsverbot (Beschl. v. 3. 4. 1997 – 3 Ss OWi 248/97; v. 13. 11. 1997 – 3 Ss OWi 882/97; v. 18. 8. 1998 – 3 Ss OWi 592/98).

Die Urteilsfindung kann nicht auf Erkenntnisse aus einer vertagten Hauptverhandlung gestützt werden, wenn diese nicht ordnungsgemäß zum Gegenstand der neuen Hauptverhandlung gemacht worden sind (Beschl. v. 24. 11. 1997 – 2 Ss OWi 1378/97 – VRS 95, 33).

Aus den §§ 261, 267 StPO ergibt sich die Verpflichtung des Tatrichters, die erhobenen Beweise zu würdigen. Nicht ausreichend ist es, wenn nur die Einlassung des Beschuldigten und die Angaben der Zeugen wiedergegeben werden, ohne dass sich der Tatrichter damit auseinandersetzt (Beschl. v. 3. 6. 1998 – 2 Ss OWi 541/98 – VRS 95, 264).

Auch in Ordnungswidrigkeitenverfahren muss die Beweiswürdigung zumindest so beschaffen sein, dass sie für das Rechtsbeschwerdegericht nachvollziehbar darlegt, aus welchen Gründen der Tatrichter von der Richtigkeit der Angaben des Belastungszeugen überzeugt ist (Beschl. v. 30. 4. 1999 – 3 Ss OWi 297/99).

Aus der Formulierung des Tatrichters: "Auf dem Originallichtbild in DIN A-5-Vergrößerung ist der Betroffene aber hinreichend klar zu identifizieren" lässt sich noch auf eine ausreichende Bildqualität des von einem Verkehrsverstoß vorliegenden Lichtbildes des Betroffenen schließen (Beschl. v. 24. 3. 2000 – 2 Ss OWi 269/2000DAR 2000, 417 = Verkehrsrecht Aktuell 2000, 30, 31 = NZV 2001, 89).

Auch im OWi-Verfahren muss der Betroffene nicht den Entlastungsbeweis führen (Beschl. v. 10. 7. 2000 – 2 Ss OWi 216/2000DAR 2000, 581 = ZAP EN-Nr. 681/2000 = StraFo 2000, 385 = VRS 99, 285 = StV 2000, 659).

Zu Lücken in der Beweiswürdigung des Tatrichters bei einem Vergehen nach § 316 StGB (Beschl. v. 26. 10. 2000 – 4 Ss OWi 729/00 – BA 2001, 188).

13. Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts (§ 265 StPO)

Fehlt die Angabe der Schuldform im Bußgeldbescheid, so bedarf es zumindest eines Hinweises nach § 265 Abs. 1 StPO, wenn das Gericht Vorsatz annehmen will (Beschl. v. 25. 5. 2000 – 4 Ss OWi 779/00).

Will der Tatrichter gegen den Betroffenen ein im Bußgeldbescheid nicht angeordnetes Fahrverbot verhängen, muß er dem Betroffenen zuvor einen rechtlichen Hinweis erteilen (Beschl. v. 29.3. 2001 – 2 Ss OWi 1078/00).

14. Urteilsgründe (§ 267 StPO)siehe auch B.II.4

Stützt der Tatrichter den Schuldspruch auf Sachverständigengutachten, ist in den Urteilsgründen eine verständliche, in sich geschlossene Darstellung der dem Gutachten zugrundeliegenden Anknüpfungstatsachen, der wesentlichen Befundtatsachen und der das Gutachten tragenden fachlichen Begründung erforderlich (Beschl. v. 10. 12. 1998 – 3 Ss 1268/98; v. 16. 6. 2000 – 2 Ss OWi 537/2000DAR 2000, 483 = Verkehrsrecht Aktuell 2000, 32 = StraFo 2000, 310 = NZV 2000, 429 = StV 2000, 547 = VRS 99, 204).

Zu den Anforderungen an die Urteilsgründe, wenn für die Bemessung des Tagessatzes die Einkünfte des Angeklagten geschätzt werden (Beschl. v. 2. 11. 1999 – 2 Ss 699/99StraFo 2001, 19).

Will das Berufungsgericht trotz geringeren Schuldumfanges die gleiche Strafe wie das Erstgericht aussprechen, bedarf es einer besonderen Begründung (Beschl. v. 10. 8. 2000 – 3 Ss OWi 683/00).

Die Formulierung: "Aufgrund des Vergleichs des Betroffenen mit den vom Gericht in Augenschein genommenen Fotos, Bl. 6 d.A., stand zur Überzeugung des Gerichts zweifelsfrei fest, dass der Betroffene zum Tatzeitpunkt Fahrer des Fahrzeugs war", stellt keine Bezugnahme gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf ein zur Identifizierung geeignetes Beweisfoto im Sinn des Rechtsprechung des BGH dar (Beschl. v. 4. 2. 1997 – 2 Ss OWi 59/97StraFo 1997, 115 = VRS 93, 349).

Zu den Anforderungen an eine prozessordnungsgemäße Verweisung i.S.d. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf ein bei den Akten befindliches Foto; bei nur einem Foto ist die Angabe der Blattzahl nicht erforderlich (Beschl. v. 11. 11. 1997 – 2 Ss OWi 1337/97 – StraFo 1998, 52 = NZV 1998, 171 = VRS 94, 348).

Für eine i.S.d. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO prozessordnungsgemäße Verweisung auf ein bei den Akten befindliches, von einem Verkehrsverstoß gefertigtes Lichtbild des Betroffenen ist es nicht ausreichend, wenn das Urteil nur Ausführungen dazu enthält, dass das entsprechende Lichtbild in Augenschein genommen und ggf. mit dem in der Hauptverhandlung anwesenden Betroffenen verglichen worden ist. Mit diesen Ausführungen wird nämlich nur der Beweiserhebungsvorgang beschrieben. Durch sie wird jedoch nicht deutlich, dass das Lichtbild zum Gegenstand des Urteils gemacht worden ist, was jedoch Voraussetzung zur Anwendung der neueren Rspr. des BGH zu den Fällen der Identitätsfeststellung eines Betroffenen anhand eines bei einem Verkehrsverstoß gefertigten Lichtbildes ist (Beschl. v. 19. 5. 1998 – 2 Ss OWi 553/98NStZ-RR 1998, 238 = ZAP EN-Nr. 643/98 = VRS 95, 232).

Zu den Anforderungen an die Angaben im tatrichterlichen Urteil zur Identitätsfeststellung eines Betroffenen anhand eines bei einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme gefertigten Beweisfotos (Beschl. v. 12. 9. 1996 – 2 Ss OWi 955/96VRS 92, 335; v. 25. 4. 2000 – 1 Ss OWi 321/2000).

Wird im Urteil nicht auf zur Identifizierung des Fahrers geeignete Fotos verwiesen, muss das Urteil Ausführungen zur Bildqualität enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls charakteristische Identifizierungsmerkmale beschreiben (Beschl. v. 11. 3. 1998 – 4 Ss OWi 203/98; v. 7. 7. 1998 – 4 Ss OWi 784/98zfs 1999, 80; v. 23. 2. 1999 – 3 Ss OWi 81/99).

15. Protokoll der Hauptverhandlung (§§ 271, 274 StPO)

Das Protokoll der Hauptverhandlung ist nicht unterschrieben im Sinn von § 271 Abs. 1 StPO, wenn sich die Unterschrift des Richters lediglich auf einer die Urteilsformel beinhaltenden Anlage befindet (Beschl. v. 28. 11. 2000 – 2 Ss OWi 1099/2000DAR 2001, 86 = NStZ-RR 2001, 83 = StraFo 2001, 66; v. 15. 11. 2000 – VRS 100, 44).

16. Rechtsmittelrücknahme (§ 302 StPO)

Zu Rechtsmitteln bei Einwendungen gegen die Rücknahme der Berufung (Beschl. v. 15. 9. 1999 – 2 Ws 270/99VRS 98, 140).

17. Berufung (§ 312 StPO)

Wird nach zunächst unbestimmter Anfechtung eines amtsgerichtlichen Strafurteils innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO diese als Revision bezeichnet und gleichzeitig mit der formellen und materiellen Rüge begründet, der betreffende Schriftsatz jedoch nicht vom Verteidiger unterzeichnet, so ist das Rechtsmittel als Berufung durchzuführen (>Beschl. v. 27. 4. 1999 – 4 Ss 284/99VRS 97, 181).

18. Annahmeberufung (§ 313, 322 a StPO)

Die Entscheidung des Berufungsgerichts nach § 322 a Satz 1 StPO über die Annahme oder Nichtannahme der Berufung gegen ein Urteil, durch das das Amtsgericht den Angeklagten zu einer Geldstrafe von nicht mehr als 15 Tagessätzen verurteilt hat, ist nicht nur dann unanfechtbar, wenn die Berufung angenommen wird, sondern auch dann, wenn die Berufung wegen offensichtlicher Unbegründetheit nicht angenommen und deshalb als unzulässig verworfen wird (>Beschl. v. 5. 10. 1999 – 2 Ws 285/99VRS 98, 145).

19. Berufungsbeschränkung (§ 318 StPO)

Eine Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch scheidet dann aus, wenn der Schuldspruch und die Rechtsfolgenbemessung so miteinander verknüpft sind, dass ein im Rahmen der Rechtsfolgenbemessung erhöhend oder mindernd wirkender Umstand einen untrennbaren Teil des Schuldvorwurfs (eine doppelrelevante Tatsache) bildet. (Beschl. v. 9. 12. 1997 – 3 Ss OWi 1374/97).

Wird die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt, so darf in den Urteilsgründen des Berufungsurteils auf die Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils zum Schuldspruch Bezug genommen werden. Es muss aber genau angegeben werden, in welchem Umfang dessen Inhalt übernommen wird. Fehlt jedwede Inbezugnahme von Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts, sind die Urteilsgründe lückenhaft (Beschl. v. 16. 7. 1997 – 2 Ss 706/97NStZ-RR 1997, 369 = VRS 94, 117).

20. Ausbleiben des Angeklagten im Berufungshauptverhandlungstermin (§ 329 StPO)

a) Genügende Entschuldigung/Anforderungen an Aufklärungspflicht/Urteil

Zu den Anforderungen an die Pflicht des Berufungsgerichts, mit der Verwerfung der Berufung des Angeklagten gem. § 329 Abs. 1 StPO zu warten, wenn dieser zwar bei Beginn der Hauptverhandlung ausgeblieben ist, er aber noch vor Terminsbeginn konkrete Gründe für sein Nichterscheinen mitgeteilt hatte (Beschl. v. 16. 5. 1997 – 2 Ws 165/97 – ZAP EN-Nr. 559/97 = NStZ-RR 1997, 368).

Bei der Frage, ob der Angeklagte i.S.d. § 329 Abs. 1 StPO genügend entschuldigt ist, kann allein aus dem Fehlen eines ärztlichen Attestes für den geltend gemachten Entschuldigungsgrund: Erkrankung, nicht geschlossen werden, dass das Entschuldigungsvorbringen nicht der Wahrheit entspricht, so dass deshalb der Angeklagte nicht genügend entschuldigt wäre (>Beschl. v. 18. 3. 1997 – 2 Ss 142/97DAR 1997, 361 = ZAP EN-Nr. 389/97 = NStZ-RR 1997, 240 = VRS 93, 387).

Erklärt der Verteidiger dem Angeklagten, der Berufungshauptverhandlungstermin sei aufgehoben worden, so darf der Angeklagte auf die Auskunft grds. vertrauen und trifft ihn kein Verschulden an seinem Ausbleiben, so dass ggf. Wiedereinsetzung zu gewähren ist (Beschl. v. 11. 10. 1996 – 2 Ws 405/96NStZ-RR 1997, 113 = VRS 93, 177).

Das Ausbleiben des Angeklagten im Berufungshauptverhandlungstermin ist dann entschuldigt, wenn dem Angeklagten wegen seines Nichterscheinens ein Vorwurf nicht gemacht werden kann. Das ist u.a. dann der Fall, wenn die Verspätung auf einer Verkehrsstörung beruht und der Angeklagte bei Anreise mit seinem Pkw eine ausreichende Zeitreserve einkalkuliert hat. Hier ist für die Fahrt von Aschaffenburg nach Dortmund eine zur Verfügung stehende Zeitspanne von 4 Stunden 30 Minuten als ausreichend angesehen worden (Beschl. v. 7. 8. 1997 – 2 Ws 270/97 – ZAP EN-Nr. 771/97 = NZV 1997, 493 = zfs 1998, 115 = VRS 94, 274).

Das Ausbleiben des Angeklagten im Berufungshauptverhandlungstermin ist dann nicht genügend entschuldigt, wenn der Angeklagte die Anreise zum Termin von vornherein so plant, dass ein rechtzeitiges Erscheinen ausgeschlossen ist (Beschl. v. 8. 12. 1998 – 4 Ws 699/98).

Der Angeklagte darf sich auf die Zusage eines Verwandten, er werde ihn zum Hauptverhandlungstermin fahren, verlassen, sofern keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, gegenüber der Zuverlässigkeit dieser Zusage, misstrauisch zu sein (Beschl. v. 11. 12. 1997 – 3 Ws 588/97).

Infolge Krankheit "genügend entschuldigt" i.S.d. § 329 Abs. 1 StPO ist der Angeklagte im Übrigen dann, wenn die Krankheit nach ihrer Art oder nach ihren Wirkungen, insbesondere nach dem Umfang der von ihr ausgehenden körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen eine Beteiligung an der Hauptverhandlung unzumutbar erscheinen lässt; vorliegend für starke eitrige Entzündung am Bein und am Gesäß mit neuem Eiterausbruch und durch Verband quellendem Eiter bejaht (Beschl. v. 8. 4. 1998 – 2 Ss 394/98StraFo 1998, 233 = NStZ-RR 1998, 281).

Eine Autopanne wird in der Regel als genügende Entschuldigung im Sinn von § 329 Abs. 1 StPO anzusehen sein. Der Angeklagte ist auch nicht verpflichtet, sich zu erkundigen, bis wann sein Erscheinen bei Gericht sinnvoll ist, um dann ggf. mit einem Taxi zu dem rund 80 km weit entfernten Gerichtsort zu fahren (Beschl. v. 26. 2. 1999 – 2 Ss 121/99DAR 1999, 277 [Ls.] = VRS 97, 44).

Das tatrichterliche Urteil, mit dem die Berufung des Angeklagten gemäß § 329 Abs. 1 StPO verworfen wird, muss sich, wenn ausweislich des Protokolls in der Hauptverhandlung ärztliche Bescheinigungen verlesen worden sind, mit diesen inhaltlich auseinandersetzen. Liegen aufgrund ärztlicher Bescheinigungen konkrete Anhaltspunkte für Verhandlungs- oder Reiseunfähigkeit des Angeklagten vor, muss das Tatgericht diesen nachgehen (>Beschl. v. 7. 10. 1999 – 2 Ss 1011/99 – DAR 2000, 56 [Ls.] = NStZ-RR 2000, 85 = VRS 98, 203; v. 27. 4. 2000 – 4 Ss 792/00; v. 8. 8. 2000 – 5 Ws 159/00; v. 1. 8. 2000 – 3 Ss 707/2000).

Hat eine amtsärztliche Untersuchung stattgefunden, darf sich das Berufungsgericht nicht mit einem bloßen Hinweis auf diese begnügen, sondern muss deren wesentliches Ergebnis mitteilen (Beschl. v. 8. 4. 1998 [s.o.]).

Hat der Angeklagte schon zu einem früheren Zeitpunkt unter Berufung auf eine familiäre Notlage die Verlegung des Berufungshauptverhandlungstermins beantragt und hat gestützt darauf der Verteidiger in der Hauptverhandlung einen Vertagungsantrag gestellt, kann die Berufung nicht mit einer formularmäßigen Begründung verworfen werden (Beschl. v. 10. 9. 1998 – 4 Ss 1051/98).

Hat das Berufungsgericht im Freibeweisverfahren Beweis über die Entschuldigungsgründe des Angeklagten erhoben, muss es sich damit im Verwerfungsurteil auseinandersetzen (Beschl. v. 24. 9. 1998 – 3 Ss 946/98).

Der Angeklagte ist nicht zu einer Glaubhaftmachung oder gar zu einem Nachweis der vorgebrachten Entschuldigungsgründe für sein Ausbleiben im Berufungshauptverhandlungstermin verpflichtet; der Angeklagte hat nur Entschuldigungsgründe, die das Gericht nicht kennen kann, mitzuteilen und dem Gericht eine Überprüfungsmöglichkeit zu geben (Beschl. v. 19. 6. 2000 – 3 Ss OWi 1056/00).

Der Begriff der unentschuldigten Säumnis im Sinn von § 329 Abs. 1 StPO setzt auch eine Pflichtverletzung des Angeklagten in subjektiver Hinsicht voraus (Beschl. v. 5. 9. 2000 – 5 Ss 817/00).

Die fehlende Kenntnis des Angeklagten von der im Wege der öffentlichen Zustellung bewirkten Ladung entschuldigt die Säumnis des Angeklagten im Berufungshauptverhandlungstermin nicht (Beschl. v. 20. 7. 2000 – 5 Ss 553/2000). .

Die Nichtbescheidung eines rechtzeitig vor der Berufungshauptverhandlung gestellten Antrags auf Fahrtkostenhilfe kann ausnahmsweise das Ausbleiben des Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung entschuldigen (Beschl. v. 23. 3. 2000 – 4 Ws 112/2000) .

b) Rechtsmittel gegen Verwerfungsurteil

Die Rechtsfehlerhaftigkeit der Verwerfung der Berufung wegen Ausbleiben des Angeklagten gem. § 329 Abs. 1 StPO kann nicht im Wiedereinsetzungsverfahren, sondern nur mit der Revision geltend gemacht werden (Beschl. v. 22. 1. 1997 – 2 Ws 9/97 – ZAP EN-Nr. 265/97 = wistra 1997, 157 = StV 1997, 346).

Während ein Verwerfungsurteil nach § 329 Abs. 1 StPO bei Anhaltspunkten für eine eventuelle Entschuldigung unter Umständen erst nach Durchführung von Ermittlungen durch das Berufungsgericht ergehen darf, hat der Angeklagte selbst sein Vorbringen im Rahmen der nach §§ 329 Abs. 3, 45 StPO begehrten Wiedereinsetzung durch Beibringung von geeigneten Beweismitteln glaubhaft zu machen (Beschl. v. 14. 12. 1998 – 2 Ws 579/98 – VRS 96, 440).

Soll mit der Revision gegen ein nach § 329 Abs. 1 S. 1 StPO ergangenes Verwerfungsurteil gerügt werden, die Berufung hätte deshalb nicht verworfen werden dürfen, weil ein mit Vertretungsvollmacht versehener Verteidiger erschienen war, muss für eine den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO entsprechende formelle Rüge, das in der Revisionsbegründung ausdrücklich vorgetragen werden (Beschl. v. 16. 1. 1997 – 2 Ss 1278/96 – ZAP EN-Nr. 182/97).

Ergibt sich aus dem tatrichterlichen Urteil, mit dem die Berufung des Angeklagten wegen Ausbleibens im Berufungshauptverhandlungstermin verworfen worden ist, nicht, dass der Angeklagte überhaupt Entschuldigungsgründe vorgebracht hatte, muss dazu in der Revisionsbegründung bei der Begründung der formellen Rüge vorgetragen werden (Beschl. v. 30. 11. 2000 – 3 Ss 589/00).

Die Sperrwirkung des § 55 Abs. 2 JGG gilt auch für den Fall der Verwerfung der Berufung nach § 329 Abs. 1 StPO (Beschl. v. 8. 12. 1998 – 2 Ss 1426/98StV 1999, 657 [Ls.]; v. 22. 12. 1998 – 4 Ss 1400/98).

21. Sprungrevision (§ 335 StPO)

Die Sprungrevision wird als Revision behandelt, wenn über die ursprünglich eingelegte konkurrierende Berufung entschieden und die gegen diese Entscheidung eingelegte Revision entscheidungsreif ist (Beschl. v. 23. 10. 1997 – 2 Ss 1049/97NStZ 1998, 270).

Bei verschiedenartiger Anfechtung eines Urteils durch mehrere Verfahrensbeteiligte tritt gemäß § 335 Abs. 3 StPO das Rechtsmittel der Berufung an die Stelle der eigentlich eingelegten Revision eines Verfahrensbeteiligten, so lange die Berufung des anderen Verfahrensbeteiligten nicht zurückgenommen oder durch das Berufungsgericht als unzulässig verworfen worden ist. Die Zurücknahme und Verwerfung der Berufung als unzulässig steht aber der Verwerfung der Berufung wegen Nichterscheinens gemäß § 329 Abs. 1 StPO nicht gleich (Beschl. v. 23. 1. 2001 – 1 Ss 5/2001).

22. Absolute Revisionsgründe (§ 338 StPO)

Der Grundsatz der Öffentlichkeit erfordert auch im Bußgeldverfahren, wenn die Hauptverhandlung außerhalb des Sitzungssaals fortgesetzt wird, zumindest dann einen Aushang am Gerichtssaal, in dem auf Ort und Zeit der (Weiter)Verhandlung hingewiesen wird, wenn in dem Ortstermin nicht nur die Örtlichkeit in Augenschein genommen wird, sondern die Hauptverhandlung dort auch mit Urteilsverkündung zum Abschluss gebracht wird (Beschl. v. 10. 7. 2000 – 2 Ss OWi 216/2000DAR 2000, 581 = StraFo 2000, 385 = VRS 99, 285 = StV 2000, 659).

23. Einspruch gegen den Strafbefehl (410 StPO)

Die Beschränkung des Einspruchs gegen einen Strafbefehl auf die Höhe der Tagessätze ist zulässig (Beschl. v. 17. 10. 2000 – 5 Ss 897/00DAR 2001, 133).

24. Revisionsbegründung (§ 344 StPO)

Behauptet der Beschwerdeführer, dass das Gericht zu Unrecht einen Beweisantrag abgelehnt habe, so müssen zur ordnungsgemäßen Begründung der Verfahrensrüge der Inhalt des Antrags und des gerichtlichen Ablehnungsbeschlusses sowie die Tatsachen mitgeteilt werden, welche die Fehlerhaftigkeit des Ablehnungsbeschlusses ergeben (Beschl. v. 16. 2. 1999 – 2 Ss OWi 42/99DAR 1999, 276; v. 4. 12. 2000 – 4 Ss OWi 1082/00).

Die ausdrückliche Erhebung der formellen Rüge ist zwar üblich, sie ist jedoch nicht unbedingt erforderlich, da die Revisionsbegründung (auch) insoweit auslegungsfähig ist. Für die i. S. d. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO ausreichende Begründung der formellen Rüge, das Gericht habe einen Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt, ist auch nicht in jedem Fall die wörtliche Wiedergabe des abgelehnten Beweisantrags und der ablehnenden Entscheidung des Gerichts erforderlich. Entscheidend ist vielmehr, dass der Verteidiger die Tatsachen, die den nach seiner Meinung vorliegenden Verfahrensmangel ausmachen, hinreichend deutlich darstellt. Das kann auch bei einem Beweisantrag, mit dem geltend gemacht wird, das Gericht habe den Antrag zu Unrecht als wahr abgelehnt, genügen (Beschl. v. 15. 5. 1998 – 2 Ss 601/98 – ZAP EN-Nr.454/98 = Rpfleger 1998, 367).

Bei der Rüge der unzulässig unterbliebenen Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen obliegt es dem Betroffenen darzulegen, aus welchen Gründen der Tatrichter von der Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung einen Beitrag zur Aufklärung des Sachverhaltes unter keinen Umständen hätte erwarten können (Beschl. v. 15. 1. 2001 – 3 Ss OWi 1073/2001).

25. Revisionsbegründungsbegründungsfrist/-anträge (§ 345 StPO)

Die Revisionsbegründung muss der Vorschrift des § 345 Abs. 2 StPO genügen. Unterzeichnet ein Rechtsanwalt als Verteidiger die Revisionsbegründungsschrift muss er für ihren Inhalt die volle Verantwortung übernehmen. Tut er das nicht oder verbleiben daran nur Zweifel, ist die Revision unzulässig. Das kann insbesondere auch der Fall sein, wenn die Begründung der Revision wie folgt lautet: "Der Mandant rügt zunächst die mangelnde Sachaufklärung." und weiter: "Eine vollständige Aufklärung des Sachverhalts, so lässt hier der Angeklagte vortragen, hätte dazu geführt,..." (Beschl. v. 27. 4. 1998 – 2 Ss 1577/97DAR 1998, 322 = StraFo 1998, 317 = VRS 95, 270 = NStZ-RR 1999, 20).

Das Unterzeichnen der Rechtsbeschwerdebegründung mit dem Zusatz "i.V." spricht dafür, dass der unterzeichnende Rechtsanwalt nicht eigenverantwortlicher Verfasser der Rechtsbeschwerdebegründung gewesen ist und kann zur Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde führen (§§ 345 StPO, 80 OWiG). Denn die Rechtsbeschwerde ist schon nicht formgerecht begründet, wenn nur Zweifel daran bestehen, dass der die Rechtsbeschwerdebegründung Unterzeichnende nicht die volle Verantwortung für den Inhalt der Begründungsschrift übernimmt (Beschl. v. 10. 7. 2000 – 2 Ss OWi 646/2000 – ZAP EN-Nr. 616/2000 = StraFo 2000, 345 = Verkehrsrecht Aktuell 2000, 92 = MDR 2000, 1245 = VRS 99, 285 = Rpfleger 2000, 565 = DAR 2001, 177 = NZV 2001, 314).

Die zulässige erhobene Sachrüge setzt voraus, dass die Revision erkennbar auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützt werden soll (Beschl. v. 16. 2. 1999 –– DAR 1999, 276; v. 2. 9. 1999 – 2 Ss 708/99 – DAR 2000, 83 = VRS 98, 146).

II. Ordnungswidrigkeitenrecht

1. Wirksamkeit des Bußgeldbescheides (§ 66 OWiG)

Zur Frage der Wirksamkeit eines durch Computer erlassenen Bußgeldbescheides (Beschl. v. 3. 2. 1998 – 4 Ss OWi 1331/97).

Die Wirksamkeit des Bußgeldbescheides als Verfahrensgrundlage wird durch eine fehlerhafte Tatzeitangabe nicht in Frage gestellt, wenn der Betroffene diesen Irrtum als offensichtlich erkennen konnte und eine Verwechslungsgefahr nicht bestand (im entschiedenen Fall Wirksamkeit bejaht trotz falscher Tatzeitangabe für die zur Last gelegte Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 a StVG; Beschl. v. 15. 7. 1998 – 2 Ss OWi 812/98NStZ-RR 1998, 372 = VRS 96, 43).

Die fehlerhafte Tatzeitangabe (irrtümlich 15. März anstelle 6. März) führt bei einer Verkehrsordnungswidrigkeit (Rotlichtverstoß) ohne besondere Vorkommnisse zur Unwirksamkeit des Bußgeldbescheides, da der Betroffene nicht erkennen kann, welches Verhalten geahndet werden soll. Ein solcher Bußgeldbescheid kann dann nicht gem. § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG die Verjährung unterbrechen (Beschl. v. 21. 5. 1999 – 2 Ss OWi 486/99DAR 1999, 371 = MDR 1999, 1063 = VRS 97, 182 = zfs 2000, 127).

Das Fehlen von Angaben über Ort und Strecke der Tatbegehung im Bußgeldbescheid wegen Geschwindigkeitsüberschreitung stellt kein Verfahrenshindernis dar. Es ist auch ausreichend, wenn bei mehreren Verkehrsverstößen die einzelnen Verstöße durch den Zeitraum, in dem sie begangen worden sein sollen, im Bußgeldbescheid beschrieben werden (Beschl. v. 17. 5. 1996 – 2 Ss OWi 128/96 – DAR 1996, 324 [Ls.] = VRS 92, 36).

Ein Schreibfehler hinsichtlich des Nachnamens des Betroffenen führt dann nicht zur Unwirksamkeit des Bußgeldbescheides, wenn sich die Identität des Betroffenen aus den im Übrigen vorhandenen richtigen Angaben zweifelsfrei ergibt (Beschl. v. 18. 5. 2000 – 3 Ss OWi 475/2000 – Verkehrsrecht Aktuell 2000, 51).

2. Einstellung des Verfahrens (§ 47 OWiG)

Die Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens durch das Rechtsbeschwerdegericht nach § 47 Abs. 2 OWiG wegen geringer Bedeutung setzt die vorherige Zulassung der Rechtsbeschwerde nach §§ 79 Abs. 1 Satz 2, 80 Abs. 1 OWiG nicht voraus. Das gilt insbesondere nach Einführung des mit nur einem Richter besetzten Bußgeldsenats, da anderenfalls dieser die Sache dem mit drei Richtern besetzten Bußgeldsenat zur Entscheidung über die Zulassung vorliegen müsste, was nicht dem mit der Einführung des § 80 a OWiG bezweckten Entlastungseffekt entsprechen würde (Beschl. v. 29. 9. 1998 – 2 Ss OWi 1023/98NZV 1998, 514 = VRS 96, 118).

3. Einspruch (§ 67 OWiG)

Im Bußgeldverfahren kann der Einspruch auf die Rechtsfolgen beschränkt werden (Beschl. v. 12. 5. 2000 – 2 Ss OWi 408/2000 – Verkehrsrecht Aktuell 2000, 25 = ZAP EN-Nr. 490/2000 = MDR 2000, 881 = zfs 2000, 416 = VRS 99, 220 = VM 2001, 4 [Nr. 3]).

Nach Rücknahme des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid kann eine Sachentscheidung nicht mehr ergehen (Beschl. v. 23. 1. 2001 – 2 Ss OWi 1125/2000 = DAR 2001, 229).

4. Urteilsgründe (§ 71 OWiG)siehe auch oben B.I.13.

Auch im Bußgeldverfahren ist es nicht Aufgabe des Betroffenen, seine Unschuld zu beweisen, vielmehr muss das Gericht mit den zur Verfügung stehenden Beweismitteln die Täterschaft des Betroffenen nachweisen (Beschl. v. 10. 7. 2000 – 2 Ss OWi 216/2000DAR 2000, 581 = ZAP EN-Nr. 681/2000 = StraFo 2000, 385 = VRS 99, 285 = StV 2000, 659).

5. Entscheidung durch Beschluß (§ 72 OWiG)

Der Widerspruch des Betroffenen bereits in der Einspruchsschrift ist nicht deshalb unwirksam, weil er mit dem Zusatz "zunächst" versehen war (Beschl. v. 29. 1. 2001 – 1 Ss OWi 1179/00).

6. Entbindung vom persönlichen Erscheinen (§ 73 OWiG)

Die Anordnung des persönlichen Erscheinens entfällt nicht schon dadurch, dass der Betroffene nach der Erklärung seines Verteidigers in der Hauptverhandlung zum Schweigen entschlossen ist (Beschl. v. 15. 4. 1999 – 1 Ss OWi 358/99).

7. Verfahren bei Abwesenheit (§ 74 OWiG)

In der Hauptverhandlung, in der der Betroffene in erlaubter Weise gem. § 74 Abs. 1 OWiG nicht erschienen und auch nicht vertreten ist, dürfen nur dem Betroffenen bekannte Beweismittel verwendet werden. Verwendet das Gericht von einem Zeugen erst in der Hauptverhandlung mitgebrachte und zu den Akten gereichte Beweismittel (hier: Computerberechnungsbögen) verletzt es den sich aus Art. 103 Abs. 1 GG ergebenden Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör (Beschl. v. 14. 2. 1997 – 2 Ss OWi 1306/96 = ZAP EN-Nr. 266/97 = VRS 93, 359).

Nach übereinstimmender obergerichtlicher Rspr. ist für die Verwerfung des Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG entscheidend, ob der Betroffene genügend entschuldigt ist, nicht, ob er sich genügend entschuldigt hat. Liegt ein konkreter Hinweis für einen Entschuldigungsgrund vor, muss das Gericht dem im Rahmen der Amtsaufklärung nachgehen. So kann es z.B. zumindest verpflichtet sein, den Betroffenen, der ausbleibt, zuhause zu erreichen, um die anstehenden Fragen abzuklären (Beschl. v. 23. 12. 1996 – 2 Ss OWi 1464/96 – ZAP EN-Nr. 230/97 = VRS 93, 122; siehe auch Beschl. v. 17. 3. 1997 – 4 Ss OWi 116/97).

Der Betroffene ist genügend i.S.v § 74 Abs. 2 OWiG entschuldigt, wenn er aufgrund einer Mitteilung in der Ladung, wonach er zum Erscheinen in der Hauptverhandlung nicht verpflichtet sei, der Hauptverhandlung fernbleibt (Beschl. v. 20.04.1999 – 2 Ss OWi 381/99 – DAR 1999, 327 [Ls.] = NZV 1999, 307 = VRS 97, 190).

Zur Frage, wann die Erkrankung des Verteidigers das Ausbleiben des Betroffenen im Hauptverhandlungstermin entschuldigt (Beschl. v. 22. 9. 1999 – 1 Ss OWi 395/99).

Der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid kann, wenn der Betroffene vom Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden worden ist, nicht mit der Begründung verworfen werden, der Verteidiger des Betroffenen sei ohne genügende Entschuldigung nicht zum Termin erschienen (Beschl. v. 25. 6. 2001 – 2 Ss OWi 531/01).

Bei der Verwerfung des Einspruchs wegen Ausbleiben des Betroffenen in der Hauptverhandlung nach § 74 OWiG hat das Amtsgericht die Umstände, die nach Auffassung des Betroffenen sein Fernbleiben im Hauptverhandlungstermin entschuldigen sollen, so vollständig und ausführlich mitzuteilen, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Prüfung, ob zutreffend von einer nicht genügenden Entschuldigung ausgegangen worden ist, allein aufgrund der Urteilsgründe möglich ist (Beschl. v. 11. 3. 1997 – 2 Ss OWi 128/97MDR 1997, 686 = NZV 1997, 411 [Ls.] = ZAP EN-Nr. 691/97 = VRS 93, 450).

8. Rechtsbeschwerde (§ 79 OWiG)Siehe auch oben B.I.22. und B.I.23.

Zur ordnungsgemäßen Begründung der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs muss der Betroffene, wenn er die Rüge darauf stützen will, dass er nicht ohne seinen Verteidiger habe verhandeln können, bei einfacher Sach- und Rechtslage vortragen, warum dem so gewesen ist (Beschl. v. 3. 8. 1999 – 2 Ss OWi 590/99VRS 98, 117 = StraFo 2000, 171).

Zur Wirksamkeit eines vom Betroffenen im Bußgeldverfahren erklärten Rechtsmittelverzichts (Beschl. v. 28. 9. 1999 – 2 Ss OWi 951/99 – DAR 1999, 86 = VRS 96, 212 = NZV 1999, 182 = MDR 1999, 499).

9. Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 80 OWiG)

a) Zulassungsvoraussetzungen

Die Eintragung im Verkehrszentralregister ist keine Nebenfolge "nichtvermögens-rechtlicher Art" i.S.d. § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG. Eine Rechtsbeschwerde bedarf daher, auch wenn wegen der Höhe der festgesetzten Geldbuße gem. § 28 Abs. 1 Nr. 3 StVG eine Eintragung im Verkehrszentralregister erfolgt, der ausdrücklichen Zulassung gem. § 80 OWiG (Beschl. v. 1. 10. 1006 – 2 Ss OWi 1150/96 – DAR 1997, 29 = VM 1997 Nr. 39 = ZAP EN-Nr. 933/96 = VRS 92, 345).

Die Eintragung im Verkehrszentralregister ist auch dann keine Nebenfolge "nichtvermögensrechtlicher Art " i. S. d. § 79 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 OWiG, wenn der Betroffene lediglich Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe ist und die Eintragung gem. § 2 Abs. 2 StVG zu einer sog. Nachschulung des Betroffenen führt. Die Rechtsbeschwerde bedarf daher auch in diesen Fallen der ausdrücklichen Zulassung (Beschl. v. 7. 7. 1997 – 2 Ss OWi 754/97DAR 1997, 410 = ZAP EN-Nr. 734/97 = MDR 1997, 932 = NZV 1997, 495 [Ls.] = VM 1998, 13 [Nr. 16] = NStZ-RR 1998, 85 = VRS 94, 127).

Die Rechtsbeschwerde ist nicht allein deshalb zuzulassen, weil das angefochtene Urteil zwar Gründe enthält, diese aber lückenhaft sind. Das Rechtsbeschwerdegericht kann dann vielmehr anhand des Bußgeldbescheides, des Zulassungsantrags und der Rechtsbeschwerdebegründung entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Zulassung vorliegen (>Beschl. v. 14. 4. 2000 – 2 Ss OWi 422/2000VRS 99, 219).

b) Begründung des Zulassungsantrags

Zur ausreichenden Begründung des Zulassungsantrags, mit dem gerügt werden soll, dem Betroffenen sei das rechtliche Gehör versagt worden (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG), ist substantiiert darzulegen, was der Betroffene im Fall seiner Anhörung geltend gemacht hätte. Das gilt besonders dann, wenn zunächst zum Ausdruck gebracht worden ist, der Betroffene werde sich zur Sache nicht äußern, nun aber behauptet wird, bei einer beantragten kommissarischen Vernehmung hätte der Betroffene Angaben zur Sache gemacht, so dass diese zu Unrecht abgelehnt worden sei (Beschl. v. 11. 9. 1999 – 2 Ss OWi 1021/98 – ZAP EN-Nr. 888/98 = NStZ-RR 1999, 23 = VRS 99, 60 = StraFo 1999, 132 = NZV 1999, 220).

Wenn mit dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG geltend gemacht werden soll, dass das rechtliche Gehör dadurch verletzt worden sei, dass dem Betroffenen nicht das letzte Wort erteilt und seinem Verteidiger keine Gelegenheit gegeben worden sei, den Schlussvortrag zu halten, ist es zur ausreichenden Begründung des Zulassungsantrags erforderlich, dass vorgetragen wird, was bei Gewährung des letzten Wortes bzw. des Schlussvortrags noch vorgetragen worden wäre (Beschl. v. 15. 3. 1999 – 2 Ss OWi 10/99DAR 1999, 566 [Ls.] = MDR 1999, 887 = VRS 97, 142 = StraFo 1999, 350).

Zu den Anforderungen an die Begründung eines Rechtsbeschwerdezulassungsantrags, mit dem die Versagung des rechtlichen Gehörs geltend gemacht wird (>Beschl. v. 2. 9. 1996 – 3 Ss OWi 1571/96; v. 16. 2. 2000 – 2 Ss OWi 18/2000).

Soll die Rechtsbeschwerde mit einem Verstoß gegen § 73 Abs. 2 OWiG begründet werden, muss vorgetragen werden, aus welchen Gründen das Amtsgericht den Antrag des Betroffenen gemäß § 73 Abs. 2 OWiG, ihn von der grundsätzlichen Pflicht zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung gemäß § 73 Abs. 1 OWiG zu entbinden, abgelehnt hat (Beschl. v. 11. 2. 2000 – 2 Ss OWi 76/2000).

Zur ausreichenden Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen ein Urteil, mit dem der Einspruch des Betroffenen wegen Ausbleibens im Hauptverhandlungstermin verworfen worden ist (Beschl. v. 24. 2. 2000 – 4 Ss OWi 1023/99).

10. Besetzung der Bußgeldsenate (§ 80 a OWiG)

Der Bußgeldsenat ist bei der Entscheidung über eine Rechtsbeschwerde auch dann mit drei Richtern besetzt, wenn die Staatsanwaltschaft, die nicht an der Hauptverhandlung teilgenommen hat, die Verhängung eines Fahrverbots, dass im Bußgeldbescheid festgesetzt, vom Amtsgericht aber nicht verhängt worden ist, mit ihrer Rechtsbeschwerde weiterverfolgt (Beschl. v. 29. 4. 1999 – 2 Ss OWi 1533/98MDR 1999, 1019 = DAR 1999, 415 [Ls.] = NZV 1999, 394 = VRS 97, 26).

Hat der Bußgeldsenat nach § 80 a Abs. 2 Nr. 2 OWiG mit nur einem Richter zu entscheiden, ist der Senat nicht nur in der Hauptsache, sondern auch bei allen damit zusammenhängenden Entscheidungen mit nur einem Richter besetzt (>Beschl. v. 3. 11. 1999 – 2 Ss OWi 1070/99NJW 2000, 451 = DAR 2000, 83 = MDR 2000, 226 = VRS 98, 221 = ZAP EN-Nr. 31/2000).

Über eine weitere Beschwerde hat im OWi-Verfahren gemäß 80 a Abs. 2 Nr. 2 OWiG der Senat in der Besetzung mit einem Richter zu entscheiden (Beschl. v. 9. 3. 2000 – 4 Ws 92/2000).

Der Bußgeldsenat des OLG hat über eine Beschwerde gegen in der Hauptverhandlung wegen Ungebühr ergangene Ordnungsbeschlüsse auch dann gemäß § 122 Abs. 1 GVG in der Besetzung mit drei Richtern zu entscheiden, wenn über die Rechtsbeschwerde des Betroffenen nach § 80 a Abs. 2 Nr. 1 OWiG der Einzelrichter zu entscheiden hätte (Beschl. v. 28. 11. 2000 – 2 Ws 292 u. 296/2000 = DAR 2001, 134 = VRS 100, 29).


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